Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.07.1999, Az.: 13 TaBV 92/98

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei übertariflichem Lohnbestandteil

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
13.07.1999
Aktenzeichen
13 TaBV 92/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 18969
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1999:0713.13TABV92.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Emden - 31.08.1998 - AZ: 1 BV 1/98

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bestimmt die Betriebsvereinbarung bei Einführung des tarifvertraglich geregelten Programmlohnes als Sockellohn den Tariflohn, multipliziert mit dem betrieblichen Faktor von 1,20, so liegt ein übertariflicher Lohnbestandteil vor. Für die Höhe dieses übertariflichen Lohnbestandteils kann der Arbeitgeber den Dotierungsrahmen mitbestimmungsfrei festlegen.

  2. 2.

    Werden übertarifliche Lohnbestandteile schrittweise abgebaut, so können neu eingestellte Arbeitnehmer ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz von der übertariflichen Vergütung ausgenommen werden. Dies gilt jedenfalls für eine zeitlich begrenzte Übergangsregelung.

In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
aufgrund der Anhörung am 18.05.1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht und
die ehrenamtlichen Richter beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Emden vom 31.08.1998, 1 BV 1/98, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Streitgegenstand ist die Anfechtung des Einigungsstellen-Beschlusses vom 18.12.1997, die der Betriebsrat auf Rechtsfehler und Ermessensfehler stützt. Der Einigungsstellen-Beschluss beinhaltet Ablösung der Betriebsvereinbarungen Nr. 1/74 und Nr. 1/77 und Streichung der betrieblichen Zulage im Zeitlohn und des betrieblichen Faktors von 1, 2 im Programmlohn bei Besitzstandswahrung in Höhe von 60 % mit Abbauregelung für 1998/1999. Auf den Inhalt des Einigungsstellen-Beschlusses, Bl. 94 ff d.A., wird Bezug genommen.

2

Der Arbeitgeber betreibt eine Werft, beschäftigt waren Ende 1997 1 318 Arbeitnehmer zuzüglich 69 Auszubildende und Praktikanten, davon waren 959 gewerbliche Arbeitnehmer. Die gewerblichen Arbeitnehmer sind überwiegend im Programmlohn, im übrigen im Zeitlohn beschäftigt und von den Lohnkürzungen betroffen.

3

Der Arbeitgeber betreibt Marineschiffbau mit Gewinn, der Handelsschiffbau war defizitär. Das Gesamtergebnis vor Steuern lag im Geschäftsjahr 1996/1997 bei ca. 23 Mio. DM Gewinn. Nach Konzernvorgabe hat der Arbeitgeber eine Mindestkapital-Rendite von 12,5 % zu erwirtschaften und soll im Handelsschiffbau ein ausgeglichenes Ergebnis erreichen. Diese Zielvorgaben sollten erreicht werden durch Kündigung der Betriebsvereinbarungen und Lohnkürzungen.

4

Im Betrieb finden Anwendung die Tarifverträge für die Metallindustrie des Nordwestlichen Niedersachsen, Gruppe Werften, insbesondere der Lohn-Rahmen-Tarifvertrag (LRTV) vom 14.10.1977 (Bl. 198 ff). Der LRTV sieht als Entlohnungsgrundsätze in § 2 Zeitlohn, Akkordlohn, Prämienlohn und Programmlohn vor und regelt in § 15 die Programmlohnarbeit. In § 15 LRTV ist u. a. geregelt:

1. Einführung in die Programmentlohnung

In Ergänzung des § 2 Ziffer 3.3 bedarf die erstmalige Einführung der schriftlichen Zustimmung der Tarifvertragsparteien.

2. Programmlohnarbeit

Die Programmlohnarbeit zielt auf das Erreichen und Einhalten eines Arbeitsprogramms ab.
Das Programm enthält die Leistung eines oder mehrerer Arbeitnehmer, die aufgrund ermittelter Programmdaten ein bestimmtes Arbeitsergebnis in einem bestimmten Zeitabschnitt erzielen.
Bei Einhaltung eines Programms und der vorgeschriebenen Arbeitsmethode entspricht die dem Programm zugrundeliegende Leistung einer zumutbaren Dauerleistung.

