Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 21.07.2003, Az.: L 9 U 65/02
Rechtmäßigkeit von Bescheiden hinsichtlich der Folgen eines Arbeitsunfalls; Anspruch auf Feststellung einer Verschlimmerung von Unfallfolgen; Kausalität des angeschuldigten Ereignisses für Funktionsstörungen; Ausführungen in medizinischen Unterlagen; Vorliegen eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 21.07.2003
- Aktenzeichen
- L 9 U 65/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 21120
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0721.L9U65.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - 07.01.2002 - AZ: S 11 U 53/01
Rechtsgrundlagen
- § 153 Abs. 2 SGG
- § 44 SGB X
- § 48 SGB X
Redaktioneller Leitsatz
Eine Verschlimmerung der Unfallfolgen im Sinne einer Änderung der Verhältnisse kann nur geltend gemacht werden, wenn in der Vergangenheit mittels eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse festgestellt worden sind.
Tenor:
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 7. Januar 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in diesem Verfahren um die Rechtmäßigkeit in der Vergangenheit liegender Bescheide hinsichtlich der Folgen eines Arbeitsunfalls.
Der 1935 geborene Berufungskläger hatte am 17. Dezember 1992 ein Trauma an der rechten Schulter erlitten, als die Heckklappe eines VW-Busses auf seine rechte Schulter prallte. Mit Bescheid vom 31. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 1995 hatte es die Berufungsbeklagte abgelehnt, Unfallfolgen festzustellen. Zur Begründung hatte sie nach umfangreichen medizinischen Ermittlungen darauf hingewiesen, die bei dem Berufungskläger vorliegende Rotatorenmanschettenruptur sei nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen gewesen. Die vom Berufungskläger hiergegen erhobene Klage war vom Sozialgericht (SG) Hildesheim, mit Urteil vom 31. Juli 1997 abgewiesen und die hiergegen erhobene Berufung vom Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen mit Urteil vom 20. Juli 1998 zurückgewiesen worden. Zur Begründung hatten die Gerichte nach weiteren umfangreichen medizinischen Ermittlungen im Wesentlichen darauf hingewiesen, die bei dem Berufungskläger vorliegende Rotatorenmanschettenruptur der rechten Schulter sei nicht durch das angeschuldigte Ereignis ausgelöst worden. Bei dem festgestellten Hergang habe es sich nicht um einen geeigneten Mechanismus gehandelt, der zu einer Rotatorenmanschettenruptur führen könne. Bei dem Ereignis habe es sich auch nicht um eine wesentliche Teilursache der Rotatorenmanschettenruptur gehandelt. Das LSG hatte in seiner Entscheidung zudem darauf hingewiesen, der Berufungskläger habe im Verlauf des gesamten Verfahrens zahlreiche unterschiedliche Darstellungen des Hergangs gegeben; insbesondere habe er mehrfach seinen Vortrag im Hinblick auf ein weiteres Unfallereignis am 19. Dezember 1992 geändert. Schon daher sei seine Darstellung nicht glaubhaft. Weiter hatte sich das LSG ausführlich mit dem auf Antrag des Berufungsklägers seinerzeit erstatteten Gutachten des Dr. C. vom 27. Mai 1996 auseinander gesetzt und dargelegt, warum diesem Gutachten nicht gefolgt werden kann.
Nachdem die vom Berufungskläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundessozialgericht zurückgenommen worden war, stellte dieser am 19. Oktober 1999 einen Verschlimmerungsantrag bei der Berufungsbeklagten. Mit weiterem Antrag vom 14. Januar 2000 verfolgte er das Ziel, den Bescheid vom 31. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 1995 aufzuheben. Zur Begründung bezog er sich darauf, im vorangegangenen Verfahren sei das Gutachten von Dr. C. nicht genügend berücksichtigt worden. Weiter legte er Bescheinigungen des Allgemeinmediziners Dr. D. vom 9. September 2000 und des Anästhesisten Dr. E. vom 17. Februar 2000 vor.
Mit Bescheid vom 27. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2001 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 31. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 1995 aufzuheben.
Am 23. März 2001 ist Klage erhoben worden, zu deren Begründung der Berufungskläger Bescheinigungen über stationäre Krankenhausaufenthalte im Dezember 1999 und im Juli 2001 vorgelegt hat, in denen jeweils ein Zustand nach Rotatorenmanschettenruptur rechts festgehalten ist.
Das SG hat die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 7. Januar 2002 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2001 Bezug genommen. Darüber hinaus hat das SG darauf hingewiesen, die Sach- und Rechtslage sei vom LSG erschöpfend dargelegt worden.
Gegen den am 24. Januar 2002 zugestellten Gerichtsbescheid ist am 18. Februar 2002 Berufung eingelegt worden. Der Berufungskläger ist nach wie vor der Auffassung, seine Beschwerden seitens der rechten Schulter seien auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen. Zur Unterstützung seiner Berufung legte er einen Entlassungsbericht der F. vom 8. Januar 2002 vor.
Der Berufungskläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
- 1.
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Hildesheim vom 7. Januar 2002 und den Bescheid der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover vom 27. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2001 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2995 zurückzunehmen;
- 2.
die Berufungsbeklagte zu verurteilen, dem Berufungskläger aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 17. Dezember 1992 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 v.H. der Vollrente zu gewähren.
Die Berufungsbeklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihre angefochtenen Bescheide und den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Berufungsbeklagten (3 Bde zum Az.: R 7/30014) Bezug genommen. Weiter ist die Verfahrenakte zu Az.: L 6 U 318/97 beigezogen worden. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Enscheidungsgründe
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten in Anwendung von §§ 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat zu Recht erkannt, dass der Berufungskläger weder Anspruch auf Feststellung einer Verschlimmerung noch auf Aufhebung des Bescheides vom 31. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 1995 hat. Es ist hierbei von den richtigen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen ausgegangen und hat mit nachvollziehbaren Erwägungen und zutreffend seine Entscheidung begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides vom 7. Januar 2002 Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG.
Im Berufungsverfahren sind insoweit wesentliche neue Gesichtspunkte nicht zu Tage getreten.
Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, das sämtliche von dem Berufungskläger neu in das Verfahren eingebrachte, medizinische Unterlagen keinerlei Ausführungen zur Kausalität des angeschuldigten Ereignisses am 17. Dezember 1992 für die nunmehr vorliegenden Funktionsstörungen der rechten Schulter des Berufungsklägers enthalten. Dies gilt sowohl für die Bescheinigungen des Allgemeinmediziners Dr. D. vom 9. September 2000 als auch des Anästhesisten Dr. G. vom 17. Februar 2000. Beide Mediziner gehen nicht davon aus, dass die Funktionsstörung am rechten Arm des Berufungsklägers von dem angeschuldigten Ereignis stammt. Dies gilt namentlich auch für Dr. D., der lediglich unklar von einem Trauma im Dezember 1992 spricht; bekannterweise hat der Berufungskläger aber im Dezember 1992 zwei Traumen erlitten. Auch aus den vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Bescheinigungen über stationäre Krankenhausaufenthalte im Dezember 1999 und im Juli 2001 lassen sich keinerlei neue Aussagen über die Kausalität gewinnen. Dort wird lediglich festgehalten, es liege ein "Zustand nach Rotatorenmanschettenruptur" vor. Gleiches gilt für den vom Berufungskläger im Berufungsverfahren vorgelegten Entlassungsbericht der H. vom 8. Januar 2002.
Auch das erkennende Gericht gelangt daher zu dem Ergebnis, dass sich in Anwendung von § 44 SGB X nicht feststellen lässt, dass in der Vergangenheit bei Erlass des Bescheides vom 23. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 1995 das Recht unrichtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist.
Soweit der Berufungskläger durch seine Bevollmächtigten auch eine Verschlimmerung der Unfallfolgen im Sinne von § 48 SGB X geltend gemacht hat, kommt auch dies nicht in Betracht. Voraussetzung der Anwendung von § 48 SGB X ist nämlich, dass in der Vergangenheit mittels eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse festgestellt worden sind. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist indessen in dem versagenden Bescheid vom 31. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 1995 nicht zu sehen. Daher kommt die Anwendung von § 48 SGB X hier schon deswegen nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 183, 193 SGG.
Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG.