Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.09.2009, Az.: 7 Sa 2024/08
Arbeitsrechtliches Gleichbehandlungsgebot unabhängig von der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des Arbeitnehmers; Bindung von Betriebsratsmitgliedern an Werksurlaub
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 03.09.2009
- Aktenzeichen
- 7 Sa 2024/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 35521
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:0903.7SA2024.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 10.09.2008 - AZ: 8 Ca 81/08
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 BUrlG
- § 78 S. 2 BetrVG
Amtlicher Leitsatz
1. Nach § 78 Satz 2 BetrVG darf niemand wegen seines betriebsverfassungsrechtlichen Amtes besser oder schlechter gestellt werden. Deshalb ist ein freigestelltes Betriebsratsmitglied urlaubsrechtlich so zu behandeln, als ob es nicht freigestellt worden wäre.
2. Die Beklagte darf keinen Einfluss darauf nehmen, wie der bei ihr gebildete Betriebsrat seine Aufgaben während des Werksurlaubs wahrnimmt und welche Betriebsratsmitglieder während dieser Zeit tätig sein sollen.
3. Der Kläger ist nicht berechtigt, eigenmächtig darüber zu entscheiden, in welchen Zeiträumen er seinen Urlaub nimmt. Er ist vielmehr grundsätzlich an die Festlegung des Urlaubs durch seine Arbeitgeberin gebunden. Ein Annahmeverweigerungsrecht steht ihm deshalb nicht zu.
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
gegen
Beklagte und Berufungsbeklagte,
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2009 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leibold,
den ehrenamtlichen Richter Herr Sacher,
die ehrenamtliche Richterin Frau Küster
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 10.09.2008, 8 Ca 81/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aus dem Jahr 2007 noch ein Urlaubsanspruch von 5 Tagen zusteht, nachdem der Kläger nach seiner Behauptung während des Werksurlaubs eine Woche gearbeitet hat.
Der am 10.10.1970 geborene Kläger ist seit dem 01.09.1987 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist seit dem 02.05.1998 Mitglied des Betriebsrats und, wie alle Betriebsratsmitglieder der Beklagten, von der Arbeit freigestellt. Zuletzt bezog er eine monatliche Bruttovergütung von 3.308,50 €.
Mit der Betriebsvereinbarung vom 18.10.2006 (Bl. 10 d.A.) vereinbarten der Betriebsrat und die Beklagte für das Jahr 2007 an dem Standort A-Stadt Werksurlaub in den Kalenderwochen 31 bis 33. Sonderregelungen wurden für die Gießerei, Wärmetauscherfertigung, KD-Werkstatt und Kunden-Center getroffen.
Mit Schreiben vom 23.07.2007 (Bl. 27 d.A.) teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, dass laut Beschluss des Betriebsausschusses des Betriebsrates fünf namentlich genannte Betriebsratsmitglieder in den Kalenderwochen 31 bis 33 die Aufgaben gemäß der gültigen Geschäftsordnung wahrnehmen. Der Name des Klägers war dabei nicht aufgeführt.
Mit E-Mail vom 26.07.2007 (Bl. 11 d.A.) teilte der Kläger der Personalleitung mit, dass er in der 31. Kalenderwoche arbeiten werde, weil er viel zu tun habe. Er beabsichtige, seinen Jahresurlaub vom 06.08.2007 bis zum 31.08.2007 anzutreten.
Die Beklagte antwortete mit E-Mail vom 27.07.2007, dass sein Wunsch, innerhalb des Werksurlaubs zu arbeiten, abgelehnt werde. Sie rechnete die gesamte Zeit des Werksurlaubs auf den Urlaubsanspruch des Klägers an.
Mit seiner Klage vom 20.12.2007 begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten, ihm für das Jahr 2007 noch weitere 5 Tage Urlaub zu erteilen.
Er hat behauptet, er habe tatsächlich in der 31. Kalenderwoche gearbeitet.