3. Programmlohn

Der Programmlohn setzt sich zusammen aus dem Sockellohn und dem ergebnisbezogenen Lohnanteil.
Dabei beträgt der Sockellohn 80 % des Programmlohnes und der ergebnisbezogene Lohnanteil 20 % des Programmlohnes.
Die Sockellöhne werden eingeordnet zwischen der untersten Lohngruppe und der obersten Lohngruppe, die bei 120 % begrenzt ist.
Die Anzahl und die Höhe der Sockellöhne werden durch gesonderte Vereinbarung geregelt. Der § 3, Ziffer 2 und 8 sowie § 5 finden keine Anwendung.

5

Durch Betriebsvereinbarung Nr. 1/74 vom 20.06.1974 (Bl. 57 ff d.A.) wurde der Akkordlohn in Prämienentlohnung überführt, wobei in Ziffer 4 bereits Übergang in Programmentlohnung vorgesehen war. Für Zeitlöhner ist in Ziffer 5 u. a. bestimmt:

6

Der Zeitlohn setzt sich zusammen aus dem tariflichen Grundlohn, der tariflichen Leistungszulage und einer betrieblichen Zulage.

7

Ziffer 5 der BV Nr. 1/74 galt bis 1997, im übrigen waren die Regelungen der Betriebsvereinbarung durch Einführung der Programmentlohnung 1977 gegenstandslos. Die Betriebsvereinbarung Nr. 1/74 wurde vom Arbeitgeber zum 30.09.1997 gekündigt.

8

Durch Betriebsvereinbarung Nr. 1/1977 vom 14.10.1977 (Bl. 62 ff d.A.) wurde der Programmlohn eingeführt. Die Betriebsvereinbarung ist von den Betriebsparteien und den Tarifvertragsparteien unterschrieben und enthält u. a. folgende Bestimmungen:

1.
Der Aufbau des Programmlohnes erfolgt gemäß Lohnrahmentarifvertrag § 15, Ziffer 3.

2.
Der Sockellohn der Stufe 1 ist gleich dem Tariflohn der Lohngruppe 1 - z. Z. 85 % vom tariflichen Ecklohn - multipliziert mit dem betrieblichen Faktor von 1,20.
Der Sockellohn der Stufe 16 ist gleich dem Tariflohn der Lohngruppe 6 - 120 % vom tariflichen Ecklohn - multipliziert mit dem betrieblichen Faktor von 1,20.

9

In einer Vereinbarung vom 14.10.1977 nebst Protokollnotiz vom gleichen Tag (Bl. 71 und Bl. 72 d.A.), unterschrieben jeweils von Vertretern der Tarifvertragsparteien, sind die Programmlohnstufen und die Sockellöhne (Tariflohn X 1,2) aufgeführt. Die Vereinbarung ist wie folgt eingeleitet:

10

Programmsockellöhne für die Thyssen Nordseewerke GmbH ab 1. August 1977 in Verbindung mit § 15 des Lohnrahmentarifvertrages und gemäß Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung Nr. 1/1977 der ...

11

Der Programmlohn wurde als verstetigter Lohn gezahlt, eine Leistungsdifferenzierung erfolgte nicht. Der Arbeitgeber kündigte die Betriebsvereinbarung Nr. 1/1977 zum 31.12.1997.

12

Der Arbeitgeber wollte die betriebliche Zulage im Zeitlohn streichen und im Programmlohn den betrieblichen Faktor von 1,2 wegfallen lassen, um bei Fortbestand des Programmlohns als Sockellohn nur noch den Tariflohn zu zahlen. Der Betriebsrat widersprach.

13

Die angerufene Einigungsstelle tagte am 30.10.1997, am 25./26.11.1997 und am 18.12.1997. Auf den Inhalt der Protokolle, Bl. 74, Bl. 99 bis 103, Bl. 104 bis 107 d. A. wird Bezug genommen.

14

Die Einigungsstellen-Vorsitzende erarbeitete einen Einigungsvorschlag, den der Arbeitgeber in der Sitzung vom 18.12.1997 als Antrag übernahm und der in der zweiten Abstimmung mit den Stimmen der Arbeitgebervertreter und der Vorsitzenden gegen die Stimmen der Betriebsratsvertreter angenommen wurde.

15

Die Betriebsvereinbarung lt. Einigungsstellenspruch, erstmals kündbar zum 31.12.1999, enthält u. a. folgende Regelungen:

1.
Zeitlohn: Die derzeit gemäß Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung Nr. 1/74 gezahlte betriebliche (übertarifliche) Zulage wird - bezogen auf den Monat Oktober 1997 - individuell für jeden Zeitlöhner festgestellt bzw. errechnet.

2.
Programmlohn: In gleicher Weise wird individuell für jeden Programmlöhner die Höhe der Zulage festgestellt, die gemäß Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung Nr. 1/77 aufgrund des betrieblichen Faktors von 1,2 (übertarifliche Zulage) im Monat Oktober 1997 gezahlt wurde.

3.
Die gemäß Ziffer 1 errechneten Beträge nehmen nicht mehr an künftigen Tariflohnerhöhungen teil. Dies gilt auch für die bereits vereinbarte Tariferhöhung zum 01.04.1998.

4.
Von der gemäß Ziffer 1 errechneten betrieblichen/übertariflichen Zulage wird jeweils ein Besitzstand in Höhe von 60 % errechnet und für die Dauer dieser Betriebsvereinbarung garantiert.

5.
Für nach dem 26. November 1997 neu eintretende Mitarbeiter/-innen und übernommene Auszubildende gilt diese Betriebsvereinbarung nicht; sie erhalten keine betriebliche/übertarifliche Zulage gemäß Ziffer 1.

6.
In Höhe von 40 % wird die festgestellte betriebliche/übertarifliche Zulage abgebaut. Aus Gründen der Sozial Verträglichkeit geschieht dies nach folgender Zeitplan und zu folgenden Modalitäten.

7.
Im Rahmen der bei bestehenden Programmentlohnung wird gemäß Lohnrahmentarifvertrag § 15 Ziffer 3 hinsichtlich des Sockellohnes folgendes festgelegt:

Der Sockellohn entspricht der Höhe nach dem Tarifgrundlohn.
Die Anzahl der Sockellöhne bleibt entsprechend der tatsächlichen Praxis unverändert erhalten und entspricht damit den tariflichen Tätigkeitsgruppen einschließlich der Zwischenlohngruppen gemäß Lohnrahmentarifvertrag.
Ziffer 8 gilt nur für die Programmlöhner und nicht für die im Zeitlohn Beschäftigten.

16

Der Betriebsrat hat Rechtsfehler und Ermessensfehler geltend gemacht, im wesentlichen identisch mit der nachfolgend wiedergegebenen Beschwerdebegründung.

17

Er hat beantragt,

den Beschluss der Einigungsstelle vom 18.12.1997 "Zur Ablösung der Betriebsvereinbarungen Nr. 1/74 und 1/77 gemäß Beschluss des Arbeitsgerichts Emden vom 22.09.1997 - 1 BV 15/97 -" im Betrieb der Beteiligten zu 2) für unwirksam zu erklären.

18

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

19

Er hat die Auffassung vertreten, dass der Einigungsstellenspruch weder rechts fehlerhaft noch ermessensfehlerhaft ergangen sei.

20

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen.

21

Der Betriebsrat trägt mit Beschwerde vor:

22

Für Zeitlöhner habe die Einigungstelle, ohne hierfür zuständig gewesen zu sein, über die Lohnhöhe entschieden. Da der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei den Dotierungsrahmen bestimme, sei zumindest zu rügen, dass Verteilung erfolgt sei, ohne vorher die vorgegebene Dotierung dem Betriebsrat als Organ zur Wahrung der Mitbestimmungsrechte vorzulegen. Durch die Regelung, dass Zahlungen im Rahmen der Abbauregelung von 100 auf 60 % mit zusätzlicher tariflicher Urlaubsvergütung und tariflicher Sonderzuwendung zu verrechnen seien, werde in tarifliche Fälligkeitsregelungen eingegriffen. Der Ausschluss von Arbeitnehmern, die nach dem 26.11.1997 eingestellt seien, von der Gewährung der Zulage verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Einigungsstellenspruch greife auch ein in tarifliche Regelungen, die Sockellöhne seien durch Tarifvertrag vom 14.10.1977 geregelt. Ebenso verstoße der Ausschluss der 60 %igen Zulage von Tarifsteigerungen gegen die tarifliche Protokollnotiz vom 14.10.1977. Schließlich habe die Einigungsstelle die Zuständigkeit für die Feststellung der Höhe des Programmlohns zu Unrecht verneint, dasselbe gelte für die Koppelung von Programmentlohnung und Beschäftigungsgarantie. Schließlich werde durch die Anrechnung künftiger Lohnerhöhungen in künftige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates eingegriffen. Als ermessensfehlerhaft rügt der Betriebsrat, dass die ökonomische Notwendigkeit für die Absenkung des Zeitlohnes nicht gegeben sei, zumal im Marine-Schiffbau erhebliche Gewinne erzielt worden seien. Eine sofortige Absenkung ohne Rücksicht darauf, ob Verluste im Handelsschiffbau eintreten werden, sei ermessensfehlerhaft. Als Ermessensfehler seien auch anzuführen Ausschluss der neu eingetretenen Arbeitnehmer von der Zulage, keine Wegfallregelung für das Jahr 2000 und das Fehlen einer Arbeitsplatzgarantie. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Beschwerdebegründung.

