Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.01.1999, Az.: 16a Sa 1856/98
Anspruch eines Vermessungsingenieurs auf Vergütung und Feststellung der zu beachtenden Kündigungsfrist; Vereinbarung einer individuellen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende; Auslegung einer Kündigung mit dem Zusatz der hilfsweisen Kündigung zum nächst zulässigen Termin; Deklarartorischer Charakter einer tariflichen Regelung über Kündigungsfristen; Auslegung von Tarifnormen unter Zurückgreifung auf Zweck von Bezugnahmeklauseln
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 28.01.1999
- Aktenzeichen
- 16a Sa 1856/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 17753
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1999:0128.16A.SA1856.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BAG - 18.11.1999 - AZ: 2 AZR 104/99
Rechtsgrundlagen
- § 622 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BGB
- § 3 Manteltarifvertrag für die Erdöl- und Erdgas-Bohr- und Gewinnungsbetriebe
In dem Rechtsstreit
hat die 16a. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 10.12.98
durch
die Direktorin des Arbeitsgerichts ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 22.04.1998 (1 Ca 579/97) wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Berufungsrechtszugs werden dem Kläger auferlegt.
- 3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob dem Kläger noch Vergütung für die Monate Juli bis einschließlich September 1997 zusteht und in diesem Zusammenhang um die Länge der von der Beklagten zu beachtenden Kündigungsfrist.
Der 1954 geborene Kläger war seit Mai 1982 als Vermessungsingenieur bei der ... beschäftigt, die im September 1996 mit ... verschmolzen wurde. Gemäß Arbeitsvertrag vom 19. März 1982 war der Manteltarifvertrag für die Erdöl- und Erdgas-Bohr- und Gewinnungsbetriebe (im folgenden: MTV) Bestandteil des Arbeitsvertrages. § 3 des MTV in der ab 1. Oktober 1979 gültigen Fassung bestimmt:
(2) Für die Kündigung gelten die gesetzlichen und die nachfolgenden tariflichen Bestimmungen.
(3) Die Kündigungsfristen betragen
a) bei Arbeiternnach einer Betriebszugehörigkeit
bis zu 6 Monaten 2 Wochen bis zu 2 Jahren 3 Wochen von mehr als 2 Jahren 4 Wochen zum 15. oder letzten eines Kalendermonats,
bei Kündigung durch den Arbeitgeber:
nach einer Betriebszugehörigkeit ab 35. Lebensjahr
von 5 Jahren 1 Monat zum Monatsende von 10 Jahren 2 Monate zum Monatsende von 20 Jahren 3 Monate zum Monatsende; b) bei Angestellten 6 Wochen zum Quartalsende,
bei Kündigung durch den Arbeitgeber;
nach einer Betriebszugehörigkeit ab 25. Lebensjahr
von 5 Jahren 3 Monate zum Quartalsende von 8 Jahren 4 Monate zum Quartalsende von 10 Jahren 5 Monate zum Quartalsende von 12 Jahren 6 Monate zum Quartalsende.
Diese Regelung wurde in den ab 1. April 1988 geltenden MTV i.d.F. vom 7. April 1988 unverändert übernommen. Auch in den Jahren nach 1988 vereinbarten die Tarifvertragsparteien keine Änderung der Kündigungsfristen mehr. Lediglich die Regelung über Sonn- und Feiertagsarbeit gemäß § 8 Abs. 3 MTV wurde mit Wirkung ab 1. Januar 1990 geändert. Ferner regelten die Tarif Vertragsparteien am 15. Mai 1997 mit Wirkung ab 1. Juli 1997 beziehungsweise 1. Januar 1998 die Entgeltfortzahlung, den Anspruch auf Weihnachtsgeld sowie die Berechnung des Urlaubsentgelts neu. Die Beklagte wandte auf das Arbeitsverhältnis des Klägers den jeweils gültigen Manteltarifvertrag an.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Dezember 1996 zum 30. Juni 1997, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Die Beklagte hatte zunächst Mitte Dezember 1996 eine Kündigung an eine seit September 1995 nicht mehr zutreffende Adresse des Klägers gesandt. Die aktuelle Anschrift des Klägers war der Beklagten bekannt. An diese Anschrift wurden dem Kläger seit Januar 1996 die Lohn- und Gehaltsabrechnungen übersandt. Nachdem die Beklagte dieses Kündigungsschreiben als unzustellbar zurückerhalten hatte, gab sie das Kündigungsschreiben mit Datum vom 28. Dezember 1996 am 8. Januar 1996 zur Post. Dieses Schreiben ging dem Kläger am 9. Januar 1997 zu. In der Bescheinigung gemäß § 133 AFG vom 7. August 1997, auf deren Inhalt (Bl. 38 d.A.) Bezug genommen wird, gab die Beklagte die Kündigungsfrist mit 6 Monaten zum Monatsende an.
