Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.11.2009, Az.: 2 Sa 449/09
Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes bei der Zusammenrechnung mit der Karenzentschädigung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 18.11.2009
- Aktenzeichen
- 2 Sa 449/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 37092
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:1118.2SA449.09.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BAG - 14.09.2011 - AZ: 10 AZR 198/10
Rechtsgrundlagen
- § 74 HGB
- § 74c HGB
- § 148 SGB III a.F.
Redaktioneller Leitsatz
1. Arbeitslosengeld ist bei der Zusammenrechnung mit der Karenzentschädigung nach § 74c HGB mit dem Nettobetrag zu berücksichtigen.
2. Die Aufhebung des § 148 SGB III führte lediglich zu einer Begünstigung des Arbeitgebers, da er keinen Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit mehr im Hinblick auf an den Arbeitnehmer gewährtes Arbeitslosengeld, ausgesetzt ist.
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungsbeklagter,
gegen
Beklagte und Berufungsklägerin,
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2009 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Voigt,
die ehrenamtliche Richterin Frau Wiese,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Zander
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 03.02.2009 - 7 Ca 193/08 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob bei der dem Kläger von Seiten der Beklagten zu zahlenden Karenzentschädigung nach § 74 c HGB, das von dem Kläger bezogene Arbeitslosengeld mit dem tatsächlichen Zahlbetrag (netto) oder mit einem fiktiven Bruttobetrag zu berücksichtigen ist.
Der Kläger war seit dem 01.07.1998 bei der Beklagten aus Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch fristgerechte Kündigung mit Ablauf des 29.02.2008.
Der Kläger bezieht seit dem 01.03.2008 Arbeitslosengeld. Das Arbeitslosengeld belief sich für die Zeit vom 01.03.2008 bis zum 30.06.2008 auf monatlich 1.659,90 €. Seit dem 01.07.2008 beträgt das monatliche Arbeitslosengeld 1.486,50 €.
Unter dem Datum des 24.03.2003 trafen die Parteien eine Wettbewerbsvereinbarung, entsprechend § 74 HGB. Danach unterliegt der Kläger für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Als Entschädigung für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots erhält der Kläger gemäß Ziffer 2 der Wettbewerbsvereinbarung vom 24.03.2003 eine jeweils am Monatsschluss zu zahlende Entschädigung in Höhe von 50% der zuletzt von ihm bezogenen Leistungen.
Im Rahmen des zwischen den Parteien geführten Kündigungsrechtsstreites wegen der von Seiten der Beklagten ausgesprochenen Kündigung, schlossen die Parteien am 17.02.2007 einen Vergleich. Danach wurde unter Ziffer 9 des Vergleichs vereinbart, dass für die Berechnung der Karenzentschädigung von einem Bruttomonatsbetrag von 3.215,00 € als zuletzt bezogene Leistung im Sinne von Ziffer 2 der Wettbewerbsvereinbarung vom 24.03.2003 auszugehen sei.
Die Beklagte setzte bei der Ermittlung der dem Kläger monatlich zu zahlenden Karenzentschädigung das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld nicht mit dem tatsächlich an den Kläger von der Bundesagentur für Arbeit geleisteten Zahlungen in Höhe von 1.659,90€ bzw. 1.486,50 € ab 01.07.2008 an, sondern wählte ein fiktives Bruttogehalt. Wodurch sich die monatlich zu zahlende Karenzentschädigung um 548,40 € reduzierte.
Gegen diese Kürzung der Karenzentschädigung wendet sich der Kläger mit seiner am 15.04.2008 vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, Arbeitslosengeld könne auch bei der Karenzentschädigung nur in Höhe des tatsächlichen Zahlbetrages und nicht mit dem auf ein fiktives Bruttogehalt hochgerechneten Betrag angerechnet werden.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen müsse der Kläger sich in den Grenzen des§ 74 c HGB denjenigen Betrag anrechnen lassen, der sich ergebe, wenn das gezahlte Arbeitslosengeld, wie eine Nettovergütung unter Berücksichtigung zu leistender Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge in ein fiktives Bruttoarbeitslosengeld umgerechnet werde. Dies folge schon daraus, dass die Berechnung einer Karenzentschädigung, sofern ein Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis eingehe, den in dem neuen Arbeitsverhältnis bezogenen Bruttobetrag berücksichtige und daher für das Arbeitslosengeld nichts anderes gelten könne.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 03.02.2009 verwiesen.
Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht der Zahlungsklage des Klägers antragsgemäß in Höhe von 5.484,00 € stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergebe sich, dass Arbeitslosengeld nicht mit einem fiktiven Bruttobetrag auf die Karenzentschädigung anzurechnen sei. Dies habe das Bundesarbeitsgericht aus der Vorschrift des § 128 a Satz 3 AFG (später § 148 SGB III) hergeleitet. Trotz der zwischenzeitlichen Aufhebung dieser Vorschrift habe das Bundesarbeitsgericht bei einer Folgeentscheidung aus dem Jahre 2004 an dieser Rechtsprechung festgehalten. Sinn und Zweck dieses § 74 c Abs. 1 HGB sei es u.a., einen Anreiz für die Arbeitnehmer zu schaffen, der auf die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots eine neue wettbewerbsfreie Tätigkeit aufzunehmen. Diese Anreizfunktion bestehe, auch wenn lediglich das Nettoarbeitslosengeld zur Anrechnung gebracht wird.
Es fehle im Übrigen eine Rechtsgrundlage dafür, das Arbeitslosengeld auf ein fiktives Bruttoeinkommen hochzurechnen, da es gesetzlich kein Nettoarbeitslosengeld und kein Bruttoarbeitslosengeld, sondern nur ein Arbeitslosengeld gebe.
Eine Anrechnung des fiktiven Bruttoarbeitslosengeldes führe im Übrigen nicht zur Entlastung der Solidargemeinschaft, sondern lediglich zu einer Entlastung des Arbeitgebers. Durch die Anrechnung des Bruttoarbeitslosengeldes würde die Höhe des Arbeitslosengeldbezugs unverändert bleiben. Mit der vordergründigen Argumentation der Beklagten, einer Entlastung der Solidargemeinschaft würde einzig eine Entlastung der Beklagten erzielt werden, obwohl diese sich den wirtschaftlichen Belastungen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bewusst und willentlich ausgesetzt habe. Wolle man den Schutz und die Entlastung der Solidargemeinschaft konsequent umsetzen, hätte es eine Anrechnung der Karenzentschädigung auf das Arbeitslosengeld bedurft. Der Gesetzgeber habe sich gegen ein solches Vorgehen entschieden. Diese Wertung sei zu respektieren solange der Gesetzgeber an die bisherigen Regelungen zur Arbeitslosengeldberechnung fest halte.
Wegen des weiteren Inhalts der angefochtenen Entscheidung wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 03.02.2009 verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 26.02.2009 zugestellte Urteil am 25.03.2009 Berufung eingelegt, die sie gleichzeitig begründet hat.
Die Beklagte vertieft ihr erstinstanzlichen Prozessvortrag. Sie ist der Auffassung die Hochrechnung des anzurechnenden Arbeitslosengeldes in einen fiktiven Bruttobetrag, stehe im Einklang mit den Zielen des § 74 c HGB. Die Hochrechnung in einen fiktiven Bruttobetrag würde verhindern, dass der untätig herumsitzende Arbeitnehmer unter dem Strich ein höheres Einkommen erziele, als derjenige der sich eine neue konkurrenzfreie Stelle sucht. Die Zahllast des Arbeitgebers solle dort enden, wo der Arbeitnehmer durch Karenzentschädigung und neues Einkommen mehr als 110 % der alten Vergütung beziehe. Nach § 74 c HGB sei im Übrigen eine Anrechnung des Arbeitslosengeldes auf die Karenzentschädigung nicht ausdrücklich vorgesehen. Diese Anrechnung beruhe darauf, dass das Bundesarbeitsgericht hinsichtlich des Bezugs von Arbeitslosengeld im Zusammenhang mit einer Karenzentschädigung eine Regelungslücke in § 74 c HGB erkannt und gefüllt habe. Wenn aber schon hinsichtlich des "ob" der Anrechenbarkeit von Arbeitslosengeld eine Regelungslücke vorliege, so müsse dies um so mehr für die Frage gelten, in welcher Höhe bzw. mit welchem Betrag das Arbeitslosengeld anzurechnen sei. Diese Regelungslücke lasse sich nicht anhand des Wortlauts in § 74 HGB schließen. Vielmehr müsse zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen der Bezug von Arbeitslosengeld mit einem fiktiven Bruttobetrag berechnet werden, um einen Wertungswiderspruch mit demjenigen Arbeitnehmer zu vermeiden, der tatsächlich ein neues Arbeitsverhältnis eingehe. Auch bei diesem werde die Anrechnung der anderweitigen Vergütung mit dem Bruttovergütungsbetrag vorgenommen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 03. Februar 2009 - 7 Ca 193/08 - die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der Beklagte ist der Auffassung, der Anspruch auf Arbeitslosengeld beruhe auf individuellen Beiträgen des Arbeitnehmers an die Bundesagentur für Arbeit und habe daher Versicherungscharakter. Spätestens seit der Abschaffung des § 148 SGB III, der nachfolgende Bestimmung zu § 128 a AFG, sei fraglich, ob der Arbeitslosengeldbezug überhaupt noch als anderweitiger Erwerb im Sinne des § 74 c HGB anzusehen sei. Soweit die Beklagte im Übrigen meint, die Bildung eines fiktiven Bruttoeinkommens sei bei Arbeitslosengeldbezug erforderlich, um zu verhindern, dass ein Arbeitnehmer nach Ausscheiden aus einem Arbeitsverhältnis und dem Bezug von Karenzentschädigung untätig herumsitze, könne dem nicht gefolgt werden. Das Instrumentarium gegenüber dem bloß herumsitzenden Arbeitnehmer sei, die Anrechnung böswillig unterlassenen Erwerbs. Im Übrigen würde eine Hochrechnung auf ein Bruttoarbeitslosenentgelt dazu führen, dass der Arbeitslosengeldbezieher doppelt mit Sozialabgaben belastet würde. Bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes würde nach§ 133 SGB III Sozialabgaben pauschaliert bereits berücksichtigt. Diese Abgabe der Bundesagentur für Arbeit würden aber anders als der Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28 b SGB IV nicht für geleistete Beschäftigung abgeführt werden, sondern im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Anspruchserhaltung. Damit seien sie Bestandteil der vom Arbeitnehmer durch eingezahlte Beiträge erworbenen Versicherungsleistung. Die gesetzgeberische Grundentscheidung der Ausgestaltung des Arbeitslosengeldes als Versicherungsleistung sei hinzunehmen.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im Einzelnen wird auf die mündlich vorgetragenen Inhalte ihrer gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 529, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.
Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden. Das Berufungsgericht nimmt auf die Begründung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung Bezug und folgt ihr, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen sei lediglich ergänzend auf folgendes hingewiesen:
Das Bundesarbeitsgericht hat seit seiner Grundsatzentscheidung vom 25.06.1985 (BAG, Urteil vom 25.06.1985 - 3 AZR 305/83 - in AP Nr. 11 zu § 74 c HGB) daran festgehalten, dass § 74 c HGB hinsichtlich der Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes eine Regelungslücke enthält. Würde eine Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes nicht erfolgen, so würde die Grenze des nach § 74 c HGB vom Gesetzgeber gesicherten Lebensstandard (110 - 125%) nachhaltig überschritten werden können (BAG, aaO., Rn 35). Diesen Wertungswiderspruch hat das Bundesarbeitsgericht bei seiner Lückenfüllung dahingehend gelöst, dass es eine Anrechnung des Arbeitslosengeldes auf die Karenzentschädigung vornimmt.
Daran hat des Bundesarbeitsgerichts in der Folgezeit festgehalten (BAG, Urteil vom 27.11.1991 - 4 AZR 211/91 - in BB 1992, 1560 (1562)). Dabei bestand bei Erlass der Urteile des Bundesarbeitsgerichts aus den Jahren 1985, 1991 noch die Regelung des § 128 a AFG, nach der der Arbeitgeber der Bundesagentur für Arbeit das Arbeitslosengeld bei Bestehen einer Konkurrenzklausel 1/4 jährlich zu erstatten hatte, und der Arbeitgeber sich das Arbeitslosengeld wie Arbeitslosenentgelt auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen muss. Diese Regelung wurde zum 01.01.1998 durch die Bestimmung des § 148 SGB III ersetzt und reduzierte die Erstattungspflicht des Arbeitgebers gegenüber der Bundesagentur für Arbeit auf 30% des Arbeitslosengeldes.
In seinem Urteil vom 23.11.2004 - 9 AZR 595/03 - (AP Nr. 75 zu § 74 HGB) hat das Bundesarbeitsgericht offen gelassen, ob nachdem die Bestimmung des § 148 SGB III Ende 2003 ersatzlos aufgehoben wurde, das Arbeitslosengeld überhaupt in voller Höhe mit der Karenzentschädigung zu verrechnen wäre (BAG, Urteil vom 23.11.2004 - 9 AZR 595/03 aaO., Rn 40).
Diese Anrechnung erscheint problematisch, da nach dem Entfall der Bestimmung des § 148 SGB III mit der Erstattungspflicht des Arbeitgebers, unter Anrechnungsregelung und zu Lasten des Arbeitnehmers, das Arbeitslosengeld nun wie bei einer Rente - die nicht auf Karenzentschädigungsansprüche angerechnet wird - Versicherungscharakter hat (vgl. dazu die Anmerkung von Oliver Klose in Juris BR-ArbR 14/2005, Anmerkung 1 zu BAG, Urteil vom 23.11.2004 - 9 AZR 595/03).
Würde vor diesem Hintergrund eine Anrechnung des Arbeitslosengeldes im vorliegenden Fall überhaupt unterbleiben, bestünde der Anspruch des Klägers auf die volle Karenzentschädigung und damit der Anspruch auf den klagweise geltend gemachten Betrag.
Die Frage, ob nach der Aufhebung der Bestimmung des § 148 SGB III überhaupt noch eine Anrechnung des Arbeitslosengeldes zulässig ist, kann hier aus folgenden Erwägungen dahingestellt bleiben.
Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass Arbeitslosengeld bei der Zusammenrechnung mit der Karenzentschädigung nach § 74 c HGB mit dem Nettobetrag zu berücksichtigen ist (BAG, Urteil vom 25.06.1985 - 3 AZR 305 -, Rn 37, aaO.; BAG, Urteil vom 27.11.1991 - 4 AZR 211/91 - zitiert nach jurisweb, Rn 67, AP Nr. 22 zu § 4 TVG Nachwirkung; BAG, Urteil vom 23.11.2004 - 9 AZR 595/03 -, Rn 40, zitiert nach jurisweb, AP Nr. 75 zu § 74 HGB; s. a. LAG München, Urteil vom 14.08.2007, 4 Sa 189/07, zitiert nach jurisweb, Rn 22).
Das Bundesarbeitsgericht hat an dieser Rechtsprechung auch nach Aufhebung der Bestimmung des § 148 SGB III festgehalten. Dem ist zu folgen. Es ist kein Grund ersichtlich, der Veranlassung geben würde nach der Aufhebung des § 148 SGB III davon abzuweichen. Die Aufhebung des § 148 SGB III führte lediglich zu einer Begünstigung des Arbeitgebers, da er keinen Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit mehr im Hinblick auf an den Arbeitnehmer gewährtes Arbeitslosengeld, ausgesetzt ist. Mehr lässt sich daraus nicht ableiten. Das Bundesarbeitsgericht, dem die Kammer folgt, hat deshalb in seiner Entscheidung vom 23.11.2004 daran festgehalten, dass der Arbeitnehmer sich lediglich das Nettoarbeitsentgelt anrechnen lassen müsse.
Ist das Arbeitslosengeld indes nur mit dem tatsächlich gezahlten Betrag, also dem Nettobetrag, in Ansatz zu bringen, stellt sich die Frage, ob nach der Aufhebung der Bestimmung des § 148 SGB III überhaupt noch eine Anrechnung des Arbeitslosengeldes erfolgen kann, im vorliegenden Fall nicht. Gemäß § 74 c Abs. 1 Satz 1 HGB erfolgt eine Anrechnung anderweitigen Erwerbs nur, wenn insoweit die Beträge aus Karenzentschädigung, also 50% der zuletzt bezogenen Bruttovergütung und anderer anderweitigem Erwerbseinkommen 110% des vorhergehenden Bruttoarbeitsentgelts übersteigen.
Das letzte Bruttoentgelt des Klägers betrug 3.215,00 €. Die Anrechnungsgrenze (110%) beträgt 3.536,50 €. Die Summe aus Karenzentschädigung 1.607,50 € und Arbeitslosengeld von 1.659,50 € (bis 30.06.2008) beträgt 3.267,00 €. Für die Zeit ab 01.07.2008 beträgt wegen der Verringerung des Arbeitslosengelds auf 1.486,50 € die Gesamtsumme der vom Kläger bezogenen Einkünfte 3.094,00 €.
Da die Kappungsgrenze von 110% nicht erreicht ist, stellt sich die Frage, ob das Arbeitslosengeld überhaupt auf die Karenzentschädigung anzurechnen, oder ob dies wegen der ersatzlosen Streichung der Bestimmung des § 148 SGB III mit Wirkung ab 01.01.2004 zu unterbleiben hat, daher nicht (so auch mit dieser Begründung offengelassen vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 23.11.2004 - 9 AZR 595/03 -, Rn 40, AP Nr. 75 zu § 74 HGB).
Die Tatsache, dass zwischen den Parteien aufgrund einer Korrektur der Abrechnung wegen eines Rechenfehlers zwischenzeitlich lediglich noch ein Betrag in Höhe von 1.106,60 € streitig ist (Bl. 161 d. A.) ist unbeachtlich, da die Beklagte die Erfüllung des nunmehr unstreitigen Teilbetrages in Höhe von 4.377,40 € nicht dargelegt hat und der Kläger entsprechende Zahlungen nicht eingeräumt hat.
Nach alldem war wie erfolgt zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt auch § 97 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Das erkennende Gericht hat die vorhandene Rechtsprechung ausgewertet und berücksichtigt. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache kann nicht angenommen werden, da die Frage der Anrechnung des Arbeitslosengeldes durch das Bundesarbeitsgericht auch nach Entfall der Bestimmung des § 148 SGB III im Sinne der Nettobetragsanrechnung entschieden wurde.
Soweit das Landesarbeitsgericht München (LAG München, aaO.), obwohl es der BAG-Rechtsprechung gefolgt ist, die Revision zugelassen hatte (vgl. insoweit die Kritik von Oesterle in der Anmerkung zu dieser Entscheidung in Juris PR ArbR, 50/2007, Anmerkung 4), hat die Kammer darin keinen Grund gesehen, die Revision im vorliegenden Fall zuzulassen. Die gegen die Entscheidung des LAG München unter dem Az. 10 AZR 678/07 beim Bundesarbeitsgericht eingelegte Revision ist im Termin vom 19.11.2008 nach Erörterung der Sach- und Rechtslage zurückgenommen worden.
Wiese
Zander