Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.01.1999, Az.: 7 Sa 1192/98
Streitigkeit über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses sowie über dessen Beendigung durch eine Kündigung; Beschäftigung als Frachtführerin mit einem eigenen Kraftfahrzeug; Differenzierung zwischen Arbeitnehmertätigkeit und selbständiger Tätigkeit; Vorliegen der persönlichen Leistungserbringung; Festlegung der Arbeitszeiten; Möglichkeit der Auftragsablehnung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 26.01.1999
- Aktenzeichen
- 7 Sa 1192/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 17752
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1999:0126.7SA1192.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 611 BGB
- § 84 Abs. 1 S. 2 HGB
- § 425 HGB a.F
- § 1 Abs. 2 S.1 KSchG
Fundstelle
- NZA 2000, 320 (amtl. Leitsatz)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers oder Werkunternehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bei der Erbringung der Dienst- oder Werkleistung. Arbeitnehmer ist danach, wer weisungsgebunden vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Der hinreichende Grad persönlicher Abhängigkeit zeigt sich nicht nur daran, daß der Beschäftigte einem Direktionsrecht seines Vertragspartners unterliegt, welches Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Ort oder sonstige Modalitäten der zu erbringenden Tätigkeit betreffen kann, sondern kann sich auch aus einer sehr detailierten und den Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung stark einschränkenden rechtlichen Vertragsgestaltung oder tatsächlichen Vertragsdurchführung ergeben.
- 2.
Aus Art und Organisation der Tätigkeit kann auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zu schließen sein. Denn aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind.
In dem Rechtsstreit
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 26.01.99
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 25.02.1998, 2 Ca 565/97, abgeändert:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26.08.1997 nicht aufgelöst worden ist und über den 30.09.1997 hinaus auf unbestimmte Zeit fortbesteht.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die als Frachtführerin bei der Beklagten beschäftigte Klägerin wendet sich mit ihrer am 16. September 1997 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen eine mit Schreiben vom 26. August 1997 ausgesprochene Kündigung mit der Begründung, sie sei tatsächlich Arbeitnehmer in der Beklagten gewesen.
Die am 11. März 1967 geborene, ledige Klägerin ist seit dem 01. Oktober 1987 bei der Beklagten als Frachtführerin beschäftigt. Ihre Aufgabe bestand darin, täglich um 5.00 Uhr mit einem eigenen Kraftfahrzeug, das die Farben und das Firmenzeichen der Beklagten auf weisen mußte, Waren bei der Beklagten abzuholen, die diese vorsortiert und tourengerecht zusammengestellt hatte. Die Ware mußte dann auf einer Route nach ... und ... an verschiedene Kunden abgeliefert werden.
Nach § 7 Ziffer 5 des zugrundeliegenden Frachtführer-Vertrages in der Fassung vom 10. April 1997, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 18-38 d.A.), war die Klägerin verpflichtet, während der Ausführung der Transporte die von der Beklagten entsprechend des Corporate Design entwickelte Imagekleidung zu tragen.
Nach § 6 Ziffer 6 des Frachtführer-Vertrages war der Klägerin das Beiladen nicht der Tour zugehöriger Sendungen nach Abschluß der Übernahme der Sendungen von ... nicht gestattet. Die Klägerin mußte nach § 8 Ziffer 2 die Ausführung der Transporte (Abholung und/oder Auslieferung) unverzüglich jeweils am Tag der Übernahme vornehmen. Die Beklagte war nach § 1 Ziffer 2 des Frachtführer-Vertrages berechtigt, "unter Abwägung der Gesamtinteressen nach billigem Ermessen eine Änderung des Tourenbereichs (Im Regelfall mündlich) gegenüber dem Frachtführer" vorzunehmen.
In § 10 verpflichtete sich die Klägerin, "während der Dauer des Vertrages zu ... in keinen Wettbewerb zu treten und keine Leistungen, die dem Unternehmenszweck von ... entsprechen, selbst anzubieten". Während der Vertragsdauer durfte sie zudem "für kein anderes Unternehmen, das ... vergleichbar die Beförderung/Behandlung von Packstücken anbietet, Aufträge durchführen". Im übrigen war es ihr "unbenommen, Güterbeförderungen für Dritte zu übernehmen".
§ 7 des Frachtführer-Vertrages regelt den Einsatz von sogenannten Erfüllungsgehilfen wie folgt:
"§ 7
1.
