Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 16.07.2003, Az.: L 4 KR 106/00
Erstattung freiwillig gezahlter Beiträge zur Sozialversicherung; Voraussetzungen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses; Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ; Beschäftigung als nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis; Beziehung eines festen Arbeitsentgeltes als Indiz einer abhängigen Beschäftigung; Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und freiberuflicher Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 16.07.2003
- Aktenzeichen
- L 4 KR 106/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20357
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0716.L4KR106.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - AZ: S 6 KR 147/98
Rechtsgrundlagen
- § 26 Abs. 2 SGB IV
- § 5 Abs. 1 Nr.1 SGB V
- § 1 Abs. 1 Ziff.1 SGB VI
- § 168 Abs. 1 AFG
- § 20 Abs. 1 Ziff.1 SGB XI
- § 7 Abs. 1 SGB IV
- § 14 SGB IV
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.
- 2.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der freiwilligen Beiträge für den Zeitraum vom 1. Februar 1994 bis 30. April 1996.
Die 1966 geborene Klägerin ist geprüfte Bilanzbuchhalterin. Sie ist seit 1984 Mitglied der Beklagten. Bis zum 12. Oktober 1993 bestand eine Pflichtversicherung auf Grund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei einem Steuerberater. Sie war bereits ab 1992 im Steuerberatungsbüro des Beigeladenen zu 1) als Steuerfachgehilfin tätig. Zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) bestand unstreitig eine Vereinbarung, wonach die Klägerin 20 % der Nettosumme der Rechnungen als Vergütung erhielt, die den Kunden des Beigeladenen zu 1), für die die Klägerin Jahresabschlüsse und Steuererklärungen erstellte, erteilt wurden.
Der Kontakt zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) entstand durch eine im Januar 1992 von der Klägerin in der Nordwest-Zeitung aufgegebene Zeitungsanzeige, in der die Klägerin eine Aushilfstätigkeit bei einem Steuerberater suchte. Nach einem Vorstellungsgespräch, das zwischen der Klägerin einerseits und den Herren E. und F. andererseits stattfand, kamen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) dahin überein, dass sie als freie Mitarbeiterin des Beigeladenen zu 1) tätig werden sollte.
In der Folgezeit habe sich nach Ansicht der Klägerin die Tätigkeit immer mehr in Richtung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses entwickelt. Die Wandlung sei spätestens Anfang 1994 vollzogen worden, nachdem die so genannte rechte Hand des Herrn E. von dem Beigeladenen zu 1), die Diplomkauffrau G., ausgeschieden sei und der Klägerin deren Aufgaben übertragen worden seien. Dies habe u.a. zur Folge gehabt, dass sie nach Weisung ihres unmittelbaren Chefs, Herrn E., Dienstreisen mit diesem anzutreten gehabt habe.
Von April 1994 bis Ende 1994 war die Klägerin unstreitig vornehmlich mit der Erstellung des Jahresabschlusses für die Firma H.-Reisen beschäftigt. Die Klägerin verfügte unstreitig über einen Schlüssel zum Büro der Beigeladenen zu 1). Gegenüber dem Finanzamt gab die Klägerin für die Jahre 1994 - 1996 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit an. Die näheren Umstände der Tätigkeit sind zwischen den Beteiligten im Streit.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie in den Jahren 1994 und 1995 "rechte Hand" des Steuerberaters E. vom Beigeladenen zu 1) gewesen sei und deshalb die zuvor ausgeübte frühere Tätigkeit (Jahresabschlüsse und Steuererklärungen) nicht mehr während der Bürozeit habe ausüben können, sondern dies nach Dienstschluss habe erledigen müssen. Ihre Tätigkeit im Büro des Beigeladenen zu 1) sei deshalb praktisch nicht vergütet worden. Daraufhin übersandte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) die Rechnung vom 14. Mai 1996 über 125.602,71 DM. Diese Forderung machte die Klägerin dann vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Oldenburg geltend. Das ArbG gab in der Sitzungsniederschrift vom 10. Juni 1997 folgenden Hinweis:
"Das Gericht neigt der Auffassung zu, dass nicht nur auf Grund des gewählten Abrechnungsmodus, sondern auch wegen der Art und Ausgestaltung der Tätigkeit ein freies Mitarbeiterverhältnis näher liegen dürfte."
