Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.05.2009, Az.: 7 Sa 1482/08
Tarifliche Bereitschaftsruhe als Bereitschaftsdienst
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 14.05.2009
- Aktenzeichen
- 7 Sa 1482/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 20229
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:0514.7SA1482.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 19.08.2008 - AZ: 7 Ca 153/08
- nachfolgend
- BAG - 23.06.2010 - AZ: 10 AZR 544/09
Rechtsgrundlagen
- (Chemische Industrie) § 5 Abs. 2 MTV
- § 7 Abs. 2 a ArbZG
- § 7 Abs. 7 ArbZG
- Art. 6 Richtlinie 2003/88/EG
- Art. 22 Richtlinie 2003/88/EG
Amtlicher Leitsatz
1. Die in § 5 Abs. 2 MTV Chemische Industrie geregelte Bereitschaftsruhe ist Bereitschaftsdienst im Rechtssinne und damit Arbeitszeit.
2. § 5 Abs. 2 MTV enthält eine gegenüber § 5 Abs. 1 MTV eigenständige Arbeitszeitenregelung für Arbeitnehmer, die 24-Stunden-Dienste zu leisten haben.
3. Ein Verstoß gegen die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG liegt nicht vor.
4. Die Festlegung der in Art. 22 der Richtlinie geforderten Sicherungsmaßnahmen kann aus Sachgründen am besten von den Tarifvertragsparteien geregelt werden.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 19.08.2008, 7 Ca 153/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wie viele 24-Stunden-Schichten der Kläger im Jahr arbeiten muss.
Der 1959 geborene Kläger ist seit dem 01.07.1985 bei der Beklagten als Oberfeuerwehrmann im Unternehmensschutz/Werksfeuerwehr beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 14.12.2000 zu Grunde (Bl. 12 - 15 d.A.). Zuletzt bezog der Kläger eine monatliche Bruttovergütung von durchschnittlich 4.211,00 ?.
Der Kläger wird in einem 24-Stunden-Schichtbetrieb eingesetzt, der eine Arbeitszeit von 8 Stunden, 8 Stunden Arbeitsbereitschaft und weitere 8 Stunden so genannte Bereitschaftsruhe beinhaltet. Unter dem 08.12.2005 willigte der Kläger in die Durchführung dieses Dienstes ein (Bl. 54 d.A.).
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der chemischen Industrie Niedersachsen anwendbar. Hinsichtlich der Arbeitszeit enthält der Manteltarifvertrag in § 5 folgende Regelung:
I. 1.
Für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfange Arbeitsbereitschaft enthalten ist, kann die regelmäßige wöchentliche Gesamtarbeitszeit auf 46,5 Stunden wöchentlich (10 Stunden täglich) ausgedehnt werden. Für Lkw-Fahrer und Beifahrer darf die regelmäßige wöchentliche Gesamtarbeitszeit 45 Stunden wöchentlich (10 Stunden täglich) nicht überschreiten.
II.
Für solche Arbeitnehmer, deren höchstens 24-stündige Anwesenheitszeit im Betrieb sich unterteilt in Arbeit, Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsruhe, z.B. Angehörige der hauptberuflichen Betriebs- bzw. Werkfeuerwehr, Wach- und Feuerwehrmannschaften, Werkschutz, Kraftfahrer und Sanitätspersonal gelten folgende Regelung:
1.
Zu der regelmäßigen täglichen 8-stündigen Arbeitszeit tritt eine regelmäßige tägliche Arbeitsbereitschaft bis zu 8 Stunden und eine regelmäßige tägliche Bereitschaftsruhe von mindestens 8 Stunden.
Auf die Anwesenheitszeit im Betrieb (Arbeits-, Arbeitsbereitschaft- und Bereitschaftsruhezeit) muss regelmäßig eine Freizeit gleicher Länge folgen. Außerdem sind jährlich 35 weitere 24-stündige Freizeiten in möglichst gleichmäßiger Verteilung zu gewähren.
2.
Während der nach Ziffer 1 zulässigen Arbeitsbereitschaftszeit darf der Arbeitnehmer zusätzlich zu der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nach Ziffer 1 bis zu drei Stunden nur zu solchen Arbeitsleistungen herangezogen werden, die in den betrieblichen Aufgabenbereich der oben genannten Arbeitnehmergruppen fallen oder ihm durch schriftlichen Arbeitsvertrag übertragen wurden. Entstehen Zweifel über den betrieblichen Aufgabenbereich, so sollen Arbeitgeber und Betriebsrat ihn gemeinsam klären.
3.
Beginnt die 24stündige Anwesenheitszeit im Betrieb mit der Frühschicht, so ist die Bereitschaftsruhe im Anschluss an Arbeits- und Arbeitsbereitschaftszeiten zu gewähren; Arbeitgeber und Betriebsrat können etwas anderes vereinbaren.
Die Bereitschaftsruhe dient grundsätzlich der Erholung; sie setzt ausreichende Ruhemöglichkeiten voraus und ist grundsätzlich zusammenhängend zu gewähren; während der Bereitschaftsruhe dürfen die Arbeitnehmer nur zu solchen Arbeiten eingesetzt werden, die innerhalb ihres Aufgabenbereiches unvorhergesehen erforderlich werden.
4.
Die Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit entfallen in den in Ziffer 1 genannten Grenzen der regelmäßigen Arbeits- und Arbeitsbereitschaftszeit. Die Zuschläge für Feiertage sind entsprechend der Regelung des § 4 I Ziffern 4 bis 6 auch für die oben genannten Arbeitnehmer zu gewähren. § 4 IV gilt entsprechend.
5.
Die Anforderungen des 24-Stunden-Dienstes nach § 5 II berücksichtigt die Anforderungen an den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer im Sinne des § 7 Absatz 2a ArbZG.
6.
Für die Durchführung des 24-Stunden-Dienstes im Sinne des § 5 II ist die schriftliche Einwilligung der Arbeitnehmer erforderlich. Hierzu wird durch Betriebsvereinbarung das notwendige Verfahren festgelegt.
III.
Für Mehrarbeit, die über die in den Abschnitten I Ziffer 1 und II zulässige Arbeits- und Arbeitsbereitschaftszeiten hinausgeht, beträgt der Zuschlag 25 %.
Der 24-Stunden-Schichtbetrieb für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Werksfeuerwehr und des Werkschutzes bei der Beklagten wird auf der Basis der Betriebsvereinbarung vom 18.05.1995 (Bl. 58 - 67 d.A.) sowie der Ergänzungsvereinbarung vom 20.03.2006 (Bl. 68 - 71 d.A.) durchgeführt. Hierin ist unter anderem geregelt, dass einer 24-stündigen Anwesenheit mindestens eine Freizeit gleicher Dauer folgen muss, dass ein Fitnessraum mit Geräten zur Verfügung gestellt wird und dass Mitarbeiter ab dem 55. Lebensjahr 13 Altersfreischichten pro Jahr erhalten.
Mit Schreiben vom 02.11.2007 und 04.02.2008 (Bl. 44 - 47 d.A.) machte der Kläger Freizeitansprüche für die Jahre 2006 bis 2008 geltend und vertrat dabei die Auffassung, unter Berücksichtigung der gesetzlichen zulässigen Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden jährlich höchstens 104,28 24-Stunden-Schichten leisten zu müssen. Die Beklagte lehnte das Begehren mit Schreiben vom 13.02.2008 (Bl. 48 d.A.) ab.
Mit seiner Klage vom 25.03.2008 begehrt der Kläger die Feststellung, dass er unter Zugrundelegung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 46,5 Stunden gemäß § 5 Abs. 1 MTV nicht verpflichtet ist, mehr als 101,02 24-Stunden-Schichten im Jahr zu arbeiten. Er macht ferner Freizeitausgleich für in den Jahren 2006 und 2007 im Rahmen der 24-Stunden-Schichten geleistete Mehrarbeit einschließlich eines Zuschlags nach § 3 MTV von 25% geltend.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch ein dem Kläger am 02.09.2008 zugestelltes Urteil vom 19.08.2008, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 90 - 100 d.A.), abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 01.10.2008 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 03.12.2008 am 03.12.2008 begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger ist der Auffassung, die gesamte Anwesenheit während einer 24-Stunden-Schicht, insbesondere auch die Zeit der so genannten Bereitschaftsruhe, sei arbeitsrechtlich als Arbeitszeit zu bewerten.