Der Frachtführer darf sich zur Erfüllung der Vertragspflichten der Hilfe Dritter (Erfüllungsgehilfen) bedienen. Der Frachtführer entscheidet nach Maßgabe der folgenden Absätze allein über die Ausahl der von ihm eingesetzten Arbeitnehmer (Zahl, Qualifikation und Person), er allein bestimmt Ausbildung und Einarbeitung der Erfüllungsgehilfen. Ferner bestimmt er deren Arbeitszeit und entscheidet allein über die Anordnung etwaiger Überstunden sowie die Gewährung von Urlaub und Freizeit. Für die ordnungsgemäße Durchführung der Beförderung/Behandlung der Sendungen durch Dritte ist der Frachtführer gegenüber ... verantwortlich. Ferner hat er für seine Erfüllungsgehilfen die nach den sozialversicherungsrechtlichen, arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Vorschriften bestehenden Verpflichtungen eigenverantwortlich zu erfüllen.2.
Um eine hohe Qualität der Transportleistungen sichzustellen, wird sich der Frachtführer bemühen, den für eine bestimmte Tour eingesetzten Erfüllungsgehilfen nach Möglichkeit nicht auszuwechseln. Erstmals zum Einsatz kommende Erfüllungsgehilfen sind vom Frachtführer umfassend einzuarbeiten.3.
Der Frachtführer verpflichtet sich, nur zuverlässige Personen zu beschäftigen und sich von der Zuverlässigkeit, insbesondere durch Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses, vollständige Bewerbungsunterlagen und erforderlichen Qualifikationsnachweis zu überzeugen. Der Frachtführer wird keine Personen einsetzen, die vorbestraft sind oder gegen die in den letzten drei Jahren ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde oder die in den letzten drei Jahren die eidesstattliche Versicherung geleistet haben.4.
Aus Sicherheitsgründen wird der Frachtführer Name und Anschrift und sonstige Angaben des jeweiligen Erfüllungsgehilfen vor dessen erstem Einsatz auf einem von ... vorgegebenen Formblatt mitteilen (Anlage 2).5.
Während der Ausführung der Transporte ist vom Frachtführer und dessen eingesetzten Erfüllungsgehilfen die von ... entsprechend des Corporate Design entwickelte Imagekleidung zu tragen. Hierfür erteilt ... dem Frachtführer eine jederzeit widerrufliche Lizenz, die spätestens mit Beendigung des Vertrages erlischt. Die Imagekleidung kann der Frachtführer von ... gegen Erstattung gemäß Preisliste beziehen.6.
Der Frachtführer wird darauf achten, daß die Kleidung nur während der Erfüllung der Vertragspflichten getragen wird. Bei Beendigung des Vertrages verpflichtet sich der Frachtführer, das ... von der Kleidung zu entfernen.7.
Dem Frachtführer und seinen Erfüllungsgehilfen ist der Konsum von Alkohol und sonstigen Drogen im Zusammenhang mit der Erfüllung dieses Vertrages strengstens verboten. Personen, die dem zuwider gehandelt haben, erhalten von ... Hausverbot und dürfen im Rahmen dieses Vertrages nicht mehr eingesetzt werden."
Die Klägerin fuhr ihr Fahrzeug überwiegend selbst. Für Zeiten ihrer eigenen Arbeitsunfähigkeit sowie während ihres Urlaubs fuhr ihr Vater, von dem sie das Unternehmen übernommen hatte, die Tour. Dies war nach einer Erkrankung des Vaters in den letzten drei Jahren des Vertragsverhältnisses nicht mehr möglich. Bei einer Verhinderung der Klägerin würde dann in der Regel von der Beklagten selbst ein Ersatzfahrer gestellt.
Die Klägerin war verpflichtet, in ihrem Fahrzeug ein Telefon mitzuführen, über das sie während der Tour Aufträge von der Beklagten erhielt.
Für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin auf der Grundlage der Vereinbarung vom 1./10. Februar 1995 (Bl. 111 d.A.) eine monatliche Pauschale in Höhe von 7.020,00 DM. Zuletzt wurde für die Tour 245 auf der Grundlage der Vereinbarung vom 10./11. April 1997 (Bl. 32 d.A.) eine Tagespauschale von 130,00 DM sowie pro Sendung 1,50 DM und pro Kilogramm 0,10 DM gezahlt.
Mit Schreiben vom 26. August 1997 (Bl. 6 d.A.) kündigte die Beklagte den bestehenden Frachtführer-Vertrag zum 30. September 1997.
Das Arbeitsgericht hat durch ein den Parteien am 29. April 1998 zugestelltes Urteil vom 25. Februar 1998, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 83-96 d.A.), die auf die Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.08.1997 nicht aufgelöst wird und unbefristet zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht, gerichtete Klage kostenpflichtig abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, das zwischen den Parteien bestandene Rechtsverhältnis sei kein Arbeitsverhältnis, vielmehr sei die Klägerin selbständige Frachtführerin gemäß §§ 425 ff HGB. Die Klägerin sei nämlich nach dem Frachtführer-Vertrag vom 10.04.1997 nicht stärker hinsichtlich Arbeitsort/Arbeitszeit eingeschränkt, als dies nach der Eigenart des Gewerbes auch ein selbständiger Gewerbetreibender sei.
Daß der Klägerin vorgegeben sei, jeweils morgens zu einer bestimmten Uhrzeit die Waren, dessen Beförderung sie vertraglich übernommen habe, abzuholen, die Abholung durch Einscannen zu bestätigen und dann zu den angegebenen Adressen innerhalb der zugesagten Zeit zu befördern und abzuliefern, betreffe den Kern der Speditionsleistung, denn der selbständige Frachtführer übernehme es, für den Kunden bestimmte selbständige Waren zu von den Kunden bestimmte Zeiten von einem Ort zu einem anderen Ort zu befördern. Die pflichtgemäße Ausführung der Aufträge sei somit Gegenstand der vertraglichen Abrede und nicht Ausfluß einer der Beklagten zustehenden Dispositionsgewalt über die Klägerin. Daß die Klägerin der Beklagten einer darüber hinausgehenden Dispositionsverfügung unterlegen habe, habe sie selbst nicht vorgetragen.
Der Umstand, daß sich die Klägerin vertraglich verpflichtet habe, zu Zeiten des Transportes eine vorgegebene Kleidung zu tragen und den Transport nur mit einem Fahrzeug vorzunehmen, das den näheren Vorgaben der Beklagten entspreche, sei ebenfalls kein tragendes Indiz zur Qualifizierung des Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis. Daß der Klägerin neben der Erfüllung des Frachtführervertrages gegenüber der Beklagten kein nennenswerter unternehmerischer Spielraum verbleibe, sei für sich genommen ebenfalls kein tragfähiges Abgrenzungskriterium. Die vertragliche Gestaltung schließe jedenfalls eine anderweitige eigene Tätigkeit nicht aus.
Die tatsächliche Selbständigkeit der Klägerin werde dadurch bestärkt und bestätigt, daß es ihr gestattet war, sich zur Erfüllung der Vertragspflichten der Hilfe Dritter zu bedienen. Hiervon habe die Klägerin auch Gebrauch gemacht. Deshalb erweise sich der abgeschlossene Frachtführer-Vertrag als "echter" Frachtführer-Vertrag.
Hiergegen richtet sich die am 28. Mai 1998 eingelegte und am 17. Juni 1998 begründete Berufung der Klägerin
Sie ist der Auffassung, nach dem Gesamtbild des Frachtführer-Vertrages und dessen praktischer Durchführung müsse sie als Arbeitnehmerin angesehen werden. Sie sei nämlich vollständig in die Arbeitsorganisation der Beklagten personell und wirtschaftlich eingebunden gewesen. Sie habe keine tatsächliche Möglichkeit gehabt, über ihre von der Beklagten vorgegebenen Arbeitszeit und die Art. der Durchführung dieser Tätigkeit im Sinne einer Selbständigkeit frei bestimmen zu können. Sie habe nicht wie ein freier Unternehmer typisch am Markt auftreten können. Sie dürfe weder für Firmen tätig werden, die mit der Beklagten in Konkurrenz stehen, noch dürfe sie selbständige Beförderungsaufträge von Kunden der Beklagten entgegennehmen. Diese Einschränkung der Akquisitionsmöglichkeit verbunden mit der Verpflichtung, alle Transportaufträge der Beklagten durchführen zu müssen, haben ihr keinen nennenswerten unternehmerischen Spielraum gelassen. Die Vertragsgestaltung der Beklagten lasse zudem keine Ausgewogenheit zwischen unternehmerischen Chancen und Risiken erkennen. Sie sei von der Beklagten stärker als ein Frachtführer im Sinne des § 425 HGB persönlich abhängig.
Die Beklagte habe auch den wesentlichen Inhalt der Tätigkeit der Klägerin einseitig bestimmt. Die Klägerin könne die Reihenfolge der Zustellungen und damit die Fahrtroute nicht selbst bestimmen. Sie sei gezwungen gewesen, von dem Sitz der Beklagten in Hannover regelmäßig Sendungen nach ... zu transportieren. Einen zeitlichen Spielraum, andere Aufträge auszuführen, habe es nicht gegeben.
