Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.09.1999, Az.: 13 Sa 2894/98
Anspruch auf Auszahlung der Gehaltskürzung; Zusage beamtenähnlicher Versorgung für die Dauer des Angestelltenverhältnisses; Gehaltskürzung als Ausgleich für die Zusage beamtenähnlicher Versorgung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses; Anspruch auf ungekürzte BAT-Vergütung; Eingruppierung von Lehrkräften durch Erlass ; Übernahme des Altersversorgungsrisikos durch ein Land ; Anspruch auf BAT-Vergütung aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 14.09.1999
- Aktenzeichen
- 13 Sa 2894/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 18697
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1999:0914.13SA2894.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg - 16.10.1998 - AZ: 6 Ca 115/98
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 2 BAT
- § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI
Fundstelle
- NdsVBl 2000, 102-103
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 14.09.1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 16.10.1998, 6 Ca 115/98, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 1.410,97 DM festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt für den Zeitraum 25.08.1997 bis 31.01.1998 restliche Gehaltszahlung in Höhe von 270,00 DM pro Monat gleich insgesamt 1.410,79 DM brutto.
Der Kläger wurde zum 25.08.1997 als Lehrer im Angestelltenverhältnis vom beklagten Land eingestellt, und zwar auf einer Zweidrittelstelle nach Vergütungsgruppe II a BAT. Die Anwendung des BAT war vereinbart. Als Nebenabrede war im Vertrag aufgenommen:
Zwischen den Arbeitsvertragsparteien besteht Einvernehmen, daß das Arbeitsverhältnis mit dem Ziel einer späteren Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe geschlossen wird.
Der Arbeitgeber sichert zu, daß er die/den Angestelle/n nach Ablauf von 4 Jahren bei Vorliegen der beamtenrechtlichen Einstellungsvoraussetzungen in das Beamtenverhältnis berufen wird.
Der Arbeitgeber gewährleistet der/dem Angestellte/n mit dem Tage der Begründung des Arbeitsverhältnisses eine Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften. Aufgrund der Gewährleistung dieser Versorgungsanwartschaft besteht Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung, so daß insoweit Arbeitnehmeranteile von der/dem Angestellten nicht zu entrichten sind.
Für diese Zusicherungen (Vollzeitbeschäftigung als Beamtin/Beamter und entsprechende Altersversorgung unter Anrechnung der Beschäftigung im Angestelltenverhältnis) verpflichtet sich die/der Angestellte zu einer Gegenleistung in Höhe von 270,00 DM monatlich. Dieser Betrag wird mit den laufenden Vergütungsansprüchen verrechnet.
Die Nebenabrede kann nicht gesondert gekündigt werden.
Der Kläger erhielt eine um 270,00 DM gekürzte Bruttovergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT (Zweidrittel). Zum 01.02.1998 wurde er in das Beamtenverhältnis übernommen.
Beginnend mit dem Schuljahr 1996/97 bot das beklagte Land neu einzustellenden Lehrern Einstellung als Angestellte auf Zweidrittel- bzw. Dreiviertelstellen an. Es stellte zwei Vertragsangebote zur Auswahl.
- Vertragsangebot 1
Einstellung als Angestellter in einem insbesondere rentenversicherungspflichtigem Arbeitsverhältnis ohne Zusage der Übernahme in das Beamtenverhältnis und ohne Zusage der Erhöhung der Arbeitszeit.
- Vertragsangebot 2
Anstellung im Angestelltenverhältnis, Zusage der Übernahme in das Beamtenverhältnis nach Ablauf von vier Jahren, Zusage einer Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften verbunden mit einer Gegenleistung von 270,00 DM monatlich, zu verrechnen mit den laufenden Vergütungsansprüchen.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Erlass des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 29.05.1996, Bl. 15 f. d. A.
Der Kläger hat vorgetragen, auf Grund Vereinbarung des BAT habe er Anspruch auf die entsprechende BAT-Vergütung ohne Kürzung. Die Gehaltskürzung könne nicht wirksam zum Gegenstand einer Nebenabrede gemacht werden. Im übrigen sei es unzulässig, die Übernahme in das Beamtenverhältnis wie hier von einer Gegenleistung abhängig zu machen. Eine Beteiligung des Beschäftigten an seiner Versorgung widerspreche auch dem Grundsatz, dass der Beamte für seine Altersvorsorge keine Beiträge zu zahlen habe. Schließlich sehe der Runderlass vom 30.12.1991 gerade nicht vor, dass der Arbeitnehmer für eine Versorgungszusage Gegenleistungen zu erbringen habe. Unter Berücksichtigung des Eingruppierungserlasses habe er Anspruch auf Auszahlung der ungekürzten BAT-Bruttovergütung.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 1.410,97 DM Bruttovergütung für den Lohnabrechnungszeitraum 25.08.1997 bis 31.01.1998 nachzuzahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat vorgetragen, die Nebenabrede sei zulässig. Durch die Regelung sei im Übrigen der Arbeitnehmer begünstigt, er erhalte trotz Kürzung um 270,00 DM ein erheblich höheres Nettogehalt als ein vergleichbarer rentenversicherungspflichtiger Angestellter.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung wiederholt der Kläger seine erstinstanzlich vorgetragene Rechtsauffassung, ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung und den Schriftsatz vom 15.03.1999.
Der Kläger beantragt,
das Urteil der 6. Kammer des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 16.10.1998 - 6 Ca 115/98 - zu ändern und das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 1.410,97 DM Bruttovergütung für den Lohnabrechnungszeitraum 25.08.1997 bis 31.01.1998 nachzuzahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO. Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung der Gehaltskürzung in Höhe von 1.410,97 DM brutto.
Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Nebenabrede sieht vor Zusage der Übernahme in das Beamtenverhältnis, Zusage beamtenähnlicher Versorgung für die Dauer des Angestelltenverhältnisses und als Gegenleistung 270,00 DM zu verrechnen mit den laufenden Vergütungsansprüchen. Es handelt sich im Ergebnis um eine monatliche Gehaltskürzung von 270,00 DM brutto als Ausgleich für die Zusage beamtenähnlicher Versorgung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses. Die Vereinbarung ist wirksam.
Zusage der Übernahme in das Beamtenverhältnis, Zusage beamtenähnlicher Versorgung und damit verbunden die Gehaltskürzung sind Regelungen, die Gegenstand einer wirksamen Nebenabrede gemäß § 4 Abs. 2 BAT sein können. Dass die Gehaltskürzung die Hauptpflicht Arbeitsvergütung betrifft, ist unerheblich. § 4 Abs. 2 BAT sieht als Formvorschrift für Nebenabreden zwingend Schriftform vor. Darin beschränkt sich der Regelungsgehalt der Vorschrift. § 4 Abs. 2 BAT verbietet insbesondere nicht, im schriftlichen Arbeitsvertrag unter dem Stichwort Nebenabrede auch Regelungen zu treffen, die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis berühren.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf ungekürzte BAT-Vergütung (Zweidrittel von Vergütungsgruppe II a). Nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen findet die Vergütungsordnung zum BAT auf Lehrerarbeitsverhältnisse keine Anwendung. Damit besteht kein tariflicher Anspruch auf BAT-Vergütung. Arbeitsvertraglich ist unter Berücksichtigung der Nebenabrede BAT-Vergütung gekürzt um 270,00 DM vereinbart. Diese Regelung wäre nur dann unwirksam, wenn ein Verstoß gegen den arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatz festzustellen wäre.
Das beklagte Land hat die Eingruppierung von Lehrkräften durch Erlass vom 15.01.1996 geregelt. Dieser Eingruppierungserlass wird vom Land mit angestellten Lehrkräften arbeitsvertraglich vereinbart und entsprechend angewandt. Es besteht damit grundsätzlich aus Gleichbehandlung ein Anspruch auf BAT-Vergütung entsprechend dem Eingruppierungserlass. Weil die Eingruppierung im Erlasswege geregelt ist, kann das beklagte Land durch Ausübung seines Verwaltungsermessens den Erlass jederzeit abändern. Es ist auch befugt, abweichende Regelungen zu treffen (dazu BAG AP-Nr. 44 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). Erforderlich ist nur, dass die Anforderungen der. Gleichbehandlung gewahrt sind und die Regelungen billigem Ermessen gemäß § 315 BGB entsprechen.
Durch Erlass des Kultusministers vom 29.05.1996 hat das Land bestimmt, dass die Einstellung von Lehrkräften auf Zweidrittel- bzw. Dreiviertelangestelltenstellen erfolgt entweder 1. im rentenversicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis oder 2. im Angestelltenverhältnis unter Zusage beamtenähnlicher Versorgung und Zusage der Übernahme in das Beamtenverhältnis bei Gehaltskürzung um 270,00 DM. Dieser Erlass stellt gegenüber dem allgemeinen Eingruppierungserlass eine Sonderregelung für Neueinstellungen dar. Die Sonderregelung ist unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Es ist sachlich gerechtfertigt, die Gehaltshöhe zu differenzieren bei Angestellten mit und ohne Zusage beamtenähnlicher Versorgung.
