Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.07.1999, Az.: 5 Sa 2238/98

Feststellung; - siehe dazu Urteil des BAG vom 21.11.2000 - 3 AZR 442/99

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
19.07.1999
Aktenzeichen
5 Sa 2238/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 33146
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1999:0719.5SA2238.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 16.06.1998 - AZ: - 7 Ca 38/98 (B)

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage, ob es sich bei einer von dem Krankenhausträger einem Oberarzt vertraglich voraussetzungslos zugesagte Zuwendung um versorgungspflichtiges Entgelt im Sinne von § 8 Abs. 5 Versorgungs TV bezw. § 29 Abs. 7 VBL-Satzung handelt, nachdem die Chefärzte ihre Privatliquidationsrechte an den Krankenhausträger abgetreten hätten.

Tenor:

  1. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 16. Juni 1998 - 7 Ca 38/98 (B) - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten darüber, ob eine dem Kläger gewährte Oberarztzuwendung als Entgeltbestandteil anzusehen ist, für den Beiträge bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) zu entrichten ist.

2

Der Kläger ist seit dem 01. Oktober 1979 des Beklagten als Oberarzt in der Anästhesieabteilung beschäftigt. Nach § 4 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 21. Dezember 1979 (Fotokopie Bl. 20 f. d.A.), auf den Bezug genommen wird und nach dessen § 7 auf das Vertragsverhältnis im übrigen die Bestimmungen des BAT und die Sonderregelungen der Anlage 2 c zum BAT für Ärzte in Krankenanstalten usw. mit den diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen Anwendung finde, erhielt der Kläger

  1. a

    Vergütung nach Vergütungsgruppe I b BAT in der jeweils tariflichen Höhe und

  2. b

    eine Zuwendung in Höhe von jährlich 24.000,- DM.

3

Vergütung und Zuwendung sollten jeweils am 15. für den laufenden Monat gezahlt werden.

4

Aufgrund des Änderungsvertrages vom 12. Dezember 1983 (Fotokopie Bl. 109 d.A.) erhält der Kläger ab 01. Juni 1983 Vergütung aus der Vergütungsgruppe I a BAT.

5

Der Beklagte versicherte den Kläger bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), betrachtete jedoch seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses die Zuwendung nicht als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt, so dass insoweit keine Umlagen entrichtet wurden. Der Beklagte meint nämlich, bei der Oberarztzulage handele es sich um Liquidationserlöse, die gemäß § 29 Abs. 7 Satz 3 Buchst. s) der VBL-Satzung nicht als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt zu berücksichtigen seien. Der Kläger meint dagegen, aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien lasse sich die Auffassung des Beklagten nicht herleiten. Vielmehr handele es sich bei der Oberarztzulage um einen normalen Gehaltsbestandteil. Er begehrt deswegen die Feststellungen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Oberarztzuwendung in das zusatzversorgungspflichtige Entgelt gemäß § 29 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder einzubeziehen und die Arbeitgeberumlage des Beklagten an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder entsprechend deren Satzung nachzuzahlen und zu erhöhen.

6

Zur Darstellung des Vorbringens der Parteien im 1. Rechtszug sowie der tatsächlichen Würdigung, die dieses Vorbringen dort erfahren hat, wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 16. Juni 1998 (Bl. 49 bis 57 d.A.) Bezug genommen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 20.520,- DM festgesetzt.

8

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht u.a. ausgeführt, die arbeitsvertraglich vereinbarte Zulage nach § 4 Nr. 1 b) des Arbeitsvertrages sei kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt im Sinne von § 8 Abs. 5 des Versorgungstarifvertrages. Danach sei zusatzversorgungspflichtiges Entgelt, soweit nichts anderes bestimmt sei, der entsprechend den Bestimmungen über die Beitragsentrichtung in der gesetzlichen Rentenversicherung zeitlich zugeordnete steuerpflichtige Arbeitslohn. Bei der Zahlung von 24.000,- DM gemäss § 4 Nr. 1 b) des Arbeitsvertrages handele es sich um Einkünfte, die aus ärztlichen Liquidationserlösen zufliessen, so dass dieser Teil des Arbeitsentgelts des Klägers nach § 8 Abs. 5 Unterabsatz 2 Buchst. s) des Versorgungs-TV nicht zu dem zusatzversorgungspflichtigem Entgelt gehöre. Unter § 8 Abs. 5 Unterabsatz 2 Buchst. s) Versorgungs-TV fiele nicht nur Entgelt, welches unmittelbar aufgrund einer ärztlichen Liquidation des Chefarztes gegenüber den Privatpatienten von diesen an den Chefarzt gezahlt werde. Insoweit sei schon zweifelhaft, ob es sich überhaupt um Arbeitsentgelt im Sinne von § 8 Abs. 5 Satz 1 Versorgungs-TV handele, weil insoweit ein unmittelbarer Vertrag zwischen Arzt und Patienten zustande komme, bei dem der Anstellungsträger vertraglich nicht unmittelbar beteiligt sei. Buchstabe s) verwende den Begriff "Einkünfte" und den weiteren Begriff "zufliessen", stelle also offensichtlich darauf ab, dass jede Einkunftsart des unter den BAT fallenden Arztes, die mit diesen Privatliquidationsmöglichkeiten irgendwie zusammenhänge, nicht als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt zu betrachten sei. Diese Regelung betreffe also gerade die Fälle, bei denen keine unmittelbare Zahlung von Patienten an den Arzt erfolge - in diesem Fall würde es sich nicht einmal um von dem Beklagten geschuldeten Arbeitslohn im Sinne von § 8 Abs. 5 Satz 1 Versorgungs-TV handeln -, sondern nur die Fälle, in denen Einkünfte bezahlt werden, bei denen irgendeine Verknüpfung mit dem ärztlichen Liquidationsrecht gegeben ist.

9

Diese weite Interpretation sei allein interessengerecht. Der Beklagte weise zu Recht darauf hin, dass das ärztliche Liquidationsrecht bei Privatpatienten ein ungewöhnliches Privileg sei, welches nicht in das System des BAT passe. Neben dem vom BAT geregelten Entgelt werde eine weitere Verdienstmöglichkeit eröffnet, bei der ärztliche Mitarbeiter des Beklagten berechtigt seien, unter Benutzung der Einrichtung der Krankenhäuser Leistungen gegenüber Patienten zu erbringen und diese dann auch noch gesondert gezahlt zu bekommen. Diese Verdienstmöglichkeiten seien mit einer Nebentätigkeitsgenehmigung im weitesten Sinne zu vergleichen, wobei bei dieser Nebentätigkeit sogar noch die Einrichtung eines Krankenhauses und dessen Personal benutzt werden dürfe. Bei diesem Hintergrund bestehe kein Grund, diese zusätzlichen Zahlungen noch gegenüber dem üblichen an andere Angestellten lediglich auf der Basis des BAT gezahlten Entgelt weiter dadurch zu privilegieren, dass sie zusatzversorgungspflichtig werden und der Arbeitgeber dafür zusätzlich noch Versicherungsbeiträge abführen müsse.

10

Damit sei beim Arbeitsvertrag des Klägers zu entscheiden, ob bei der Zahlung nach § 4 Nr. 1 b) des Arbeitsvertrages in Höhe von 24.000,- DM jährlich, also 2.000,- DM monatlich, eine irgendwie geartete Verknüpfung mit einem ärztlichen Liquidationsrecht verbunden sei. Aus der arbeitsvertraglichen Regelung ergebe sich zunächst die Verknüpfung nicht, weil aus dem Arbeitsvertrag ein Grund für diese Zuwendung nicht ersichtlich sei.

11

Dem Kläger sei bei Abschluss des Arbeitsvertrages aber klar gewesen, dass der zuständige Chefarzt der Anästhesieabteilung des Agnes-Karll-Krankenhauses, in dem der Kläger habe arbeitsvertraglich habe tätig werden sollen, sein Liquidationsrecht an den Beklagten abgetreten, dafür eine vertragliche Regelung getroffen gehabt habe, die ihm als Ersatz und Ausgleich dafür einen vertraglichen Anspruch gegen den Landkreis gewährte, während der Landkreis die Privatliquidation vornahm. Der Chefarzt wiederum, der auch den Kläger als Oberarzt üblicherweise zur Erfüllung seiner Aufgaben im Rahmen der Privatbehandlung von Patienten eingesetzt habe, sei standesrechtlich verpflichtet gewesen, ein angemessenes Entgelt an den Kläger weiterzuleiten.

12

Wenn der Beklagte insgesamt sich das Liquidationsrecht abtreten lasse und dann durch Sonderzuwendungen zunächst den Chefarzt, aber auch die nachgeordneten Ärzte, u.a. den Kläger, durch eine weitere Zahlung vergüte, andererseits aber aufgrund dieser Konstruktion keinerlei standesrechtlich gebotene Zahlungen zwischen dem Chefarzt einerseits und dem Oberarzt andererseits stattfänden, so sei die Zahlung von 24.000,- DM nichts anderes als der dem Kläger zumindest Standes rechtlich gegenüber dem Oberarzt (gemeint ist offenbar: dem Chefarzt) zustehende Anteil an dessen Liquidationserlös. Auch dem Kläger habe bei Vertragsabschluss und dann später in der jahrzehntelangen Praxis klar sein müssen, dass gerade bei dieser Konstruktion die zusätzliche Verdienstmöglichkeit durch Anteil am Liquidationserlös des Chefarztes nicht gegeben gewesen sei und dass als Ausgleich dafür diese Zahlung habe erfolgen sollen.

13

Gegen dieses Urteil, das ihm am 04. September 1998 zugestellt worden ist, hat der Kläger mit einem am 02. Oktober 1998 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt, die er, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. November 1998 verlängert worden war, mit einem am 24. November 1998 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten begründet hat. Der Kläger meint, die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass unter "Einkünfte, die aus ärztlichen Liquidationserlösen zufliessen", jede Einkunftsart zu verstehen sei, die irgendwie mit Privatliquidationsmöglichkeiten zusammenhänge, sei problematisch. Es könne nicht sein, dass vertraglich vereinbartes Arbeitsentgelt eines Tarifangestellten im Krankenhaus zerlegt werden müsse nach Herkunftsarten der Finanzierungsmittel des Krankenhausträgers. Das komplizierte, kaum überschaubare Krankenhausfinanzierungs- und insbesondere Krankenhausbudgetrecht sei öffentliches Recht und Sozialversicherungsrecht. Ein Grossteil von Krankenhausfinanzierungsmitteln fliese aus ärztlichen Liquidationserlösen zu. Insbesondere seit der Bundespflegesatzverordnung 1995 seien wesentliche Einnahmen des Krankenhausträgers für die Finanzierung des Krankenhausbetriebes die Sonderentgelte und Fallpauschalen, die sich aus ärztlichen Behandlungsleistungen am Patienten ergeben und damit zu "Liquidationserlösen" zu zählen seien.

14

Einziger Anknüpfungspunkt könne nur sein, ob eine Verknüpfung bestimmter Einkünfte, die aus ärztlichen Liquidationserlösen zufliessen, im Arbeitsvertrag selbst enthalten sei. Zutreffend habe das Arbeitsgericht erkannt, dass sich aus dem Arbeitsvertrag eine derartige Verknüpfung nicht ergebe. Die Oberarzt Zuwendung von 24.000,- DM, die über das geschuldete Tarifentgelt hinaus gezahlt werde, sei arbeitsvertraglich unbedingt und unbefristet vereinbart worden. Die vom Beklagten vorgenommene Verknüpfung der Oberarzt Zuwendung mit der Neuordnung der Vergütung von Chefärzten und Oberärzten gemäss der Landkreis-Drucksache Nr. VII 11 a/72 möge für den Beklagten ein Motiv gewesen sein, mehr aber nicht. Es sei bereits darauf hingewiesen worden, dass weder dem Kläger bei Abschluss des Oberarztvertrages 1979 die Landkreis-Drucksache aus dem Jahr 1972 bekannt gewesen noch erst recht dass diese bei den Vertragsverhandlungen und beim Vertragsabschluss erwähnt worden sei. Im übrigen heisse es in dieser Kreistags-Drucksache auf S. 3 unter Nr. 4 wörtlich: "Den Oberärzten sollte neben ihrem Tarifgehalt ebenfalls ein rechtlich gesichertes Zusatzeinkommen zugebilligt werden. Um die Spezialisierung zu fördern, sollten Oberärzte das Recht erhalten, in Zukunft Spezialsprechstunden in fachlicher, zeitlicher und finanzieller Begrenzung durchführen zu können".

15

Dem Kläger sei aber nie ein solches Nebentätigkeitsrecht zugebilligt worden, eigene Spezialsprechstunden durchführen zu können, und ihm sei deshalb auch nie die Möglichkeit eröffnet worden, Einkünfte aus ärztlichen Liquidationserlösen zu erzielen.