Auch die strengen Verhaltens- und Ordnungsregeln des Frachtführer-Vertrages nebst Anlagen gingen in ihrer Intensität weit über das hinaus, was bei einem selbständigen Unternehmen üblicherweise angenommen werde. Die Verpflichtung zum Tragen einer sogenannten Imagekleidung sei typisch für ein Arbeitsverhältnis. Die Beklagte habe nicht nur tatsächlich ein ordentliches und gepflegtes Auftreten erwartet, sondern den einzelnen Partnern vorgeschrieben, wie das Corporate Design umzusetzen sei. Zudem sei im Detail vorgeschrieben worden, welche Ausrüstung im einzelnen im Fahrzeug vorhanden zu sein habe. Dadurch, daß ihr Fahrzeug mit den Farben- und Firmenzeichen der Beklagten vollständig ausgestattet gewesen sei, habe sie das Fahrzeug tatsächlich nur für die Beklagte einsetzen können.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung im Schreiben vom 26.08.1997 nicht aufgelöst worden ist und daß es über den 30.09.1997 hinaus auf unbestimmte Zeit fortbesteht;
sowie im Falle des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Frachtführer-Vertrag der Beklagten in der Fassung vom 11. April 1997 lasse aufgrund seiner vertraglichen Regelungen keine Auslegung als Arbeitsvertrag zu. Der Klägerin sei es ohne weiteres möglich gewesen, einen Fahrer einzusetzen, um dann ihre Tätigkeit als Unternehmerin anderweitig gewinnbringend zu verwerten. Es sei somit allein auf die ureigene und nicht angreifbare unternehmerische Entscheidung der Klägerin zurückzuführen, daß diese ihr Unternehmen nicht habe ausweiten wollen. Diese Entscheidung könne nicht Anlaß dafür sein, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu begründen.
Die zeitlichen Vorgaben und Verpflichtungen, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, begründe nicht die persönliche Abhängigkeit im Sinne eines Arbeitsverhältnisses. Eine solche Pflicht ergebe sich allein aus der Art. der geschuldeten Tätigkeit als Frachtführerin. Daß die Modalitäten der Warenausgabe sich nach der vorgegebenen betrieblichen Organisation der Beklagten richteten, ergebe sich dabei aus der Natur der Sache.
Es treffe auch nicht zu, daß die Klägerin ihre Fahrttouren nicht selbständig bestimmen könne. Sie sei vollkommen frei gewesen, in welcher Reihenfolge sie die einzelnen Orte und Adressen anfahre. Sie habe frei disponieren können, ob sie zwischen den einzelnen Fahrten Streckenpausen einlegte oder andere Aufträge erledigte, die Beklagte habe gegenüber der Klägerin keine arbeitsrechtlichen Weisungen im Sinne einer Personalhoheit in Anspruch genommen, sondern lediglich fachliche Anweisungen erteilt, soweit sie aufgrund der Art. der zu erbringenden Leistung erforderlich waren.
Unerheblich sei, ob die Klägerin tatsächlich Arbeiten für Dritte übernommen habe. Die Möglichkeit sei ihr auf jeden Fall durch den Frachtführer-Vertrag gegeben. Sie habe nämlich die Möglichkeit gehabt, die von ihr vertraglich geschuldete Leistung auch auf andere Personen zu übertragen. Es habe im Rahmen der unternehmerischen Entscheidung der Klägerin gelegen, wieviele zusätzliche Mitarbeiter sie für die Bewältigung der Aufgaben einstelle bzw. ob sie sich um weitere Aufträge der Beklagten bemühen wolle.
Es spräche auch nicht für das Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft, wenn der Frachtführer beim Transport ein mit den Farben und dem Firmenzeichen des Spediteurs ausgestattetes Fahrzeug einsetze. Diese Vorgabe diene allein einem gewissen Wiedererkennungseffekt bei den Abnehmern und sei keineswegs Ausdruck einer persönlichen Abhängigkeit des Fuhrunternehmers von der Beklagten. Gleiches gelte auch für das Tragen bestimmter Arbeitskleidung. Zudem sei das Firmen-Logo mittels einer Magnetfolie an dem Kastenlieferwagen befestigt gewesen und habe sich ohne Probleme unbegrenzt entfernen und wieder anbringen lassen.
Eine Arbeitnehmereigenschaft lasse sich auch nicht aus der gemäß § 10 des Frachtführer-Vertrages vereinbarten Wettbewerbsklausel entnehmen. Wettbewerbsverbote seien nämlich sowohl im Bereich eines Anstellungsverhältnis als auch in Dienst- oder Werkverträgen möglich. Die vereinbarte Wettbewerbsklausel diene dazu, die Beklagte vor Konkurrenz durch eigene Auftragnehmer in der selben Branche zu schützen. Für die Klägerin bliebe auch außerhalb des von dem Wettbewerbsverbot betroffenen Bereichs der Beförderung und Behandlung von Paketstücken noch ausreichend Möglichkeit, auf anderen Gebieten des Gütertransportes tätig zu werden.