Die Zusage beamtenähnlicher Versorgung hat zur Folge, dass gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung besteht mit der Folge, dass vom Bruttogehalt des Klägers keine Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung abzuziehen waren und dass das Land keine entsprechenden Arbeitgeberbeiträge abzuführen hatte. Ohne Gehaltskürzung um 270,00 DM hätte der Angestellte mit Zusage beamtenähnlicher Versorgung einen Nettogehaltsanspruch, der um ca. 400,00 DM über dem des rentenversicherungspflichtigen Angestellten läge. Nach Gehaltskürzung in Höhe von 270,00 DM ergibt sich immer noch ein um mehr als 200,00 DM höherer Nettogehaltsanspruch. Andererseits ist durch Zusage beamtenähnlicher Versorgung von vornherein eine Absicherung der Altersversorgung vergleichbar der Rentenversicherung gewährleistet, und zwar durch Zusage des beklagten Landes.
Weil das beklagte Land das Altersversorgungsrisiko übernommen hat, was im Angestelltenverhältnis durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge abgesichert ist, besteht keine Verpflichtung, die Vorteile der Versorgungszusage einseitig dem Angestellten zugute zu kommen zu lassen. Die Gehaltskürzung ist auf Grund der Versorgungszusage sachlich gerechtfertigt, ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor.
Im übrigen besteht der Anspruch des Klägers auch deshalb nicht, weil die Vertragsgestaltung trotz Bruttotgehaltskürzung für den Kläger nur Vorteile bietet, nämlich ein höheres Nettogehalt. Nachteile wegen fehlender Rentenversicherungspflicht bestehen nicht, weil insoweit die Versorgungszusage greift. Wenn der Kläger Gleichbehandlung geltend machen will im Bruttogehalt, dann kann dieser Anspruch nur darauf gerichtet sein, ihn so zu behandeln, wie einen rentenversicherungspflichtigen Angestellten. Er mag dann einen Anspruch auf Nachversicherung (mit Abzug der Arbeitnehmerbeiträge) stellen. Ein Anspruch auf Auszahlung der Gehaltskürzung besteht jedenfalls nicht.
Weil, wie ausgeführt, die Regelung für den Kläger im Nettogehalt vorteilhaft ist, Nachteile hinsichtlich Altersversorgung nicht bestehen, ist auch ein Verstoß gegen § 315 BGB nicht gegeben.
Die hier fragliche Gehaltskürzung verstößt nicht gegen den Runderlass vom 30.12.1991 (Niedersächsisches Ministerialblatt 1992, Seite 265), eine Selbstbindung der Verwaltung - Zusage beamtenähnlicher Versorgung ohne Gehaltskürzung - besteht nicht. Der Runderlass erläutert lediglich allgemeine Fragen der Sozialversicherungspflicht und regelt Zuständigkeit und Inhalt der Gewährleistungsentscheidung. Es ist gerade nicht geregelt, ob und zu welchen Bedingungen beamtenähnliche Versorgung zuzusagen ist.
Der Kläger meint, eine Zusage beamtenähnlicher Versorgung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI liegen nicht vor, wenn der Empfänger einen eigenen Beitrag (hier Gehaltskürzung) leisten müsse. Nach der Rechtsprechung des BSG (E 58, Seite 173) kann eine beamtenähnliche Versorgung zu verneinen sein, wenn der Zusageempfänger eigene Beitragsaufwendungen leisten muss. Diese Problematik war hier nicht zu vertiefen. Wenn die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. SGB VI nicht vorlagen, mag daraus ein Anspruch des Klägers auf Nachversicherung mit Abzug von Arbeitnehmerbeiträgen bestehen. Der geltend gemachte Anspruch auf erhöhte Bruttogehaltszahlung ist damit nicht zu begründen.
Ein Verstoß gegen beamtenrechtliche Grundsätze, insbesondere gegen Artikel 33 Abs. 5 GG ist nicht ersichtlich. Nicht die Zusage der Übernahme in das Beamtenverhältnis steht im Abhängigkeitsverhältnis zur Gehaltskürzung, sondern die Zusage der beamtenähnlichen Versorgung. Bei der Zusage beamtenähnlicher Versorgung und der Festlegung der Gehaltshöhe für die Dauer des Arbeitsverhältnisses handelt es sich aber um arbeitsvertragliche Regelungen, Grundsätze des Beamtenrechts sind nicht betroffen.
Da die Berufung zurückzuweisen war, trägt der Kläger die Kosten des Rechtsmittels, § 97 ZPO.
Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 1.410,97 DM festgesetzt.
Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 3 ZPO.