Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.10.1999, Az.: 2 TaBV 61/99

Erstreckung eines Tarifvertrages auf später hinzukommende Betriebe; Reichweite des Tariffensters

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
22.10.1999
Aktenzeichen
2 TaBV 61/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 10045
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1999:1022.2TABV61.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 04.06.1999

Amtlicher Leitsatz

Verlust des Betriebsratsmandats vor dem Hintergrund eines Zuordnungstarifvertrages gemäß § 3 BetrVG. Erstreckung des Tarifvertrages auf später hinzukommende Betriebe, bzw. umstrukturierte bereits bestehende Betriebe, die bisher vom Tarifvertrag nicht erfaßt waren (Reichweite eines sog. Tariffensters).

In dem Rechtsstreit
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
aufgrund der Anhörung am 22.10.1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ...und
die ehrenamtlichen Richter...
beschlossen:

Tenor:

  1. 1)

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

  2. 2)

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die in 5 Märkten der Arbeitgeberin in Hannover bestehenden Betriebsräte am 31.03.1999 durch ein Zuordnungstarifvertrag gemäß § 3 Abs. 1 Zif. 3 BetrVG ihr Mandat verloren haben.

2

Die Arbeitgeberin betreibt in der gesamten Bundesrepublik Warenhäuser. Sie ist aus der zum 31.03./01.04.1998 von der Konzernmutter ... und den weiteren Gesellschaften der ... der ... gegründete Firma. Sie trägt inzwischen den Firmennamen ...

3

Die 370 Märkte der Vertriebsschiene ... und die 116 Märkte der Ver- ... waren bis zur Gründung der ... in verschiedenen Unternehmen angesiedelt. ... Märkte existierten sowohl bei der ... wie auch bei der ...

4

Die Vertriebsschiene ... (370 Märkte) ist zentral organisiert. Die Leitung der Märkte im Bereich Personalwesen liegt bei den in 4 Regionalbüros ansässigen Verkaufs- und Bezirksleitern, nicht bei den jeweiligen Marktleitern vor Ort. Wareneinkauf und Werbung sind zentral organisiert.

5

Die 116 Märkte der Vertriebsschiene ... zu denen die Betriebe der im vorliegenden Verfahren beteiligten 5 Betriebsräte gehören, behielten ihre dezentrale Organisationsstruktur mit Personalbefugnissen des Marktleiters vor Ort (z. B. Einstellung und Entlassung) nach der Gründung der Beteiligten zu 6) zunächst weiter. Ende 1998 veräußerte die Beteiligte zu 6) von den 116 ... 74 an die ... Die restlichen 42 ... wurden die Vertriebsschiene integriert und im 1. Quartal 1999 umstrukturiert. Die zentral organisierte Vertriebsschiene ... umfasst nunmehr ca. 420 Märkte.

6

Zumindest seit 01.04.1999 wird auch die Personalverwaltung der 42 eingegliederten ... ebenso wie die Wahrnehmung im Bereich der sozialen Angelegenheiten i. S. des § 87 BetrVG nicht mehr durch die örtlichen Marktleiter sondern durch die in den 4 Regionalbüros tätigen Verkaufs- und Bereichsleiter ausgeübt.

7

Die 5 im vorliegenden Verfahren betroffenen Märkte gehören seitdem zum Regionalbüro Nord.

8

Für die Vertriebsschiene ...hatten die Gewerkschaften HBV und DAG mit der ... die zugleich für ihre Töchter ... Verbrauchermärkte GmbH sowie die Famka Verbrauchermärkte GmbH handelte, Ende 1997/Anfang 1998 ein Zuordnungstarifvertrag abgeschlossen. Dieser regelt, dass Betriebsteile abweichend von § 4 BetrVG zusammengefasst werden und für das gesamte Bundesgebiet insgesamt 6 Betriebsräte gebildet werden.

9

Die der Bundesanstalt für Arbeit vorgelegte und unterschriebende Fassung des Tarifvertrages vom 17.11.1997 wurde von dort beanstandet. Das Bundesministerium für Arbeit forderte, dass die Beteiligungsgesellschaften als Partner des Tarifvertrages benannt werden müssten, die die betrieben. Im übrigen wurde angeregt, dass entsprechend dem damaligen Ist-Zustand noch nicht die erst später geschaffene ... in § 2 erwähnt werden sollte, sondern die Bezeichnung Verkaufsstellennetz des Vertriebsbereichs

10

Die geforderten Änderungen des Tarifvertrages wurden gegenüber allen am Tarifabschluss beteiligten angeregt. Die Tarifvertragsparteien haben daraufhin die Abstimmung über diese Änderung vorgenommen. Sie haben die Seiten 1 und 2 des Tarifvertrages entsprechend geändert und sie durch die Firma ... dem Bundesministerium für Arbeit vorgelegt. Das Bundesministerium für Arbeit tauschte die entsprechenden Seiten des vorliegenden Tarifvertrages aus und fügte die neuen Seiten der vorhandenen 3. Seite, die von den Tarifpartnern bereits unterschrieben war, zu. Am 24.03.1998 genehmigte das Bundesministerium für Arbeit den so geänderten Zuordnungstarifvertrag (Bl. 31 d. A.).

11

§ 4 dieses Tarifvertrages regelt, dass die Bestimmung des § 3 des Tarifvertrages - Bildung der 6 Regionalbetriebsräte auf Bundesebene und regionale Zuständigkeit - auch für neue Betriebsteile gilt, die während der Geltungsdauer des Tarifvertrages von dem Vertriebsbereich errichtet oder übernommen werden.

12

Am 15.02.1998 vereinbarte die ... mit der HBV und der DAG eine sogenannte Regelungsabrede über die Integration der verbliebenen Märkte in die ... Linie. Die 5 im vorliegenden Verfahren betroffenen Märkte wurden von dieser Integration erfasst. Die Tarifvertragsparteien des Tarifvertrages vom 14.11.1997 verwiesen in der Präambel der Regelungsabrede darauf, dass der Zuordnungstarifvertrag für die in einer Anlage näher bezeichneten ... Warenhäuser ab 01.01.1999 gelte. Für eine Übergangsfrist bis zum 31.03.1999 sollten die lokalen Betriebsräte weiterhin zuständig sein.

13

Die Beteiligten zu 1 - 5 haben die Auffassung vertreten, ihr Mandat bestehe auch über den 31.03.1999 hinaus fort. Anweisungen für die tägliche Arbeit würden nach wie vor Ort auch in den ehemaligen ... vom Warenhausleiter getroffen. Im übrigen sei der Zuordnungstarifvertrag vom 17.11.1997/24.03.1998 wegen Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis nichtig. Die Regelung des § 4 des Tarifvertrages führe nicht zu einem Untergang der Betriebsratsmandate. Die Beteiligten zu 1 - 5 haben beantragt:

14

Der Beteiligte zu 1 beantragt,

es wird festgestellt, dass der bestehende Betriebsrat des ... über den 31.03.1999 hinaus fortbesteht.

15

Der Beteiligte zu 2 beantragt,

es wird festgestellt, dass der bestehende Betriebsrat des ... über den 31.03.1999 hinaus fortbesteht.

16

Der Beteiligte zu 3 beantragt,

es wird festgestellt, dass der bestehende Betriebsrat des ... über den 31.03.1999 hinaus fortbesteht.

17

Der Beteiligte zu 4 beantragt,

es wird festgestellt, dass der bestehende Betriebsrat des ... über den 31.03.1999 hinaus fortbesteht.

18

Der Beteiligte zu 5 beantragt,

es wird festgestellt, dass der bestellende Betriebsrat des ... über den 31.03.1999 hinaus fortbesteht.

19

Der Beteiligte zu 6 hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

20

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 04.06.1999 verwiesen. Mit diesem Beschluss hat das Arbeitsgericht die Feststellungsanträge zurückgewiesen.

21

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt, der Zuordnungstarifvertrag vom 17.11.1997/24.03.1998 sei wirksam. Er erleichtere die Bildung von Betriebsräten und ermögliche damit allen Arbeitnehmern der ... die Interessenvertretung durch einen Betriebsrat. In der Vergangenheit seien aufgrund der Größe der Märkte von durchschnittlich 23 Arbeitnehmern in 16 der 42 Märkte keine Interessenvertretung vorhanden gewesen.

22

Der Austausch der Seiten 1 und 2 des Tarifvertrages vor Genehmigung durch das Bundesministerium für Arbeit stehe der Wirksamkeit des Tarifvertrages nicht entgegen. Die Tarifvertragsparteien hätten die Änderung einvernehmlich vor Genehmigung durch die Bundesanstalt für Arbeit vorgenommen. Die Klarstellungsfunktion des Schriftformerfordernisses sei daher nicht verletzt.

23

Der Tarifvertrag finde gemäß § 4 des Tarifvertrages auf die verbliebenen 5 ... te Anwendung. Alle Märkte der Vertriebsschiene ... seien mit Gründung der Antragsgegnerin im Wege des Betriebsüberganges auf diese übergegangen. Die Identität der eingebrachten Märkte habe sich nicht geändert, so dass der Tarifvertrag als Haustarifvertrag für die Betriebe und die neuen Betriebsteile wegen der beiderseitigen Tarifgebundenheit kollektiv weitergelte. Die übernommenen ... Märkte seien "neue" Betriebsteile i. S. des § 4 TVG. Der Tarifvertrag verlange nicht, dass es sich um Betriebe handele, die bisher nicht im Unternehmen vorhanden gewesen seien.

24

Wegen des weiteren Inhalts der Entscheidung des Arbeitsgerichts Hannover wird auf den angefochtenen Beschluss vom 04.06.1999 verwiesen.

25

Die Beteiligten Betriebsräte haben gegen diese Entscheidung, die ihnen am 21.07.1999 zugestellt wurde, am Montag den 23.08.1999 Beschwerde eingelegt, die sie gleichzeitig begründet haben.

26

Die beteiligten Betriebsräte zu 1 - 5 sind weiterhin der Auffassung, das Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 Tarifvertragsgesetz sei für den Tarifvertrag vom 17.11.1997/24.03.1998 nicht gewahrt. Es sei erforderlich gewesen, dass die Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag nach Austausch der ersten Seiten erneut unterschrieben. Die vorgenommenen Änderungen seien erhebliche Änderungen. Der Geltungsbereich des Tarifvertrages sei verändert worden, ebenso wie die vertragsschließenden Parteien. § 3 BetrVG ermögliche es nicht ehemals nicht zugeordnete Betriebe oder Betriebsteile dem Tarifvertrag später zuzuordnen. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand beliebig Betriebe und Betriebsteile zuzuordnen oder herauszunehmen.

27

Gegen eine Einbeziehung der verbliebenen 5 Hannoverschen Betriebe in den Anwendungsbereich des Zuordnungstarifvertrages spreche auch, dass die beteiligten Betriebsräte dort im Frühjahr 1998 neu gewählt worden seien, obgleich der Tarifvertrag bereits vorgelegen haben. Die Beteiligten dieses Verfahrens seien damals davon ausgegangen, dass die verbliebenen Märkte nicht unter den Anwendungsbereich des Tarifvertrages fielen. Selbst wenn der Tarifvertrag wirksam sein sollte, könne er nicht für die gesamte ... Wirksamkeit entfalten, da es sich um eine andere Rechtspersönlichkeit handele, als die, die am Tarifvertragsabschuss beteiligt gewesen sei. Die erteilte Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit reiche nicht soweit. Die ... sei ab 01.04.1998 aufnehmende Gesellschaft für die tarifgebundenen Unternehmen, Betriebe und Betriebsteile. Für diese aufgenommenen Betriebe und Betriebsteile gelte der Haustarifvertrag weiter, nicht jedoch für das aufnehmende Unternehmen in seiner Gesamtheit.

28

Schließlich sei der Begriff "Vertriebsschiene Verbrauchermärkte" nicht hinreichend bestimmt.

29

Die beteiligten Betriebsräte zu 1 - 5 beantragen,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover abzuändern und festzustellen, dass die Betriebsräte der ... über den 31.03.1999 hinaus fortbestehen.

30

Die Beteiligte zu 6 beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

31

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, bei der auf Anregung der Bundesanstalt für Arbeit vorgenommenen Änderung des Tarifvertragstextes handele es sich nicht um inhaltiche Änderungen, sondern um bloße klarstellende, redaktionelle Änderungen. Bereits die ursprüngliche Form des Tarifvertrages habe auf die ... der Tochtergesellschaften hingewiesen. Die spätere Benennung der Tochtergesellschaften im Rubrum des Tarifvertrages stelle damit eine bloße Formalie dar. Der Zuordnungstarifvertrag gelte als Haustarifvertrag weiter, denn bei dem stattgefundenen Betriebsübergang sei die Betriebsidentität gewahrt geblieben. Der Zuordnungstarifvertrag gelte damit für alle in der Vertriebsschiene ... geführten Märkte. Da es sich bei den betroffenen Hannoverschen Märkten zunächst im Jahr 1998 noch um solche der Vertriebsschiene gehandelt habe, seien im Frühjahr 1998 dort lokale Betriebsratswahlen durchgeführt worden. Die Voraussetzungen für eine Einbindung in den Regionalbetriebsrat Nord hätten wegen der dezentralen Organisation noch nicht vorgelegen. Durch die Regelung des § 4 des Zuordnungstarifvertrages würden nunmehr die ehemaligen jetzt umstrukturierten ... von der Tarifgeltung umfasst. Es könne keinen Unterschied machen, ob Betriebe durch Expansion oder Zukauf von außen übernommen würden, durch Neubau bzw. Neuanmietung der Gebäude oder Anwerbung einer neuen Belegschaft "errichtet" würden, oder ob schon bei ihr vorhandene Restbestände einer vertrieblich und leitungstrukturell anders organisierten Handelskette in den Vertriebsbereich ... neu überführt" würden.

32

Die Bezeichnung "Vertriebsschiene ... im Tarifvertrag sei hinreichend bestimmt. Sowohl den tarifvertragschließenden Parteien sei der Begriff, hinter dem sich die zentrale Organisationsstruktur verberge, wie aber auch den vom Tarifvertrag erfassten Betriebsräten transparent.

33

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.10.1999 verwiesen.

34

Durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 24.09.1999 ist als weiterer Beteiligter - Beteiligter zu 7) - der Betriebsrat der ... Vertriebsbereich Nord festgestellt worden.

35

II.

Die eingelegte Beschwerde ist statthaft und form- und fristgerecht begründet worden. Damit ist die Beschwerde insgesamt zulässig, §§ 87 II, 89, 66 ArbGG.

36

Der Betriebsrat der ... Vertriebsbereich Nord, war als Beteiligter zu 7) zu beteiligen. Durch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren über die Existenz der lokalen Betriebsräte werden Fragen der Zuständigkeit der Mitbestimmungsorgane entschieden, die Vortragen bei einem Streit zwischen der Beteiligten zu 6) und dem Beteiligten zu 7) über das Bestehen von Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten sein können (vgl. Weth, Das arbeitsgerichtliche Beschluss verfahren VII, 7).

37

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung festgestellt, dass die Amtszeit der Beteiligten Betriebsräte zu 1 - 5 mit Ablauf des 31.03.1999 ihre Beendigung gefunden hat.

38

Die beteiligten Betriebsräte zu 1 - 5 unterfallen spätestens ab 01.04.1999 dem Zuordnungstarifvertrag vom 17.11.1997/24.03.1998.

39

1.

Der Zuordnungstarifvertrag ist in der geänderten Fassung wirksam. Gemäß § 1 Abs. 2 TVG bedürfen Tarifverträge der Schriftform. Es handelt sich um eine konstitutive Schriftformklausel, deren Nichtbeachtung zur Unwirksamkeit des Tarifvertrages führt (vgl. Kempen/Zachert, TVG, 3. Auflage § 1, Rd.-Nr. 386, Weidemann TVG 6. Auflage, § 3, Rd.-Nr. 228; Koberski/Clasen/Menzel, TVG § 1, Rd.-Nr. 539; BAG, Urteil vom 09.07.1980, 4 AZR 564/78 in AP Nr. 7 zu § 1 TVG-Form-)

40

Der Ursprungstarifvertrag vom 17.11.1997, der dem Bundesministerium für Arbeit gemäß § 3 Abs. 2 BetrVG zur erforderlichen Zustimmung vorgelegt wurde, wurde von den abschließenden Tarifparteien unterschrieben. Die auf Anregung des Bundesministerium für Arbeit durchgeführte Änderung in der Parteibezeichnung sowohl der abschließenden Tarifpartner (Aufnahme der Tochtergesellschaften) und Erstreckung gemäß § 2 des Tarifvertrages auf das "Verkaufsstellennetz des Vertriebsbereichs ... wurde lediglich durch Austausch der ersten beiden Seiten des Tarifvertrages vorgenommen. Zwischen den den Tarifvertrag abschließenden Parteien bestand über Art, Inhalt und Durchführung der Änderung Einvernehmen. Die Vertragsschließenden waren darüber einig, dass der geänderte Text zwischen ihnen verbindlich sein sollte. Die bereits geleisteten Unterschriften sollten die vorgenommenen Änderungen erfassen. Bei dieser Vorgehensweise ist dem Schriftformerfordernis, das im Bereich des Tarifvertragsabschlusses lediglich der Klarstellung des Vertragsinhalt dient, genügt (vgl. BAG, Urteil vom 09.07.1980, 4 AZR 564/78, in DB 1981, Seite 374; BGH, Urteil vom 07.02.1973 in DB 1973, Seite 1016; BGH, Beschluss vom 24.06.1994 in NJW 1994, Seite 2300). Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Zurordnungstarifvertrag noch nicht wirksam war. Es fehlte die Zustimmung der Bundesanstalt für Arbeit, gemäß § 3 Abs. 2 BetrVG. Nehmen die Tarifvertragsparteien in dieser Phase des Entstehens eines Zuordnungstarifvertrages, also vor seinem Wirksamwerden einvernehmlich Änderungen vor, so sind sie von den bereits geleisteten Unterschriften gedeckt.

41

2.

Der Tarifvertrag ist hinsichtlich seines Anwendungsbereichs hinreichend bestimmt. Gemäß § 2 des Tarifvertrages werden die von der ... und den Beteiligten Töchtern gerührten Betriebsteile der "Vertriebsschiene ..." umfasst. Bei Abschluss des Tarifvertrages existierten bei der Muttergesellschaft der ... drei Vertriebsschienen. Der Bereich der selbständigen Einzelhändler (SEH), der Bereich Vertriebsschiene ... (zentrale Organisation) und der Bereich ... (dezentrale Organisation). Die Tarifpartner haben den Begriff der "Vertriebsschiene ..." im Tarifvertrag nicht näher umschrieben. Sie waren sich indes einig darüber, dass die Voraussetzungen für einen Zuordnungstarifvertrag gemäß § 3 BetrVG lediglich bei der zentralen Organisationsform gewahrt waren. Diese Verkaufsstellen besitzen eine "besondere Struktur" i. S. des § 2 des Tarifvertrages. Bei ihnen liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Zif. 3 BetrVG, die Schwierigkeit der Bildung von Arbeitnehmervertretungen vor. Dabei ist nicht nur auf die "Bildung" der Arbeitnehmer Vertretung im engeren Sinne abzustellen. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Zif. 3 BetrVG sind auch dann erfüllt, wenn die Wahrnehmung von gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten nicht möglich ist oder erheblich erschwert wird, weil die der Beteiligung des Betriebsrates unterliegenden arbeitgeberseitigen Maßnahmen weitgehend nicht vor Ort vom Leiter des Betriebsteils sondern auf einer zentralen Leitungsebene getroffen werden (Fitting, Kaiser, Heither, Engels BetrVG, 19. Auflage, § 3 Rd.-Nr. 49).

42

Der Zuordnungstarifvertrag trat für die ... die bei der Muttergesellschaft - ... und der ... angesiedelt waren mit seiner Genehmigung durch das Bundesministerium für Arbeit per 24.03.1998 in Kraft.

43

Soweit die auf Arbeitgeberseite Vertragsschließenden daneben weitere Märkte z. B. ... betrieben, wurden sie vom Geltungsbereich des § 1 des Tarifvertrages - Betriebsteile der Vertriebsschiene Verbrauchermärkte ... nicht erfasst.

44

Auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages vom 26.03.1998 wurde die ... gegründet, die durch spätere Umfirmierung zur jetzigen Beteiligten zu 6) wurde. Durch Betriebsübergang sind die Verbrauchermärkte auf die Beteiligte zu 6) übergegangen. Die Beteiligte zu 6) hat als neue Arbeitgeberin die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der bisherigen Inhaber der übergegangenen Betriebe eingenommen. Damit ist sie auch an den Zuordnungstarifvertrag, der als Firmentarifvertrag für die Betriebe der Vertriebsschiene ... gilt gebunden, da der Tarifvertrag ausschließlich für diese Betriebe abgeschlossen worden ist. Bei Firmentarifverträgen die sich im Geltungsbereich auf übernommene Betriebe beziehen ist wegen des konkreten Sachbezugs zum jeweiligen Betrieb der Betrieb als Vertragspartner anzusehen. Derartige Firmentarifverträge gelten entsprechend § 3 Abs. 3 TVG im Betrieb fort, auch wenn ein Wechsel in der Person des Arbeitgebers eintritt (vgl. Kempen, Zachert, TVG, 3. Auflage, § 3, Rd.-Nr. 57; Wiedemann, Stumpf, TVG, 6. Auflage, § 3, Rd.-Nr. 157; Schaub, Münchener Kommentar zum BGB, 3. Auflage, Rd.-Nr. 133 zu § 613 a BGB; s. auch BAG, Urteil vom 24.06.1998, 4 AZR 208/97 in NZA 1998, 1346). Die im vorliegenden Verfahren betroffenen 5 ... gingen ebenfalls durch Betriebsübergang im Frühjahr 1998 auf die Beteiligte zu 6) über. Da sich ihre Vertriebs- und Organisationsstruktur zunächst nicht änderte, fielen sie nicht in den gemäß § 1 des Tarifvertrages beschriebenen Geltungsbereich.

45

Zu Recht fanden daher in diesen Betrieben im Frühjahr 1998 vor Ort Betriebsratswahlen statt.

46

Die Arbeitgeberin hat im Frühjahr 1999 die Eingliederung der Märkte in die Vertriebsschiene ... vorgenommen. Die personellen Entscheidungen und die sich aus § 87 BetrVG ergebenen Entscheidungen im Sozialbereich wurden nicht mehr in den Märkten sondern von der Regionalleitung getroffen. Damit gilt gemäß § 4 des Tarifvertrags der Zuordnungstarifvertrag nunmehr auch für die in die Vertriebsschiene Verbrauchermärkte ... berführten früheren ...

47

3.

§ 4 des Tarifvertrages verlangt nicht, dass es sich um neu geschaffene Organisationseinheiten handelt. Neu i. S. des § 4 des Tarifvertrages ist jeder Betriebsteil, der im Vertriebsbereich ... neu angesiedelt wird. Es ist nicht darauf abzustellen, ob der Betriebsteil zuvor überhaupt nicht existierte oder bei einem anderen Arbeitgeber angesiedelt war. Gefordert wird lediglich eine Neuschaffung des Betriebsteils oder eine Übernahme i. S. einer Überführung (sei es extern oder intern) in den Vertriebsbereich. Damit ist die Amtszeit der Beteiligten zu 1 - 5 per 31.03.1999 gemäß § 3 Abs. 3 BetrVG beendet worden.

48

4.

Soweit die Beteiligten zu 1 - 5 die Wirksamkeit der tariflichen Regelung des § 4 des Tarifvertrages in Frage stellen, weil sie zum Untergang der lokalen Betriebsräte führt und die Mitarbeiter - ca. 600 - der ... Märkte des Vertriebsbereichs Nord dem dortigen 19-köpfigen ... Betriebsrat nicht mitgewählt haben, kann dem nicht gefolgt werden. Im Falle von Betriebsübergängen geht das Betriebsratsmandat des Betriebsrates des betroffenen Betriebes mit Übergang unter, sofern im übernehmenden Betrieb ein Betriebsrat existiert (Fitting, Heither, Kaiser, Engels § 3, Rd.-Nr. 53; vgl. insoweit auch § 321 Umwandlungsgesetzt). Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes vertritt nach dem Betriebsübergang auch die Interessen der neu hinzugekommenen Arbeitnehmer bis zu einer Neuwahl des Betriebsrates.

49

Nach alldem war die Beschwerde zurückzuweisen.

50

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf den § 92, 72 Abs. 2 Zif. 1 ArbGG.