Auch die Vereinbarung einer Pauschalvergütung könne nicht als Indiz für eine Arbeitnehmereigenschaft herangezogen werden. Der Unternehmer entscheide selbständig, ob er wirtschaftlich in der Lage sei, die Leistung zu dem angebotenen Preis zu erbringen. Es bleibe seiner eigenständigen Preiskalkulation überlassen, ob er sich in der Lage sähe, zu den vereinbarten Bedingungen den erteilten Auftrag auszuführen. Nur ein freier Dienstnehmer könne selbständig entscheiden, ob er die angebotenen Aufträge übernehme oder nicht. Der Klägerin habe es nach dem Frachtführer-Vertrag freigestanden Aufträge jederzeit abzulehnen. Gerade die Tatsache, daß im Falle einer Ablehnung von Frachtaufträgen keine Sanktionen vereinbart waren, spricht gegen eine Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin.
Gründe
Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 518, 519 ZPO, 64, 66 ArbGG. Sie ist auch begründet.
Das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten vom 26. August 1997 nicht zum 30. September 1997 beendet worden. Denn auf das Vertragsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Das Vertragsverhältnis stellt rechtlich ein Arbeitsverhältnis dar. Dieses hat im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung länger als 6 Monate ohne Unterbrechung bestanden. In dem Betrieb der Beklagten sind auch regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Kündigung ist mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam, da sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten der Klägerin liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen, bedingt ist.
Entgegen der von dem Arbeitsgericht vertretenen Auffassung ist das Vertragsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis zu werten. Für die Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von einem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers oder Werkunternehmers ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 19.11.1997, 5 AZR 653/96, AP Nr. 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit) von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers oder Werkunternehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bei der Erbringung der Dienst- oder Werkleistung. Arbeitnehmer ist danach, wer weisungsgebunden vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Der hinreichende Grad persönlicher Abhängigkeit zeigt sich nicht nur daran, daß der Beschäftigte einem Direktionsrecht seines Vertragspartners unterliegt, welches Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Ort oder sonstige Modalitäten der zu erbringenden Tätigkeit betreffen kann, sondern kann sich auch aus einer sehr detailierten und den Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung stark einschränkenden rechtlichen Vertragsgestaltung oder tatsächlichen Vertragsdurchführung ergeben.
Ein typisches Abgrenzungsmerkmal enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB. Diese Vorschrift enthält eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die für die Abgrenzung einer selbständigen von einer unselbständigen Tätigkeit bedeutsam ist. Hiernach ist selbständig, wer im wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Maßgeblich ist dabei die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit (BAG v. 27. März 1991, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 38).
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 28.11.1990, 4 AZR 198/90, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 37) hängt die Frage, ob ein zur Dienstleistung verpflichteter Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter ist, letztendlich entscheidend von der tatsächlichen Durchführung des Rechtsverhältnisses ab. Den Bezeichnungen, die die Vertragsparteien zur Beschreibung ihrer Rechtsstellungen wählen, kommt nur eine sehr untergeordnete Bedeutung zu. Die bloße Bezeichnung des Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis oder als Mitarbeiterverhältnis oder die Modalitäten der Entgeltzahlung sind nicht maßgeblich (BAG v. 24.06.1992, 5 AZR 384/91). Aus Art. und Organisation der Tätigkeit kann allerdings auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zu schließen sein. Denn aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (BAG v. 16.07.1997, 5 AZR 312/96, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 61).
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze sprechen vorliegend das Gesamtbild des von den Parteien abgeschlossenen Frachtführer-Vertrages und dessen praktische Durchführung dafür, daß die Klägerin eine Arbeitnehmerin der Beklagten war.
Grundsätzlich ist allerdings davon auszugehen, daß der Frachtführer im Sinne des § 425 HGB a.F. ein selbständiges Gewerbe ausübt. Dies folgt aus der Legaldefinition des § 425 HGB a.F., der das Betreiben eines Gewerbes und somit eine selbständige Tätigkeit voraussetzt. Der Gesetzgeber hat mithin den Frachtführer als Gewerbetreibenden und insoweit als Selbständigen eingeordnet, obwohl der Frachtführer sich schon von Gesetzes wegen weitreichenden Weisungsrechten sowohl des Spediteurs als auch des Absenders und des Empfängers des Frachtgutes aussetzt. Insgesamt ist damit auch der selbständige Frachtführer im Vergleich zu anderen selbständigen Unternehmern nach seinem Berufsbild in hohem Maße weisungsabhängig (BAG vom 30.09.1998, 5 AZR 563/97).
Vorliegend war die Klägerin jedoch in deutlich stärkerem Umfange als bei einem Frachtführer im Sinne des § 425 HGB persönlich abhängig, weshalb das Vertragsverhältnis der Parteien insgesamt als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist.
Ob ein Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist oder nicht, hängt unter anderem davon ab, inwieweit der Schuldner die Leistung persönlich zu erbringen hat. Die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ist ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Gemäß § 613 Satz 1 BGB hat der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch nur im Zweifel in Person zu leisten. Es handelt sich hierbei um eine Auslegungsregelung. Da ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarungen, wonach die Dienstleistungen nicht persönlich zu erbringen sein sollen, in Arbeitsverträgen selten sind, ist grundsätzlich davon auszugehen, daß Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung höchstpersönlich zu erbringen haben. Ist der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, so steht ihm ein eigener Gestaltungsspielraum zu, der gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (BAG v. 19.11.1997, 5 AZR 653/96, a.a.O; BGH v. 21.10.1998 VIII ZB 54/97, NZA 1999 S. 110).
Dennoch ist es nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht gerechtfertigt wegen der Berechtigung des Vertragspartners, die vertraglich geschuldete Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, von vornherein ein Arbeitsverhältnis auszuschließen. Dies gilt zumindest dann, wenn die persönliche Leistungserbringung die Regel und die Leistungserbringung durch einen Dritten eine seltene Ausnahme darstellt, die das Gesamtbild der Tätigkeit nicht nennenswert verändert. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt dann lediglich eines von mehreren im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigendes Anzeichen dar.
Vorliegend war die Klägerin nach § 7 des Frachtführer-Vertrages berechtigt, zur Erfüllung der Vertragspflichten sich der Hilfe Dritter zu bedienen. Diese Möglichkeit hat jedoch das Gesamtbild der Tätigkeit nicht nennenswert verändert. Tatsächlich hat die Klägerin nämlich von dieser Möglichkeit lediglich in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht.
Die Beklagte selbst hat für das Jahr 1994 lediglich 2 Beispielsfälle aufgeführt, in denen nicht die Klägerin die vertraglich vereinbarte Tour gefahren ist. In einem Fall wurde das Fahrzeug von dem Vater der Klägerin geführt, in dem anderen Fall von dem Zeugen ... der von der Beklagten im übrigen auch als Springer eingesetzt wird.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer dargelegt, daß sie die meiste Zeit das Fahrzeug selbst gefahren ist. Lediglich zu den Zeiten, zu denen sie an der Leistungserbringung wegen Arbeitsunfähigkeit oder Urlaub verhindert war, ist vorwiegend ihr Vater für sie gefahren, von dem sie das Unternehmen übernommen hatte. Soweit der Vater die Tour nicht für die Klägerin übernehmen konnte, wurde nach der Darstellung der Klägerin regelmäßig ein Ersatzfahrer von der Beklagten selbst gestellt.
Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht hinreichend entgegengetreten. Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin in größerem Umfange dritte Personen zur Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung eingesetzt hat, sind nicht ersichtlich. Erfolgt aber der Einsatz Dritter nur für Zeiten, zu denen die Klägerin wegen einer Erkrankung oder wegen Urlaubs nicht selbst fahren konnte und wollte, und stellt die Beklagte für die Fälle, in denen die Klägerin selbst keinen Ersatz gefunden hat, selbst einen Ersatzfahrer, spricht die Möglichkeit des Einsatzes von Erfüllungsgehilfen nicht gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.
Hinzu kommt, daß die Beklagte in § 7 des Frachtführervertrages detailiert der Klägerin vorgeschrieben hat, welche Anforderungen an den Einsatz eines Erfüllungsgehilfen zu stellen sind. So war die Klägerin gemäß § 7 Ziffer 3 des Frachtführer-Vertrages verpflichtet, erstmals zum Einsatz kommende Erfüllungsgehilfen umfassend einzuarbeiten. Sie verpflichtete sich ferner, nur zuverlässige Personen zu beschäftigen und sich von der Zuverlässigkeit, insbesondere durch die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses, durch Vorlage der Zeugnisse, der vollständige Bewerbungsunterlagen und der erforderlichen Qualifikationsnachweise zu überzeugen, Personen, die vorbestraft sind oder gegen die in den letzten 3 Jahren ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde oder die in den letzten drei Jahren die eidesstattliche Versicherung geleistet haben, durfte sie nicht einsetzen. Sie mußte sich zudem darum bemühen, den für eine bestimmte Tour eingesetzten Erfüllungsgehilfen nach Möglichkeit nicht auszuwechseln. Der Erfüllungsgehilfe mußte bei seinem Einsatz die von der Beklagten entwickelte Imagekleidung tragen, aber nur während der Erfüllung der Vertragspflichten.
Die Klägerin konnte nach der tatsächlichen Durchführung des Frachtführer-Vertrages ihre Arbeitszeit nicht im wesentlichen frei bestimmen. Dabei enthält allerdings die Verpflichtung, bei der Auslieferung der Frachtsendungen bestimmte Terminvorgaben einzuhalten, für sich alleine keinen aussagekräftigen Hinweis auf ein Arbeitsverhältnis. Denn gerade ein Frachtführer unterliegt, wie § 428 Abs. 1 HGB a.F. zeigt, den von dem Dienstberechtigten oder dem Besteller vorgegebenen Terminen für die Erledigung der Arbeit, ohne daß daraus eine zeitliche Weisungsabhängigkeit folgt, die für ein Arbeitsverhältnis regelmäßig kennzeichnend ist. Gleichwohl mußte vorliegend auch hinsichtlich der Arbeitszeit eine persönliche Abhängigkeit festgestellt werden. So war die Klägerin verpflichtet, täglich morgens um 5.00 Uhr die Sendungen bei der Beklagten in Empfang zu nehmen. Die Waren waren von der Beklagten vorsortiert und tourengerecht zusammengestellt worden, so daß die Klägerin auf ihrer Tour nach ... zeitlich weitgehend ausgelastet war. Die Klägerin war nach § 8 Ziffer 2 des Frachtführer-Vertrages dazu verpflichtet, die Ausführung der Transporte unverzüglich jeweils am Tag der Übernahme vorzunehmen. Sie mußte zudem auf Weisung der Beklagten ein Telefon in ihrem Fahrzeug mitführen. Dadurch hatte die Beklagte die Möglichkeit, auch im Laufe des Tages der Klägerin weitere Aufträge zuzuteilen.
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin dazu berechtigt war, ihr zugeteilte Aufträge abzulehnen. Das Gegenteil folgt aus § 8 Ziffer 1 des Frachtführer-Vertrages. Hierin hat sich die Klägerin verpflichtet, die ihr von der Beklagten übertragenen Transporte durchzuführen und dabei die Anweisung der Beklagten genaustens zu beachten. Für den Fall, daß die Klägerin ihren Verpflichtungen aus diesem Vertrage nicht nachkommt, ist in § 2 Ziffer 3 ein fristloses Kündigungsrecht für die Beklagte vorgesehen.
Vertragsinhalt und praktische Durchführung des Vertragsverhältnisses lassen mithin den Schluß zu, daß die Beklagte der Klägerin letztlich jederzeit von Montag bis Freitag jeder Woche auszuführende Frachtaufträge zuweisen konnte. Dies spricht für eine ständige Dienstbereitschaft der Klägerin, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft ist (BAG v. 19.11.1997, a.a.O.).
Aber auch hinsichtlich der Gestaltung ihrer Tätigkeit verblieb der Klägerin aufgrund der vertraglichen Bindungen zu der Beklagten kein wesentlicher Spielraum.
Nach den vorstehenden Ausführungen war die Klägerin dazu verpflichtet, die ihr von der Beklagten zugeteilten Frachtaufträge anzunehmen und auszuführen. Sie durfte weder in eigenem Namen noch für ein anderes Unternehmen die Beförderung/Behandlung von Packstücken anbieten und Aufträge durchführen, soweit diese Leistungen dem Unternehmenszweck der Beklagten entsprechen. Zwar war es ihr erlaubt, im übrigen Güterbeförderungen für Dritte vorzunehmen. Angesichts der weitgefaßten Konkurrenzklausel blieb insoweit bereits nach dem Vertragsinhalt lediglich ein geringer unternehmerischer Gestaltungsspielraum für die Klägerin übrig. Dieser wurde weiter dadurch eingeschränkt, daß nach § 6 Ziffer 6 des Frachtführer-Vertrages die Umladung von Sendungen in andere Fahrzeuge sowie das Beladen nicht der Tour zugehöriger Sendungen nach Abschluß der Übernahme der Sendungen von der Beklagten nicht gestattet war. Die Klägerin durfte mithin nach 5.00 Uhr bis zur Beendigung ihrer Tour andere Waren nicht ausfahren.
Eine weitere übermäßige und mit dem Charakter eines selbständigen Frachtführer-Vertrages nicht zu vereinbarende Einschränkung der Gestaltungsfreiheit der Klägerin beinhaltet § 1 Abs. 2 des Frachtführer-Vertrages. Hiernach ist nämlich die Beklagte berechtigt, eine Änderung des Tourenbereichs durch mündliche Erklärung gegenüber der Klägerin vorzunehmen. Hierdurch greift die Beklagte gravierend in die vermeintliche Unternehmerfreiheit der Klägerin ein, indem sie sich berechtigt erklärt, die von der Klägerin zu fahrende Tour vorzuschreiben.
Unschädlich ist insoweit, daß die Klägerin letztlich die Reihenfolge der Zustellungen und damit ihre Fahrtroute selbst bestimmen konnte. Denn durch die Zeitoptionen der Kunden und dem von der Beklagten zugewiesenen Bezirk ergab sich für die Klägerin hierfür lediglich eine geringe Gestaltungsmöglichkeit. Wollte sie die Frachtaufträge effizient und pünktlich durchführen, mußte sie sich für den schnellsten und damit in der Regel kürzesten Weg zu den Kunden oder dem Depot entscheiden.
Auch die in dem Arbeitsvertrag vereinbarten Haftungsregelungen lassen die Klägerin stärker als eine selbständige Frachtführerin persönlich abhängig erscheinen. Sie hat nämlich in § 9 Ziffer 4 des Frachtführer-Vertrages ihre Deckungsansprüche gegenüber ihrer Versicherung unwiderruflich an die Beklagte abgetreten. Die Beklagte ist nach der vertraglichen Regelung berechtigt, die Deckungsansprüche des Frachtführers bei Eintritt des Versicherungsfalles im eigenen Namen gegenüber der Versicherung geltend zu machen. Macht die Beklagte von diesem abgetretenen Recht Gebrauch und zeigt sie diese der Versicherung an, so kann die Versicherung befreiend nur an ... zahlen.
Auch die von der Beklagten aufgestellten Verhaltens- und Ordnungsregeln sprechen vorliegend eher für als gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Zwar ist die Beklagte aus haftungsrechtlichen Gründen gezwungen, ein umfassendes Kontrollsystem zu errichten, das die Nachverfolgung eines jeden Frachtstückes ermöglicht. Regelungen, die nur diesem Zwecke dienen, lassen regelmäßig nicht auf ein Arbeitsverhältnis schließen.
Die vertraglichen Bindungen der Parteien gehen vorliegend aber über dieses Maß hinaus. So schreibt die Beklagte der Klägerin konkret vor, daß sie die Dienstkleidung der Beklagten zu tragen habe. Auch bezüglich des zu verwendenden Fahrzeuges erfolgen genaue Anweisungen der Beklagten. Dabei mag der Umstand, daß das Fahrzeug die Farben und das Logo der Beklagten aufweisen, und daß die Klägerin bestimmte Dienstkleidung tragen sollte, alleine nicht ausreichen, um für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zu sprechen (BAG v. 30.09.1998, 5 AZR 563/97). Die Beklagte schreibt der Klägerin jedoch in den Anlagen 4 und 5 zum Frachtführer-Vertrag im einzelnen vor, welche Ausrüstung vorhanden zu sein hatte. Nach § 3 Ziffer 2 des Frachtführer-Vertrages muß das Fahrzeug zudem "stets betriebs-, verkehrssicher und fahrbereit, sauber und optisch mängelfrei" sein. Auch hier handelt es sich um eine vertragliche Regelung, die in ihrer Intensität über das im Verhältnis zu einem selbständigen Frachtführer Nötige und Übliche hinausgeht und für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses spricht.
Schließlich steht der Annahme eines Arbeitsverhältnisses, wie auch in dem vom dem BAG entschiedenen Fall (BAG v. 19.11.1997, a.a.O.) nicht entgegen, daß die Klägerin die Frachtaufträge mit einem eigenen Fahrzeug durchführte und ein Gewerbe angemeldet hatte. Entscheidend ist nämlich, ob der Einsatz eines eigenen Fahrzeuges dem Eigentümer die Möglichkeit eröffnet, seine Tätigkeit im wesentlichen frei zu gestalten. Dies ist jedoch, wie eine umfassende Gesamtwürdigung des Vertragsverhältnisses der Parteien zeigt, nicht der Fall.
Ist die Klägerin hiernach Arbeitnehmer in der Beklagten, konnte diese das Arbeitsverhältnis nur unter den Voraussetzungen des § 1 KSchG kündigen. Kündigungsgründe hat die Beklagte jedoch nicht dargelegt. Die Kündigung ist deshalb gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt.
Die Beklagte war auch antragsgemäß dazu zu verurteilen, die Klägerin tatsächlich weiter zu beschäftigen. Da nämlich das Arbeitsverhältnis durch die im Streit stehende. Kündigung vom 26. August 1997 nicht beendet worden ist, steht der Klägerin auf der Grundlage des Beschlusses des Großen Senats des Bundesarbeitsgericht vom 27. Februar 1985 (AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) ein arbeitsvertraglicher Beschäftigungsanspruch zu. Die Beschäftigung hat dabei zu den Bedingungen zu erfolgen, die auch in der Vergangenheit Inhalt des von den Parteien abgeschlossenen Vertrages waren.
Das arbeitsgerichtliche Urteil war entsprechend abzuändern.
Als unterliegende Partei hat die Beklagte gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die erkennende Kammer hält sich in vollem Umfang bezüglich der im Streit stehenden Rechtsfragen an die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
Gegen dieses Urteil ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a ArbGG wird hingewiesen.