Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.12.2009, Az.: 13 Sa 636/09
Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten bei der Befristung nach Promotion
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 08.12.2009
- Aktenzeichen
- 13 Sa 636/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 37098
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:1208.13SA636.09.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BAG - 24.08.2011 - AZ: 7 AZR 228/10
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs. 1 TzBfG
- § 2 Abs. 1 WissZeitVG
- § 2 Abs. 3 WissZeitVG
Redaktioneller Leitsatz
1. Nach einer Gesamtbefristungsdauer von 12 Jahren ist eine sachgrundlose Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG nicht mehr zulässig, wobei auch die Promotion keine neue Befristungsmöglichkeit ohne Berücksichtigung der befristeten Beschäftigung vor Promotion für die Post-doc-Phase auslöst.
2. Allgemeine Unsicherheit über die zukünftige Auftragslage oder im öffentlichen Bereich Unsicherheit über die zukünftige Haushaltsentwicklung und die Zurverfügungstellung von Personalmitteln rechtfertigen nicht eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG.
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
gegen
beklagtes und berufungsbeklagtes Land,
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2009 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Raasch,
die ehrenamtliche Richterin Frau Ewen
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10.02.2009, 5 Ca 469/08, abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 23.09./30.09.2008 nicht zum 30.06.2010 endet.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 13.900,74 € festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das mit Arbeitsvertrag vom 23.09./30.09.2008 begründete Arbeitsverhältnis nicht kraft Befristung zum 30.06.2010 endet. Streitgegenstand des Verfahrens ist außerdem eine Befristung zum 30.09.2008, deren Unwirksamkeit der Kläger im Berufungsverfahren nur noch hilfsweise geltend macht.
Der Kläger ist 1956 geboren, er ist Diplom-Soziologe, verheiratet und 3 Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet. Seit dem 01.04.1992 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rahmen von befristeten Verträgen nach Entgeltgruppe 13 TV-L beschäftigt. Bei den streitgegenständlichen Arbeitsverträgen handelt es sich um den 23. und den 24. befristeten Arbeitsvertrag.
Vom 01.04.1992 bis zum 30.11.2002 erfolgten befristete Beschäftigungen in Drittmittelprojekten, die sich im Schwerpunkt mit sozialer und beruflicher Integration von Immigranten beschäftigten. Ab 01.12.2002 wurde die Befristung des Arbeitsvertrages gestützt auf Promotion. Die Promotion wurde abgeschlossen am 07.07.2004.
Im befristeten Arbeitsvertrag vom 16.05.2006, Befristungsende 30.09.2008, ist als Befristungsgrund angekreuzt: Beschäftigung in einem Drittmittelprojekt Bachelor für interkulturelle Bildung und Beratung ... . Auf den Inhalt des Vertrages (Bl. 3 d.A.) wird Bezug genommen. Der Arbeitsvertrag vom 23.09.2008/30.09.2008 ist gestützt auf § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG-Phase nach Abschluss einer Promotion. Auf den Inhalt des Vertrags (Bl. 4 d.A.) wird Bezug genommen.
Der Kläger hat vor Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrags unter dem 29.09.2008 einen Vorbehalt formuliert, und zwar zur Erhaltung entstandener Rechte aus dem früheren befristeten Vertrag. Die Parteien streiten darüber, ob dieser Vorbehalt Gegenstand vertraglicher Vereinbarung geworden ist.
Seit Mai 2006 betreut der Kläger den Studiengang "Interkulturelle Bildung und Beratung", der ab Wintersemester 2006/07 als Pilotprojekt eingeführt worden ist. Im Rahmen dieses Studienganges ist er zu 50 % mit Koordinationsaufgaben, zu 50 % mit Lehrtätigkeit betraut. Der Studiengang ist über das Jahr 2008 hinaus fortgesetzt worden, im Befristungszeitpunkt September 2008 war die Finanzierung bis einschließlich 2010 aus Landesmitteln gesichert. Der Kläger behauptet, dass darüber hinaus die Finanzierung in der mittelfristigen Finanzplanung über das Jahr 2010 hinaus eingestellt worden ist. Der Studiengang ist zwischenzeitlich zur Akkreditierung angemeldet.
Der Kläger hat vorgetragen, dass WissZeitVG sehe eine Gesamtbefristungsdauer von 12 Jahren vor, die längst abgelaufen gewesen seien. Im Übrigen nehme er in dem neu eingerichteten Studiengang Daueraufgaben wahr, die Stelle sei in der mittelfristigen Finanzplanung über das Jahr 2010 hinaus vorgesehen, deshalb sei eine Befristung nicht gerechtfertigt. Der unbefristete Bestand des Arbeitsverhältnisses folge auch aus der Unwirksamkeit der Befristung zum 30.09.2008. Er könne die Unwirksamkeit dieses Vertrages noch geltend machen, weil er sich wirksam die Rechte dazu vorbehalten habe.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Befristungen der Arbeitsverträge vom 16.05.2006 und 23.09./30.09.2008 unwirksam sind und der Kläger sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land mit einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O-Stadt und einer Vergütung nach Entgeltgruppe 13 und Entgeltstufe 4 + steht.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es vertritt die Auffassung, dass der Vertrag mit Befristungsende 30.09.2008 nicht mehr gerichtlich überprüft werden könne, weil nur ein einseitiger und damit unbeachtlicher Vorbehalt erklärt worden sei. Die Befristung mit Vertrag vom 23.09./30.09.2008 sei wirksam erfolgt. Nach Abschluss der Promotion habe eine wirksame sachgrundlose Befristung erfolgen können im Umfang von 6 Jahren für die Nachpromotionsphase.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung trägt der Kläger u.a. vor, bei einer Beschäftigung seit 1992 sei im Zeitpunkt des letzten befristeten Vertrages die zulässige Höchstdauer von 12 Jahren nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG bereits abgelaufen. Dass eine solche Höchstgrenze bestehe, folge aus dem Gesetzeswortlaut, zumindest aus einer Auslegung unter Berücksichtigung der Befristungsrichtlinie der Europäischen Union. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil der 5. Kammer des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10.02.2009, 5 Ca 469/08, zu ändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 23.09./30.09.2008 nicht zum 30.06.2010 endet;
hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 16.05.2006 nicht zum 30.09.2008 beendet worden ist und als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es vertritt insbesondere die Auffassung, dass es nach Abschluss der Promotion berechtigt gewesen sei, nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG das Arbeitsverhältnis zu befristen. Eine zwölfjährige Höchstfrist bestehe nicht. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungserwiderung und den Beklagtenschriftsatz vom 30.11.2009.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Berufung ist begründet. Die Befristung des Arbeitsvertrages vom 23.09./30.09.2008 zum 30.06.2010 ist unwirksam und beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Weil der Hauptantrag des Klägers Erfolg hat, war über den Hilfsantrag zur Unwirksamkeit der Befristung im Arbeitsvertrag vom 16.05.2006 nicht zu entscheiden.
Die Befristung zum 30.06.2010 ist unwirksam, weil nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG befristete Arbeitsverhältnisse seit dem 01.04.1992 anzurechnen sind und damit eine sachgrundlose Befristung nach Promotion gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG nicht mehr wirksam vereinbart werden konnte. Ein sachlicher Grund für die Befristung nach§ 14 Abs. 1 TzBfG besteht nicht.
2. Das beklagte Land stützt die Befristung im Vertrag vom 23./30.09.2008 auf § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG - 6 Jahre sachgrundlose Befristung nach Promotion (Post-doc-Phase). Es vertritt die Auffassung, eine zwölfjährige Höchstbefristungsdauer bestehe nicht, nach Promotion könne unabhängig von der Vorbeschäftigung vor Promotion eine maximal 6 Jahre dauernde sachgrundlose Befristung erfolgen.
Rechtsprechung zur Problematik ist nicht bekannt. Die Literatur legt eine Höchstbefristungsdauer von 2 mal 6 Jahren zu Grunde und rechnet alle befristeten Arbeitsverhältnisse der Vergangenheit auf Promotionsphase und Post-doc-Phase an (KR, 9. Aufl., § 2 WissZeitVG RdNr. 65; APS, Kündigungsrecht, 3. Aufl., § 2 WissZeitVG RdNr. 39; Preis, Kommentar zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz, § 2 RdNr. 91/92).
3. Nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG sind alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als 1/4 der regelmäßigen Arbeitszeit "auf die in Abs. 1 geregelte Befristungsdauer" anzurechnen. Diese Vorschrift ergibt, dass nach einer Gesamtbefristungsdauer von 12 Jahren eine sachgrundlose Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG nicht mehr zulässig ist und auch die Promotion keine neue Befristungsmöglichkeit für die Post-doc-Phase auslöst ohne Berücksichtigung der befristeten Beschäftigung vor Promotion.
