Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.02.2009, Az.: 11 Sa 1262/08 E
Bewährungsaufstieg einer Pflegefachkraft bei einseitiger Änderung der Entlohnungsgrundsätze durch Arbeitgeberin und bewusster Regelungslücke in ablösendem Tarifvertrag
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 24.02.2009
- Aktenzeichen
- 11 Sa 1262/08 E
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 15811
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:0224.11SA1262.08E.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg, 5 Ca 118/08 vom 10.06.2008
- nachfolgend
- BAG - 11.01.2011 - AZ: 1 AZR 310/09
Rechtsgrundlagen
- Art. 9 Abs. 3 GG
- § 611 Abs. 1 BGB
- § 3 Abs. 3 TVG
- § 4 Abs. 5 TVG
- § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
- § 34 Abs. 1 MTV
Fundstelle
- ArbR 2010, 153
Redaktioneller Leitsatz
1. Soll ein neuer Tarifvertrag nach den Übergangsregelungen eine abschließende Regelung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer darstellen und "ausnahmslos und abschließend" alle bis dahin geltenden oder angewandten tariflichen Regelungen ersetzen, ergibt sich aus diesem Tariftext klar und eindeutig, dass die Tarifvertragsparteien keinerlei Regelungsreste des alten Tarifvertrages weiter gelten lassen wollen.
2. Haben die Tarifvertragsparteien in einzelnen Bestimmungen des Tarifvertrages eine Neuregelung für die Entgeltregelungen noch nicht gefunden und legen sie mit der Formulierung "(Derzeit nicht belegt)" klar und eindeutig offen, dass insoweit eine tarifliche Neuregelung noch nicht erfolgt ist und insoweit bezüglich der Vergütung unter Umständen ein tarifloser Zustand eintritt, machen sie bei gleichzeitiger Bestimmung einer "ausnahmslos und abschließend" vereinbarten Ersetzung ebenso deutlich, dass diese Rechtfolge von ihnen bewusst gewollt ist.
3. Enthält der ablösende Tarifvertrag eine bewusste Regelungslücke, kann diese von den Gerichten für Arbeitssachen nicht geschlossen werden; die Methode der ergänzenden Vertragsauslegung findet ihre Grenze an der Autonomie der Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG, so dass korrigierende oder gestaltende Eingriffe in Tarifverträge den Gerichten insoweit verwehrt sind.
4. Hat die Arbeitgeberin die betrieblichen Vergütungsgrundsätze einseitig geändert und insbesondere durch die Streichung der Lebensaltersstufen und der Möglichkeiten des Bewährungsaufstieges in wesentliche Grundstrukturen der bisherigen Vergütung eingegriffen, unterliegt diese Änderung der bestehenden Entlohnungsgrundsätze als kollektive Maßnahme der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
5. Auch wenn die Verletzung von Mitbestimmungsrechten grundsätzlich nicht dazu führt, dass sich individualrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ergeben, die zuvor noch nicht bestanden haben, lässt dieser Grundsatz die kollektivrechtliche Verpflichtung der Arbeitgeberin unberührt, die vertraglich vereinbarten Leistungen unter Beachtung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze zu gewähren.
6. Richtet sich die Vergütung der Arbeitnehmerin laut Arbeitsvertrag nach dem jeweils "anzuwendenden" Tarifvertrag und sind die bisherigen Entlohnungsgrundsätze nicht mit Zustimmung des Betriebsrates wirksam abgeändert worden, bleibt der bisher vorgesehene Bewährungsaufstieg insoweit der zu Gunsten der Arbeitnehmerin anzuwendende Entlohnungsgrundsatz.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10.06.2008 - 5 Ca 118/08 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 281,76 EUR; brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2008 und weitere 281,76 EUR; brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen tariflichen Bewährungsaufstieg.
Die am 0.0.1959 geborene Klägerin ist seit dem 01.08.2004 bei der Beklagten als Pflegefachkraft mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag (Bl. 5 bis 6 d. A.) heißt es unter anderem:
§ IV Arbeitsentgelt
1. Das monatliche Entgelt ergibt sich aus der tariflichen Eingruppierung gemäß BMT-AW II im Krankenpflegetarifvertrag: IV, Fallgruppe: 5.