§ 5 Abs. 2 MTV regele nicht die wöchentliche Höchstarbeitszeit, diese betrage deshalb auch für ihn 46,5 Stunden gemäß § 5 Abs. 1 MTV. Hiervon könne wegen der ausdrücklichen Ausnahme des § 5 MTV von der allgemeinen Öffnungsklausel nicht durch Betriebsvereinbarung abgewichen werden. Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 MTV könne entnommen werden, dass die Tarifparteien über die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 2 a ArbZG die wöchentliche Arbeitszeit auf über 48 Stunden hinaus ausdehnen wollten.
Gemäß § 3 MTV sei die über die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit Mehrarbeit, die grundsätzlich durch Freizeit und nach Ablauf von 2 Monaten mit einem Mehrarbeitszuschlag von 25% auszugleichen sei.
Eine über durchschnittlich 48 Stunden pro Woche hinausgehende Arbeitszeit sei mit EU-Recht nicht vereinbar. Gemäß Art. 6 der Richtlinie 2003/88/EG dürfe die wöchentliche Höchstarbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten. Gemäß Art. 22 der Richtlinie sei es lediglich einem Mitgliedstaat freigestellt, Art. 6 unter sehr engen Voraussetzungen nicht anzuwenden. Eine Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeiten aufgrund Vereinbarungen von Tarif- oder Betriebsparteien sei deshalb nicht zulässig.
§ 7 Abs. 2 a ArbZGändere nichts an dem Grundsatz des Vorrangs des Europarechts. Die vollständige Übertragung der Pflicht, die von der Richtlinie geforderten Sicherungsmaßnahmen zu treffen, auf die Tarifparteien stehe mit den Anforderungen der Richtlinie an einen effektiven Gesundheitsschutz nicht im Einklang. Vielmehr habe der Staat selbst die Einhaltung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes zu wahren und die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Die tarifliche Arbeitszeitgestaltung des 24-Stunden-Dienstes genüge nicht den Anforderungen an den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Weder Manteltarifvertrag noch Betriebsvereinbarungen enthielten Regelungen, mit denen dafür Sorge getragen werde, dass
- keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, eine solche Arbeit zu leisten,
- der Arbeitgeber aktuelle Listen über alle Arbeitnehmer führt, die eine solche Arbeit leisten,
- die Listen den zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt werden, die die Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unterbinden oder einschränken können,
- der Arbeitgeber die zuständigen Behörden auf Ersuchen darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, durchschnittlich mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentagezeitraums zu arbeiten.
Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte in den von den Mitarbeitern unterzeichneten Einwilligungserklärungen bereits angekündigt habe, dass den Mitarbeitern bei Nichteinwilligung ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werde. Bei Nichtunterzeichnung hätten dem Kläger somit massive Nachteile gedroht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages des Klägers im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 03.12.2008 und 05.05.2009.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover abzuändern und
1. festzustellen, dass der Kläger aufgrund seines mit der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrages nicht verpflichtet ist, mehr als 101,02 24-Stunden-Schichten im Jahr zu arbeiten;
2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 31,22 24-Schichten-Stunden Freizeitausgleich für 24,98 im Jahr 2006 geleistete 24-Stunden-Schichten Mehrarbeit zu gewähren;
3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 26,22 24-Schichten-Stunden Freizeitausgleich für 20,98 im Jahr 2007 geleistete 24-Stunden-Schichten Mehrarbeit zu gewähren; sowie
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für alle von ihm im Jahr 2008 geleisteten 24-Stunden-Schichten, die die reguläre Arbeitszeit von 101,02 24-Stunden-Schichten übersteigen, Freizeitausgleich gemäß § 3 Abs. 1 MTV der chemischen Industrie West zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.01.2009 und 15.04.2009.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.
II.