Die Klägerin schloss sodann mit dem Beigeladenen zu 1) folgenden Vergleich:
1.
"Die Beklagten zahlen an die Klägerin an restlichem Honorar für die Jahre 1994 und 1995 einen Betrag von 14.000,00 DM (i.W.: vierzehntausend 00/100 Deutsche Mark) brutto.2.
Mit der Erfüllung von Ziffer 1. dieses Vergleichs sind alle gegenseitigen Ansprüche zwischen den Parteien - gleich aus welchem Rechtsgrund - erledigt.3.
Die außergerichtlichen Auslagen tragen die Parteien je zur Hälfte, die außergerichtlichen Kosten trägt jede Partei selbst."
Im Mai 1997 beantragte die Klägerin die Erstattung der freiwilligen Beiträge und die Überprüfung des Versicherungsverhältnisses vom 1. Januar 1994 bis 30. April 1996. Mit Schreiben vom 28. Januar 1998 hörte die Beklagte die Klägerin an. Sie teilte der Klägerin mit, dass eine Arbeitnehmereigenschaft zu verneinen sei und sie in der Zeit vom 1. Februar 1994 bis 30. April 1996 als freie Mitarbeiterin beschäftigt gewesen sei. Mit Bescheid vom 24. Februar 1998 stellte die Beklagte fest, dass eine Erstattung der freiwillig gezahlten Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis einschließlich 30. April 1996 nicht möglich sei. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 1998 zurück. Es bestehe keine Versicherungspflicht zur Kranken- und Rentenversicherung sowie keine Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung. Die Klägerin sei zu Recht als hauptberuflich Selbstständige nach § 22 Abs. 3 der Satzung geführt worden. Auch die Pflegeversicherungsbeiträge ab 01.01.1995 seien zu Recht entrichtet. Ein Anspruch auf Beitragserstattung bestehe nicht.
Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Das SG hat die Beiladungen vorgenommen und die Klage mit Urteil vom 26. Januar 2000 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 7. April 2000 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Darüber hinaus hat es ausgeführt, dass in ein gegenseitig abgewickeltes Versicherungsverhältnis nicht mehr rück-wirkend eingegriffen werden könne. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass ein (stillschweigendes) Einverständnis zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) darüber geherrscht habe, dass die Tätigkeit freiberuflich sein solle. Wenn die Klägerin nach dem Bruch des Verhältnisses etwas anderes geltend mache, sei dies ein treuwidriges Handeln. Darüber hinaus seien seitens der Beklagten bereits Versicherungsleistungen erbracht worden. Das von der Klägerin selbst angenommene und anerkannte Unternehmerrisiko bestehe bereits darin, dass die Verwertbarkeit der eigenen Arbeitskraft ungewiss gewesen sei, also ein entsprechendes Vergütungsrisiko bestanden habe. Dem Unternehmer gleich habe die Klägerin alle möglichen Auslagen, Fahr- und Weiterbildungskosten selbst getragen, um erhöhte Leistungsmöglichkeiten ihrerseits anbieten zu können. Daraufhin habe sie einen Umsatzsteuer-Vorabzug durchgeführt, der in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis nicht hätte getätigt werden dürfen. Darüber hinaus sei auch die behauptete Arbeitszeit von bis zu 100 Stunden pro Woche arbeitnehmer-untypisch. Durch diesen Aufwand habe sie ein Monatsgehalt von etwa DM 10.000,- erreichen können. Dies sei jedoch mit ortsüblichen oder tariflichen Vergütungen nicht zu erreichen.
Gegen das der Klägerin am 24. Februar 2000 zugestellte Urteil hat diese Berufung eingelegt, die am 24. März 2000 beim SG Oldenburg eingegangen ist. Sie ist der Ansicht, dass sie im streitigen Zeitraum abhängig beschäftigt gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. Januar 2000 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 7. April 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 1998 aufzuheben und
- 2.
festzustellen, dass sie in der Zeit vom 1. Februar 1994 bis zum 30. April 1996 bei dem Beigeladenen zu 1) in einem gesamtsozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat und
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, die freiwilligen Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1), 2) und 4) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten, ebenso wie die Beigeladene zu 3), das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat in den Verhandlungen vom 28. Mai und 16. Juli 2003 die Zeugen I., J., K., F., G., L. und M. vernommen sowie die Klägerin und den Steuerberater E. vom Beigeladenen zu 1) gehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften vom 28. Mai und 16. Juli 2003 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des ArbG Oldenburg - 4 Ca 516/96 -, die Akten des Finanzamtes Nordenham und die Unterlagen der Klägerin verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des SG Oldenburg vom 26. Januar 2000 i.V.m. dem Berichtigungsbeschluss vom 7. April 2000 sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten sind zutreffend. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der im streitigen Zeitraum entrichteten freiwilligen Beiträge gem. § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach sind zu Unrecht gezahlte Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat.
Die freiwilligen Beiträge der Klägerin sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu Unrecht entrichtet. Bei der Klägerin lag im streitigen Zeitraum kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gemäß § 5 Abs. 1 Ziff.1 Sozial-Gesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vor. Für die gesetzliche Rentenversicherung folgt dies aus § 1 Abs. 1 Ziff.1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), für die Arbeitslosenversicherung seinerzeit aus § 168 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und für die Pflegeversicherung aus § 20 Abs. 1 Ziff.1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Krankenversicherung der Versicherungspflicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV (seit dem 1. Januar 1999 § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (vgl. Urteil des BSG vom 1. Dezember 1977, Az 12/3/12 RK 39/74 in BSGE 45, 199, 200 m.w.N.).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lag im streitigen Zeitraum bei der Klägerin eindeutig eine selbstständige Tätigkeit und kein abhängiges Beschäftigungs-Verhältnis gem. § 7 Abs. 1 SGB IV vor. Die Klägerin war in dem Betrieb der Beigeladenen zu 1) nicht eingegliedert. Sie unterlag weder nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung dem Weisungsrecht des Beigeladenen zu 1). Diese Feststellung ergibt sich zur Überzeugung des Senats insbesondere aus den Aussagen der Zeugen I., J., F., L. und M ... Besonders deutlich wird die fehlende Weisungsgebundenheit der Klägerin im Rahmen der Arbeitszeit bzw. -dauer. Bis auf die Zeugin G., haben sämtliche Zeugen bestätigt, dass die Klägerin in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit und Dauer frei war. Die Klägerin kam nämlich nach den übereinstimmenden Aussagen der zuvor genannten Zeugen nicht arbeitstäglich und auch später als die anderen Mitarbeiter des Beigeladenen zu 1) zur Arbeit ins Büro. Im Gegensatz zu diesen, die eine feste Arbeitszeit von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr hatten, kam die Klägerin, wenn sie in das Büro kam, häufig erst zur Frühstückspause um 10.00 Uhr. Zum Teil kam sie noch später im Laufe des Vormittags oder gar nicht. Auch das Ende der Kernarbeitszeit der anderen Mitarbeiter des Beigeladenen zu 1) brauchte die Klägerin nicht einzuhalten. Diese Feststellung ergibt sich insbesondere aus den Aussagen der Zeugen N. und F., wobei der Zeuge F. auch Sonntagsarbeit der Klägerin bekundet hat.
Eine örtliche Eingliederung der Klägerin in den Betrieb des Beigeladenen zu 1) lag gleichfalls nicht vor. Die Klägerin hatte keinen festen Arbeitsplatz im Büro des Beigeladenen zu 1). Diese Feststellung ergibt sich aus den Äußerungen der Zeuginnen L. und M ... Danach hat die Klägerin, wenn sie im Büro des Beigeladenen zu 1) war, vielmehr an jenen Computern gearbeitet, die gerade frei waren. Ansonsten arbeitete die Klägerin auch nach ihren eigenen Bekundungen weitestgehend zu Hause.
Eine Änderung in Bezug auf Tätigkeitswort und -zeit im Jahre 1995 wegen des Ausscheidens der Zeugin G. bzw. wegen der Umstellung der Computer hin zu einer zeitlich umfangreicheren oder ausschließlichen Beschäftigung im Büro des Beigeladenen zu 1), wie von der Klägerin in der Verhandlung vom 28. Mai 2003 vorgetragen, haben die Zeugen nicht bestätigt. Eine völlige Integration der Klägerin in zeitlicher und örtlicher Hinsicht in das Büro des Beigeladenen zu 1) kann der Senat daher nicht feststellen.
Die Klägerin hat auch kein festes Arbeitsentgelt gemäß § 14 SGB IV bezogen, wie bei abhängig Beschäftigten üblich. Diese Feststellung ergibt sich aus den glaubhaften Aussagen der Zeugen I., J., F. und L ... Die Zeugin L. hat ausgesagt, dass sie in der streitigen Zeit in der Lohnabrechung tätig war. Sie hat deshalb die Rechnungen, die die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) ausstellte, beglichen. Die Rechnungen der Klägerin gingen erst an Herrn E ... Nach Prüfung wurden sie von der Zeugin L. angewiesen. Die Zeugin, die die gesamte Finanzbuchhaltung für das Büro ausgeführte, hat niemals eine Lohnabrechnung für die Klägerin getätigt, wie es für die anderen Angestellten im Büro üblich war. Die Bezahlung der Klägerin erfolgte ausschließlich über die von ihr ausgestellten Rechnungen. Der Senat hat keine Veranlassung an der Aussage der Zeugin L. zu zweifeln, weil sie im Ergebnis von den Zeugen I., J. und F. bestätigt wird. Das Ausstellen von Rechnungen durch die Klägerin, wie von den Zeugen bekundet, wird durch die von der Klägerin ausgestellte Rechnung vom 14. Mai 1996, die Gegenstand des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht war, belegt. Damit fehlt es an einem weiteren Element der abhängigen Beschäftigung. Versicherungspflichtig Beschäftigte bekommen regelmäßig von ihrem Arbeitgeber ein Entgelt, ohne dass sie hierfür Rechnungen auszustellen hätten. Zwar ist in bestimmten Bereichen des Arbeitsmarktes die regelmäßige Lohn-/Gehaltszahlung auf ein sog monatliches Fixum beschränkt, das durch erfolgsabhängige Leistungen ergänzt wird. Eine Lohn-/Gehaltszahlung allein auf Grund des Umsatzes und nach Rechnungslegung wie bei der Klägerin ist für die abhängige Beschäftigung iSv § 7 SGB IV jedoch völlig untypisch. Im Gegensatz zur Klägerin erhielten die im Büro des Beigeladenen zu 1) abhängig Beschäftigten ein monatliches Entgelt und waren nicht am Umsatz beteiligt.
Nach alledem konnte der Senat nicht ein einziges Merkmal für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin bei dem Beigeladenen zu 1) feststellen.
Darüber hinaus lagen bei der Klägerin diverse Merkmale vor, die typischerweise die selbstständige Tätigkeit kennzeichnen. Hier ist zunächst das eigene Unternehmerrisiko zu nennen. Die Klägerin hatte keine ausschließliche Bindung an das Steuerberaterbüro des Beigeladenen zu 1). Hierüber gab es weder eine schriftliche noch eine mündliche Abrede. Mithin lag es im Rahmen der Selbstbestimmung der Klägerin, ihre freiberufliche Tätigkeit auch auf andere Steuerberatungsbüros ausdehnen zu können. Wenn die Klägerin diese Möglichkeit nicht genutzt hat, sondern ausschließlich für den Beigeladenen zu 1) tätig war, so ist dies Ausfluss ihrer eigenen Dispositionsmöglichkeit. Allein die Nichtinanspruchnahme der Option ist nicht als Merkmal gegen eine selbstständige Tätigkeit oder gar für eine abhängige Beschäftigung geeignet.
Die Klägerin hat die Beschränkung auf Tätigkeiten für das Steuerberatungsbüro des Beigeladenen zu 1) vielmehr dazu genutzt, eine Gewinnmaximierung zu erzielen. Sie hat diese im Rahmen ihrer Disposition als freiberuflich Tätige derart realisiert, dass sie auch nach Dienstschluss bzw. an den Wochenenden Arbeiten verrichtet hat, die sie dem Steuerberatungsbüro des Beigeladenen zu 1) in Rechnung gestellt hat. Diese Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft hat bei der Klägerin dazu geführt, dass sie eine wesentliche Einkommenssteigerung erzielen konnte. Nach den Ausführungen des Herrn E. vom Beigeladenen zu 1) hat die Klägerin im Einstellungsbogen im Januar 1992 ausgeführt, dass sie ein monatliches Bruttoeinkommen von 2.300,00 DM hatte. In den Jahren 1992 und 1993 hatte sie ein Nettoentgelt von 32.000,00 DM bis 48.000,00 DM p.a. erzielt. 1994 hat sie von dem Beigeladenen zu 1) 75.000,00 DM p.a. erhalten und im Jahre 1995 90.000,00 DM netto p.a. verdient. Eine derartige Vorgehensweise charakterisiert die Möglichkeiten von Selbstständigen. Sie ist - was im Vergleich zu den anderen Mitarbeitern des Steuerberaterbüros deutlich wird - untypisch für abhängig Beschäftigte. Die Arbeit der Klägerin war damit, wie sie es insbesondere gegenüber der Zeugin L. geschildert hat, lukrativer als die Tätigkeit im Angestelltenverhältnis bei dem Beigeladenen zu 1).
Die Zeugen I., L. und M. haben darüber hinaus ausgesagt, dass die Klägerin ihren freien Status ihnen gegenüber besonders hervorgehoben hat. So hat die Zeugin L. ausgeführt, dass die Klägerin zu den anderen Mitarbeitern gesagt hat:
"Ihr solltet auch freiberuflich tätig sein, das ist viel lukrativer".
Diese Aussage der Zeugin L. wird im Ergebnis durch die Zeugin I. und M. bestätigt.
Die Abrechnungspraxis der Klägerin, Rechnungen gegenüber dem Beigeladenen zu 1) auszustellen, wird auch nicht durch die von der Klägerin eingereichen Kontoauszüge der Commerzbank widerlegt. Zwar taucht dort der Betrag von 4.600,00 DM als "Abschlag incl. 15 %" des Beigeladenen zu 1) auf. Diese Buchungen datieren vom 28.04.1995, 29.05.1995, 28.06.2995, 28.07.1996, 13.09.1995, 28.09.1997, 27.10.1995 und 27.11.1995. Bereits aus dem Wortlaut wird deutlich, dass es sich um einen Abschlag handelt und nicht um ein festes Gehalt, wie von der Klägerin behauptet. Die Belege lassen lediglich einen Rückschluss darauf zu, dass die Klägerin regelmäßig eine Überweisung von 4.600,00 DM erhalten hat. Eine Erklärung, warum die Klägerin regelmäßig einen Abschlag erhalten hat, und zwar incl. 15 % - und zwar wovon - kann jedenfalls nicht als Nachweis für ein regelmäßiges Gehalt gewertet werden, zumal offen bleibt, wofür die 15 % stehen.
Darüber hinaus hat die Klägerin weitere Freiheiten der selbstständigen Tätigkeit genutzt und den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen. Sie hat sich auch gegenüber dem Finanzamt nicht wie eine abhängig Beschäftigte geriert.
Mithin lag nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine freiberufliche Tätigkeit der Klägerin im streitigen Zeitraum vor. In Ermangelung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gem. § 5 Abs. 1 Ziffer 1 SGB V war die Klägerin folglich zu Recht freiwilliges Mitglied der Beklagten. Sie hat daher die freiwilligen Beiträge nicht zu Unrecht gezahlt. Eine Erstattung gem. § 26 Abs. 2 SGB IV scheidet konsequenterweise aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor.