Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.03.1999, Az.: 13 Ta 553/98

Sofortige Beschwerde des Klägers wegen nachträglicher Klagezulassung.

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
25.03.1999
Aktenzeichen
13 Ta 553/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 18705
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1999:0325.13TA553.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Celle - 18.11.1998 - AZ: 2 Ca 639/98

In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ...
ohne mündliche Verhandlung ...
beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Celle vom 18.11.1998, 2 Ca 639/98, wird abgeändert.

Die Kündigungsschutzklage vom 21.07.1998, beim Arbeitsgericht eingegangen am 07.08.1998, wird nachträglich zugelassen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte nach einem Verfahrenswert von 30.000,00 DM.

Gründe

1

Die auf den 21.07.1998 datierte Klage gegen eine außerordentliche Kündigung, die am 02.07.1998 zugegangen ist, ist am 07.08.1998 beim Arbeitsgericht eingegangen. Nach Zustellung der Ladung zum Gütetermin am 18.08.1998 hat der Kläger mit Fax vom 31.08.1998, eingegangen beim Arbeitsgericht am selben Tag, nachträgliche Klagezulassung begehrt. Er stützt seinen Antrag darauf, der Prozessbevollmächtigte habe am 21.07.1998 in der Mittagspause persönlich die Klageschrift in einen Postbriefkasten geworfen, die Postverzögerung sei ihm nicht zuzurechnen.

2

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage zurückgewiesen mit der Begründung, die Antragsfrist des § 5 Abs. 3 KSchG sei nicht eingehalten. Es hat angenommen, nach Ablauf von 3 Wochen (11.08.1998) habe spätestens eine Nachforschungspflicht des Prozessbevollmächtigten des Klägers bestanden, die Antragsfrist sei deshalb am 27.08.1998 abgelaufen.

3

Mit sofortiger Beschwerde rügt der Kläger die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, die in der Beschwerdeerwiderung von der Beklagten verteidigt wird.

4

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist fristgerecht erhoben worden, gemäß § 5 Abs. 4 KSchG statthaft und damit insgesamt zulässig. Die sofortige Beschwerde ist begründet und führt zur nachträglichen Zulassung der Klage gemäß § 5 Abs. 1 KSchG.

5

Die Antragsfrist des § 5 Abs. 3 KSchG beträgt 2 Wochen, beginnend ab Behebung des Hindernisses für die rechtzeitige Klageerhebung innerhalb der drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG. Das Hindernis ist nicht erst dann behoben, darin ist dem Arbeitsgericht zu folgen, wenn die verspätete Klageerhebung positiv bekannt ist. Das Hindernis ist bereits dann behoben, wenn bei Anwendung erforderlicher Sorgfalt die verspätete Klageerhebung erkennbar war.

6

Das LAG Hamm (LAGE § 5 KSchG, Nr. 53; ebenso KR, 5. Aufl., § 5 KSchG, RdNr. 118 f) nimmt eine Verpflichtung des Rechtsanwalts an, nach dem Verbleib der abgesandten Kündigungsschutzklage zu fragen, wenn ihm binnen 3 Wochen keine Terminsladung vorliegt. Das Arbeitsgericht ist dieser Entscheidung gefolgt unter Bezugnahme auf § 61 a Abs. 2 ArbGG, wonach in Kündigungsschutzverfahren innerhalb von 2 Wochen nach Klageerhebung Güteverhandlung stattfinden soll.

7

Nach Auffassung der Beschwerdekammer sind vom Arbeitsgericht die Sorgfaltspflichten eines Anwalts vorliegend zu hoch angesetzt worden, die Frist des § 5 Abs. 3 KSchG begann erst am 18.08.1998 mit Güteterminsladung, die Frist ist eingehalten.