Der Kläger ist der Ansicht, die maßgebliche Kündigungsfrist betrage sechs Monate zum Quartalsende, so daß das Arbeitsverhältnis bis zum 30. September 1997 fortbestanden habe. Er begehrt mit seiner am 15. September 1997 erhobenen und im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 22. April 1998 erweiterten Klage daher die Zahlung der Vergütung für Juli bis September 1997 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 18.399,00 DM brutto. Er bezog ab 4. Juli 1997 Arbeitslosengeld, das er im Termin vom 10. Dezember 1998 mit etwa 7.068,00 DM beziffert hat. Seinen Anspruch auf Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende hat er gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 9. Juli 1997, auf das Bezug genommen wird (Bl. 12-14 d.A.), geltend gemacht. Soweit er zunächst auch Klage auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. September 1997 erhoben hat, hat er insoweit auf rechtlichen Hinweis des Arbeitsgerichts keinen Antrag gestellt.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe die Kündigung nicht zum 31. Mai 1997, sondern zum 30. Juni 1997 ausgesprochen, sei also selbst davon aus gegangen, daß die Kündigungsfrist sechs Monate zum Quartalsende betrage. Wenn die Tarifvertragsparteien die Kündigungsfristenregelung auch in Kenntnis der Änderung der gesetzlichen Fristen seit Oktober 1993 beibehalten hätten, müsse davon ausgegangen werden, daß sie dadurch einen abweichenden Regelungswillen zum Ausdruck gebracht hätten. Er habe den Zugang der Kündigung nicht vereitelt. Sein Anspruch sei auch nicht verwirkt. Er sei aufgrund des hilfsweisen Ausspruchs der Kündigung zum nächstzulässigen Termin davon ausgegangen, daß das Arbeitsverhältnis bis zum 30. September 1997 fortbestehe. Nachdem er festgestellt habe, daß die Beklagte gegenüber dem Arbeitsamt als Beendigungszeitpunkt den 30. Juni 1997 angegeben habe, habe er sich unverzüglich an die Beklagte gewandt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 18.399,00 DM brutto zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit jeweiliger Rechtshängigkeit der Forderung auf den sich ergebenden Nettobetrag.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Tarifvertragsparteien hätten keine eigenständige Regelung der Kündigungsfristen getroffen. Das Arbeitsverhältnis habe daher unter Wahrung der nunmehr geltenden gesetzlichen Kündigungsfrist von fünf Monaten zum Monatsende gekündigt werden können. Der Kläger sei im Kündigungsschreiben auch eindeutig darauf hingewiesen worden, daß der nächst zulässige Kündigungstermin von der Beklagten gewollt sei. Der Kläger habe den Zugang der Kündigung vereitelt, weil er verzogen sei, ohne der Beklagten seine neue Anschrift mitzuteilen. Auch sei sein Anspruch verwirkt, weil er erst im September 1997 klageweise gegen die Kündigung vorgegangen sei.
