Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.10.2009, Az.: 12 TaBV 123/08

Abgrenzung der Zuständigkeit des Betriebsrats des Entsendebetriebs und des Entleiherbetriebs bei Leiharbeitnehmern

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
23.10.2009
Aktenzeichen
12 TaBV 123/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 37088
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2009:1023.12TABV123.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 09.10.2008 - AZ: 4 BV 6/08

Fundstellen

  • NZA 2010, 468
  • NZA-RR 2010, 144-147

Redaktioneller Leitsatz

1. a) Bei Maßnahmen, die Leiharbeitnehmer betreffen, richtet sich die Abgrenzung der Zuständigkeit des Betriebsrats des Entsende- und des Entleiherbetriebs danach, ob der Verleiher als Vertragsarbeitgeber oder der Entleiher die mitbestimmungspflichtige Entscheidung trifft. Über die Eingruppierung von Leiharbeitnehmern entscheidet der Verleiher.

b) Ein Recht auf Beteiligung an dieser Entscheidung steht dem Betriebsrat zu, der für den Betrieb des Verleihers errichtet ist, da nur dieser kann Beteiligungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz gegenüber dem Vertragsarbeitgeber und Inhaber des Entsendebetriebs wahrnehmen kann.

2. Vereinbaren mehrere Arbeitgeber die gemeinsame Durchführung von Maßnahmen der Berufsbildung, ohne dass einzelne Arbeitgeber einen beherrschenden Einfluss hätten, so haben die Betriebsräte der betroffenen Betriebe bei der Durchführung der Bildungsmaßnahmen zwar kein Mitbestimmungsrecht nach § 98 Abs. 1 BetrVG, sie haben jedoch in entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 1 BetrVG beim Abschluss der Vereinbarung über die Zusammenarbeit insoweit mitzubestimmen, als Regelungen über die spätere Durchführung von Bildungsmaßnahmen getroffen werden.

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin und Bet. zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.10.2008 - 4 BV 6/08 - teilweise abgeändert:

Der Antrag des Beteiligten zu 2), die Beteiligte zu 1) zu verpflichten, bei der Einstellung von Trainees im Rahmen des Kooperationsvertrages vom 05.03.2008 eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppe des Gehaltstarifvertrages des Zeitungsverlagsgewerkes in Niedersachsen vorzunehmen und den Beteiligten zu 2) gemäß § 99 BetrVG hieran zu beteiligen, wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.10.2008 - 4 BV 6/08 - wird zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten, nachdem ein ursprüngliches Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 BetrVG durch Zeitablauf von den Beteiligten im erstinstanzlichen Termin vom 09.10.2008 übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, noch über Gegenanträge des Beteiligten zu 2) bezüglich des Bestehens von Mitbestimmungsrechten bei der Zuweisung von Trainees zu der Beteiligten zu 1).

2

Die Beteiligte zu 1) ist eine Verlagsgesellschaft, die Tageszeitungen herausgibt. Der Beteiligte zu 2) ist der bei ihr gebildete Betriebsrat. Die Beteiligte zu 1) ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes des Zeitungsverlagsgewerbes Niedersachsen und wendet die Tarifverträge für Angestellte des Zeitungsverlagsgewerbes Niedersachsen an. Sie war bis Ende 2007 Vertragspartnerin für Redaktionsvolontäre, Trainees und sonstige Auszubildende. Ende 2007 wurde die Firma M.. M. B. GmbH & Co. KG (nachfolgend M..) gegründet. Geschäftsführerin der Komplementärgesellschaft ist die Leiterin der Personalentwicklung der Beteiligten zu 1); weiter arbeitsvertraglich bei der M.. angesiedelt sind zwei Personalentwicklerinnen. Trainees der Verlagsgesellschaft M. werden nunmehr von der M.. angestellt, die sie zu Ausbildungszwecken der Beteiligten zu 1) sowie weiteren Gesellschaften zur Verfügung stellt. Über die Organisation der Ausbildung der Redaktionsvolontäre, Trainees und Auszubildenden verhält sich der Kooperationsvertrag zwischen der M.. und der Beteiligten zu 1) vom 05. März 2008 (Blatt 27 bis 30 der Gerichtsakte). Nach § 1 stellt die M.. die Nachwuchskräfte verantwortlich ein, schließt die entsprechenden Ausbildungsverträge und entsendet sie zur Ausbildung dem Ausbildungspartner. Der Ausbildungspartner verpflichtet sich, die Nachwuchskräfte umfassend und gründlich zu qualifizieren. Die Vergütung erfolgt über die M.. Das Direktionsrecht wird nach § 1 Abs. 6 von der M.. ausgeübt, der Ausbildungspartner ist jedoch den Nachwuchskräften gegenüber hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der ausgeübten Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben weisungsbefugt. Die Nachwuchskräfte unterliegen der Ordnung im Betrieb des Ausbildungspartners.

3

Die Bundesagentur für Arbeit teilte zunächst mit Schreiben vom 28. Dezember 2006 (Blatt 97 der Gerichtsakte) mit, dass eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung entbehrlich sei. Die M.. war zunächst nicht tarifgebunden, ist im Laufe des Verfahrens jedoch mit Wirkung zum 01.07.2009 dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ e.V.) beigetreten. Sie hat jetzt für den Zeitraum vom 22.06.2009 bis zum 19.06.2010 seitens der Bundesagentur für Arbeit die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern erhalten (Blatt 223 der Gerichtsakte).

4

Der Beteiligte zu 2) hat erstinstanzlich (vor Erhalt der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung) die Auffassung vertreten, dasAÜG sei anwendbar, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG (vorübergehende Tätigkeit bei einem Konzernunternehmen) nicht gegeben seien. Deshalb gelte wegen fehlender Erlaubnis ein Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten zu 1) als begründet. Nach Erledigung des ursprünglichen Antrags der Beteiligten zu 1) hat der Beteiligte zu 2) beantragt,

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1. festzustellen, dass bei der Regelung von Arbeitszeit i. S. des § 87 BetrVG die Bestimmung des § 4 MTV für Angestellte des Zeitungsverlagsgewerbes Niedersachsen für Trainees, die im Rahmen einer Ausbildungsstation gemäß dem Kooperationsvertrag vom 05.03.2008 im Betrieb der Antragstellerin beschäftigt werden, gilt;

6

2. die Antragstellerin zu verpflichten, bei der Anstellung von Trainees gemäß dem Kooperationsvertrag vom 05.03.2008 eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppen des Gehaltstarifvertrages des Zeitungsverlagsgewerbes in Niedersachsen vorzunehmen und den Beteiligten zu 2) gemäß § 99 BetrVG hieran zu beteiligen;

7

3. festzustellen, dass der Abschluss des Kooperationsvertrages zwischen der Antragstellerin und der M.. M. B. GmbH & Co. KG dem Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 2) gemäß § 98 BetrVG unterliegt.

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Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,

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die Anträge des Beteiligten zu 2) zurückzuweisen,

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und sich darauf berufen, die Überlassung von Trainees durch die M.. auf die Beteiligte zu 1) stelle einen Fall nichtgewerblicher Konzernleihe nach § 1 Abs. 3 Ziff. 2 AÜG dar. Den Anträgen des Beteiligten zu 2) fehle zudem das Rechtsschutzinteresse.

11

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 09.10.2008 dem Antrag zu 2) des Beteiligten zu 2) stattgegeben und die Beteiligte zu 1) verpflichtet, bei der Einstellung von Trainees im Rahmen des Kooperationsvertrages vom 05.03.2008 eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppen des Gehaltstarifvertrages des Zeitungsverlagsgewerbes in Niedersachsen vorzunehmen und den Beteiligten zu 2) gemäß § 99 BetrVG hieran zu beteiligen. Die weitergehenden Anträge hat das Arbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen.

12

Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist den Beteiligten am 13.11.2008 zugestellt worden. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ging ein am 01.12.2008 und wurde nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist am 13.02.2009 begründet. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) ging nebst Begründung am 05.12.2008 ein.

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Die Beteiligte zu 1) hat zur Begründung ihrer Beschwerde zunächst die Auffassung vertreten, eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung scheide nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG aus, § 14 AÜG finde schon dem Grunde nach deshalb keine Anwendung. Eine Verpflichtung, bei der Einstellung von Trainees eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppen des Gehaltstarifvertrages des Zeitungsverlagsgewerbes in Niedersachsen vorzunehmen, bestehe nicht, da keine arbeitsvertragliche Beziehung zwischen der Beteiligten zu 1) und den Trainees bestehe. Nach Beitritt der M.. zum Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen sowie der Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung bestehe in keinem Fall ein Anspruch auf Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens nach§ 99 BetrVG.

14

Die Beteiligte zu 1) beantragt,

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den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.10.2008 - 4 BV 6/08 - teilweise abzuändern und auch den Antrag zu 2) des Beteiligten zu 2) zurückzuweisen.

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Der Beteiligte zu 2) beantragt,

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die Beschwerde der Beteiligten zu 1) zurückzuweisen

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und verteidigt insoweit den angefochtenen Beschluss. Auch nach Erteilung der Erlaubnis bestehe ein Anspruch des Beteiligten zu 2) auf Beteiligung in Bezug auf die Eingruppierung, da die M.. keine Arbeitnehmerüberlassung, sondern Arbeitsvermittlung betreibe. Dies führe zu einer faktischen und rechtlichen Eingliederung in den Betrieb der Beteiligten zu 1), sodass die entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen zur Anwendung kämen. Dies ergebe sich auch daraus, dass im Verhältnis zwischen der Beteiligten zu 1) und der M.. lediglich eine "Strohmannkonstruktion" gebildet worden sei.

19

Mit der eigenen Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 2) seine erstinstanzlich abgewiesenen Anträge weiter. Ein Mitbestimmungsrecht nach§ 98 Abs. 1 BetrVG bestehe auf der Grundlage der Entscheidung des BAG vom 18.04.2000 (1 ABR 28/99), weil der Kooperationsvertrag der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung diene. Der Beteiligte zu 2) habe auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung, ob bei der Regelung von Arbeitszeitfragen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG in Bezug auf die Trainees § 4 des Manteltarifvertrages für das Zeitungsverlagsgewerbe zur Anwendung käme, weil er wissen müsse, auf welcher tariflichen Basis er seine Mitbestimmungsrechte ausüben könne.

20

Der Beteiligte zu 2) beantragt seinerseits,

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den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 09. Oktober 2008 - 4 BV 6/08 - teilweise abzuändern und

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1. festzustellen, dass bei der Regelung von Arbeitszeit i. S. des § 87 BetrVG die Bestimmung des § 4 MTV für Angestellte des Zeitungsverlagsgewerbes in Niedersachsen für Trainees, die im Rahmen einer Ausbildungsstation gemäß dem Kooperationsvertrag vom 05.03.2008 im Betrieb der Antragstellerin beschäftigt werden, gilt;

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2. festzustellen, dass der Abschluss des Kooperationsvertrages zwischen der Antragstellerin und der M.. M. B. GmbH & Co. KG dem Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 2) gemäß § 98 BetrVG unterliegt.

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Die Beteiligte zu 1) beantragt,

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die Beschwerde des Beteiligten zu 2) zurückzuweisen.

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und verteidigt insoweit den erstinstanzlichen Beschluss. Sämtlichen Anträgen des Beteiligten zu 2) mangele es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse, die geltend gemachten Beteiligungsrechte bestünden nicht.

27

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten zu 1) vom 13. Februar 2009, vom 01. April 2009 und vom 22.07.2009 sowie die Schriftsätze des Beteiligten zu 2) vom 04.12.2008, 12.03.2009, 07. April 2009 und 17. August 2009 sowie auf die Anhörung der Beteiligten im Anhörungstermin vom 21.08.2009.

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II. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1) sowie des Beteiligten zu 2) sind statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist begründet (1.), sodass der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover insoweit abzuändern und der Antrag zurückzuweisen war. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist unbegründet (2.).

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1. Der Beteiligte zu 2) hat keinen Anspruch darauf, dass die Beteiligte zu 1) bei der Einstellung von Trainees eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppe des Gehaltstarifvertrages des Zeitungsverlagsgewerbes vornimmt und den Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG beteiligt.

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a) Der Antrag bedarf der Auslegung. Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Betriebsrates bei unterlassenem Beteiligungsverfahren richten sich grundsätzlich nach § 101 BetrVG. Grundsätzlich besteht nach § 101 BetrVG ein Anspruch des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber, ein Beteiligungsverfahrens nach § 99 BetrVG durchzuführen, sofern eine erforderliche Ein- oder Umgruppierung unterbleibt (BAG, 24.10.2004 - AB Nr. 29 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung; 1 ABR 37/03).

31

Vorliegend begehrt der Beteiligte zu 2) die generelle Verpflichtung der Beteiligten zu 1) zu künftigem Verhalten, ohne dass - wie von § 101 BetrVG vorausgesetzt - konkrete Eingruppierungsmaßnahmen dem Antrag zu Grunde liegen.

32

Da die Vornahme einer Eingruppierung der Trainees in das Gehaltsgefüge des Gehaltstarifvertrages für das Zeitungsverlagsgewerbe in Niedersachsen grundsätzlich streitig ist, kann dem Antrag im Wege der Auslegung das Begehren des Beteiligten zu 2) entnommen werden, festzustellen, ob diesbezüglich eine Verpflichtung der Beteiligten zu 1) besteht. Für diesen Feststellungsantrag besteht auch das erforderliche Feststellungsinteresse, weil es um die Feststellung eines Mitbestimmungsrechtes nach § 99 BetrVG bzw. dessen konkrete Ausgestaltung geht und künftige Auseinandersetzungen zu gewärtigen sind. Eine Entscheidung über die Reichweite des Mitbestimmungsrechts vermeidet weitere Konflikte.

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b) Mit dieser Auslegung ist der Antrag als Feststellungsantrag zwar zulässig aber unbegründet. Die Beteiligte zu 1) hat keine Eingruppierung der Trainees zu veranlassen, weil sie nicht deren Vertragsarbeitgeber ist. Der Beteiligte zu 2) als Betriebsrat des Entleihers ist für die Eingruppierung der Mitarbeiter der M.. und das Zustimmungsverfahren nach § 99 BetrVG folgerichtig nicht zuständig und deshalb auch nicht zu beteiligen.

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(1) Bei Maßnahmen, die Leiharbeitnehmer betreffen, richtet sich die Abgrenzung der Zuständigkeit des Betriebsrats des Entsende- und des Entleiherbetriebs danach, ob der Verleiher als Vertragsarbeitgeber oder der Entleiher die mitbestimmungspflichtige Entscheidung trifft. Über die Eingruppierung von Leiharbeitnehmern entscheidet der Verleiher. Ein Recht auf Beteiligung an dieser Entscheidung steht dem Betriebsrat zu, der für den Betrieb des Verleihers errichtet ist. Nur dieser kann Beteiligungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz gegenüber dem Vertragsarbeitgeber und Inhaber des Entsendebetriebs wahrnehmen (BAG, Beschluss vom 17.06.2008 - 1 ABR 39/07 - FESTL Betriebsverfassungsgesetz § 99 Rn. 73 b).

35

(2) Vorliegend besteht ausschließlich eine arbeitsvertragliche Beziehung zwischen den Trainees und M... Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2) ergibt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine arbeitsvertragliche Beziehung zwischen den Trainees und der Beteiligten zu 1).

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(aa) Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2) greift vorliegend nicht die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 2 AÜG. Danach wird vermutet, dass der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt, wenn er nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AÜG) übernimmt. Dass M.. nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten übernimmt, ist nicht erkennbar. M.. zahlt die Vergütung und erfüllt damit die Ansprüche der Trainees aus den zugrunde liegenden Anstellungsverträgen. M.. als Vertragsarbeitgeber treffen grundsätzlich auch die sich z.B. aus dem KSchG, dem BBiG und § 615 BGB ergebenden Arbeitgeberrisiken (vgl. zu ähnlicher Konstellation BAG 21.07.2009 - 1 ABR 35/08), so dass die Voraussetzungen für die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 2 AÜG nicht vorliegen.

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Unabhängig davon entsteht in den Fällen der nach § 1 Abs. 2 AÜG vermuteten Arbeitsvermittlung zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kein Arbeitsverhältnis; diesbezüglich fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (BAG 28.06.2008 - 7 AZR 100/99 - 19.03.2003 - 7 AZR 267/02 -; Thüsing AÜG § 1 Rn. 109).

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bb) Arbeitsvertragliche Beziehungen zwischen der Beteiligten zu 1) und den Trainees ergeben sich nicht daraus, dass M.. als rechtlich unbeachtlicher "Strohmann" fungiert hat. Hinreichende Anhaltspunkte dafür liegen nicht vor. M.. betreibt - mittlerweile - mit Erlaubnis Arbeitnehmerüberlassung. Sie ist - anders als die Personalüberlassungstochter in dem vom Beteiligten zu 2) angezogenen Fall des LAG Schleswig-Holstein vom 18.06.2008 (3 TaBV 8/08) - in Gestalt der zwei angestellten Personalentwicklerinnen mit eigenem Personal ausgestattet. Auch die von der Beteiligten zu 1) dargelegte Bildung eines Ausbildungsverbunds von M.. und Verlagsgesellschaften zur Sicherstellung einer breit angelegten Qualifizierung erscheint nicht lediglich als vorgeschoben, um tarifvertragliche Bindungen zu umgehen, sondern kann auch sinnvolle unternehmerische Maßnahme zur Festigung der Qualität der Ausbildung sein.

39

cc) Soweit der Beteiligte zu 2) in der mündlichen Anhörung die Rechtsfigur des mittelbaren Arbeitgebers angezogen und daraus vertragliche Beziehungen zwischen den Trainees und der Beteiligten zu 1) gebildet hat, ist ihm nicht zu folgen. Vorliegend ist die M.. als vermeintlicher "Zwischenmeister" nicht - wie erforderlich - arbeitsvertraglich an die Beteiligte zu 1) gebunden; zudem ergibt sich aus vorstehenden Erwägungen, dass sie im Rahmen erlaubter Arbeitnehmerüberlassung tätig wird.

40

(3) Auch aus § 14 Abs. 3 AÜG folgt nicht, dass die Beteiligte zu 1) eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppen des Tarifvertrages für das Zeitungsverlagsgewerbe vorzunehmen und sodann den Beteiligten zu 2) zu beteiligen hat. Nach dieser Bestimmung ist vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung der Betriebsrat des Entleiherbetriebes nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Diese Beteiligung betrifft die Einstellung, nicht aber die Eingruppierung des Leiharbeitnehmers (BAG, Beschluss vom 17.06.2008, aaO.). Eine Verpflichtung zur Vornahme einer Eingruppierung folgt aus der Bestimmung ohnehin nicht .

41

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) war der Beschluss des Arbeitsgerichts deshalb teilweise abzuändern und der erstinstanzliche Antrag zu 2) zurückzuweisen.

42

2) Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist unbegründet.

43

a) Der Beteiligte zu 2) hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass der Abschluss des Kooperationsvertrages vom 05.03.2008 dem Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 2) nach § 98 BetrVG unterliegt.

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(1) Der Antrag ist entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) zulässig.

45

Zwar ist für eine nur auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der sich keine Rechtsfolgen für die Zukunft mehr ergeben, ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig nicht gegeben. Allerdings kann das Bestehen, der Inhalt oder der Umfang eines Mitbestimmungsrechts losgelöst von einem konkreten Ausgangsfall geklärt werden, wenn die Maßnahme, für die ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen wird, häufiger im Betrieb auftritt und sich auch künftig jederzeit wiederholen kann (BAG, 15.04.2008 - 1 ABR 14/07 -; 28.05.2002 - 1 ABR 35/01 -).

46

Vorliegend betrifft die begehrte Feststellung zwar einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang, da der Kooperationsvertrag zwischen der Beteiligten zu 1) und M.. bereits am 05.03.2008 abgeschlossen wurde. Die Maßnahme entfaltet aber Wirkungen für die Gegenwart und für die Zukunft, da auf der Grundlage des Kooperationsvertrags die Ausbildung vollzogen wird. Zudem kann im Hinblick auf die Möglichkeit der Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 98 Abs. 4 BetrVG das Vorliegen eines mitbestimmungspflichtigen Tatbestandes im Beschlussverfahren geklärt werden.

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(2) Der Antrag des Beteiligten zu 2) ist jedoch unbegründet.

48

aa) Gemäß § 98 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen. Ein Mitbestimmungsrecht besteht nur bei Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung. Eine betriebliche Maßnahme liegt im Unterschied zur außerbetrieblichen Maßnahme dann vor, wenn sie vom Arbeitgeber getragen oder veranstaltet und für seine Arbeitnehmer durchgeführt wird; erforderlich ist, dass die Maßnahme für Arbeitnehmer des Betriebs veranstaltet wird (BAG 24.08.2004 - 1 ABR 28/03 -). Träger oder Veranstalter der Maßnahme ist der Arbeitgeber dann, wenn er die Maßnahme allein durchführt oder - bei Zusammenarbeit mit Dritten - auf Inhalt und Durchführung der Maßnahme rechtlich oder tatsächlich einen beherrschenden Einfluss hat. Führt dagegen ein Dritter in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber eine Berufsbildungsmaßnahme durch, auf die der Arbeitgeber keinen beherrschenden Einfluss hat, liegt keine betriebliche Maßnahme vor. (BAG 18.04.2000 - 1 ABR 28/99-).

49

bb) Danach liegt in der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages keine Maßnahme, die ein Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 2) ausgelöst hat. Der Kooperationsvertrag regelt - im Unterschied zu der vom Beteiligten zu 2) angezogenen Entscheidung des BAG vom 18.04.2000 - nicht die Ausbildung von Arbeitnehmern oder Auszubildenden der Beteiligten zu 1) sondern von denen der M... Dies löst das Mitbestimmungsrecht nach § 98 BetrVG nicht aus.

50

cc) Auch im Übrigen liegen die Voraussetzungen, unter denen das BAG ausnahmsweise das Mitbestimmungsrecht nach § 98 BetrVG auch auf den Abschluss eines Vertrages mit Dritten erstreckt hat, nicht vor. Vereinbaren mehrere Arbeitgeber die gemeinsame Durchführung von Maßnahmen der Berufsbildung, ohne dass einzelne Arbeitgeber einen beherrschenden Einfluss hätten, so haben die Betriebsräte der betroffenen Betriebe bei der Durchführung der Bildungsmaßnahmen zwar kein Mitbestimmungsrecht nach § 98 Abs. 1 BetrVG, sie haben jedoch in entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 1 BetrVG beim Abschluss der Vereinbarung über die Zusammenarbeit insoweit mitzubestimmen, als Regelungen über die spätere Durchführung von Bildungsmaßnahmen getroffen werden (BAG Beschluss vom 18.04.2000 - 1 ABR 28/99 -). Ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht beim Abschluss der Vereinbarung über die Zusammenarbeit von Arbeitgebern besteht nach der Rechtsprechung des BAGs somit nur dann, wenn der Arbeitgeber keinen beherrschenden Einfluss auf die durch Dritte geführte Bildungsmaßnahme hat.

51

Gibt es - wie vom Beteiligten zu 2) vorgetragen - einen beherrschenden Einfluss der Beteiligten zu 1), so bezieht sich das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 2) aus § 98 BetrVG auf das konkrete "Wie" der Berufsbildungsmaßnahme, z.B die Festlegung des Teilnehmerkreises, die konkrete Ausgestaltung einer Bildungsmaßnahme oder die Zahl der Teilnehmer (FESTL BetrVG § 98 Rn. 2), weil die Beteiligte zu 1) kraft ihres beherrschenden Einflusses die konkrete Durchführung der Ausbildung bestimmen kann; für eine weitergehende Mitbestimmung analog§ 98 BetrVG in Bezug auf das Vertragswerk, welches die Grundzüge einer Zusammenarbeit mit Dritten regelt, ist dann kein Raum.

52

Schließlich ist zu bedenken, dass das Mitbestimmungsrecht unter den vorbeschriebenen Voraussetzungen auch nur dann insoweit besteht, als Regelungen über die spätere Durchführung von Bildungsmaßnahmen getroffen werden (BAG 18.04.2000 - 1 ABR 28/99 -). Vorliegend begehrt der Beteiligte zu 2) Mitbestimmung deshalb, weil er sich gegen die Änderung der tarifvertraglichen Situation der Trainees wendet (Schriftsatz vom 04.12.2008, Seite 5, 3. Absatz). Insoweit besteht kein Mitbestimmungsrecht nach § 98 BetrVG.

53

b) Unbegründet ist auch der weitere Antrag des Beteiligten zu 2), soweit er Feststellung begehrt, dass in Bezug auf Arbeitszeitregelungen für Trainees nach § 87 BetrVG§ 4 MTV für Angestellte des Zeitungsverlagsgewerbes zur Anwendung kommt.

54

Der Manteltarifvertrag für Angestellte des Zeitungsverlagsgewerbes findet auf die Trainees der M.. keine Anwendung, da Vertragsarbeitgeber der Trainees die M.. ist und sich nach vorstehenden Erwägungen unter keinem tragenden rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt eine arbeitsvertragliche Bindung zwischen der Beteiligten zu 1) und den Trainees begründen lässt. M.. wiederum ist nicht an die Tarifverträge für das Zeitungsverlagsgewerbe in Niedersachsen gebunden, sie wendet sie auch nicht vertraglich an.

55

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 war deshalb zurückzuweisen.

56

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

Mestwerdt
Wichmann
Maack