4. Gesetze sind auszulegen nach Wortlaut, Gesamtzusammenhang, Sinn und Zweck der Regelung und unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte (z.B. BAG vom 23.01.2008, 1 ABR 82/06, AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Leistungslohn).
4.1. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 WissZeitVG sind vorgesehen eine sechsjährige Promotionsphase und eine sechsjährige Post-doc-Phase. Dabei kann sich die Post-doc-Phase verlängern um die Zeit, die von der sechsjährigen Promotionsphase nicht verbraucht worden ist. Nach Satz 3 verlängert sich die insgesamt zulässige Befristungsdauer nach den Sätzen 1 und 2 bei Betreuung von Kindern unter 18 Jahren um 2 Jahre je Kind. Die vorgesehene Verlagerung von nicht verbrauchten Zeiten der Promotionsphase in die Post-doc-Phase gibt bereits Anhaltspunkte für eine Gesamtbefristungsdauer von 12 Jahren. Satz 3 schließlich fasst die Befristungsphasen nach Satz 1 und 2 zusammen und formuliert eine insgesamt zulässige Befristungsdauer, die verlängert wird. Nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG sind auf die nach Abs. 1 geregelte zulässige Befristungsdauer befristete Vorbeschäftigungen mit mehr als 1/4 der regelmäßigen Arbeitszeit anzurechnen. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift wird nicht differenziert nach Promotionsphase und Post-doc-Phase. Wörtlich umgesetzt bedeutet die Vorschrift: Eine befristete Vorbeschäftigung bis Promotion von z.B. 10 Jahren - sei es als Promotionsbefristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG oder als Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG - ist anzurechnen auch auf die Post-doc-Phase und lässt nur noch Raum für eine sachgrundlose Post-doc-Befristung von 2 Jahren. Der Wortlaut des § 2 Abs. 3 WissZeitVG ergibt gerade nicht, dass Vorbeschäftigungen bis Promotion für die Post-doc-Phase anrechnungsfrei bleiben.
4.2. Aus dem systematischen Zusammenhang von § 2 Abs. 1 WissZeitVG und Abs. 3 folgt, dass die sachgrundlose Befristung auf 2 mal 6 Jahre gleich 12 Jahre begrenzt werden soll, es sollen alle befristeten Vorbeschäftigungen angerechnet werden. § 2 Abs. 3 WissZeitVG bildet ein Klammer zwischen befristeten Vorbeschäftigungen und den zwei Phasen der sachgrundlosen Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG. Ergebnis ist, dass nach zwölfjähriger befristeter Beschäftigung eine sachgrundlose Befristung nicht mehr wirksam vereinbart werden kann, und zwar gleichgültig, ob sich der Arbeitnehmer in der Promotionsphase oder in der Post-doc-Phase befindet.
4.3. Sinn und Zweck der Vorschriften und die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte sprechen ebenfalls für die vorgenommene Auslegung der Befristungsvorschrift nach WissZeitVG.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.04.1996, 1 BvR 712/86, AP Nr. 2 zu § 57 a HRG ist die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen der wissenschaftlichen Hochschulmitarbeiter geeignet und erforderlich, um eine berufliche Qualifikation durch wissenschaftliche Tätigkeit zu erreichen. Aufgabe der Hochschulen ist die Nachwuchsförderung durch Ermöglichung von Promotion und Habilitation oder durch qualifizierte wissenschaftliche Tätigkeit. Dieser Aufgabe der wissenschaftlichen Weiterbildung und Qualifikation kann die Hochschule aber nur nachkommen, wenn die entsprechenden Stellen nicht langfristig blockiert werden und ein ständiger Personalaustausch stattfindet. Die Begrenzung der befristeten Beschäftigung dient damit der Verwirklichung der Aufgabenstellung der Hochschule und entspricht den Vorgaben der Wissenschaftsfreiheit aus Artikel 5 Abs. 3 GG.
Nach den Gesetzesmaterialien (Bundestagsdrucksache 16/3438, zu § 2 Abs. 3) soll § 2 Abs. 3 WissZeitVG einen funktionswidrigen Wechsel der Befristungstatbestände in der Qualifizierungsphase durch Kombination unterschiedlicher gesetzlicher Grundlagen ebenso ausschließen wie eine immer wieder erneute Inanspruchnahme der Befristungshöchstgrenzen bei jedem Wechsel der Hochschule oder Forschungseinrichtung. Die Möglichkeit einer mehrfachen Ausschöpfung der Befristungshöchstgrenzen stehe dem Ziel der zügigen wissenschaftlichen Qualifizierung entgegen.
Die sachgrundlose Befristung für Promotionsphase und Post-doc-Phase ist eingeführt worden im Hochschulrahmengesetz seit 2002 und sodann abgelöst worden durch die vorliegende Regelung im WissZeitVG. Die Regelung berücksichtigt die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus 1996. Aus dieser Bundesverfassungsgerichtsentscheidung und den Gesetzesmaterialen ergibt sich: Die Begrenzung der Befristungsgesamtdauer hat das Ziel, wissenschaftliche Aus- und Weiterbildung zeitlich zu begrenzen, Personalwechsel im Weiterbildungsbereich zu ermöglichen und letztlich einen Missbrauch von befristeten Nachwuchsförderungsstellen für Dauerbeschäftigung zu verhindern. Dieser Zielrichtung wird die vorgenommene Auslegung gerecht, wonach eine Höchstbefristungsdauer von 12 Jahren anzunehmen ist.
4.4. Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass die vorgenommene Befristung im Arbeitsvertrag vom 23.09./30.09.2008 nicht auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG gestützt werden kann. Dies ergibt bereits eine Auslegung des § 2 WissZeitVG. Damit musste nicht auf die Problematik eingegangen werden, ob auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 1999/70/EG im Wege einer europarechtskonformen Auslegung zwingend von einer Höchstgrenze von 12 Jahren auszugehen ist. Nicht entscheidungserheblich war auch die Frage, ob § 1 Abs. 2 WissZeitVG den europarechtlichen Vorgaben entspricht. Nach dieser Vorschrift können sachgrundlose Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG und Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG kombiniert werden. Ob dies europarechtskonform ist, musste nicht entschieden werden.
5. Die Befristung ist auch nicht wirksam als Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG. In Betracht kommt hier nur der Befristungsgrund nach Nr. 1 - vorübergehender Bedarf an der Arbeitsleistung. Die Voraussetzungen für diesen Befristungsgrund liegen nicht vor.
Ein vorübergehender Bedarf im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG ist nur dann zu bejahen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende der Beschäftigungsbedarf entfallen ist. Zu unterscheiden ist der vorübergehende Bedarf von der regelmäßig gegebenen Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs, insbesondere in Unternehmen der Privatwirtschaft. Allgemeine Unsicherheit über zukünftige Auftragslage oder im öffentlichen Bereich Unsicherheit über die zukünftige Haushaltsentwicklung und die Zurverfügungstellung von Personalmitteln rechtfertigt nicht eine Befristung, sondern nur bei Arbeitsplatzwegfall eine betriebsbedingte Kündigung (BAG vom 20.02.2008, 7 AZR 950/06, AP Nr. 45 zu § 14 TzBfG; ErfKomm zum Arbeitsrecht, 9. Aufl., § 14 TzBfG RdNr. 23/24).
Hier ist festzustellen, dass der Kläger befasst ist mit 50 % Koordinationsaufgaben und 50 % Lehre im Studiengang "Interkulturelle Bildung und Beratung". Dieser neue Studiengang für hochqualifizierte Migranten ist ursprünglich als Pilotprojekt konzipiert worden und im Wintersemester 2006/07 eingeführt worden. Der Studiengang ist weitergeführt worden auch über den Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages hinaus. Die Finanzierung des Studienganges war bis 2010 gesichert, das Akkreditierungsverfahren für den Studiengang lief. Damit erfolgt die Beschäftigung des Klägers in einem im universitären Lehrprogramm etablierten Studiengang, 2008 war die Finanzierung dieses Studienganges über mehrere Jahre gesichert. Es bestand allenfalls die Unsicherheit, ob der Studiengang auf Dauer weitergeführt wird, ob insbesondere die Finanzierung über 2010 hinaus gesichert sein wird. Damit war gerade nicht im Zeitpunkt des Vertragsschlusses September 2008 mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass der Beschäftigungsbedarf 2010 entfallen würde, allenfalls bestand Unsicherheit über die zukünftige Fortführung und die Entwicklung des Studiengangs einschließlich dessen Finanzierung. Eine solche Unsicherheit allein ist aber nicht ausreichend zur Begründung einer Befristung nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG.
6. Die Berufung des Kläger führt zur Stattgabe der Klage und Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30.06.2010 endet. Gemäß § 91 ZPO waren die Kosten des Rechtsstreits dem beklagten Land aufzuerlegen. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 63 Abs. 2 GKG in Anwendung des § 42 Abs. 4 GKG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestanden nicht. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird verwiesen.
Raasch
Ewen