Durch das dem Kläger am 24. Juli 1998 zugestellte Urteil vom 22. April 1998, auf das Bezug genommen wird (Bl. 47-55 d.A.), hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch des Klägers sei zwar nicht verwirkt, die Klage sei aber unbegründet, weil die gesetzliche Kündigungsfrist von fünf Monaten zum Monatsende gelte. § 3 Abs. 3 b) MTV stelle keine eigenständige tarifliche Regelung dar. Die Tarifvertragsparteien hätten lediglich für Arbeiter eine abweichende Kündigungsfrist in § 3 Abs. 3 a) MTV getroffen. Wenn sie dann in § 3 Abs. 3 b) MTV für die Angestellten lediglich die damaligen gesetzlichen Fristen wiedergegeben hätten, werde deutlich, daß sie nur eine unvollständige Regelung hätten vermeiden wollen.
Hiergegen richtet sich die am 12. August 1998 eingelegte und zugleich begründete Berufung des Klägers. Er trägt vor, er sei von einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende ausgegangen. Das gelte auch für die Beklagte, wie sich aus der Formulierung ihres Kündigungsschreibens ergebe. Die bei Einstellung des Klägers über die Verweisung auf den Tarifvertrag vereinbarte Kündigungsfrist sei von den Vertragsparteien nicht geändert worden. Es gelte daher eine individualrechtlich vereinbarte Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende. Das Arbeitsgericht habe auch nicht berücksichtigt, daß die Geltung des einschlägigen Manteltarifvertrages nur individualrechtlich mit dem Arbeitsvertrag vereinbart worden sei, so daß die Regelungen des Manteltarifvertrages für den Kläger nicht normativ gegolten hätten. Jedenfalls habe sich die ... mit der ... verschmolzen. Damit läge möglicherweise ein Betriebsübergang vor, so daß die tarifliche Regelung dann ohnehin nur noch einzelvertraglich fortbestehe. Schließlich hätte das Arbeitsgericht ermitteln müssen, inwieweit noch nach 1988 weitere Manteltarifverträge von den Tarifvertragsparteien geschlossen worden seien.
Der Kläger beantragt unter Rücknahme der Klage im übrigen,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 22. April 1998 - 1 Ca 579/97 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 18.399,00 DM brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes für den Zeitraum 4. Juli 1997 bis zum 30. September 1997 von 7.068,00 DM nebst 4% Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 22.04.1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, zwischen den Parteien sei keine individualvertragliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende vereinbart worden. Die Vertragsparteien seien auch an Neuregelungen des Tarifvertrages gebunden gewesen. Die tarifliche Regelung der Kündigungsfristen habe, wie bereits erstinstanzlich dargelegt, nur deklaratorische Wirkung. Die Parteien hätten auch nicht auf die Weitergeltung der Kündigungsfristen aus dem Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vertrauen können. Mit der Herstellung eines verfassungskonformen Zustands müßten die Vertragsparteien jederzeit rechnen. Auch bei einem eventuellen Betriebsübergang hätte sich mit Änderung der Gesetzeslage die tarifvertragliche Regelung ergeben, die Anwendung finde. Schließlich sei die Klage verwirkt. Insoweit werde auf das erstinstanzliche Vorbringen verwiesen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig (§§ 64 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 518 ZPO, 519 ZPO), aber nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die im Januar 1997 zugegangene Kündigung der Beklagten vom 28. Dezember 1996 unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist von fünf Monaten zum Monatsende (§ 622 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 5 BGB) mit dem 30. Juni 1997 beendet worden. Vergütungsansprüche des Klägers für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis zum 30. September 1997 bestehen daher nicht.
I.
Die Kündigung der Beklagten ist dem Kläger erst im Januar 1997 zugegangen. Er muß sich nicht so behandeln lassen, als ob ihm die Kündigung bereits Mitte Dezember 1996 zugegangen wäre. Zwar ist es dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Verspätung des Zugangs zu berufen, wenn ihm das Zugangshindernis zuzurechnen ist, der Erklärende mit diesem Hindernis nicht rechnen mußte und er nach Kenntnis der nicht erfolgten Zustellung unverzüglich erneut eine Zustellung vorgenommen hat (BAG, 18.02.1977, 2 AZR 770/75, AP Nr. 10 zu § 130 BGB <A II 3 d d.Gr.>). Der Kläger hatte jedoch die seit September 1995 bestehende Anschrift der Beklagten mitgeteilt, die an diese Anschrift bereits die Verdienstabrechnung für Februar 1996 geschickt hat (Bl. 39 d.A.). Dem Kläger kann daher die zunächst versuchte Zustellung der Kündigung unter einer veralteten Adresse nicht zugerechnet werden.