23

Der Betriebsrat beantragt,

in Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Emden vom 31.08.1998 im Verfahren 1 BV 1/98 den Beschluss der Einigungsstelle vom 18.12.1997 "zur Ablösung der Betriebsvereinbarungen Nr. 1/74 und 1/77 gemäß Beschluss des Arbeitsgerichts Emden vom 22.09.1997 - 1 BV 15/97 -" im Betrieb der Beteiligten zu 2. für unwirksam zu erklären.

24

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

25

Er verteidigt nach Maßgabe der Beschwerdeerwiderung den erstinstanzlichen Beschluss.

26

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Regelungen des angefochtenen Einigungsstellenspruchs enthalten keine Rechtsverstöße und überschreiten auch nicht die Grenzen des der Einigungsstelle zustehenden Ermessens i. S. des § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG.

27

Für die Entscheidung maßgebend ist im Ausgangspunkt die Feststellung, in welchem Umfang tarifliche Vorgaben entsprechend § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG zu berücksichtigen waren und in welchem Umfang ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestand.

28

Zur Programmentlohnung.

29

Der Einigungsstellenspruch beinhaltet zusammengefasst Wegfall des "betrieblichen Faktors" von 1,2 bezogen auf den Sockellohn und dessen Ersatz durch eine betriebliche/übertarifliche Zulage, die während der Laufzeit auf 60 % abgebaut wird. Diese Regelung greift nicht in bestehende tarifliche Bestimmungen ein.

30

Die Betriebsvereinbarung Nr. 1/1977 enthält neben den Unterschriften der Betriebsparteien auch die Unterschriften der Tarifvertragsparteien. Deren Unterschriften dokumentieren aber nur die nach § 15 Ziff. 1 LRTV notwendige schriftliche Zustimmung zur erstmaligen Einführung der Programmentlohnung. Die Betriebsvereinbarung Nr. 1/1977 erhält dadurch nicht den Charakter eines Tarifvertrages.

31

Unter der Überschrift "Programm-Sockellöhne für die ab 01.08.1977" sind nur unterschrieben von Vertretern der Tarifvertragsparteien die damaligen Sockellöhne aufgeführt, die nach Protokollnotiz vom selben Tag bei Veränderung der tariflichen Lohntafel in gleicher Höhe angepasst werden sollten. Diese Vereinbarung Programm-Sockellöhne nebst Protokollnotiz kann nur als Tarifvertrag, nicht etwa als unselbständiger Teil der Betriebsvereinbarung Nr. 1/1977 gewertet werden. Als Betriebsvereinbarung ist die Schriftfarm des § 77 Abs. 2 BetrVG nicht gewahrt, die zugrundeliegende BV Nr. 1/1977 enthält auch keine Bezugnahme auf die Programmsockellohn-Vereinbarung. Nach Form und Inhalt kann die Vereinbarung nur als Tarifvertrag gewertet werden, das Schriftformerfordernis nach § 1 Abs. 2 TVG ist gewahrt.