Sie ist jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht ist zu Recht und mit weitgehend zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, jährlich lediglich 101,02 24-Stunden-Schichten zu arbeiten, weshalb ihm auch kein Freizeitausgleich für die Jahre 2006, 2007 und 2008 zu gewähren ist. Das Landesarbeitsgericht macht sich die zutreffenden Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils zu Eigen und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.
1.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger nicht dazu verpflichtet ist, mehr als 101,02 24-Stunden-Schichten jährlich zu arbeiten.
1.1 Gegen die Zulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage zu 1. bestehen keine Bedenken.
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird. Es fehlt demgegenüber, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses, abstrakte Rechtsfragen oder rechtliche Vorfragen zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden (BAG vom 17.10.2007, 4 AZR 1005/06, AP Nr. 40 zu § 1 TVG).
Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, in welchem Umfang der Kläger jährlich 24-Stunden-Schichten leisten muss. Dieser Streit kann durch den gestellten Feststellungsantrag insgesamt beigelegt werden.
1.2 Der Feststellungsantrag zu 1. ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger auf der Basis des § 5 MTV Chemische Industrie verpflichtet ist, jährlich mehr als 101,02 24-Stunden-Schichten und auch mehr als 104,28 entsprechende Schichten zu leisten. Die bei der Beklagten bestehende Arbeitszeitregelung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1.2.1 Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ist das Arbeitsgericht allerdings zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass auch die Zeiten der so genannten Bereitschaftsruhe arbeitszeitrechtlich als Arbeitszeit zu bewerten ist.
Die in § 5 Abs. 2 MTV geregelte Bereitschaftsruhe ist Bereitschaftsdienst im Rechtssinne und damit Arbeitszeit. Die Rechtsprechung differenziert zwischen Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft. Unter Arbeitsbereitschaft wird die Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung verstanden. Während eines Bereitschaftsdienstes hat sich der Arbeitnehmer demgegenüber lediglich an einem von dem Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten, um bei Bedarf sofort die Arbeit aufnehmen zu können. Rufbereitschaft schließlich bedeutet, dass der Arbeitnehmer den Ort seines Aufenthaltes selbst bestimmen kann, für den Arbeitgeber jedoch erreichbar zu sein muss.
Der Europäische Gerichtshof hat bereits am 03.10.2000 (C-303/98 Simap) entschieden, dass ein Bereitschaftsdienst, der in Form persönlicher Anwesenheit zu leisten ist, insgesamt als Arbeitszeit anzusehen ist. Bestätigt wurde diese Rechtsprechung durch das Urteil des EuGH vom 09.09.2003 (C-151/02 Jäger), in dem der EuGH ausführte, dass ein Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in vollem Umfang Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie darstellt, auch wenn es dem Betroffenen in Zeiten, in denen er nicht in Anspruch genommen wird, gestattet ist, sich an seiner Arbeitsstelle auszuruhen. Hiernach ist die Verpflichtung, sich an einem von dem Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und diesem zur Verfügung zu stehen, als Bestandteil der geschuldeten Arbeitsleistung anzusehen.
Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen und entschieden, dass Bereitschaftsdienstzeiten seit dem 01.01.2004 als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes gelten (BAG vom 11.07.2006, 9 AZR 519/05, AP Nr. 10 zu § 6911 BGB Dienstreise).
Vorliegend hat die Beklagte angeordnet, dass sich der Kläger auch während der Zeit der Bereitschaftsruhe auf dem Betriebsgelände aufhalten muss, um bei Bedarf sofort die Arbeit aufnehmen zu können. Es liegt deshalb Arbeitszeit im Sinne des ArbZG vor.
Auch das Bundesarbeitsgericht geht im Übrigen in seinem Urteil vom 12.03.2008 (4 AZR 616/06, AP Nr. 18 zu § 1 TVG Tarifverträge: Chemie) davon aus, dass es sich bei der Bereitschaftsruhe gemäß § 5 Abs. 2 MTV um Arbeitszeit im Sinne des ArbZG handelt. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar ausdrücklich offen gelassen, ob die an § 5 Abs. 2 MTV orientierte Dienstplangestaltung der dortigen Beklagten gegen das Arbeitszeitgesetz und die Arbeitszeitrichtlinie verstößt. Es hat aber unter Randziffer 34 ausgeführt, dass die Bereitschaftsruhezeit nach der Begriffsbestimmung in § 5 Abs. 2 Ziffer 3 MTV nach den allgemein üblichen Begriffen weitgehend einem Bereitschaftsdienst entspricht.