II.
Die Parteien haben keine individuelle Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende vereinbart.
1.
Die Parteien haben keine eigenständige Regelung der Kündigungsfristen getroffen, sondern einzelvertraglich die Geltung des Manteltarifvertrages für die Erdöl- und Erdgas-Bohr- und Gewinnungsbetriebe vereinbart. Damit ist die tarifliche Kündigungsfrist kraft vertraglicher Abrede Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden (Kempen/Zachert, TVG, 3. Aufl., § 3, Rz. 68 m.w.N.). Da die Parteien im Arbeitsvertrag auch nur allgemein auf den Manteltarifvertrag verwiesen haben, ohne eine bestimmte Fassung dieses Tarifvertrags zu benennen, haben sie die Geltung des Manteltarifvertrages in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart (vgl. BAG, 20.03.1991, 4 AZR 455/90, AP Nr. 20 zu § 4 TVG - Tarifkonkurrenz <B II 1 b d.Gr.>). Die Parteien haben durch diese dynamische Verweisung zu erkennen gegeben, daß sie keine eigenständige Regelung der Kündigungsfristen treffen wollten, sondern die jeweiligen tariflichen Kündigungsfristen auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollten.
2.
Der Kläger durfte auch nicht aus dem Umstand, daß die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 28. Dezember 1996 zum 30. Juni 1997 gekündigt hat, den Schluß ziehen, daß das Arbeitsverhältnis nur mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende kündbar sein sollte und die Beklagte diese Frist wahren wollte. Vielmehr hat die Beklagte durch den Zusatz "hilfsweise zum nächst zulässigen Termin" im Kündigungsschreiben zu erkennen gegeben, daß sie das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 28. Dezember 1996 zum nächstmöglichen Zeitpunkt unter Wahrung der maßgeblichen Fristen beenden wollte und dabei unter Zugrundelegen des Wortlauts des § 3 Abs. 3 Buchst. b) MTV davon ausgegangen ist, daß diese Frist sechs Monate zum Quartal betrug, weswegen sie das erst im Januar 1997 abgesandte Kündigungsschreiben auf Dezember 1996 rückdatiert hat. Einen darüber hinausgehenden Erklärungsinhalt hatte das Kündigungsschreiben nicht.
3.
Schließlich läßt sich auch der Bescheinigung gemäß § 133 AFG vom 7. August 1997 (Bl. 38 d.A.) nicht der Wille der Beklagten entnehmen, eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartal einhalten zu wollen. Zum einen ist aus einer mehr als ein halbes Jahr nach Ausspruch der Kündigung erstellten Bescheinigung, die einem Dritten gegenüber erteilt worden ist, kein Rückschluß auf den Erklärungswillen der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung möglich. Zum anderen läßt sich aus der Bescheinigung allenfalls entnehmen, daß die Beklagte von der Geltung der gesetzlichen Kündigungsfrist ausgegangen ist, diese aber angesichts der in dieser Bescheinigung irrtümlich ausgewiesenen Betriebszugehörigkeit des Klägers von 15 Jahren unzutreffend mit sechs Monaten zum Monatsende ermittelt hat.
III.
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt daher davon ab, ob die Tarifvertragsparteien in § 3 Abs. 3 Buchst. b MTV eine eigenständige, in ihrer normativen Wirkung von der gesetzlichen Kündigungsfristenregelung unabhängige Regelung getroffen haben. Nach Auffassung der Kammer ist dies zu verneinen. Die Tarifvertragsparteien haben nur eine rein deklaratorische Regelung getroffen, so daß die jeweilige gesetzliche Norm Anwendung findet. Die einschlägige Kündigungsfrist betrug daher fünf Monate zum Monatsende (§ 622 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 5 BGB), so daß das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 30. Juni 1997 geendet hat.
1.
Eigenständige tarifliche Regelungen der Kündigungsfristen sind durch das Gesetz zur Neuregelung der Kündigungsfristen vom 7. Oktober 1993 nicht berührt worden (BAG, 05.10.1995, 2 AZR 1028/94, AP Nr. 48 zu § 622 BGB <II 1 d.Gr.>).
2.
a)
Die Auslegung der normativen Regelungen in Tarifverträgen folgt den für die Gesetzesauslegung geltenden Grundsätzen. Dies findet seine Rechtfertigung darin, daß auch Tarifnormen sich regelmäßig nicht nur an die Personen wenden, die sie erlassen haben, sondern sich an alle tarifgebundenen Mitglieder der Tarifvertragsparteien, im Falle der Allgemeinverbindlichkeit darüber hinaus an eine weitere Anzahl von Arbeitgebern und Arbeitnehmern richten. Sie beanspruchen daher Beachtung unabhängig von einer konkreten Willensübereinkunft ihrer Adressaten (BAG, 16.06.1998, 5 AZR 728/97, NZA 1998, S. 1343 <II 1 d.Gr.>).
b)
Dies gilt auch, wenn wie im vorliegenden Rechtsstreit ein Tarifvertrag nur über eine einzelvertragliche Inbezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
aa)
Allerdings gelten in Bezug genommene Tarifvorschriften nicht normativ, sondern entfalten lediglich einzelvertragliche, also schuldrechtliche, Wirkung (Kempen/Zachert, a.a.O.). Schuldrechtliche Vereinbarungen sind jedoch so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, wobei der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist (§§ 133, 157 BGB).
bb)
Das Bundesarbeitsgericht legt jedoch auch Tarifnormen, auf die die Arbeitsvertragsparteien lediglich Bezug genommen haben, nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung aus. Auch wenn eine tarifliche Norm nur kraft Vereinbarung gelte, gehe es um die Auslegung einer Tarifnorm, da anderenfalls die Möglichkeit und Gefahr einer gespaltenen Auslegung bestünde und die Wahrung der Rechtseinheit gefährdet wäre (BAG, 28.04.1988, 2 AZR 750/87, AP Nr. 25 zu § 622 BGB <II 2 a d.Gr.> m.w.N.). Diese Argumentation löst jedoch den dargelegten dogmatischen Widerspruch nicht (v. Hoyningen-Huene, RdA 1974, S. 138 <150>, Kempen/Zachert, a.a.O. <Rz. 97>).
cc)
Für die Frage, welche Grundsätze bei der Auslegung von kraft einzelvertraglicher Vereinbarung geltenden Tarifnormen gelten, ist auf den Zweck von Bezugnahmeklauseln zurückzugreifen. Solche Klauseln sollen eine einheitliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmer im Betrieb sicherstellen. Der Arbeitnehmer strebt damit einerseits auch ohne Tarifbindung die Gewährung tariflicher Leistungen an. Andererseits schützt ihn eine möglichst branchenweite Praxis der Inbezugnahme des einschlägigen Tarifvertrags vor der Konkurrenz von nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern, die ihre Arbeitsleistung billiger anbieten. Der Arbeitgeber will den Arbeits- und Betriebsfrieden durch einheitliche Arbeitsbedingungen verbessern. Auch er hat ein Interesse an einer möglichst branchenweiten Inbezugnahme des Tarifvertrags, um so Wettbewerbsvorteile eines Konkurrenten, der billigere, nicht tarifgebundene Arbeitnehmer beschäftigt, zu verhindern (vgl. v. Hoyningen-Huene, a.a.O. <148>). Es liegt daher im beiderseitigen Interesse der Vertragspartner, die einen Tarifvertrag in Bezug nehmen, daß die Tarifnormen auch auf sie so angewendet werden, wie sie für tarifgebundene Arbeitnehmer gelten. Es entspricht daher ihrem Willen, die in Bezug genommenen Tarifnormen nach den Grundsätzen der Tarifauslegung auszulegen (Etzel, NZA, Beil. 1/87, S. 19 <28>; vgl. ähnlich BAG, 23.04.1986, 4 AZR 90/85, AP Nr. 118 zu §§ 22, 23 BAT 1975 <Bl. 1191/R>).