32

Der Tarifvertrag Programmsockellöhne enthält aber keine isolierte Festlegung der Tariflöhne, sondern stellt eine Umsetzung und Ergänzung von Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung Nr. 1/1977 dar ("gemäß Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung Nr. 1/1977"). Diese Verknüpfung von Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag kann nicht dazu führen, die Regelung nur als deklaratorisch anzusehen, es handelte sich um die Festlegung des Tariflohnes mit der unmittelbaren und zwingenden Wirkung des § 4 Abs. 1 TVG. Allerdings ist der angegebenen Verknüpfung mit der Betriebsvereinbarung dadurch Rechnung zu tragen, dass die zeitliche Geltung des Tarifvertrages gekoppelt ist mit der Geltungsdauer der in Bezug genommenen Betriebsvereinbarung Nr. 1/1977.

33

Die Betriebsparteien entscheiden nach § 2 Nr. 3.3 LRTV über die Einführung von Entlohnungsgrundsätzen. Eine Einschränkung enthält nur § 15 Nr. 1 LRTV - die erstmalige Einführung der Programmentlohnung bedarf der Zustimmung der Tarifvertragsparteien. Ist Programmentlohnung eingeführt, kann sie jederzeit durch die Betriebsparteien allein geändert werden oder durch andere Entlohnungsgrundsätze abgelöst werden. Wenn dann der Tarifvertrag Programmsockellöhne diese "gemäß Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung Nr. 1/1977" festlegt, folgt daraus die Koppelung des zeitlichen Geltungsbereiches des Tarifvertrages mit der Geltung der Betriebsvereinbarung. Da diese zum 31.12.1997 gekündigt war und durch Einigungsstellenspruch eine neue Betriebsvereinbarung in Kraft getreten ist, ist der Tarifvertrag Programmsockellohn seit dem 01.01.1998 gegenstandslos. Er wirkt auch nicht nach gemäß § 4 Abs. 5 TVG, weil er durch eine andere Abmachung ersetzt wurde. Gleiches gilt im übrigen für die ergänzende Protokollnotiz vom 14.10.1977. Ein Eingriff in tarifliche Regelungen der Programmsockellöhne liegt damit nicht vor.

34

Bei dem betrieblichen Faktor von 1,2 (Nr. 2 der Betriebsvereinbarung Nr. 1/1977) zur Bestimmung der Sockellöhne handelt es sich um einen übertariflichen Lohnbestandteil, der nur beschränkt der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt. Der Dotierungsrahmen für diesen übertariflichen Lohnbestandteil kann vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei festgelegt werden, der Mitbestimmung unterliegen nur die Verteilungsgrundsätze (BAG GS, EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung, Nr. 30; BAG, EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung, Nr. 65; BAG, EzA § 2 KSchG, Nr. 30).

35

Nach § 15 Nr. 3 LRTV setzt sich der Programmlohn zusammen aus Sockellohn (80 % des Programmlohnes) und ergebnisbezogenem Lohnanteil (20 % des Programmlohnes). Nach Unterabsatz 3 werden die Sockellöhne zwischen der untersten Lohngruppe und der obersten Lohngruppe (begrenzt bei 120 %) eingeordnet. Tarifliche Vorgabe ist damit, dass sich die Sockellöhne bewegen im Rahmen der Tariflöhne der untersten bis obersten Lohngruppe. Wenn Unterabsatz 4 bestimmt, dass Anzahl und Höhe der Sockellöhne durch gesonderte Vereinbarung geregelt werden, bezieht sich dies auf die Rahmenvorgabe des Unterabsatzes 3. In dem vorgegebenen tariflichen Rahmen kann durch Betriebsvereinbarung Anzahl und Höhe der Sockellöhne festgelegt werden ohne Bindung an die Tätigkeitsgruppen nach § 3 LRTV. Unterabsatz 4 erweitert das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates damit nicht generell auf die Festlegung der Sockellohnhöhe. Als Sockellohn ist vielmehr der Tariflohn festgelegt, wobei innerhalb des Rahmens nach Unterabsatz 3 Anzahl und Höhe der Sockellöhne durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Daraus folgt aber, dass es sich bei dem betrieblichen Faktor von 1,2 nicht um eine der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegende Festlegung des Sockellohnes handeln, sondern um einen übertariflichen Lohnbestandteil. Für die Höhe dieses übertariflichen Lohnbestandteils kann der Arbeitgeber den Dotierungsrahmen mitbestimmungsfrei festlegen.