1.2.2 Die von dem Kläger zu leistende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt entgegen der von ihm vertretenen Auffassung nicht 46,5 Stunden wöchentlich gemäß § 5 Abs. 1 MTV.
Das Arbeitsgericht hat die Regelungen in § 5 MTV zu Recht dahingehend ausgelegt, dass die in § 5 Abs. 1 MTV vorgesehene tarifliche Höchstarbeitszeit von 46,5 Stunden nicht für den 24-Stunden-Schichtbetrieb gilt, den der Kläger leisten muss. Vielmehr enthält § 5 Abs. 2 MTV eine gegenüber § 5 Abs. 1 MTV eigenständige Arbeitszeitenregelung für Arbeitnehmer, die 24-Stunden-Dienste zu leisten haben, wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 12.03.2008 (a.a.O., Randziffer 22) zutreffend ausgeführt hat. Denn § 5 Abs. 2 MTV bestimmt für diese Personengruppe durch Festlegung von Freizeiten und zusätzliche Freischichten den Umfang der jährlichen Arbeitszeit und stellt damit auch gegenüber Abs. 1 eine Spezialregelung bezüglich der tarifvertraglich geschuldeten Arbeitszeit dar.
1.2.3 Die in § 5 Abs. 2 MTV geregelte Arbeitszeit verstößt entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung nicht gegen europarechtliche Vorgaben und insbesondere nicht gegen die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG.
Art. 6 der Richtlinie 2003/88/EG bestimmt grundsätzlich, dass die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreiten darf. Die Richtlinie geht dabei davon aus, dass zwar die wöchentliche Arbeitszeit auch von den Tarifvertragsparteien festgelegt werden kann, sie lässt aber in Art. 18 eine Abweichung von Art. 6 durch die Tarifvertragsparteien nicht zu. Es ist gemäß Art. 22 lediglich den Mitgliedstaaten freigestellt, Art. 6 nicht anzuwenden, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitnehmer gegen seinen Willen mehr als 48 Stunden innerhalb des genannten Bezugszeitraums arbeiten muss, dass keinem Arbeitnehmer daraus Nachteile entstehen, dass er sich nicht bereiterklärt, eine solche Arbeit zu leisten, dass der Arbeitgeber aktuelle Listen über alle Arbeitnehmer führt, die eine solche Arbeit leisten und dass diese Listen den zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt werden sowie dass der Arbeitgeber die zuständigen Behörden auf Ersuchen darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich zu einer längeren Arbeitszeit als 48 Stunden bereit erklärt haben.
Der Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland hat vorliegend von der ihm in Art. 22 der Richtlinie gestatteten Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht. Denn § 7 Abs. 2 a ArbZG gestattet es ausdrücklich, dass in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung abweichend zugelassen werden kann, die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über acht Stunden zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt und durch besondere Regelungen sichergestellt wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.
Die erkennende Kammer hat wie auch das Arbeitsgericht keine durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser gesetzlichen Regelung.
Der Gesetzgeber hat nicht sämtliche von Art. 22 geforderten Sicherungsmaßnahmen auf die Tarifparteien übertragen. Vielmehr hat er selbst in § 7 Abs. 7 ArbZG bestimmt, dass die Arbeitszeit nur verlängert werden darf, wenn der Arbeitnehmer schriftlich eingewilligt hat (Art. 22 Abs. 1 a der Richtlinie), und dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen darf, weil dieser die Einwilligung zur Verlängerung der Arbeitszeit nicht erklärt oder die Einwilligung widerrufen hat (Art. 22 Abs. 1 b der Richtlinie). § 16 Abs. 2 ArbZG regelt die Verpflichtung des Arbeitgebers, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen (Art. 22 Abs. 1 c und d der Richtlinie), die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 7 eingewilligt haben, und dass diese Nachweise mindestens 2 Jahre aufzubewahren sind (Art. 22 Abs. 1 e der Richtlinie).
Soweit der Gesetzgeber die Verpflichtung, durch besondere Regelungen sicherzustellen, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird, auf die Tarifparteien übertragen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass jede staatliche Regelung auf dem Gebiet der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen den durch Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumten Autonomiebereich der Tarifpartner tangiert. Richtig ist auch, dass die Festlegung der in Art. 22 der Richtlinie geforderten Sicherungsmaßnahmen aus Sachgründen am besten von den Tarifvertragsparteien geregelt werden kann.
Die auf die Tarifvertragsparteien übertragene Verpflichtung, die von der Richtlinie geforderten Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, steht mit den Anforderungen der Richtlinie an einen effektiven Gesundheitsschutz in Einklang (a.A. Ulber, ZTR 2005, 70ff.; ErfK-Wank, § 7 ArbZG Rz.18). Denn die tarifliche Regelung kann und muss auf ihre Vereinbarkeit mit der EG-Richtlinie überprüft und ggf. europarechtskonform ausgelegt werden.
Vorliegend stellen § 5 Abs. 2 MTV und die Betriebsvereinbarungen vom 18.05.1995 und vom 20.03.2006 sicher, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer, die als Werksfeuerwehrleute im 24-Stunden-Schicht eingesetzt werden, nicht gefährdet wird. So bestimmt § 5 Abs. 2 Ziffer 2 MTV, dass der Arbeitnehmer während der Arbeitsbereitschaftszeit nur bis zu drei Stunden zu Arbeitsleistungen herangezogen werden darf. Geregelt ist ferner in § 5 Abs. 2 Ziffer 3 MTV, dass die Bereitschaftsruhe grundsätzlich der Erholung dient, ausreichende Ruhemöglichkeiten voraussetzt und grundsätzlich zusammenhängend zu gewähren ist. Während der Bereitschaftsruhe dürfen die Arbeitnehmer zudem nur zu solchen Arbeiten eingesetzt werden, die innerhalb ihres Aufgabenbereiches unvorhergesehen erforderlich werden. Nach der Betriebsvereinbarung vom 18.05.1992 stellt die Beklagte zusätzlich einen Fitnessraum mit Geräten sowie Fernsehgerät und Videoanlage zur Verfügung. Den besonderen Bedürfnissen älterer Mitarbeiter wird schließlich dadurch Rechnung getragen, dass diese nach der Ergänzungsvereinbarung vom 20.03.2006 ab dem 55. Lebensjahr 13 Altersfreischichten pro Jahr erhalten.
Damit ist in den Anforderungen der Arbeitszeitrichtlinie hinreichend Genüge getan. Der Kläger ist deshalb verpflichtet, seine Arbeitsleistung als Brandmeister im Unternehmensschutz/Werksfeuerwehr in dem durch den Manteltarifvertrag und die Betriebsvereinbarungen vorgegebenen Umfang zu erbringen.
2.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Freizeitausgleich für die Jahre 2006, 2007 und 2008.
Aus vorstehenden Ausführungen folgt, dass der Kläger keine Mehrarbeit im Sinne von § 3 MTV geleistet hat. Ein Anspruch auf Gewährung von Freizeitausgleich steht ihm deshalb auch nicht zu.
Dies gilt im Übrigen auch, wenn die Dienstplangestaltung der Beklagten gegen das Arbeitszeitgesetz und die Arbeitszeitrichtlinie verstoßen würde.
Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.03.2008 (4 AZR 616/06, a.a.O., Rz. 58, 59) handelt es sich bei der in § 5 Abs. 2 MTV geregelten Bereitschaftsruhezeit nicht um Arbeit im Sinne des § 4 MTV. Vielmehr gehen die Tarifvertragsparteien davon aus, dass es sich bei den Zeiten der Bereitschaftsruhe von vornherein nicht um zuschlagspflichtige Arbeit handelt. Einen Anspruch auf Freizeitausgleich besteht deshalb auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht.
III.
Die Berufung des Klägers war mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 ArbGG.