Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.04.1999, Az.: 16a Sa 1790/98

Höhe einer Ausbildungsvergütung bei dessen tariflicher Absenkung während der Ausbildung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
29.04.1999
Aktenzeichen
16a Sa 1790/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 17754
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1999:0429.16A.SA1790.98.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 13.12.2000 - AZ: 5 AZR 336/99

Fundstelle

  • AuA 2000, 138

In dem Rechtsstreit
hat die 16a. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 29.04.1999
durch
die Direktorin des Arbeitsgerichts ... und
den ehrenamtlichen Richter ... sowie
die ehrenamtliche Richterin
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 14.07.1998 - 2 Ca 729/98 - wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

  3. 3.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Höhe der dem Kläger für die Zeit ab dem 1. April 1997 zustehenden Ausbildungsvergütung.

2

Der Kläger begann am 1. August 1996 eine dreijährige Berufsausbildung zum Maurer im Betrieb der Beklagten. Auf die Ausbildungszeit wurde das vom Kläger absolvierte Berufsgrundbildungsjahr angerechnet, so daß die Ausbildung am 31. Juli 1998 enden sollte. Das Ausbildungsverhältnis unterfiel kraft beiderseitiger Tarifbindungen den Tarifverträgen für das Bauhauptgewerbe. In § 5 des auf einem Formular der ... geschlossenen Berufsausbildungsvertrages, auf den Bezug genommen wird (Bl. 4-7), trafen die Parteien folgende Vergütungsregelung:

1.
Der Ausbildende zahlt dem Lehrling eine angemessene monatliche Vergütung spätestens am letzten Arbeitstag des Monats. ... Soweit Vergütungen tariflich geregelt sind, gelten mindestens die tariflichen Sätze.

a)
Die zu zahlende monatliche Vergütung beträgt z. Z.

im 1.Jahr1.044,50DMbrutto
im 2.Jahr1.624,70DMbrutto
im 3.Jahr2.050,30DMbrutto
im 4.Jahr2.321,00DMbrutto.

...

3

Die unter § 5 Ziffer 1 a) des Vertrages genannten Beträge entsprachen exakt der gemäß § 6 des Tarifvertrages zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Beitrittsgebiets vom 24. April 1996 mit Wirkung ab 1. April 1996 zu zahlenden Ausbildungsvergütung. Mit Wirkung zum 1. April 1997 wurden die Ausbildungsvergütungen nach Maßgabe des Tarifvertrages zur Regelung der Löhne und Ausbildungvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Beitrittsgebiets vom 21. Mai 1997 abgesenkt. Diese Absenkung war laut Rundschreiben der Gewerkschaft Agrar-Bauen-Umwelt Nr. 8/1997 vom 6. März 1997, auf das Bezug genommen wird (Bl. 57 f. d.A.), bereits im Dezember 1996 beschlossen und bis Anfang März 1997 von den Tarifvertragsparteien angenommen worden. Im folgenden zahlte die Beklagte an den Kläger nur noch die abgesenkte tarifliche Ausbildungsvergütung.

4

Mit seiner am 3. Juli 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Differenz zwischen der im Ausbildungsvertrag ausgewiesenen und der an ihn gezahlten Vergütung für die Zeit vom 1. April 1997 bis zum 31. Mai 1998 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 2.553,80 DM brutto. Diesen von ihm mit Schreiben vom 18. Juni 1998 geltend gemachten Anspruch lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 23. Juni 1998 ab. Ein Schlichtungsausschuß zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden ist nicht gebildet.

5

Durch das dem Kläger am 24. Juli 1998 zugestellte Urteil vom 14. Juli 1998 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Auslegung der Vergütungsregelung des Ausbildungsvertrages ergebe, daß die Parteien lediglich die jeweils geltende tarifliche Vergütung dem Ausbildungsverhältnis hätten zugrunde legen und keine übertarifliche Vergütung vereinbaren wollen.

6

Hiergegen richtet sich die am 5. August 1998 eingelegte und mittels eines nach Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 17. November 1998 am 16. November 1998 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatzes begründete Berufung des Klägers.

7

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe auch für die Zeit nach dem 1. April 1997 die in § 5 des Berufsausbildungsvertrages ausdrücklich genannte monatliche Vergütung zu. § 5 Ziffer 1 a) dieses Vertrages setze eindeutig die zu zahlende monatliche Vergütung fest, unbeschadet der tariflichen Vergütung. Mit der Wahl der Worte "zur Zeit" hätten die Parteien nur zum Ausdruck gebracht, daß bei Anstieg der tariflichen Vergütung die arbeitsvertraglich geschuldete Vergütung steigen könne. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf die Berufungsbegründung vom 13. November 1998 (Bl. 36-38 d.A.) sowie auf seine Erklärung zu Protokoll im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29. April 1999 (Bl. 76 f. d.A.) Bezug genommen.

8

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 14. Juli 1998 - 2 Ca 729/98 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.553,80 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 6. Juli 1998 zu zahlen.

9

Die Beklagte beantragt, ...

die Berufung zurückzuweisen.

10

Sie behauptet, der Kläger sei bei Abschluß des Ausbildungsvertrages ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß seine Vergütung entsprechend der jeweiligen während der Ausbildungszeit geltenden Tarifregelungen im Baugewerbe erfolge. Sie ist der Ansicht, § 5 des Berufsausbildungsvertrages verweise auf die jeweils geltende tarifliche Ausbildungsvergütung. Hinsichtlich der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom 16. Dezember 1998 verwiesen (Bl. 48-54 d.A.).

Gründe

11

I.

Die Berufung des Klägers, ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO).

12

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

13

1.

Die Klage ist zulässig. Da kein Schlichtungsausschuß im Sinne § 111 Abs. 2 Satz 1 ArbGG besteht, konnte der Kläger auch ohne vorherige Anrufung des Ausschusses Klage erheben (§ 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG).

14

2.

Dem Kläger steht für die Zeit nach dem 1. April 1997 nur die sich aus dem Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Beitrittsgebiets vom 21. Mai 1997 ergebende Ausbildungsvergütung zu.

15

a)

Der Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Beitrittsgebiets vom 24. April 1996 (künftig: LTV 1996) ist mit Wirkung zum 1. April 1997 durch den Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Beitrittsgebiets vom 21. Mai 1997 (künftig: LTV 1997) abgelöst worden. Vom 1. April 1997 an hatte der Kläger damit keinen tariflichen Anspruch auf die höhere Vergütung nach dem LTV 1996 mehr. Löst ein Tarifvertrag einen anderen ab, so gilt von diesem Zeitpunkt an nur noch die neue Regelung, auch wenn die bisherige Regelung für den Arbeitnehmer günstiger war (BAG, 23.11.1994, 4 AZR 879/93, AP Nr. 12 zu § 1 TVG - Rückwirkung <II 1 a d. Gr.>).

16

b)

Der Kläger hat auch keinen einzelvertraglichen Anspruch aus § 5 Ziffer 1 a) des zwischen den Parteien geschlossenen Berufsausbildungsvertrages auf Zahlung der dort aufgeführten Vergütung über den 31. März 1997 hinaus. Die Auslegung des Vertrages ergibt, daß die Parteien in § 5 Ziffer 1 a) des Berufsausbildungsvertrages keine eigenständige Vergütungsregelung getroffen haben, die eine unbeschadet späterer tariflicher Regelungen zu zahlende Mindestvergütung festlegt.

17

aa)

Die Auslegung eines seinem Wortlaut nach nicht eindeutigen und klaren Vertrages erfolgt nach den §§ 133, 157 BGB unter Heranziehung aller Umstände, die für die Deutung des Erklärungsinhalts und für die Deutung des von den Vertragschließenden gewollten Inhalts maßgeblich sein können. Dabei sind insbesondere der mit der Absprache verfolgte Zweck und die Interessenlage der Beteiligten zu berücksichtigen (BGH, 23.02.1956, II ZR 207/54, BGHZ 20, 109 <11>; BGH, 10.10.1989, VI ZR 78/89, BGHZ 109, 19 <22> m.w.N.), ferner die Begleitumstände, die für die Frage, welchen Willen die Beteiligten gehabt haben, von Bedeutung sind (vgl. BAG, 27.08.1970, 2 AZR 519/69, AP Nr. 33 zu § 33 BGB <1 a d. Gr.>).

18

bb)

Die Vergütungsregelung der Parteien ist nicht eindeutig, sondern bedarf der Auslegung. Die Parteien haben einerseits als Mindestvergütung die tariflichen Sätze festgelegt, andererseits die zur Zeit zu zahlende Vergütung beziffert. Damit ist unklar, ob dem Kläger lediglich die (jeweilige) tarifliche Vergütung zustehen sollte oder ob die Parteien eine eigenständige Vergütungsregelung treffen wollten, die den dem Kläger als Mindestvergütung zu zahlenden Betrag unabhängig von etwaigen Absenkungen der tariflichen Vergütungen bestimmte.

19

cc)

Die Auslegung der von den Parteien in § 5 des Berufsausbildungsvertrages getroffenen Vergütungsvereinbarung ergibt, daß die Parteien die künftig zu zahlende monatliche Vergütung nicht unabhängig von der Entwicklung der tariflichen Vergütung festgesetzt haben, sondern die Beklagte lediglich die jeweils maßgebliche tarifliche Vergütung schuldete.

20

(1)

Allerdings kann in die Auslegung der von der Beklagten vorgetragene Begleitumstand, der Kläger sei bei Abschluß des Vertrages darauf hingewiesen worden, seine Vergütung erfolge entsprechend der jeweiligen während der Ausbildungszeit geltenden Tarifregelung im Baugewerbe, nicht einbezogen werden. Diesem Vortrag läßt sich zum einen schon nicht entnehmen, inwieweit der Kläger dieser Erklärung überhaupt Bedeutung beimessen mußte, weil nicht dargelegt ist, von wem diese Behauptung aufgestellt worden sein soll. Zum anderen hat der Kläger diese von der Beklagten nicht unter Beweis gestellte Behauptung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29. April 1999 bestritten. Die Beklagte ist jedoch für die Begleitumstände, aus denen sie für sich günstige Schlüsse zieht, darlegungs- und beweispflichtig. Die von ihr behaupteten Begleitumstände konnten daher bei der Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Vergütungsregelung nicht herangezogen werden.

21

(2)

§ 5 Ziffer 1 des Ausbildungsvertrages regelt zunächst allgemein, daß dem Auszubildenden eine angemessene monatliche Vergütung zu zahlen ist. Ferner ist festgelegt, daß mindestens die tariflichen Sätze gelten, soweit Vergütungen tariflich geregelt sind. Im Bauhauptgewerbe ist die Vergütung der Auszubildenden tariflich geregelt. Damit bestimmt § 5 Ziffer 1 des Vertrages als angemessene Vergütung i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG für das Ausbildungsverhältnis des Klägers mindestens die tarifliche Vergütung.

22

In § 5 Ziffer 1 a) des Ausbildungsvertrages ist sodann festgelegt, wie hoch die zu zahlende monatliche Vergütung zur Zeit ist. Insoweit sind die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden tariflichen Vergütungsansprüche der Auszubildenden im Bauhauptgewerbe exakt übernommen worden. Dies spricht in Verbindung mit dem Zusatz "zur Zeit" bereits dagegen, daß die Parteien eine eigenständige Vergütungsregelung treffen wollten. Darüber hinaus ist in § 5 Ziffer 1 a.) des Vertrages auch die damalige tarifliche Vergütung für Auszubildende im ersten und vierten Ausbildungsjahr aufgeführt, obwohl dem Kläger das Berufsgrundbildungsjahr als erstes Berufsbildungsjahr angerechnet worden war, er also sofort mit dem zweiten Ausbildungsjahr bei der Beklagten begann und nur eine dreijährige Ausbildung absolvieren sollte, die Vergütung des ersten und vierten Ausbildungsjahres also für ihn bedeutungslos war. Hätten die Parteien in § 5 Ziffer 1 a) des Vertrages eine eigenständige Vergütungsabrede treffen wollen, so hätte es ausgereicht, die konkret für den Kläger in Betracht kommenden Vergütungssätze des zweiten und dritten Ausbildungsjahres aufzuführen. Diese Gesamtumstände lassen darauf schließen, daß die Bezifferung der Vergütung lediglich in Erfüllung der Verpflichtung der Beklagten erfolgte, die Höhe der Vergütung in die Niederschrift des Berufsausbildungsvertrages aufzunehmen (§ 4 Abs. 1 Ziffer 6 BBiG).

23

Etwas anderes kann entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus der Formulierung "die zu zahlende monatliche Vergütung beträgt zur Zeit" gefolgert werden. Mit der Formulierung "zu zahlende monatliche Vergütung" wird lediglich die Verpflichtung aus § 5 Ziffer 1 Satz 1 des Vertrages aufgegriffen, wonach der Ausbildende dem Lehrling eine angemessene monatliche Vergütung "zahlt". Dies wiederum ist, wie ausgeführt, mindestens die tarifliche Vergütung. Durch den anschließenden Zusatz "zur Zeit" wird nicht etwa, wie wie der Kläger meint, lediglich, zum Ausdruck gebracht, daß bei Anstieg der tariflichen Vergütung die arbeitsvertraglich geschuldete Vergütung ansteigen kann. Dies ergibt sich bereits aus der Verpflichtung in § 5 Ziffer 1 des Vertrages, als Vergütung mindestens die tariflichen Sätze zu zahlen. Vielmehr wird durch den Zusatz "zur Zeit" klargestellt, daß die im Anschluß aufgeführten, exakt mit der damaligen tariflichen Vergütung übereinstimmenden Beträge nicht unabhängig von der weiteren tariflichen Entwicklung auch bei einer etwaigen Absenkung der tariflichen Vergütung als Mindestbeträge geschuldet sein sollten, sondern nur die im Zeitpunkt des Vertragesschlusses gültige Vergütung für alle Auszubildenden des Bauhauptgewerbes und damit die damalige angemessene Vergütung im Sinne der Vergütungsregelung des § 5 Ziffer 1 des Ausbildungsvertrages der Vollständigkeit und Klarheit halber in Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung aus § 4 Abs. 1 Ziffer 6 BBiG aufgeführt werden sollte.

24

Aus diesen Umständen folgt, daß die Parteien in § 5 Ziffer 1 a) des Vertrages keine selbständige Vergütungsabrede getroffen haben. Mangels eigenständigen Regelungscharakters des § 5 Ziffer 1 a) des Ausbildungsvertrages verbleibt es hinsichtlich der von der Beklagten geschuldeten Vergütung bei der Grundregel des § 5 Ziffer 1 des Ausbildungsvertrages, wonach mindestens die tarifliche Vergütung geschuldet ist. Nach Absenkung der tariflichen Vergütung mit Wirkung zum 1. April 1997 war danach nur noch diese abgesenkte, fortan gültige Vergütung zu zahlen.

25

c)

Dem Kläger steht auch für die Zeit vom 1. April bis zum 21. Mai 1997 die sich aus § 6 LTV 1996 ergebende Ausbildungsvergütung nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu (Art. 20 Abs. 3 GG).

26

Die Absenkung der tariflichen Ausbildungsvergütung ist erst durch den am 21. Mai 1997 geschlossenen LTV 1997 rückwirkend zum 1. April 1997 in Kraft gesetzt worden. Ordnet eine gesetzliche Norm die mit ihr verknüpften Rechtsfolgen bereits für einen vor der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum an, so ist eine solche Rückwirkung von Rechtsfolgen nur in den Grenzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zulässig (BVerfG, 14.05.1986, 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 <242>). Diese Grundsätze gelten auch, wenn Tarifvertragsparteien Ansprüche von Arbeitnehmern rückwirkend verschlechtern, die aus einer kollektiven Norm erwachsen sind (BAG, AP Nr. 12 zu § 1 TVG - Rückwirkung <II 2 a cc d. Gr.>). Hier ist der Kläger jedoch nicht in einem schutzwürdigen Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen tariflichen Vergütungsregelung enttäuscht worden.

27

Der zeitliche Geltungsbereich von tariflichen Regelungen steht zur Disposition der Tarifvertragsparteien, die Tarifverträge auch rückwirkend in Kraft setzen können. Jeder aus einer Tarifnorm erwachsende Einzelanspruch trägt damit die Möglichkeit einer rückwirkenden Herabsetzung in sich (BAG, a.a.O. <II 2 a cc d. Gr.). Es kann dahinstehen, ob deshalb ein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitnehmers auf den Fortbestand einer bisher gültigen tariflichen Regelung schon dann nicht mehr besteht, wenn diese Regelung wie im vorliegenden Fall der LTV 1996 nur noch kraft Nachwirkung gilt. Selbst wenn grundsätzlich auch in solchen Fällen noch ein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitnehmers anzunehmen wäre, entfällt dieses dann, wenn die betroffenen Kreise von der Änderung der bisherigen Rechtslage unterrichtet sind (BAG, a.a.O. <II 2 a dd d. Gr.>). Dies war hier spätestens im März 1997 der Fall, wie sich aus dem Rundschreiben der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt Nr. 8/1997 vom 6. März 1997 ergibt. Danach war die Absenkung der Ausbildungsvergütung bereits im Dezember 1996 ausgehandelt und bis Anfang März von den Tarifvertragsparteien angenommen worden.

28

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.