36

Zeitlohn

37

Zeitlöhner haben auf der Basis der Betriebsvereinbarung Nr. 1/74, Ziffer 5, eine betriebliche Zulage erhalten. Es handelt sich um eine übertarifliche Zulage, durch deren Abbau sind tarifliche Regelungen nicht tangiert. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates war begrenzt auf die Verteilungsgrundsätze. Der Dotierungsrahmen unterlag der mitbestimmungsfreien Festlegung durch den Arbeitgeber.

38

Ausgehend von den vorstehenden Feststellungen ergeben sich keine Gründe für die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruches.

39

A.

Rechtsfehler

40

1.

Unzuständigkeit der Einigungsstelle für die Entscheidung der Sockellohnhöhe bei Zeitlohn.

41

Die Einigungsstelle hat nicht unzulässig die Lohnhöhe festgelegt oder unzulässig in die Festlegung des Dotierungsrahmens durch den Arbeitgeber eingegriffen. Die Vorsitzende der Einigungsstelle hatte einen Einigungsvorschlag erarbeitet, den der Arbeitgeber als Antrag übernommen hat. Er hat damit den sich aus dem Einigungsvorschlag ergebenden Dotierungsrahmen akzeptiert und festgelegt. Damit sind übertarifliche Lohnhöhe und Dotierungsrahmen vom Arbeitgeber bestimmt und nicht gegen seinen Willen durch die Einigungsstelle festgesetzt. Dass mit der so erfolgten Festlegung des Dotierungsrahmens gleichzeitig über die Verteilung entschieden wurde und der Betriebsrat keine Gelegenheit hatte, nach Festlegung des Dotierungsrahmens gesondert über die Verteilung zu beraten und zu beschließen, ist nicht zu beanstanden. Die Rechte des Betriebsrates wurden im Einigungsstellenverfahren von den bestellten Beisitzern wahrgenommen, für eine Aussetzung oder Vertagung der Verhandlung zwecks Beratung durch den Betriebsrat bestand keine Notwendigkeit (BAG EzA § 76 BetrVG 1972, Nr. 60).

42

2.

Zeitlöhner

43

Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Einigungsstelle keine Festlegungen darüber getroffen hat und zu treffen hatte, welche Arbeitnehmer im Zeitlohn und welche im Programmlohn zu beschäftigen sind. Ein Rechtsverstoß kann damit nicht festgestellt werden.

44

3.

Fälligkeitsregelung

45

Der Einigungsstellenspruch beinhaltet keine Kürzung der tariflichen zusätzlichen Urlaubsvergütung bzw. der tariflichen Sonderzuwendung, sondern reduziert nur den übertariflichen Lohnbestandteil in den entsprechenden Auszahlungsmonaten überproportional.

46

Die Zulage im Zeitlohn, Ecklohngruppe 4, betrug 519,56 DM (Seite 5 der Antragsschrift), die Zulage für Programmlohn, Ecklohngruppe 4, 747,00 DM (Seite 6 der Antragsschrift). Nach Ziffer 5 des Einigungsstellenspruchs werden 40 % davon abgebaut (Zeitlohn = 207,68 DM; Programmlohn = 298,80 DM). Nach Verrechnung der Tariferhöhungen 01.04.1998 und April 1999 (5.1 und 5.2 des Einigungsstellenspruchs) verbleibt ein Verrechnungsbetrag i. S. der Ziffer 5.3 in Höhe von 69,12 DM (Zeitlohn) bzw. 149,52 DM (Programmlohn), der in vier gleiche Teile (Monatsraten) zu teilen ist. Monatsrate Zeitlohn: 17,28 DM; Monatsrate Programmlohn: 37,38 DM. Der höchste Einbehalt erfolgte mit 15 Monatsraten (5.6) und betrug 259,20 DM (Zeitlohn) bzw. 560,70 DM (Programmlohn). Im Ergebnis bedeutet das: Es erfolgte keine Kürzung von tariflichen Leistungen, sondern der Abbau erfolgt durch unterschiedlich hohe Auszahlungsbeträge der jeweiligen monatlichen Zulage. Die Festlegung der Höhe der jeweiligen monatlichen Zulage lag aber in der Regelungskompetenz der Einigungsstelle, insoweit ist weder ein Rechtsverstoß noch ein Ermessensfehler erkennbar.

47

4.

Ausschluss neu eingestellter Arbeitnehmer

48

Die Betriebsparteien und damit auch die Einigungsstelle haben gemäß § 75 BetrVG den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Betriebsvereinbarungen, die dagegen verstoßen, sind unwirksam.

49

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt Gleichbehandlung der Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage. er verbietet nicht nur willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Dabei kommt es darauf an, ob sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden sind. Maßgebend abzustellen ist dabei auf den Zweck der Leistung (z. B. BAG EzA § 242 BGB Gleichbehandlung, Nr. 72). Wird Vergütung für Arbeitsleistung nach allgemeinen Grundsätzen gewährt, ist eine Differenzierung nur zulässig, wenn sie sich entweder mit der Arbeitsleistung oder mit sonstigen besonderen Gründen rechtfertigen lässt (BAG EzA Art. 3 GG, Nr. 16). Für die Sozialplangestaltung ist anerkannt, dass Arbeitnehmer, die vor einem Stichtag durch Eigenkündigung das Arbeitsverhältnis beendet haben, von den Leistungen ausgenommen werden können (EzA § 112 BetrVG 1972, Nr. 80 und Nr. 83).

50

Mit dem Zweck der Zulage, Vergütung für geleistete Arbeit, ist der Ausschluss neu eingestellter Arbeitnehmer nicht zu begründen, sie haben die gleiche Arbeitsleistung zu erbringen wie die länger Beschäftigten. Die sachliche Rechtfertigung der Gruppenbildung ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Einigungsstellenspruchs. Ziel des Arbeitgebers war es, die übertarifliche Zulage insgesamt zu streichen. Dies war durchsetzbar, weil der mitbestimmungsfreie Dotierungsrahmen betroffen war. Andererseits handelte es sich um erhebliche Lohnbestandteile, die einen stufenweisen Abbau im Wege einer Übergangsregelung sinnvoll erscheinen ließ. Die Einigungsstellenvorsitzende hat durch ihren Einigungsvorschlag offensichtlich versucht, diese Problematik zu lösen durch einerseits stufenweisen Abbau auf 60 % für Alt-Arbeitnehmer und andererseits durch Ausschluss der Neueingestellten. Für eine Übergangsregelung (die Betriebsvereinbarung ist kündbar zum 31.12.1999) ist die Ungleichbehandlung zu akzeptieren. Sie stellt sich derzeit noch als sachlich begründete Differenzierung im Rahmen einer Übergangsregelung dar. Ob ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Zukunft eintritt, wenn die Betriebsvereinbarung zum 31.12.1999 nicht gekündigt wird und kein weiterer Abbau der Zulage erfolgt und andererseits den Neueingestellten die Zulage weiter vorenthalten bleibt, war hier nicht zu entscheiden.

51

Maßgebend für die Bewertung der Übergangsregelung war auch, dass der Programmlohn als verstetigter Lohn gezahlt wird, es findet keine Leistungsdifferenzierung statt. Die besondere Erschwernis durch Leistungslohn zwingt deshalb nicht zur Gleichbehandlung der Neueingestellten.

52

Hilfsweise: Wäre ein Verstoß gegen § 75 BetrVG zu bejahen, so läge nur Teilnichtigkeit des Einigungsstellenspruchs gemäß § 139 BGB vor. Vom Ausschluss betroffen sind lediglich ca. 40 neu eingestellte Arbeitnehmer, so dass die Teilnichtigkeit nicht zur Gesamtnichtigkeit des Spruches führen durfte.

53

5 - 7.

54

Vorrang tariflicher Regelungen.

55

Wie oben ausgeführt, ist der Tarifvertrag Programm-Sockellohn nebst Protokollnotiz zum 31.12.1997 ausgelaufen, der Einigungsstellenspruch greift nicht in tarifliche Regelungen ein. Auch zum Punkt Zuständigkeit der Einigungsstelle für die Festlegung der Höhe des Programmlohnes ist bereits ausgeführt, dass geregelt sind übertarifliche Lohnbestandteile, für die der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei den Dotierungsrahmen festlegen kann. Die weiteren Ausführungen des Betriebsrates zur Zuständigkeit der Einigungsstelle für die Koppelung Programmentlohnung/Beschäftigungsgarantie ergeben keinen Rechtsverstoß. Aus § 112 BetrVG folgt, dass der Interessenausgleich im Gegensatz zum Sozialplan nicht erzwingbar ist. Daraus ergibt sich dann aber, dass Beschäftigungsgarantie oder der Ausschluss betriebsbedingter Kündigung nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegt, folglich auch nicht durch Einigungsstellenspruch eingeführt werden kann. Soweit beanstandet ist, dass eine Festlegung fehle, dass bei Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen die Lohnsenkung entfalle, kann auf Ziffer 6 des Einigungsstellenspruches verwiesen werden. Eine entsprechende Regelung ist vorhanden.

