Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.06.1999, Az.: 15 Sa 1041/98
- siehe dazu Urteil des BAG vom 09.08.2000 - 4 AZR 466/99
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 16.06.1999
- Aktenzeichen
- 15 Sa 1041/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 34376
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1999:0616.15SA1041.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Braunschweig - 20.03.1998 - AZ: - 7 Ca 646/97
Rechtsgrundlagen
- Lohntarifvertrag Sägeindustrie Niedersachsen vom 20.01.1994 (LTV) § 11 Nr. 1
- Nr. 15 a Manteltarifvertrag Sägeindustrie Niedersachsen/Bremen vom 08.03.1945 (MTS)
1. Der in Nr. 15 a MTS normierte volle Lohnausgleich anläßlich der Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit bedingt nicht nur die Erhöhung des Tarifstundenlohnes, sondern auch die Erhöhung der Tarifzulage des § 11 Nr. 1 LTV.
2. Der in Nr. 15 a MTV normierte volle Lohnausgleich ist keine Tariflohnerhöhung im Sinne des § 11 Nr. 1 LTV.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 20.03.1998 - 7 Ca 646/97 - teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 24,78 brutto zu zahlen nebst 4 % Zinsen auf den sich aus DM 21,55 brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 28.07.1997 und 4 % Zinsen auf den sich aus DM 3,23 brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 15.08.1997.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 6/7 und die Beklagte zu 1/7. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 12/17 und die Beklagte zu 5/17.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten in einem Musterverfahren, weswegen auf die Einhaltung von tariflichen Ausschlußfristen verzichtet worden ist, über die Anrechenbarkeit einer Tariflohnerhöhung auf eine Lohnzulage, wobei die Erhöhung auf einer Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich beruht. In der Berufungsinstanz stehen für die Lohnabrechnungszeiträume Oktober 1996 bis Juni 1997 noch 0,02 DM × 1.239 Stunden = 24,78 DM im Streit, nachdem der Kläger vor Beginn der mündlichen Verhandlung seine Berufung gegen das klagabweisende Urteil insoweit zurückgenommen hat, als er bei seiner Klageberechnung Nachzahlungen der Beklagten für die Monate Oktober und November 1996 und März und April 1997 nicht berücksichtigt hatte.
Der Kläger war seit dem 02.03.1964 Arbeiter im Spanplattenwerk der Beklagten in Sassenburg. Die Beklagte hatte mit der Gewerkschaft Holz und Kunststoff Haustarifverträge abgeschlossen. Nachdem die Beklagte dem Verband der Säge- und Holzindustrie in Niedersachsen und Schleswig-Holstein beigetreten war, nahmen sie und die tarifschließende Gewerkschaft einen Schlichtungsspruch vom 05.05.1992 an, nach dem die Haustarifverträge bis zum 28.02.1994 weiterhin Anwendung fanden und die Lohngruppen des Verbandslohntarifvertrags überprüft und neu gestaltet werden sollten. Zum 01.03.1994 trat ein neugestalteter Verbandslohntarifvertrag (LTV) in Kraft, nach dem der Kläger in die Lohngruppe 7 eingruppiert war. § 11 LTV enthält Übergangsvorschriften und lautet auszugsweise:
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, daß aus Anlaß der Eingruppierung aufgrund des neuen Lohngruppentarifvertrages der Effektivlohn des einzelnen Arbeitnehmers nur nach Maßgabe der folgenden Vorschriften verändert werden soll.
Ziffer 1
Übertarifliche Lohnbestandteile (Differenzbeträge), die dadurch entstehen, daß nach Abschluß des Lohntarifvertrages der Sägeindustrie Niedersachsen der neue tarifliche Stundenlohn eines Arbeitnehmers unter dem tariflichen Stundenlohn vor der Neueingruppierung (tatsächlicher tariflicher Stundenlohn) (Betrachtungszeitpunkt vor Tariflohnänderung 1994) liegt, werden wie folgt behandelt:
Bei Tariflohnerhöhungen werden 20 % des Erhöhungsbetrages angerechnet.
Durch Betriebsvereinbarung können von dieser Tarif Vorschrift abweichende Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer getroffen werden.
Bis zum 30.09.1996 betrug der Tariflohn des Klägers in der Lohngruppe 7 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden 22,70 DM und die Lohnzulage nach § 11 LTV 3,86 DM. Zum 01.10.1996 verminderte sich nach Nr. 15 a des Manteltarifvertrags der Sägeindustrie Niedersachsen/Bremen vom 08.03.1995 (MTS) die Wochenarbeitszeit. Nr. 15 a MTS lautet auszugsweise:
Sie beträgt ab 1. Oktober 1996 36 Stunden und ab 1. Januar 1999 35 Stunden pro Woche.
Die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 36 bzw. 35 Stunden pro Woche erfolgt jeweils mit vollem Lohnausgleich (2,78%/2,86%).
Der Lohntarifvertrag wies infolge der Arbeitszeitverkürzung ab 01.10.1996 für die Lohngruppe 7 einen Stundenlohn von 23,33 DM aus.
Die Beklagte berechnete den effektiven Stundenlohn des Klägers ab Oktober 1996 zunächst mit 27,06 DM, nämlich 23,33 DM Tarifstundenlohn zuzüglich einer Zulage nach § 11 LTV in Höhe von 3,73 DM. Die Zulage in Höhe von 3,86 DM hatte sie dabei um 20 % der Differenz zwischen dem alten und dem neuen Tariflohn gekürzt (0,63 DM: 5 = 0,13 DM). Abweichend von ihren vier anderen niedersächsischen Werken revidierte sie im Werk Sassenburg die Berechnung der Zulage, indem sie die um 20 % des Erhöhungsbetrags gekürzte Zulage wieder um den Prozentsatz des Lohnausgleichs erhöhte (3,73 DM zuzüglich 2,78 % = 3,84 DM), so daß sie den Lohn des Klägers für die Zeit von Oktober 1996 bis Februar 1997 mit einem effektiven Stundenlohn von 27,17 DM berechnete und zur Auszahlung brachte.
Der Kläger hält die Beklagte nicht für berechtigt, die Zulage anläßlich der Anhebung des Tarifstundenlohnes auf 23,33 DM zu kürzen, weil die Anhebung im Wege des Lohnausgleichs für die Arbeitszeitverkürzung keine Tariflohnerhöhung im Sinne des § 11 LTV sei. Die Anrechnung verstoße zudem gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil eine solche bei den Angestellten nicht erfolgt sei. Zudem sei die Anrechnung betriebsverfassungswidrig ohne Zustimmung des Betriebsrates erfolgt. Der Kläger geht folglich für die Zeit von Oktober 1996 bis Februar 1997 von einem effektiven Stundenlohn von 27,19 DM (23,33 DM zuzüglich 3,86 DM) statt gezahlter 27,17 DM aus.
Für die Zeit von März bis Juni 1997 geht der Kläger von einem effektiven Stundenlohn von 27,49 DM statt den seinen Lohnzahlungen zu Grunde gelegten 27,47 DM aus. Zu dem ab 01.03.1997 erhöhten Tarifstundenlohn der Lohngruppe 7 in Höhe von 23,70 DM errechnet er eine Zulage nach § 11 LTV in Höhe von 3,79 DM. Dabei zieht er von der Zulage in Höhe von 3,86 DM einen Anrechnungsbetrag von 0,07 DM ab, das sind 20 % der Differenz zwischen dem alten Tarifstundenlohn von 23,33 DM und dem neuen Tarifstundenlohn von 23,70 DM (0,37 DM: 5 abgerundet auf 0,07 DM).
Demgegenüber ging die Beklagte bei ihren Lohnabrechnungen von einem Tarifstundenlohn von 23,70 DM und einer Zulage von 3,77 DM aus. Die Zulage hatte sie dabei ausgehend von der bisher abgerechneten Zulage in Höhe von 3,84 DM um den auch von dem Kläger zugestandenen Anrechnungsbetrag von 0,07 DM gekürzt, obwohl nach ihrer Auffassung von einer Zulage von 3,73 DM auszugehen gewesen wäre, so daß die Zulage ab 01.03.1997 nur noch 3,73 DM - 0,07 DM = 3,66 DM und der Effektivstundenlohn nur noch 23,70 DM + 3,66 DM = 27,36 DM betragen hätte.
Mit Urteil vom 20.03.1998, auf dessen Tatbestand wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den auf der am 28.07.1997 zugestellten Klage und auf der am 15.08.1997 zugestellten Klageerweiterung beruhenden Klageantrag,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 84,59 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich aus 81,36 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 28.07.1997 sowie nebst 4 % Zinsen auf den sich aus weiteren 3,23 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 15.08.1997 zu zahlen,
auf Kosten des Klägers abgewiesen, weil ihm ab 01.10.1996 lediglich ein Stundenlohn von 27,06 DM (23,33 DM zuzüglich 3,73 DM Zulage) und ab 01.03.1997 lediglich ein Stundenlohn von 27,36 DM (23,70 DM zuzüglich 3,66 DM Zulage) zugestanden habe, da der Lohnausgleich zum 01.10.1996 eine Tariflohnerhöhung im Sinne des § 11 Nr. 1 LTV gewesen sei mit der Folge, daß zum 01.10.1996 eine Anrechnung habe erfolgen können, die weder gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen habe und wegen der Tarifautomatik auch nicht mitbestimmungspflichtig gewesen sei. Gemäß § 11 LTV seien 20 % des Erhöhungsbetrags, also 0,13 DM, anzurechnen gewesen, so daß sich die Zulage von 3,86 DM auf 3,73 DM verringert und der Stundenlohn 27,06 DM betragen habe. 20 % der Tariflohnerhöhung 1997, also 0,07 DM, seien ab dem 01.03.1997 auf die Zulage von 3,73 DM anzurechnen gewesen, so daß sich die Zulage auf 3,66 DM verringert und der Stundenlohn des Klägers 23,70 DM zuzüglich 3,66 DM, also 27,36 DM betragen habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen, das dem Kläger am 06.04.1998 zugestellt worden ist und gegen das er am 06.05.1998 Berufung eingelegt hat, die er am 14.07.1998 begründet hat, nachdem auf seinen am Montag, den 08.06.1998 angebrachten Antrag die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.
Der Kläger greift das Urteil aus den in seiner Berufungsbegründungsschrift von 14.07.1998 wiedergegebenen Gründen an, auf die Bezug genommen wird.
Nach seiner teilweisen Rücknahme der Berufung beantragt der Kläger,
in Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 24,78 brutto zu zahlen nebst 4 % Zinsen auf den sich aus DM 21,55 brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 28.07.1997 und 4 % Zinsen auf den sich aus DM 3,23 brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 15.08.1997.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf ihre Berufungserwiderung vom 16.09.1998 wird gleichfalls Bezug genommen.
Gründe
Die auf Grund ihrer Zulassung im arbeitsgerichtlichen Urteil statthafte Berufung (§ 64 Abs. 2 Alt. 1 ArbGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1 und 4 ArbGG, §§ 222 Abs. 2, 518, 519 ZPO).
Die mithin zulässige Berufung ist begründet, denn die Klage ist begründet, soweit sie nach der teilweisen Rücknahme der Berufung noch im Streit steht. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung weiterer 0,02 DM für jede der 1.239 Arbeitsstunden des streitbefangenen Zeitraumes verlangen, wobei sich der Zinsanspruch aus § 291 BGB ergibt.
Die Erhöhung des tariflichen Entgelts des Klägers ab 01.10.1996 beruhte auf dem in Nr. 15 a MTS normierten vollen Lohnausgleich. Der Kläger sollte, bezogen auf die auf 36 Stunden reduzierte Wochenarbeitszeit, dasselbe Tarifentgelt erhalten, daß er zuvor, bezogen auf die tarifliche Wochenarbeitszeit von 37 Stunden erhalten hatte. Das erforderte, bezogen auf die einzelne Arbeitsstunde, die Erhöhung seines Tarifentgelts um 2,78 %. Das Tarifentgelt des Klägers bestand aus dem tariflichen Stundenlohn der Lohngruppe 7 und der Zulage nach § 11 Nr. 1 LTV. Der normierte volle Lohnausgleich bedingte folglich die Erhöhung des Stundenlohnes der Lohngruppe 7 auf 23,33 DM und die Erhöhung der tariflichen Zulage auf 3,97 DM pro Stunde, so daß sich ein tarifliches Gesamtentgelt von 27,30 DM pro Stunde ergab. Da die Beklagte lediglich 27,17 DM pro Stunde gezahlt hat, hat sie den Lohnanspruch des Klägers für die Zeit von Oktober 1996 bis Februar 1997 nur teilweise erfüllt. Dem Kläger sind deshalb, durch seinen Klageantrag beschränkt (§ 308 Abs. 1 ZPO), für jede in diesem Zeitraum geleistete Arbeitsstunde 0,02 DM zuzusprechen.
Bei der "übertariflichen" Zulage nach § 11 Nr. 1 LTV handelt es sich um keine arbeitsvertraglich begründete übertarifliche Lohnzulage, wie sie den von der Beklagten angezogenen Entscheidungen (z. B. BAG, Urteil vom 16.09.1987 - 4 AZR 265/87 - AP Nr. 15 zu § 4 TVG Effektivklausel) zugrunde lag und die mangels Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien nicht von einem tariflich normierten Lohnausgleich für die Arbeitszeitverkürzung erfaßt wird. Bei der "übertariflichen" Zulage des § 11 Nr. 1 LTV handelt es sich vielmehr um eine tariflich begründete Lohnzulage. Durch sie wurde zum 01.03.1994, als das Arbeitsverhältnis des Klägers nunmehr dem neuen Verbandslohntarifvertrag unterfiel, die Differenz zwischen dem bisherigen Tariflohn des Klägers nach den Haustarifverträgen der Beklagten und dem neuen Tariflohn nach dem Verbandslohntarifvertrag tariflich abgesichert. Der über dem neuen Tariflohn liegende Teil des bisherigen Tariflohnes wurde als "übertarifliche" Zulage normiert. Die Zulage beruht folglich auf einer Tarifnorm. Sie ist damit Teil des tariflich begründeten Lohnanspruchs des Klägers, der insgesamt von dem in Nr. 15 a MTS normierten vollen Lohnausgleich erfaßt worden ist.
Die Beklagte war nicht berechtigt, die auf 3,97 DM erhöhte Tarif Zulage um 20 % der Erhöhung des Tarifstundenlohnes, also um 0,13 DM auf 3,84 DM zu kürzen, da es sich bei dem in Nr. 15 a MTS normierten vollen Lohnausgleich um eine Spezialregelung gegenüber der allgemeinen Anrechnungsregelung des § 11 Nr. 1 LTV handelte, da Zweck von Nr. 15 a MTS war, das tarifliche Entgelt, bezogen auf die Wochenarbeitszeit, zu sichern, womit eine Kürzung der Tarifzulage nicht zu vereinbaren wäre.
Hinzukommt, daß sich aus dem Wortlaut des § 11 Nr. 1 LTV ergibt, daß Zweck der Übergangsregelung war, den bisherigen höheren Tariflohn als Effektivlohn zu sichern. Gleichzeitig sollten die Arbeitnehmer, deren alter Tariflohn als Effektivlohn gesichert wurde, an den Erhöhungen des neuen Tariflohnes in der Weise partizipieren, daß die Erhöhungen nur zu 20 % auf die Tarif Zulage anzurechnen waren. Erhöhungen des neuen Tariflohnes sollten auch für sie zur Erhöhung des verfügbaren Einkommens führen. Der in Nr. 15 a MTV angeordnete volle Lohnausgleich führte jedoch zu keiner Erhöhung des verfügbaren Einkommens. Er sollte lediglich das dem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellte Einkommen, bezogen auf die tarifliche Wochenarbeitszeit, sichern. Mit dem Kläger ist deshalb davon auszugehen, daß es sich bei der durch Nr. 15 a MTS begründeten Anhebung des Tarifstundenlohnes um keine Tariflohnerhöhung im Sinne des § 11 Nr. 1 LTV gehandelt hat (andere Ansicht in Bezug auf eine arbeitsvertraglich begründete übertariflich Zulage der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts, Urteile vom 03.06.1987 - 4 AZR 44/82 - AP Nr. 58 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie und vom 16.09.1987, 4 AZR 265/87, a.a.O.; dagegen der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 07.02.1996 - 1 AZR 657/95 - AP Nr. 85 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung und der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 03.06.1998 - 5 AZR 616/97 - AP Nr. 34 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung).
Handelt es sich aber bei der durch Nr. 15 a MTS begründeten Anhebung des Tarifstundenlohnes um keine Tariflohnerhöhung in Sinne des § 11 Nr. 1 LTV, so ist der Klageanspruch des Klägers für die Zeit von Oktober 1996 bis Februar 1997 gleichfalls begründet, auch wenn man entgegen der obigen Auslegung des Nr. 15 a MTS davon ausgeht, daß mit Lohnausgleich nur der Tarifstundenlohn des Lohntarifvertrags gemeint sei, weil dieser im Lohntarifvertrag anläßlich der Arbeitszeitverkürzung neu ausgewiesen worden war. In diesem Falle betrug der Gesamtstundenlohn des Klägers 27.19 DM (Tarifstundenlohn 23,33 DM zuzüglich 3,86 DM Zulage), während die Beklagte lediglich 27,17 DM gezahlt hat.
Gleichfalls ist die Klage für die Zeit von März bis Juni 1997 begründet. Der Kläger kann für jede lohnpflichtige Stunde dieses Zeitraums 0,02 DM verlangen.
Geht man, wie dargelegt davon aus, daß die Tarif Zulage des § 11 Nr. 1 LTV sich ab Oktober 1996 auf 3,97 DM erhöht hatte, betrug der Stundenlohn des Klägers auf 01.03.1997 27,60 DM, der sich aus dem neuen Tarifstundenlohn von 23,70 DM und einer Tarifzulage von 3,90 DM zusammensetzte. Dabei ergab sich die Höhe der Tarifzulage aus der Anrechnungsvorschrift des § 11 Nr. 1 LTV. Die Zulage von 3,97 DM war um 20 % der Erhöhung des Tarifstundenlohnes, also um 0,07 DM zu kürzen. Statt der 27,60 DM hat die Beklagte lediglich 27,47 DM gezahlt. Dem Kläger sind deshalb, auch hier durch seinen Klageantrag beschränkt (§ 308 Abs. 1 ZPO), 0,02 DM je Arbeitsstunde zuzusprechen.
Zu dem selben Ergebnis gelangt man, wenn man davon ausgeht, daß die Tarifzulage bis zum 28.02.1997 weiterhin mit 3,86 DM gleichgeblieben war. In diesem Fall betrug der neue Stundenlohn des Klägers ab 01.03.1997 27,49 DM, der sich aus dem neuen Tarifstundenlohn von 23,70 DM und einer Zulage von 3,79 DM zusammensetzte (3,86 DM abzüglich 20 % der Erhöhung des Tarifstundenlohnes, also abzüglich 0,07 DM). In diesem Fall beliefe sich die noch offene Stundenlohndifferenz auf die eingeklagten 0,02 DM.
Die Kostenentscheidung beruht für das Berufungsverfahren auf den §§ 91 Abs. 1, 515 Abs. 3 Satz 2 ZPO und für den übrigen Teil des Rechtsstreits auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG. Das Musterverfahren hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf die Lohnansprüche der Arbeiter des Werkes Sassenburg anläßlich der Arbeitszeitverkürzung vom 01.10.1996, sondern auch mittelbare Auswirkungen auf die Lohnansprüche der Arbeiter der anderen vier Werke der Beklagten in Niedersachsen. Gleichfalls hat der Ausgang dieses Rechtsstreits Auswirkungen auf die Umsetzung der zum 01.01.1999 erfolgten Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 36 auf 35 Stunden.