2. ...
§ VIII Tarifvertragliche Regelungen
Im übrigen gelten die Bestimmungen des anzuwendenden Tarifvertrages in seiner jeweils gültigen Fassung.
Am 11.09.2006 ist für die Einrichtungen der B. im Bezirksverband W. ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen worden, der rückwirkend zum 01.07.2006 in Kraft gesetzt wurde (Bl. 22 bis 36 d. A.).
In dem mit "Eingruppierung und Entgelt" überschriebenen Abschnitt III sind folgende Regelungen enthalten:
§ 12 Eingruppierung
(Derzeit nicht belegt)
§ 13 Eingruppierung in besonderen Fällen
(Derzeit nicht belegt)
§ 15 Tabellenentgelt
(1) Die Entgeltberechnung erfolgt gemäß den Vereinbarungen nach § 34.
§ 16 Stufen der Entgelttabelle
Derzeit nicht anwendbar. Siehe Regelung nach § 34.
§ 17 Allgemeine Regelungen zu den Stufen
Derzeit nicht anwendbar. Siehe Regelung nach § 34.
....
§ 34 Übergangsregelungen
Vorrangig zu den Regelungen dieses Tarifvertrages gelten folgende Regelungen:
(1) Das vorliegende Tarifvertragswerk (einschließlich der in ihm in Bezug genommenen Regelungen) stellt eine abschließende Regelung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer und der sonstigen Beschäftigten im Sinne von § 1 dar und ersetzt ab dem 01.07.2006 ausnahmslos und abschließend alle bis dahin in der B. Gruppe geltenden oder angewandten tariflichen Regelungen, es sei denn, dieser Tarifvertrag verweist ausdrücklich auf den BMT-AW II. ...
(2) Vergütungszahlungen:
(a) Für den Zeitraum 01.07.2006 bis 31.12.2006 werden auf der Basis der Regelungen der Eingruppierungen und der Vergütungs- und Lohntabellen des BMT-AW II die Gehalts- und Lohnzahlungen ausgeführt. Im Rahmen dieser Regelung wird der Arbeitnehmer auf der Basis der für ihn am 01.07.2006 geltenden Tarifbestimmungen der jeweils einschlägigen Eingruppierungs- und Vergütungstarifverträge für Angestellte und Arbeiter des BMT-AW II vergütet.
(b) Bis zum 31.12.2006 werden die Regelungen der Eingruppierungen und der Vergütungs- und Lohntabellen des BMT-AW II auf der Basis der für den Arbeitnehmer am 30.06.2006 geltenden Tarifbestimmungen unbeschadet der zum 01.07.2006 in Kraft tretenden Tarifverträge der Gesellschaften in analoger Weise angewendet.
(c) Sofern zu einem früheren Zeitpunkt als der 31.12.2006 die Vereinbarung zur Regelung der Eingruppierungen verabschiedet wird, erfolgt zum nächsten 1. des Folgemonats die Anwendung der neuen Tariftabellen. Die Anwendung des BMT-AW II entfällt ab diesem Zeitpunkt.
...
Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ist eine neue tarifliche Regelung über Eingruppierungen und Entgelt nicht zustande gekommen. Die Beschäftigten haben zwischenzeitlich eine einmalige allgemeine Gehaltserhöhung erhalten.
Über das tarifliche Datum 31.12.2006 hinaus hat die Beklagte die vorherigen Vergütungsregelungen bis zum 30.06.2007 weiter angewendet. Es sind sowohl neu eingestellte Mitarbeiter nach den alten Eingruppierungsvorschriften eingruppiert als auch bei länger beschäftigten Mitarbeitern Bewährungsaufstiege vollzogen worden.
In einem Schreiben vom 18.07.2007 teilte der B.-Bezirksverband seinen Einrichtungen, unter anderem der Beklagten, auszugsweise mit:
" ...
Um dies zukünftig zu vermeiden, wird die bestehende Tarifsituation mit dem Stichtag 30.06.2007 eingefroren. D. h. ab sofort werden weder Erhöhungen der Lebensaltersstufe noch Erhöhungen des Ortszuschlages, noch etwaige Höhergruppierungen aufgrund des Erfüllens von Bewährungsaufstiegen vorgenommen. Mit Ausnahme der variablen Zuschläge wird daher das jetzt bestehende Tarifbrutto komplett eingefroren."
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 04.09.2007 eine Höhergruppierung im Wege des Bewährungsaufstieges nach Ablauf von 3 Jahren in die Vergütungsgruppe V, Fallgruppe 21 zum 01.08.2007 geltend gemacht. Die monatliche Bruttodifferenz beträgt 35,92 EUR;.
Mit ihrer Zahlungsklage hat die Klägerin zunächst die Vergütungsdifferenzen für die Monate August 2007 bis einschließlich März 2008 in Höhe von 281,76 EUR; brutto begehrt.
Die Beklagte hat sich damit verteidigt, dass der frühere BMT-AW II nebst Eingruppierungsvorschriften durch die neue tarifliche Regelung ersetzt worden sei und eine Nachwirkung damit ausscheide.
Das Arbeitsgericht Oldenburg hat mit Urteil vom 10.06.2008 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, da die Tarifvertragsparteien mit Wirkung ab 01.07.2006 einen neuen, den BMT-AW II ersetzenden Tarifvertrag geschlossen hätten, finde jener aufgrund originärer Geltung keine Anwendung mehr. Er finde auch keine Anwendung kraft Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG. In der Übergangsregelung gemäß § 34 Abs. 1 MTV hätten die Tarifvertragsparteien ausdrücklich vereinbart, dass der neue Tarifvertrag eine abschließende Regelung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten darstelle und ausnahmslos und abschließend alle bis dahin geltenden tariflichen Regelungen ersetze. Für eine Nachwirkung des bisherigen BMT-AW II nebst Vergütungstarifverträgen sei mithin kein Raum mehr. Die Vergütungen sollten auf den vertragsmäßigen Stand des Stichtages 01.07.2006 "eingefroren" werden. Es bestehe danach kein Raum dafür, Vergütungen aufgrund von Bewährungs- und Tätigkeitsaufstiegen nach der alten Regelung, die erst nach dem Stichtag 01.07.2006 erreicht wurden, zu zahlen.
Gegen dieses ihr am 22.07.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.08.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist fristgerecht am 22.10.2008 begründet.
Zwar habe das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass die Tarifvertragsparteien keine Regelung darüber getroffen hätten, was zu geschehen habe, wenn bis zum 31.12.2006 keine Einigung über die Eingruppierungsvorschriften erfolgen würde. Daraus folge aber gerade nicht, dass die Vergütung über den 31.12.2006 hinaus als eingefroren gelten müsse. "Ersetzt" im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG seien die Vergütungs- und Eingruppierungsregelungen des BMT-AW II durch den neuen Tarifvertrag gerade nicht, da dieser keine Vergütungsregelungen vorsah. Aus dem Regelungszusammenhang des § 34 des neuen Tarifvertrages sei zu schließen, dass die bisherigen Vergütungs- und Eingruppierungsregelungen dynamisch bis zur Vereinbarung neuer Regelungen weiter gelten sollten.
Die Änderungen der bis zum 31.12.2006 Anwendung findenden Entlohnungsgrundsätze wäre zudem mitbestimmungspflichtig gemäß der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.04.2008 (1 AZR 65/07).
Schließlich ergebe sich der Anspruch der Klägerin auf die begehrte Vergütung bereits aus dem Arbeitsvertrag selbst. Es werde in dem Arbeitsvertrag auf den BMT-AW II Bezug genommen. Dass neue und ersetzende Tarifverträge automatisch zur Anwendung kommen sollten, ergebe sich nicht aus dem Arbeitsvertrag. Auch bei beiderseitiger Tarifbindung an den Tarifvertrag vom 11.09.2006 sei jedenfalls davon auszugehen, dass die Regelungen des Arbeitsvertrages im Rahmen des Günstigkeitsprinzips heranzuziehen seien.
