Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.12.2009, Az.: 7 Sa 333/09
Persönliche Haftung des Insolvenzverwalters für Abfindungsvergleich bei Masseunzulänglichkeit; Feststellungsklage bei Vorbehalt erfolgreicher Verkaufsverhandlungen
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 10.12.2009
- Aktenzeichen
- 7 Sa 333/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 33647
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:1210.7SA333.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 26.11.2008 - AZ: 8 Ca 55/08
- nachfolgend
- BAG - 06.10.2011 - AZ: 6 AZR 172/10
Rechtsgrundlagen
- § 60 InsO
- § 61 S. 1, 2 InsO
- § 256 Abs. 1 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Eine Haftung des Insovenzverwalters nach § 61 InsO entfällt, wenn der Insolvenzverwalter sowohl bei Abschluss des Vergleichs als auch bei Ablauf der Widerrufsfrist im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums davon ausgehen durfte, dass die Erfüllbarkeit der eingegangenen Forderung nicht weniger wahrscheinlich war als der Eintritt der Masseunzulänglichkeit, und wenn er bereits bei Abschluss des Vergleichs darauf hingewiesen hat, dass die Abfindung nur bei erfolgreichen Verkaufsverhandlungen ausgezahlt werden kann.
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
gegen
Beklagter und Berufungsbeklagter,
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2009 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leibold,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Kuckuck,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Elges
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 26.11.2008, 8 Ca 55/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte persönlich für eine Verbindlichkeit aus einem Abfindungsvergleich haftet, den er als Insolvenzverwalter mit dem Kläger abgeschlossen hat.
Der am 0.0.1942 geborene Kläger war seit dem 01.10.1989 bei der Firma G. AG als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom 02.10.1990 (Bl. 11 bis 13 d.A.) zu Grunde. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen am 26.05.2004 zum 31.03.2005.
Der Beklagten erstattete am 28.05.2004 ein Gutachten an das Insolvenzgericht, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 10.12.2007).
Durch Beschluss vom 01.06.2004 (Bl. 22, 23 d.A.) wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte kündigte sodann als Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis erneut mit Schreiben vom 15.06.2004 zum 30.09.2004 (Bl. 24 d.A.).
Der Kläger schloss mit dem Beklagten als Insolvenzverwalter am 01.07.2004 folgenden Prozessvergleich:
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters vom 15.06.2004 zum Ablauf des 30.09.2004 aus betriebsbedingten Gründen enden wird.
2. Der Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziff. 9 EStG eine Abfindung in Höhe von 9.000,00 € zu zahlen.
3. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
4. Beide Parteien behalten sich den Widerruf dieses Vergleiches vor durch einfache schriftliche Anzeige, eingehend bei Gericht bis spätestens Freitag, 13.08.2004.
Der abgeschlossene Vergleich wurde von keiner Partei widerrufen.
Der Beklagte hatte in der Güteverhandlung durch seinen Prozessbevollmächtigten erklärt, dass im Insolvenzverfahren alles davon abhinge, ob es ihm gelingen würde, ein share- oder asset-deal zu erreichen. In diesem Falle könnten ohne Weiteres Abfindungen an die ausscheidenden Mitarbeiter gezahlt werden. Anderenfalls bliebe nur die Abwicklung des Unternehmens. Für den Vergleich wurde eine lange Widerrufsfrist vereinbart, um die Frage des Gelingens eines share- oder asset-deals abwarten zu können.
Nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens wurde ab 08.04.2004 eine tägliche Liquiditätsplanung für die nächsten Monate erstellt. Es waren Geldeingänge in Höhe von ca. 500.000,00 € täglich mit 300 bis 400 Buchungsvorgängen zu verzeichnen. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 14.12.2005 zu den Gerichtsakten gereichten Anlagen (Bl. 63 bis 79 d.A.).
In einem Bericht vom 14.09.2004, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 10.12.2007), führte der Beklagte u. a. folgendes aus:
S. 22:
Die Vertriebstätigkeit wird ab dem 01.07.2004 von der Firma G. Vertriebs-GmbH wahrgenommen, es handelt sich um eine umfirmierte Tochtergesellschaft der Schuldnerin.
S. 23:
Bereits im Insolvenzantragsverfahren ist auf Hinweis verschiedener Beteiligter die U. GmbH, A-Stadt, mit der Erstellung einer Unternehmenspräsentation und mit der Kontaktaufnahme zu potentiellen in- und ausländischen Erwerbsinteressenten beauftragt worden. Sie hat nachfolgend sowohl strategische als auch Finanzinvestoren identifiziert und angesprochen. ...
S. 24:
Die von der a. GmbH hergestellten Kontakte führten schließlich zur Aufnahme von Verhandlungen mit drei Interessenten; ...
Ein schließlich für Ende August 2004 vorbereiteter Vertragsabschluss gelang nicht, weil aus Sicht des Erwerbsinteressenten die für eine Fortentwicklung der Geschäftstätigkeit notwendigen leitenden Mitarbeiter nicht umfänglich zur Verfügung standen. ...
Anfang September 2004 mussten die Verhandlungen mit den genannten Interessenten zum Teil erneut initiiert und auch intensiviert werden. ...
S. 25
Bei Abfassung dieses Berichtes zeichnet sich die Möglichkeit einer Gesamtlösung ab, deren Realisierung jedoch vom Verlauf weiterer Verhandlungen am 14./15.09.2004 abhängig ist.
S. 29:
In diese Absprachen sind auch die mit der Auflösung von Arbeitsverhältnissen verbundenen Aufwendungen ... einzubeziehen. Mit dem Gläubigerausschuss besteht bereits Einvernehmen, dass diese Aufwendungen zu Lasten der Erlöse aus der Verwertung von Sicherungsgut zu decken sind, sofern die Insolvenzmasse nicht über ausreichende Mittel zur Deckung sämtlicher Masseverbindlichkeiten verfügt.
Aus der Höhe der Masseverbindlichkeiten folgt, dass eine Deckung durch die von Rechten Dritter freie Masse nicht gelingen wird; perspektivisch ist eine Deckung auch nicht durch Absprachen über Kostenbeiträge der Sicherungsgläubiger herzustellen.
Als Verfahrensprognose ist deshalb anzukündigen, dass dieses Insolvenzverfahren voraussichtlich mangels Masse eingestellt werden muss. ...
Am 26.08.2004 erkundigte sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten bei dem Klägervertreter, wohin der Vergleichsbetrag überwiesen werden sollte.
Der Kläger stellte am 23.09.2004 den protokollierten Vergleich nebst Vollstreckungsklausel zu und forderte den Insolvenzverwalter auf, den Vergleichsbetrag bis zum 30.09.2004 zu zahlen.
Mit Schreiben vom 13.10.2004 (Bl. 28, 29 d.A.) teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die auf eine Gesamtverwertung des Betriebsvermögens der G. AG gerichteten Bemühungen gescheitert sind. Es sei noch nicht absehbar, in welchem Umfang Masseverbindlichkeiten in diesem Verfahren zu decken sind. Es sei aber davon auszugehen, dass die Entwicklung in den nächsten Wochen zur Klärung führe.
Mit Schreiben vom 10.11.2004 zeigte der Beklagten dem Insolvenzgericht gemäß § 208 InsO die Masseunzulänglichkeit an. Hiervon erhielt der Kläger Kenntnis durch Schreiben der Insolvenzschuldnerin vom 10.12.2004 und durch Schreiben des Beklagten vom 17.12.2004. Zuvor hatte er am 03.12.2004 wegen der nicht erfüllten Abfindungsforderung einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt.