dd)
Ob es infolge der Verschmelzung der und der ... zu einem Betriebsübergang gekommen ist - was der Kläger nicht hinreichend dargelegt hat -, so daß § 613 a BGB gemäß § 324 UmwG anwendbar wäre (KR-Friedrich, 5. Aufl. 1998, § 322, 323, 324 UmwG, Rz. 28 m.w.N.), kann dahinstehen. Zwar würden dann die tariflichen Regelungen nur noch einzelvertraglich fortgelten (§ 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies ändert aber nichts daran, daß die Parteien bereits bei Beginn des Arbeitsverhältnisses 1982 die einzelvertragliche Geltung des MTV vereinbart haben und sich damit bereits zu diesem Zeitpunkt den Tarifnormen so unterworfen haben, wie sie für die Tarif gebundenen gelten. Daran müssen sie sich festhalten lassen.
c)
Bei der Tarifauslegung ist daher zunächst vom Wortlaut des Tarifvertrags auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mit zu berücksichtigen, wenn er in den tariflichen Normen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Zusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lassen sich auch so zuverlässige Auslegungsergebnisse nicht gewinnen, können die Gerichte ohne Bindung an eine Reihenfolge auf weitere Anhaltspunkte wie Tarifgeschichte, Entstehungsgeschichte und praktische Tarifübung zurückgreifen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, stRspr, vgl. Urteil vom 16.06.1998, 5 AZR 67/97, NZA 1998, S. 1288 <1290> m.w.N.>).
3.
Die Tarifvertragsparteien haben in § 3 Abs. 3 Buchst. b) MTV keine eigenständige Regelung über die Kündigungsfristen getroffen.
a)
Nehmen Tarifvertragsparteien einschlägige gesetzliche Vorschriften wörtlich oder inhaltlich unverändert in einen umfangreichen Tarifvertrag auf, so handelt es sich um deklaratorische Klauseln, wenn der Wille der Tarifvertragsparteien zu einer gesetzesunabhängigen eigenständigen Regelung im Tarifvertrag keinen hinreichend erkennbaren Ausdruck gefunden hat. In einem derartigen Fall ist bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, daß es den Tarifvertragsparteien bei der Übernahme des Gesetzestextes darum gegangen ist, im Tarifvertrag eine unvollständige Darstellung der Rechtslage zu vermeiden. Sie haben dann die unveränderte gesetzliche Regelung im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit deklaratorisch in den Tarifvertrag aufgenommen, um die Tarifgebundenen möglichst umfassend über die zu beachtenden Rechtsvorschriften zu unterrichten. Von einem eigenständigen Regelungswillen ist dagegen in der Regel auszugehen, wenn die Tarifvertragsparteien eine im Gesetz nicht oder anders enthaltene Regelung treffen (BAG, 05.10.1995, 2 AZR 1028/94, AP Nr. 48 zu § 622 BGB<II 2 d.Gr.> m.w.N., stRspr).
b)
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, daß § 3 Abs. 3 Buchst. b) MTV keine eigenständige Regelung der Kündigungsfristen von Angestellten enthält.
aa)
Die Tarifvertragsparteien haben vorliegend in § 3 Abs. 3 Buchst. a) MTV 1979 eine von § 622 BGB 1969 abweichende und damit eigenständige Regelung für die Kündigungsfristen von Arbeitern mit einer Betriebs Zugehörigkeit von weniger als fünf Jahren getroffen. Die Kündigungsfristen für Arbeiter mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als fünf Jahren stimmen dagegen wörtlich mit der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB 1969 überein. Die Kündigungsfristen für Angestellte in § 3 Abs. 3 Buchst. b) MTV 1979 wiederholen die damals geltenden Kündigungsfristen für Angestellte gemäß § 622 Abs. 1 Satz 1 BGB 1969 beziehungsweise nach dem Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten.
bb)
Allein aus dem konstitutiven Charakter der Regelung der
Grundkündigungsfrist für Arbeiter in § 3 Abs. 3 Buchst. a MTV folgt nicht, daß auch § 3 Abs. 3 Buchst. b) MTV als konstitutiv anzusehen wäre. Es steht den Tarifvertragsparteien frei, die Kündigungsfristenregelung in einem Tarifvertrag in einen konstitutiven und in einen deklaratorischen Teil aufzuspalten. Soweit die Tarifpartner von der Gesetzesnorm abweichen, üben sie ihre Regelungskompetenz aus, ansonsten gilt das Gesetz, das auch ohne den Tarifvertrag gelten würde (BAG, 14.02.1996, 2 AZR 166/95, AP Nr. 21 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie <II 4 b d.Gr.>).
cc)
Ein eventueller Normsetzugswille der Tarifvertragsparteien hat in § 3 Abs. 3 Buchst. b) MTV keinen hinreichend erkennbaren Ausdruck gefunden. Es ist vielmehr angesichts des eindeutigen Wortlauts der tariflichen Bestimmung davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien, nachdem sie die Grundkündigungsfristen für Arbeiter abweichend vom Gesetz geregelt hatten, die gesetzlichen Regelungen über die verlängerten Kündigungsfristen für Arbeiter und die gesetzlichen Bestimmungen für die Kündigungsfristen von Angestellten lediglich wörtlich wiederholt haben, um den Tarifunterworfenen einen vollständigen Oberblick über die in den Erdöl- und Erdgas-Bohr- und Gewinnungsbetrieben geltenden Kündigungsfristen zu geben, ohne einen eigenen Normsetzungswillen zu haben. Dies gilt um so mehr, als sie den MTV 1988, 1989 und 1997 geändert haben, die Regelung über die Kündigungsfristen aber unangetastet gelassen haben. Spätestens seit der Entscheidung des BAG vom 28. Januar 1988 (2 AZR 296/87, AP Nr. 24 zu § 622 BGB) war die oben genannte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts über einen fehlenden Regelungswillen der Tarifvertragsparteien bei lediglich wörtlicher Übernahme gesetzlicher Regelungen gefestigt. Die Kenntnis höchstrichterlicher Rechtsprechung ist von Tarifvertragsparteien zu erwarten. Ebenso ist zu erwarten, daß sie dann bei Änderungen von bestehenden Tarifverträgen oder bei Abschluß neuer Tarifverträge dafür Sorge tragen, daß ihr Normsetzungswille im Tarifvertrag einen deutlichen Niederschlag findet (BAG, AP Nr. 48 zu § 622 BGB <II 2 b d.Gr.>)
c)
Stellt danach § 3 Abs. 3 Buchst. b) MTV kein autonomes Tarifrecht dar, gilt bis zu einer eigenständigen Tarifregelung die jeweilige gesetzliche Regelung (BAG, 14.02.1996, 2 AZR 201/95, AP Nr. 50 zu § 622 BGB <II 4 d.Gr.>). Der bei Ausspruch der Kündigung 42jährige Kläger war im Zeitpunkt der Kündigung 14 Jahre und 8 Monate bei der Beklagten beschäftigt. Für ihn galt daher eine Kündigungsfrist von fünf Monaten zum Monatsende (§ 622 Abs. 2 Ziffer 5 BGB).
IV.
Da der geltend gemachte Anspruch dem Kläger schon dem Grunde nach nicht zusteht, kommt es auf die Fragen der Höhe des Anspruchs und seiner eventuellen Verwirkung nicht mehr an.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
VI.
Die Revision ist im Hinblick auf die Ausführungen unter III 2 der Entscheidungsgründe zugelassen worden (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
Broska
Kachel