Die Klägerin hat in der Berufung ihren Zahlungsantrag erweitert um die Differenzbeträge für die Monate April bis November 2008.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
1. unter Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10.06.2008 - 5 Ca 118/08 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 281,76 EUR; brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2008 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 281,76 EUR; brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin unterliege einem unzutreffenden Zirkelschluss. Allein der Hinweis darauf, dass für die Zeit ab dem 01.01.2007 keine tarifliche Neuregelung geschaffen sei, führe nicht zwangsläufig zur Weitergeltung der Bestimmungen des BMT-AW II. Die Tarifvertragsparteien hätten vielmehr als deutlich vereinbart, dass im Verhältnis zwischen Haustarifvertrag und dem vorherigen BMT-AW II das Ablösungsprinzip ab dem 01.07.2006 gelten solle. Die Übergangsregelung sei ausdrücklich bis zum 31.12.2006 befristet. Der Wortlaut, der die Grenze jeder Auslegung darstelle, sei somit eindeutig. Für ergänzende Interpretationen, wonach die Parteien unter Umständen etwas Anderes gewollt hätten, als schriftlich niedergelegt, bestünde bereits im Ansatz keine Grundlage.
Die Beklagte habe auch eine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates auslösende Änderung der tariflichen Vergütungsbestimmungen nicht vorgenommen. Sie vergüte die Klägerin nach wie vor so, wie in § 34 Abs. 2 des Haustarifvertrages vorgesehen. Im Übrigen stehe der Annahme eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG entgegen. Dies übersehe die Klägerin bei ihrem Hinweis auf die insoweit nicht vergleichbare Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2008. In dem dort zugrunde liegenden Sachverhalt sei wegen Wegfalls der Tarifbindung gerade mit keinem Neuabschluss eines Tarifvertrages zu rechnen gewesen. Vorliegend befänden sich indes die Tarifvertragsparteien nach wie vor in Verhandlungen. Der Vorrang des § 77 Abs. 3 BetrVG gelte daher uneingeschränkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokollerklärungen der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist gemäß §§ 519, 520 ZPO, §§ 64, 66 ArbGG zulässig. Die Erweiterung des Zahlungsantrages auf die folgenden Differenzmonate von April bis November 2008 ist zulässig gem. § 264 ZPO.
Die Berufung ist auch begründet. Der Klägerin steht im Wege des Bewährungsaufstieges Vergütung aus der Vergütungsgruppe V zu. Sowohl die Tatsache des Zeitablaufes als auch die Bewährung sowie die Berechnung des Differenzbetrages sind zwischen den Parteien unstreitig.
Der Anspruch der Klägerin beruht nicht auf der normativen Geltung einschlägiger tariflicher Vorschriften oder deren Nachwirkung. Er ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den in der Dienststelle geltenden Entlohnungsgrundsätzen (vgl. BAG Urteil vom 15.04.2008 - 1 AZR 65/07 - AP § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung Nr. 133).
Zwar waren beide Parteien ursprünglich gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG normativ an den BMT-AW II und dessen Vergütungsregelungen gebunden. Diese Regelungen gelten aber nicht gemäß § 4 Abs. 5 TVG über den 31.12.2006 hinaus weiter. Zwar ist von den Parteien nicht vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt die Kündigung des BMT-AW II wirksam geworden ist. Jedenfalls haben aber die Tarifvertragsparteien - und die Klägerin ist Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft - mit dem neuen Tarifvertrag am 11.09.2006 eine vollständig ersetzende Regelung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG getroffen, die eine Nachwirkung ausschließt. Dies ergibt sich aus den Übergangsregelungen in § 34 Abs. 1 des neuen Tarifvertrages. Danach stellt das vorliegende Tarifwerk eine abschließende Regelung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer dar und ersetzt ab dem 01.07.2006 "ausnahmslos und abschließend" alle bis dahin in der B. Gruppe geltenden oder angewandten tariflichen Regelungen. Aus diesem Tariftext ergibt sich klar und eindeutig, dass die Tarifvertragsparteien auch keinerlei Regelungsreste des BMT-AW II weiter gelten lassen wollten. Dem steht nicht entgegen, dass die Tarifvertragsparteien in den §§ 12 bis 17 für die Entgeltregelungen noch keine Neuregelung gefunden hatten. Die Vertragsparteien haben hiermit klar und eindeutig offengelegt, dass zwar insoweit eine tarifliche Neuregelung noch nicht erfolgt war und insoweit ggf. bezüglich der Vergütung ein tarifloser Zustand eintritt. Genauso deutlich gemacht haben sie in § 34 Abs. 1 jedoch, dass dieses von ihnen bewusst gewollt gewesen ist. Mit dieser Regelung hat die Wirkung des bisherigen Tarifvertrages geendet (§ 3 Abs. 3 TVG; vgl. BAG Beschluß vom 24.10.2000 - 10 TaBV 2/99 - AP § 4 TVG Nachwirkung Nr. 37). Dies wird auch bestätigt dadurch, dass die Tarifvertragsparteien in § 34 Abs. 2 des neuen Tarifvertrages ausdrücklich eine Übergangsregelung für die Vergütungszahlungen für die Zeit bis zum 31.12.2006 geschaffen haben. Unter Buchst. (b) heißt es dementsprechend systematisch zutreffend, dass die Regelungen über Eingruppierungen auf Basis der am 30.06.2006 geltenden Tarifbestimmungen "in analoger Weise" angewendet werden.
Für die jetzt eingetretene Situation, dass ab dem 01.01.2007 neue Vergütungsregelungen noch nicht vereinbart waren, enthält der ablösende Tarifvertrag insoweit eine bewusste Regelungslücke. Eine solche kann jedoch nicht von den Gerichten für Arbeitssachen geschlossen werden. Die Methode der ergänzenden Vertragsauslegung findet ihre Grenze an der Autonomie der Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG. Korrigierende oder gestaltende Eingriffe in Tarifverträge sind den Gerichten insoweit verwehrt (etwa BAG vom 26.5.93 - 4 AZR 300/92 - AP § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 29; vom 24.2. 88 - 4 AZR 614/87 - § 1 TVG Tarifverträge: Schuhindustrie Nr. 2).
Der Zahlungsanspruch folgt vielmehr aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den in der Dienststelle geltenden Entlohnungsgrundsätzen. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG durch die Beklagte.
Ursprünglich wandte die Beklagte auf die Arbeitsverhältnisse aller Angestellten, sei es aufgrund Tarifbindung, sei es aufgrund arbeitsvertraglicher Weisung das Tarifwerk BMT-AW II an. Dies sah die Möglichkeit eines Bewährungsaufstieges von der Vergütungsgruppe IV in die Vergütungsgruppe V nach 3 Jahren vor. Diese Vergütungsgrundsätze sind zunächst aufgrund der tarifvertraglichen Übergangsregelung unverändert bis zum 31.12.2006 weiter zur Anwendung gekommen. Aber auch darüber hinaus hat die Beklagte einseitig die Vergütungsgrundsätze des BMT-AW II bis zum 30.06.2007 weiter fortgeführt. Sie hat sie unstreitig sowohl bei Neueinstellungen zugrunde gelegt als auch in diesem Zeitraum Bewährungsaufstiege vollzogen. Sodann hat die Beklagte die Vergütungsgrundsätze einseitig zum 01.07.2007 geändert. Sie hat insbesondere durch die Streichung der Lebensaltersstufen und der Möglichkeiten des Bewährungsaufstieges in wesentliche Grundstrukturen der bisherigen Vergütung eingegriffen. Diese Änderung der bestehenden Entlohnungsgrundsätze unterlag als kollektive Maßnahme der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (etwa BAG Urteil vom 15.04.2008 - 1 AZR 65/07 a. a. O.; Beschluss vom 24.04.2001 - 1 ABR 37/00 - NZA 02, 232).
Einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates stand in dieser Situation auch der Tarifvorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG nicht entgegen. Zwar war die Entgeltstruktur bisher über viele Jahre tariflich geregelt und es ist auch von den Tarifvertragsparteien beabsichtigt, eine tarifliche Neuregelung zu treffen, die allerdings bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Berufung immer noch nicht abgeschlossen war. Anders als in § 77 Abs. 3 BetrVG setzt die Regelungssperre des § 87 Abs. 1 BetrVG voraus, dass für den Betrieb ein Tarifvertrag gilt, an den zumindest der Arbeitgeber gebunden ist. Die bloße Nachwirkung eines Tarifvertrages löst eine Regelungssperre hingegen nicht aus (BAG vom 27.11.02 - 4 AZR 660/01 - AP § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang Nr. 34). Ferner wird durch einen geltenden Tarifvertrag die Mitbestimmung des Betriebsrats nur ausgeschlossen, wenn eine inhaltliche und abschließende tarifliche Regelung über den Mitbestimmungsgegenstand besteht (BAG GS vom 3.12.91 - GS 2/90 - AP § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang Nr. 21). Unter beiden Gesichtspunkten war im vorliegenden Fall die Mitbestimmung des Betriebsrates nicht ausgeschlossen. Zwar könnte der Betriebsrat nicht eine bestimmte Höhe der Vergütungen durchsetzen. Die zugrunde liegenden Grundstrukturen, nämlich die Definition der Entgeltstufen und der Tätigkeiten sowie die Frage der bisherigen Altersstufen und des Bewährungsaufstieges, könnten aber Gegenstand der Verhandlungen mit dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sein.
Der Betriebsrat hätte deshalb bei einer Änderung der betrieblichen Vergütungsgrundsätze mitzubestimmen gehabt. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass im Fall des Verbandsaustritts des Arbeitgebers die ursprünglich kraft Tarifbindung geltenden Grundsätze der tariflichen Vergütungsordnung auch nach Wegfall dieser Bindung das für die Dienststelle maßgebliche kollektive Vergütungsschema bleiben. Der Wegfall der Tarifbindung des Arbeitgebers führe danach nicht dazu, dass damit zugleich die tarifliche Vergütungsordnung als das in der Dienststelle geltende kollektive Vergütungsschema ersatzlos entfiele. Der Wegfall der Tarifbindung habe lediglich zur Folge, dass dieses Schema und die in ihm zum Ausdruck kommenden Vergütungsgrundsätze nicht mehr zwingend gelten. Es ändere sich dagegen nichts daran, dass diese Grundsätze die im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze sind und bis zu einer weiteren Änderung betriebsverfassungsrechtlich weiter gültig sind (Urteil vom 15.04.2008 - 1 AZR 65/07; ebenso LAG Niedersachsen vom 15.12.2008 - 6 TaBV 51/08). Diese bisherigen Entlohnungsgrundsätze hätte die Beklagte nur mit Zustimmung des Betriebsrates wirksam abändern können. An einer derartigen Zustimmung fehlt es unstreitig.
Zwar führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten grundsätzlich nicht dazu, dass sich individualrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ergeben, die zuvor noch nicht bestanden haben. Dieser Grundsatz lässt jedoch die kollektivrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers unberührt, die vertraglich vereinbarten Leistungen unter Beachtung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze zu gewähren. Nach dem Arbeitsvertrag der Klägerin richtet sich die Vergütung nach dem jeweils "anzuwendenden" Tarifvertrag. Der im BMT-AW II vorgesehene Bewährungsaufstieg aus der Vergütungsgruppe IV in die Vergütungsgruppe V bleibt insoweit der zu Gunsten der Klägerin anzuwendende Entlohnungsgrundsatz.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 BGB.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Da sich die zugrunde liegende tarifvertragliche Konstellation von den bisher vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Sachverhalten unterscheidet, ist die Revision zugelassen worden gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.