8

Im Verantwortungsbereich des Klägers und seines Prozeßbevollmächtigten lag es nur, ausreichende Vorkehrungen für eine fristgerechte Klageerhebung (Eingang beim Arbeitsgericht am 23.07.1998) zu treffen. Es bestand keine Verpflichtung, den Posteingang bei Gericht zu überwachen und ggf. nachzufragen. Nur wenn aufgrund besonderer Umstände Zweifel über den rechtzeitigen Klageeingang entstehen mussten, war der Prozessbevollmächtigte zur Nachforschung verpflichtet. (Bundesverfassungsgericht, NJW 1992; S. 38; BGH NJW-RR 1992, S. 1002; Zöller, ZPO, 21. Aufl., § 233, RdNr. 23). Entsprechend formuliert Feiber in MK-ZPO, § 234, RdNr. 20, zur Wiedereinsetzungsfrist: "Auch fahrlässige Unkenntnis setzt also die Frist in Gang. Kennen müssen genügt. Allerdings sollten stets konkrete Anhaltspunkte für die mögliche Fristversäumung ersichtlich sein, so dass die Notwendigkeit einer Überprüfung sich aufdrängt."

9

Konkrete Anhaltspunkte für den Klägervertreter, dass die Klage nicht rechtzeitig eingereicht sei, bestanden nicht. Bei Aufgabe zur Post am 21.7. in Frankfurt war ohne weiteres mit einem Eingang bei Gericht am 23.7. zu rechnen. Der Posteingang bei Gericht musste deshalb nicht durch Nachfrage überwacht werden.

10

Eine Nachforschungspflicht kann sich damit nur ergeben als Ausfluss der Büroorganisationspflicht des Prozeßbevollmächtigten. Insoweit besteht die Verpflichtung, durch ordnungsgemäße Büroorganisation eine sachgerechte Prozessbearbeitung sicherzustellen. Hierbei besteht für den Anwalt auch die Verpflichtung, bearbeitete Akten nicht einfach wegzulegen, sondern durch Vorlagefristen unter Kontrolle zu halten. Diese Organisationspflicht kann aber nicht überspannt werden und rechtfertigt keine engen Wiedervorlagepflichten. Welche Wiedervorlagefristen hier angemessen sind, kann unentschieden bleiben. Selbst wenn man die sehr enge Wiedervorlagefrist von 3 Wochen annimmt, wäre hier die Antragsfrist gewahrt. Gerade weil die Kontrollpflichten nicht überspannt werden dürfen, erscheint folgende Fristberechnung als allein sinnvoll und angemessen. Die drei-Wochen-Frist beginnt nicht mit Absendung der Klage, sondern mit dem zu erwartenden Eingang bei Gericht, hier 23.07.1998. Gerechtfertigt war damit eine Wiedervorlage für frühestens 14.08.1998. Nimmt man für diesen Tag Erkundigungspflicht an, so wäre dieser Verpflichtung genügt mit einer normalen schriftlichen Anfrage im Postwege, Faxanfrage, erst recht telefonische Anfrage kann nicht als Rechtspflicht unterstellt werden. Eine schriftliche Anfrage vom 14.8. hätte das Arbeitsgericht aber frühestens am 17.8. erreicht, Antworteingang wäre frühestens am 18. oder 19.08.1998 beim Prozeßbevollmächtigten des Klägers erfolgt. Das heißt aber, auch bei Annahme einer Erkundigungspflicht nach Ablauf von 3 Wochen ist die Antragsfrist gewahrt.

11

Ein Grund für die nachträgliche Zulassung gemäß § 5 Abs. 1 KSchG ist dargelegt und glaubhaft gemacht. Nach eidesstattlicher Versicherung des Prozeßbevollmächtigten hat dieser die Klage selbst am 21.08.1998 in den Postbriefkasten geworfen. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser eidesstattlichen Versicherung. Es muss deshalb von Postverzögerung ausgegangen werden, die nicht zu Lasten des Klägers geht und die die nachträgliche Zulassung rechtfertigt.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Wert des Beschwerdeverfahrens war in Anlehnung an den Wert der Hauptsache gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG auf 10.000,00 DM festzusetzen.

13

Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 78 ArbGG ein Rechtsmittel nicht gegeben.