Das Arbeitsgericht hat durch ein den Parteien am 04.12.2008 zugestelltes Urteil vom 10.09.2008, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 46 - 53 d.A.), die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 29.12.2008 eingelegte und am 04.02.2009 begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger ist der Auffassung, es stehe im alleinigen Ermessen des Betriebsrates, eine Urlaubsregelung für seine Mitglieder zu fassen. Die Betriebsferien würden auch nicht für die Betriebsratsmitglieder gelten. Es sei bisher ständige Übung gewesen, bestimmte Personen ausdrücklich von den Betriebsferien auszuschließen.
Die Nichtanwendbarkeit der Betriebsvereinbarung für Betriebsratsmitglieder ergebe sich auch daraus, dass die Betriebsratsmitglieder nicht nur für den Standort A-Stadt zuständig seien. Sein Mandat als Betriebsratsmitglied erfasse zudem auch die Mitarbeiter aus der Gießerei, Wärmetauscherfertigung, KD-Werkstatt und Kunden-Center, für die die Regelung über den Werksurlaub nicht gegolten habe.
Bei der Erteilung des Urlaubs für Betriebsratsmitglieder müsse den Urlaubswünschen des Arbeitnehmers Rechnung getragen werden. Da die Beklagte die Urlaubswünsche des Klägers nicht berücksichtigt habe, stehe ihm ein Annahmeverweigerungsrecht zu, das er mit der E-Mail vom 26.07.2007 ausgeübt habe.
Zudem liege eine Ungleichbehandlung zwischen dem Kläger und den fünf anderen von der generellen Werksferienregelung ausgenommenen Betriebsratsmitgliedern vor, die durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigt sei.
Mit der Freistellung sämtlicher 39 Betriebsratsmitglieder durch die Beklagte gehe auch das Recht einher, dass die einzelnen Betriebsratsmitglieder ihren Urlaub grundsätzlich frei einteilen dürften. Es sei nicht nachvollziehbar, welches Interesse die Beklagte daran habe, dass die Betriebsräte innerhalb der Betriebsferien ihren Urlaub nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Klägers im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf den Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 04.02.2009.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 10.09.2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Jahr 2007 noch weitere 5 Tage Urlaub zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26.02.2009.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht ist zu Recht und mit weitgehend zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger kein Anspruch auf weitere 5 Tage Urlaub für das Jahr 2007 zusteht. Das Landesarbeitsgericht macht sich die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils zu Eigen und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.
Ergänzend ist im Hinblick auf den Vortrag im Berufungsverfahren Folgendes auszuführen:
Der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2007 ist in vollem Umfang durch Erfüllung erloschen, § 362 BGB. Denn die Beklagte hat den Urlaub des Klägers, soweit er zwischen den Parteien streitig ist, wirksam durch die Betriebsvereinbarung vom 18.10.2006 auf die Kalenderwochen 31 - 33 festgelegt. Dem Kläger steht hiergegen ein Annahmeverweigerungsrecht nicht zu.
Zu Unrecht geht der Kläger davon aus, dass die Betriebsvereinbarung über die Gewährung eines Werksurlaubs im Jahr 2007 nicht für Betriebsratsmitglieder gilt.
Der Betriebsvereinbarung selbst kann eine derartige Einschränkung nicht entnommen werden. Sie gilt vielmehr ausdrücklich für den Standort A-Stadt, zu dem der Kläger gehört. Der Kläger gehört auch nicht zu den in der Betriebsvereinbarung aufgeführten Abteilungen, für die eine besondere Regelung getroffen wurde.
Aus dem Umstand, dass der Kläger als Betriebsratsmitglied freigestellt worden ist, folgt nicht, dass er nicht an den Werksurlaub gebunden ist. Die Gewährung des Erholungsurlaubs für freigestellte Betriebsratsmitglieder bewirkt, dass diese von ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Amtstätigkeit suspendiert werden. Nach§ 78 Satz 2 BetrVG darf niemand wegen seines betriebsverfassungsrechtlichen Amtes besser oder schlechter gestellt werden. Deshalb ist ein freigestelltes Betriebsratsmitglied urlaubsrechtlich so zu behandeln, als ob es nicht freigestellt worden wäre (BAG vom 20.08.2002, 9 AZR 261/01, AP Nr. 27 zu § 38 BetrVG 1972). Für den Kläger ist deshalb die Betriebsvereinbarung über den Werksurlaub 2007 genauso maßgebend wie für alle Beschäftigten des Standorts A-Stadt, die nicht von der ausdrücklichen Ausnahmeregelung betroffen sind.
Entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich der Betriebsrat mit Billigung der Beklagten nicht an diese Betriebsvereinbarung gebunden fühlt. Dies folgt bereits daraus, dass die weitaus überwiegende Zahl der Betriebsratsmitglieder tatsächlich den Werksurlaub 2007 angetreten und genommen hat. Für lediglich 5 von 39 Betriebsratsmitgliedern wurde eine Ausnahmeregelung getroffen, damit diese die Aufgaben des Betriebsrats auch während des Werksurlaubs wahrnehmen können. Diese fünf Betriebsratsmitglieder sind entsprechend dem Beschluss des Betriebsausschusses von der Verpflichtung, ihren Urlaub teilweise während des Werksurlaubs zu nehmen, freigestellt worden.
Nach dem Vortrag des Klägers sind auch in den Jahren vor 2007 lediglich bestimmte Personen ausdrücklich von den Betriebsferien ausgeschlossen worden. Eine betriebliche Übung dahingehend, dass der Werksurlaub nicht für Betriebsratsmitglieder gilt, oder dass jedes Betriebsratsmitglied völlig frei über seinen eigenen Urlaub bestimmen kann, liegt deshalb nicht vor.
Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des Klägers ist nicht feststellbar. Der Kläger muss sich wie alle Mitarbeiter und wie 33 seiner Betriebsratskolleginnen und -kollegen an die Betriebsvereinbarung über den Werksurlaub halten.
Er hat keinen Anspruch gegen die Beklagte als seine Arbeitgeberin darauf, hiervon eine Ausnahme zu machen. Die Beklagte darf den Kläger, wie dargestellt, gemäß § 78 Satz 2 BetrVG nicht im Verhältnis zu den Beschäftigten, die nicht Mitglieder des Betriebsrats sind, bevorzugen.
Es besteht deshalb auch ein berechtigtes Interesse der Beklagten daran, dass der Kläger und die Mehrzahl der übrigen Betriebsratsmitglieder ihren Urlaub während des Werksurlaubs nehmen, zumal davon ausgegangen werden kann, dass während eines Werksurlaubs auch erheblich weniger erforderliche Betriebsratstätigkeiten anfallen als in der übrigen Zeit.
Im Verhältnis zu den fünf Betriebsratsmitglieder, die gemäß Beschluss des Betriebsausschusses damit beauftragt worden sind, während des Werksurlaubs die Aufgaben des Betriebsrats gemäß der gültigen Geschäftsordnung wahrzunehmen, und die deshalb von der Beklagten von der Verpflichtung, den Werksurlaub zu nehmen, freigestellt worden sind, kann eine Benachteiligung durch die Beklagte ebenfalls nicht festgestellt werden. Denn die Beklagte darf keinen Einfluss darauf nehmen, wie der bei ihr gebildete Betriebsrat seine Aufgaben wahrnimmt und welche Betriebsratsmitglieder während des Werksurlaubs tätig sein sollen.
Die Nichtanwendbarkeit der Betriebsvereinbarung für Betriebsratsmitglieder ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die Betriebsratsmitglieder nicht nur für den Standort A-Stadt zuständig sind. Denn wie bereits dargelegt obliegt es der Organisation des Betriebsrats, wie dieser seine Aufgaben während des Werksurlaubs wahrnimmt.
Ein Annahmeverweigerungsrecht des Klägers besteht demgegenüber nicht. Der Kläger ist nicht berechtigt, eigenmächtig darüber zu entscheiden, in welchen Zeiträumen er seinen Urlaub nimmt. Er ist vielmehr grundsätzlich an die Festlegung des Urlaubs durch seine Arbeitgeberin gebunden. Auch wenn die Festlegung im Einzelfall nicht den tarifrechtlichen oder gesetzlichen Vorgaben entsprechen sollte, besteht kein Anspruch auf eigenmächtiges Handeln. Vielmehr müsste der Kläger dann, wie jeder andere Arbeitnehmer auch, ggf. gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.
III. Die Berufung des Klägers war mit der Kostenfolge des§ 97 ZPO zurückzuweisen.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen dieses Urteil ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
Sacher
Küster