Mit Schreiben vom 11.03.2005 (Bl. 38 - 40 d.A.) machte der Kläger gegenüber dem Beklagten den vorliegend im Streit stehenden Schadensersatzanspruch geltend. Mit seiner vor dem Landgericht C-Stadt erhobenen Klage verfolgt der Kläger diesen Schadensersatzanspruch weiter.
Das Landgericht C-Stadt hat durch Beschluss vom 05.01.2006 den Rechtweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Hannover verwiesen (Bl. 88, 89 d.A.). Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten wurde durch Beschluss des OLG Celle vom 31.03.2006 (Bl. 102, 103 d.A.) zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde des Beklagten war gemäß Beschluss des BGH vom 16.11.2006, IX ZB 57/06, erfolglos.
Das Arbeitsgericht hat zunächst durch Versäumnisurteil vom 17.10.2007 (Bl. 173 d.A.) die Klage abgewiesen. Es hat dann durch ein den Parteien am 05.02.2009 zugestelltes Urteil vom 26.11.2008, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 280 - 290 d.A.), dass Versäumnisurteil vom 17.10.2007 aufrechterhalten und die Klage im Weiteren abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 05.03.2009 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.05.2009 am 05.05.2009 begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe Masseunzulänglichkeit zu Unrecht angezeigt, wodurch ihm ein Schaden entstanden sei. Diesen müsse der Beklagte gemäß § 60 InsO erstatten.
Wenn allerdings Masseunzulänglichkeit vorliege, bestehe ein Schadensersatzanspruch aus § 60 InsO. Die in dem Schriftsatz vom 10.12.2007 dargelegten weiteren Verfahren von Kollegen gegen den Beklagten belegten dessen planmäßiges Vorgehen. Durch den Abschluss von Prozessvergleichen weit unterhalb normaler Regelsätze sowie durch das Ausschalten der Vollstreckungsbereitschaft der jeweiligen Kläger habe es der Beklagte erreicht, dass die jeweiligen vereinbarten Abfindungsbeträge nicht vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit vollstreckt werden konnten.
Der Beklagte habe durch die Anfrage vom 26.08.2004, wohin der Vergleichsbetrag gezahlt werden solle, Erfüllungsbereitschaft suggeriert und damit den Kläger von der Vollstreckung der titulierten Forderung bewusst abgehalten.
Der Kläger behauptet, der Beklagte habe laufend gleich- bzw. nachrangige einfache Masseverbindlichkeiten bis zur Masseunzulänglichkeitsanzeige bedient.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Klägers im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 05.05.2009 01.12.2009 nebst Anlagen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 07.10.2008 abzuändern,
das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hannover, 12 Ca 183/07, vom 17.10.2007 aufzuheben und
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die dieser in Folge des Abschlusses eines Prozessvergleichs in dem Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Hannover 11 Ca 494/04 am 01.07.2004 und der hiernach vom Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma G. AG beim Amtsgericht C-Stadt - Insolvenzgericht - zu Aktenzeichen 902 IN 395/04-01 angezeigten Masseunzulänglichkeiten erlitten hat und noch erleiden wird,
hilfsweise für den Fall, dass das erkennende Gericht diesen Antrag zurückweist, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 9.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.08.2004 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11.06.2009 und 08.12.2009.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht ist zu Recht und mit weitgehend zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zusteht. Das Landesarbeitsgericht macht sich die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils zu Eigen und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.
Das Berufungsverfahren bietet Anlass zu folgenden ergänzenden und zusammenfassenden Ausführungen:
1. Gegen die Zulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Der von dem Kläger geltend gemachte Schaden war bei Klageerhebung noch nicht vollständig bezifferbar, da er seinen Schaden in der Differenz zwischen der zuletzt regelmäßig erzielten Vergütung bis zum Rentenbeginn am 17.04.2007 und dem Bezug von Arbeitslosengeld bis dahin sowie in dem durch die verminderten Beitragsleistungen abgesenkten Regelaltersrentenbetrag als negatives Interesse sieht. Das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO liegt deshalb vor.
Diese gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger das Rentenalter nach Klageerhebung zwischenzeitlich erreicht hat, so dass eine Bezifferung des eingetretenen Schadens für grundsätzlich möglich ist. Denn der Vorrang der Leistungsklage gilt nicht, soweit erst im Laufe des Rechtsstreits die Bezifferung einer Forderung möglich geworden ist (BAG vom 18.03.1997, 9 AZR 84/96, AP Nr. 8 zu § 17 BErzGG).
2. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 61 InsO.
Nach dieser Vorschrift ist ein Insolvenzverwalter dem Massegläubiger zum Schadenersatz verpflichtet, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden kann. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Der Beklagte hat als Insolvenzverwalter mit dem Kläger einen Vergleich abgeschlossen und sich darin verpflichtet, an dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 9.000,00 € zu zahlen. Diese Forderung kann nach der angezeigten Masseunzulänglichkeit nicht mehr voll aus der Insolvenzmasse erfüllt werden.
Die Haftung des Verwalters entfällt allerdings nach § 61 Satz 2 InsO, wenn er bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde. Eine Schadenersatzpflicht besteht mithin nur für die pflichtwidrige Begründung von Masseverbindlichkeiten (BAG vom 01.06.2006, 6 AZR 59/06, AP Nr. 2 zu § 61 InsO; BGH vom 06.05.2004, IX ZR 48/03, NJW 2004, 3334 - 3339).
Von einer derartigen pflichtwidrigen Begründung der im Streit stehenden Abfindungsforderung kann vorliegend nicht ausgegangen werden.
Zum einen belegt der von dem Kläger zu den Gerichtsakten gereichte Bericht des Beklagten vom 14.09.2004, dass die Verkaufsbemühungen hinsichtlich der insolventen Firma frühestens Ende August 2004 als gescheitert angesehen werden konnten. Bis zu diesem Zeitpunkt und auch noch darüber hinaus fanden Verhandlungen mit Erwerbsinteressenten statt, bei deren Erfolg die im Streit stehende Forderung hätte erfüllt werden können. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass der Beklagte sowohl bei Abschluss des Vergleichs am 01.07.2004 als auch bei Ablauf der Widerrufsfrist am 13.08.2004 im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums davon ausgehen durfte, dass die Erfüllbarkeit der eingegangenen Forderung nicht weniger wahrscheinlich war als der Eintritt der Masseunzulänglichkeit.
Dies gilt zum anderen vor allem vor dem Hintergrund, dass der Beklagte den Kläger bereits bei Abschluss des Vergleichs darauf hingewiesen hat, dass die Abfindung nur bei erfolgreichen Verkaufsverhandlungen ausgezahlt werden kann. Der Kläger wusste mithin, unter welchen Voraussetzungen der Abfindungsvergleich abgeschlossen wurde.
Der Kläger durfte ohne Rückfrage bei dem Beklagten auch nicht darauf vertrauen, dass bei einem nicht erfolgten Widerruf des Vergleichs durch den Beklagten die Zahlung des Abfindungsbetrags aus der Masse gesichert ist. Selbst wenn die sechswöchige Widerrufsfrist auf Wunsch des Beklagten vereinbart worden ist, folgte daraus keine Verpflichtung des Beklagten, den Kläger ausdrücklich vor dem Wirksamwerden des Vergleichs darauf hinzuweisen, dass die Verkaufsverhandlungen noch nicht abgeschlossen worden sind. Da auch dem Kläger eine entsprechende Widerrufsfrist eingeräumt worden war, war es ihm möglich und zumutbar, vor Ablauf der Widerrufsfrist bei dem Beklagten nachzufragen, ob nunmehr die Erfüllbarkeit des Vergleichs gewährleistet ist, und gegebenenfalls seinerseits den Vergleich zu widerrufen.
3. Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz besteht auch nicht aus § 60 InsO.
Nach dieser Vorschrift ist der Insolvenzverwalter allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat dabei für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.
3.1 Der Insolvenzverwalter haftet einem Massegläubiger nach § 60 InsO, wenn er die Masse pflichtwidrig verkürzt (BGH vom 06.05.2004, aaO.). Dass dies vorliegend der Fall ist, kann nicht festgestellt werden.
Der Beklagte hat nach seinem Vortrag lediglich Forderungen von dem Kläger vorrangigen Massengläubigern bedient. Nach seinen Ausführungen konnten noch nicht einmal alle bevorrechtigten Gläubiger befriedigt werden. Ein pflichtwidriges Verhalten liegt danach nicht vor.
Dem ist der Kläger nicht hinreichend konkret entgegengetreten, der für das Vorliegen der Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruchs darlegungs- und beweispflichtig ist. Der Kläger behauptet lediglich pauschal, der Beklagte habe gleich- bzw. nachrangige einfache Masseverbindlichkeiten bis zur Masseunzulänglichkeitsanzeige bedient. Er weist jedoch nicht in einem einzigen Fall konkret nach, dass dies tatsächlich erfolgt ist.
3.2 Ein Haftungsanspruch aus § 60 InsO kommt auch in Betracht, wenn der Beklagte die Masseunzulänglichkeit zu Unrecht angezeigt hat. Hiervon kann jedoch ebenfalls nicht ausgegangen werden. Der Kläger legt keine Tatsachen dar, die den Schluss zulassen, dass die Anzeige der Masseunzulänglichkeit pflichtwidrig durch den Beklagten erfolgt ist. Insoweit ist für die erkennende Kammer nicht nachvollziehbar, welche von dem Kläger vorgetragenen Tatsachen durch die von dem Beklagten vorgelegte Liquiditätsschau als Anlage B 1 zum Schriftsatz vom 14.12.2005 belegt werden sollen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich den Sachvortrag des Klägers aus umfangreichen Anlagen selbst auszusuchen.
3.3 Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte den Kläger pflichtwidrig von der Vollstreckung des titulierten Anspruchs abgehalten hat. Der Beklagte war zwar grundsätzlich verpflichtet, die eingegangenen Masseverbindlichkeiten zu begleichen, sobald die Fälligkeit eingetreten ist (BAG vom 25.01.2007, 6 AZR 559/06, AP Nr. 1 zu § 60 InsO), vorliegend also bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2004. Es gehört aber andererseits auch zu den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters, vor jeder Verteilung der Masse zu kontrollieren, ob die anderen Masseverbindlichkeiten rechtzeitig und vollständig aus der verbleibenden Insolvenzmasse bezahlt werden können. Ist dies wie vorliegend nicht der Fall, was das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 13.10.2004 belegt, kann ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten nicht festgestellt werden.
3.4 Ein planmäßiges Vorgehen des Beklagten zulasten des Klägers und seiner Kollegen konnte schließlich ebenfalls nicht festgestellt werden.
Der Kläger hat nicht dargelegt, welche Pflichtwidrigkeit des Beklagten durch die in seinem Schriftsatz vom 10.12.2007 aufgeführten weiteren Verfahren von Kollegen belegt werden soll. Die erkennende Kammer hatte deshalb auch keinen Anlass, diese Verfahren bei zu ziehen.
Soweit der Kläger hiermit eine Pflichtwidrigkeit wegen Nichterfüllung des Vergleichs nach dessen Fälligkeit oder wegen Abschluss des Vergleichs trotz Nichterfüllbarkeit nachweisen will, kann auf obige Ausführungen verwiesen werden.
III. Die Berufung des Klägers war mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
Die Zulassung der Revision beruht im Hinblick auf die Ausführungen zu § 61 InsO auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.
Kuckuck
Elges