56

8.

Eingriff in künftige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates (Anrechnung von künftigen Lohnerhöhungen). Die Kammer kann hier keinen Rechtsverstoß erkennen. Der Abbau übertariflicher Leistungen durch Anrechnung auf künftige Tariflohnerhöhungen ist eine für den Arbeitnehmer schonende und übliche Verfahrensweise und nicht zu beanstanden.

57

B.

Ermessensfehler

58

Die von der Einigungsstelle zu treffende Ermessensentscheidung kann von den Arbeitsgerichten daraufhin überprüft werden, ob die Grenzen des Ermessens überschritten worden sind. Abzustellen ist auf das Ergebnis der Tätigkeit der Einigungsstelle. Es kommt nicht darauf an, durch welche Tatsachen und Annahmen die Einigungsstelle zu ihrem Spruch gekommen ist und ob die diesem Spruch zugrunde liegenden Erwägungen der Einigungsstelle: folgerichtig waren und eine erschöpfende Würdigung aller Umstände zum Inhalt haben.

59

Ermessensfehler können danach nicht festgestellt werden. Der Einigungsstellenspruch beinhaltet den Abbau übertariflicher Lohnbestandteile, der Dotierungsrahmen kann vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei festgelegt werden. Das bedeutet aber, dass die Einigungsstelle nur einen begrenzten Entscheidungsspielraum hatte und an die Kürzungsvorgabe des Arbeitgebers im Volumen gebunden war. Die Kürzungsentscheidung als solche stand nicht zur Entscheidung. Die gleichmäßige Kürzung für Marine-Schiffbau und Handelsschiffbau ist dann aber nicht zu beanstanden. Die Werft erwirtschaftet im Marine-Schiffbau Gewinn, der Handelsschiffbau arbeitete defizitär. Durch Zulagenkürzung sollte die zumindest kostenneutrale Auftragsabwicklung im Handelsschiffbau erreicht werden. Handelsschiffbau ist notwendig, um die Auslastung der Werft zu gewährleisten und Schwankungen im Auftragsbestand des Marine-Schiffbaus aufzufangen. Im übrigen werden die Arbeitnehmer nicht getrennt, sondern in beiden Bereichen eingesetzt. Die gleichmäßige Zulagenkürzung für alle gewerblichen Arbeitnehmer ist dann aber nicht zu beanstanden.

60

Auch die sofortige Absenkung der Zulagen war nicht ermessensfehlerhaft. Zum einen sind die Lohnkürzungen nicht sofort erfolgt, sondern stufenweise eingeführt. Zum anderen enthält Ziffer 6 des Einigungsstellenspruchs die Regelung, dass die Zulagenkürzung entfällt, wenn bis zum 31.12.1998 kein Anschlussauftrag für Handelsschiffneubau kontraktiert sein sollte. Berücksichtigt man weiter, dass der Arbeitgeber für Neubauaufträge seine Lohnkosten verlässlich kalkulieren muss, dann kann die getroffene Regelung nur als sachgerecht bewertet werden.

61

Die Lohnkürzungen für die neu eingestellten Arbeitnehmer sind - wie ausgeführt - als sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu bewerten, insoweit ist ein Ermessensfehler nicht ersichtlich.

62

Das Fehlen einer Wegfallregelung für das Jahr 2000 ist nicht zu beanstanden. Hinzuweisen ist auf die Problematik Dotierungsrahmen. Im übrigen hat die Einigungsstelle eine Regelung getroffen für einen überschaubaren Zeitraum, die Betriebsvereinbarung ist kündbar zum 31.12.1999. Eine weiterreichende Regelung musste nicht zwingend erfolgen.

63

Zum Punkt Arbeitsplatzgarantie kann nur festgestellt werden, dass allenfalls ihre Festlegung rechtswidrig gewesen wäre, nicht dagegen das Fehlen ermessensfehlerhaft.

64

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 92, 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG.