Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 25.07.2003, Az.: L 6 B 18/03 U

Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Arztes ( Sachverständigen ) aufgrund angeblicher Voreingenommenheit; Folgen des Austauschens eines Sachverständigen durch Beweisanordnung für einen Ausschluss des Sachverständigen für das gesamte Verfahren

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
25.07.2003
Aktenzeichen
L 6 B 18/03 U
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 20193
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0725.L6B18.03U.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Aurich - 19.05.2003 - AZ: S 3 U 50/01

Tenor:

Der Beschluss des Sozialgerichts Aurich vom 19. Mai 2003 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Arzt für Orthopädie Dr. C. in dem Rechtsstreit D. - Az. S 3 U 50/01 - als Sachverständiger ausgeschlossen ist.

Gründe

1

I.

Das unter dem Aktenzeichen S 3 U 50/01 vor dem Sozialgericht - SG - Aurich geführte Klageverfahren betrifft die Frage, ob ein Unfall, den der Kläger am 18. Juli 2000 erlitten hat, über eine Prellung hinaus Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Kniegelenks verursacht und der Kläger deshalb Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.

2

Das SG hat mit Beweisanordnung vom 18. September 2001 den Arzt für Orthopädie Dr. E. mit der Erstattung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung beauftragt. Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2001 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers diesen Arzt als Gutachter abgelehnt, weil der Kläger im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens bei der F. am 1. Dezember 1995 einen Begutachtungstermin wegen Meinungsverschiedenheiten abgebrochen habe. Mit Beschluss vom 29. Oktober 2001 hat das SG Aurich die Beweisanordnung vom 18. September 2001 abgeändert und den Arzt für Chirurgie Dr. G. zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat das chirurgische Gutachten vom 15. April 2002 erstattet.

3

Mit der Ladungsverfügung vom 25. April 2003 hat das SG Dr. E. als Sachverständigen zum auf den 21. Mai 2003 anberaumten Termin geladen und auf die Beweisfragen der Beweisanordnung vom 18. September 2001 Bezug genommen. Daraufhin hat der Kläger den Sachverständigen Dr. E. erneut als Sachverständigen abgelehnt und wiederum darauf hingewiesen, dass es in einem früheren Verfahren zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und Dr. E. gekommen sei. Der Kläger habe seinerzeit eine Untersuchung bei H. abgebrochen. Das SG hat die Stellungnahme des H. vom 12. Mai 2003 eingeholt. Anschließend hat es mit Beschluss vom 19. Mai 2003 das gegen diesen Arzt gerichtete Ablehnungsgesuch des Klägers zurückgewiesen: Der Kläger habe keine Umstände vortragen lassen, die eine Voreingenommenheit des Sachverständigen erkennen ließen. Das frühere Klageverfahren vor dem SG Aurich (S 3 U 365/94) habe einen völlig anderen Sachverhalt betroffen. Zudem habe Dr. E. glaubhaft dargelegt, dass er sich an den immerhin länger als 7 Jahre zurückliegenden Vorfall ebenso wenig wie an den Kläger erinnern könne.

4

Gegen diesen ihm am 23. Mai 2003 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 19. Juni 2003 Beschwerde eingelegt. Er ist nach wie vor der Auffassung, dass Dr. E. befangen sei. In seiner Auffassung werde er dadurch bestärkt, dass das SG mit Beschluss vom 29. Oktober 2001 die Beweisanordnung geändert und einen anderen Gutachter bestellt habe.

5

Der Richter am SG I. hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese mit Verfügung vom 24. Juni 2003 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Er hat hierzu vermerkt: Die Änderung der Beweisanordnung sei seinerzeit nicht erfolgt, weil er eine Voreingenommenheit des Sachverständigen befürchtet habe, sondern weil er davon ausgegangen sei, dass wegen der Vorbehalte des Klägers gegen den Sachverständigen das gerade für eine ambulante Untersuchung erforderliche Vertrauensverhältnis nicht zu Stande kommen würde. Trotzdem habe er keine Bedenken, Dr. E. nunmehr als Terminssachverständigen heranzuziehen. Denn als solcher wolle er die Beweisfragen lediglich nach Aktenlage ohne vorherige ambulante Untersuchung beurteilen.

6

II.

Die fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers ist zulässig. Sie ist auch begründet. Denn das SG hat den Sachverständigen Dr. E. durch den Beschluss (Beweisanordnung) vom 29. Oktober 2001 antragsgemäß wegen der Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen. Es hat ihn mit diesem Beschluss aus seiner öffentlich-rechtlichen Pflichtenstellung (§ 118 SGG i.V.m. §§ 402 ff. ZPO) entlassen und zwar auf Grund des Ablehnungsgesuchs vom 4. Oktober 2001. Der Beschluss kann, auch wenn er nicht ausdrücklich auf dieses Ablehnungsgesuch Bezug nimmt, bei der gebotenen objektiven Betrachtung nur als (unanfechtbare) stattgebende Entscheidung verstanden werden. Denn ein anderer Grund als das Ablehnungsgesuch ist für das - nach § 118 SGG in Verbindung mit § 360 ZPO zulässige - "Austauschen" des Sachverständigen schlechthin nicht erkennbar. Damit ist Dr. E. für das gesamte Verfahren als Sachverständiger ausgeschlossen, ohne dass es eines erneuten Ablehnungsgesuchs und einer Entscheidung hierüber bedurfte. Ebenso wenig hat der Senat deshalb zu prüfen, ob ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Dr. E. zu rechtfertigen.

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Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).