16

Das Argument, dass das ärztliche Liquidationsrecht für Privatpatienten ein ungewöhnliches, dem System des BAT fremdes Privileg sei, durch das zusätzliche Verdienstmöglichkeiten eröffnet würden, die nicht noch zusätzlich weiter dadurch privilegiert werden müssten, dass sie zusatzversorgungspflichtig werden, sei für die Beurteilung der Oberarztzuwendung des Klägers nicht einschlägig, weil auf sein Arbeitsverhältnis der BAT anzuwenden und ihm keine Nebentätigkeit eingeräumt sei und ihm deshalb auch keine Liquidationseinnahmen zuflössen. Er habe vielmehr nur einen unbedingten und unbefristeten arbeitsvertraglich vereinbarten Anspruch auf die neben der Tarif Vergütung zu zahlende Zuwendung in Höhe von jährlich 24.000,- DM, Der Kläger habe nur mit dem Beklagten direkte arbeitsvertragliche Beziehungen. Die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Beklagten und dem Chefarzt des Klägers hätten mit den Vertragsbeziehungen der Parteien dieses Rechtsstreits überhaupt nichts zu tun. Der Beklagte könne sein individualvertraglichen Vereinbarungen mit dem Chefarzt des Klägers nicht in das abschliessend zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis einbeziehen.

17

Zur Darstellung weiterer Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 24. November 1998 (Bl. 73 ff. d.A.) Bezug genommen.

18

Der Kläger beantragt,

  1. das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 16. Juni 1998 zu ändern und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Oberarzt Zuwendung an den Kläger gemäss § 4 Nr. 1 b) des Dienstvertrages zwischen den Parteien vom 21. Dezember 1979 in Höhe von jährlich 24.000,- DM in das zusatzversorgungspflichtige Entgelt gemäss § 29 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder einzubeziehen und die Arbeitgeberumlage das Beklagten an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder entsprechend deren Satzung nachzuzahlen und zu erhöhen.

19

Der Beklagte beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

20

Er verteidigt das angefochtene Urteil als der Rechtslage entsprechend. Die Leitenden Abteilungsärzte seien nach dem ärztlichen Standesrecht in Niedersachsen (§ 29 Abs. 3 der Berufsordnung) verpflichtet, die nachgeordneten Ärzte an den Liquidationserlösen zu beteiligen. Das dem Leitenden Arzt der Abteilung Anästhesie eingeräumte Liquidationsrecht sei vom Leitenden Arzt an den Landkreis abgetreten worden. Der Beklagte liquidiere gegenüber den Privatpatienten. Aus den Liquidationserlösen erhalte der Leitende Arzt einen bestimmten Prozentsatz. Der Chefarztstellvertreter, die andere Oberärztin sowie die nachgeordneten Fachärzte erhielten Zuwendungen.

21

Die Beteiligung am Liquidationserlös habe ihre Grundlage darin, dass der Chefarzt nur mit Hilfe des nachgeordneten ärztlicher. Personals die medizinische Versorgung der Privatpatienten sicherstellen könne und dass es deswegen nur billig sei, die nachgeordneten Ärzte auch an den Erlösen, die er aus der Behandlung der Privatpatienten erziele, zu beteiligen. Die nachgeordneten Ärzte erbrächten diese Arbeitsleistung während der Arbeitszeit. Diese Leistung sei an sich durch die tarifliche Vergütung abgedeckt.

22

Die Leitenden Abteilungsärzte behandelten weiterhin Privatpatienten, hätten aber die Liquidationsbefugnis an den Landkreis übertragen. Damit sei auf den Landkreis auch die Verpflichtung übergegangen, die sich aus dem ärztlichen Standesrecht ergebende Beteiligung der nachgeordneten Ärzte am Liquidationsaufkommen zu erfüllen. Entgegen der Ansicht des Klägers spiele das ärztliche Standesrecht eine grundlegende Rolle für die Arbeitsvertragsgestaltung.

23

Dem Kläger sei bei Abschluss des Arbeitsvertrages bekannt gewesen, dass diese Zuwendung bezahlt werde für die Beteiligung an der Versorgung der Privatpatienten des Leitenden Abteilungsarztes. Es gebe keinen ausgebildeten Arzt, der sich nicht darüber informiere, welche Beteiligungen an dem Liquidationsaufkommen in der Abteilung üblich seien. Der Kläger sei bereits am 01. Juli 1971 bei dem Beklagten eingestellt gewesen und kenne daher genau die Grundlagen für die Zuwendungszahlung. Es sei darüber hinaus nicht vorstellbar, dass sich der Kläger während seiner Dienstzeit nicht an den Beklagten oder seinen Chefarzt gewandt hätte, damit er am Liquidationsaufkommen beteiligt würde. Dies habe der Kläger nicht getan.

24

Die Tatsache, dass es sich bei der Beteiligung am Liquidationserlös der Chefärzte um Vergütung, also Entgelt, handele, sage nichts darüber aus, ob es sich auch um zusatzversorgungspflichtiges Entgelt handele. Hier werde die Zuwendung aus den Liquidationserlösen der Chefärzte gezahlt. Die Entgeltzahlung trete an die Stelle einer direkten Beteiligung der nachgeordneten Ärzte durch den Chefarzt oder eine Poolbildung.

25

Zur Darstellung weiterer Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung des Beklagten vom 18. Januar 1999 (Bl. 81 ff. d.A.) und auf den Schriftsatz vom 11. Juni 1999 nebst Anlagen (Bl. 88 bis 95 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

26

Die aufgrund der Höhe des Wertes des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.

27

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit der Parteien zutreffend entschieden. Bei der dem Kläger gezahlten und zu zahlenden Zuwendung in Höhe von jährlich 24.000,- DM handelt es sich nicht um zusatzversorgungspflichtiges Entgelt im Sinne von § 8 Abs. 5 Versorgungs-TV und § 29 Abs. 7 VBL-Satzung. Zwar zählt auch der Betrag von 24.000,- DM zum steuerpflichtigen "Arbeitslohn". Bereits die Verbindung des Ausdrucks "Zuwendung" zeigt jedoch, dass die Arbeitsvertragsparteien diesen Entgeltbestandteil deutlich unterschieden haben von dem anderen Entgeltbestandteil, der als "Vergütung nach Verg.-Gr. I b BAT (jetzt: I a BAT) in der jeweils tariflichen Höhe" bezeichnet worden ist (§ 4 Abs. 1 Buchst. a des Arbeitsvertrages). Tatsächlich gibt es keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Arbeitsvertragsparteien hätten die Zahlung dieser Zuwendung unabhängig von den dem Beklagten abgetretenen Liquidationseinnahmen der Chefärzte vereinbaren wollen. Dazu bestand für den Beklagten erkennbar auch für den Kläger keinerlei Veranlassung. Tatsächlich hatte der Kreistag des Landkreises Hannover am 22. Juni 1971 beschlossen, "die Verwaltung zu beauftragen, neuer Chefarztverträge auszuarbeiten mit dem Ziel, den nachgeordneten Oberärzten und Fachärzten einen Anteil an den Einkommen der Chefärzte aus Liquidationen gegenüber den Kranken der 1. und 2. Pflegeklasse rechtlich zu sichern (Drucksache Nr. VII 11 a/72 - Fotokopie Bl. 28 ff. d.A. -).

28

Aus dem Umstand, dass sowohl die Vergütung (§ 4 Abs. 1 Buchst. a) als auch die Zuwendung (§ 4 Abs. 1 Buchst. b des Arbeitsvertrages) von dem Beklagten zu zahlen sind, folgt nicht, dass es sich sowohl bei dem einen wie bei dem anderen Entgeltbestandteil um zusatzversorgungspflichtiges Entgelt handelt. In § 8 Abs. 5 Unterabsatz 2 Versorgungs-TV werden vielmehr eine Reihe von Entgeltbestandteilen als nicht zusatzversorgungspflichtig bezeichnet. Dazu gehören u.a. auch "Einkünfte, die aus ärztlichen Liquidationserlösen zufliessen (Buchst. s). Die Tarifvertragsparteien haben insofern entgegen der Auffassung des Klägers auf die Herkunft der Mittel abgestellt, und zwar unabhängig davon, wer diese Mittel zur Auszahlung bringt. Die tarifvertragliche Bestimmung des § 8 Abs. 5 Untersabsatz 2 Buchst. s Versorgungs-TV ist gerade für diejenigen Fälle von Bedeutung, in denen Oberärzten und Fachärzten Liquidationserlöse nicht direkt, also aufgrund eigenen Liquidationsrechts dieses Personenkreises, zufliessen. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass die selbst liquidationsberechtigten Chefärzte in der Regel aus dem Geltungsbereich des BAT und des Versorgungs-TV herausfallen.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Streitwert ist unverändert.

30

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).