Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 10.07.2003, Az.: L 6 U 296/02

Entschädigungsleistungen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund eines Arbeitsunfalls; Anspruch auf Entschädigung für während eines Klinikaufenthalts zugezogenen Verletzungen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
10.07.2003
Aktenzeichen
L 6 U 296/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 20166
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0710.L6U296.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 30.04.2002 - AZ: S 72 U 262/99

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 30. April 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Entschädigung einer Schenkelhalsfraktur, die sie sich bei der Gymnastik während des stationären Aufenthalts in der Osteoporose-Klinik C. in D. am 26. Februar 1999 zuzog (Durchgangsarztbericht vom 12. März 1999). Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20. Mai 1999 Entschädigungsleistungen ab, nachdem Oberarzt Dr. E. der Chirurgischen Abteilung des F., D., in dem die Klägerin operiert wurde, mitgeteilt hatte, dass ausweislich der Unterlagen der Osteoporose-Klinik (ärztlicher Entlassungsbericht vom 5. März 1999) ein normaler Bewegungsvorgang bei ausgeprägter Osteoporose zur Fraktur des Schenkelhalses geführt habe. Während der Osteoporose-Gruppengymnastik sei es bei einer gehenden Rückwärtsbewegung zu einem plötzlichen Schmerz und zu einem Wegknicken des linken Beines mit anschließendem Sturz gekommen (Mitteilung vom 29. April 1999). Der Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1999).

2

Auf die am 1. November 1999 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Oldenburg zunächst medizinische Unterlagen beigezogen und in dem zur Beweisaufnahme bestimmten Termin am 12. Februar 2001 den Dipl.-Sportlehrer G. und Dr. H. als Zeugen vernommen sowie die Klägerin zum Sachverhalt gehört. Sodann sind weitere medizinische Unterlagen beigezogen, die Auskunft des Prof. Dr. I. in der Klinik C. vom 22. Februar 2001 eingeholt und Dr. J. mit der Erstattung des orthopädischen Gutachtens vom 16. Dezember 2001 beauftragt worden. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 30. April 2002 abgewiesen: Der von der Klägerin geschilderte Geschehensablauf sei schon nicht nachgewiesen. Selbst wenn dieser unterstellt werde, sei er wahrscheinlich nicht wesentlich für den erlittenen Körperschaden. Denn die Klägerin habe unter einer so hochgradigen Osteoporose gelitten, dass es schon zu mehreren Spontanbrüchen gekommen sei. Prof. Dr. I., Dr. H. und der Sachverständige Dr. J. führten aus, dass es bei einer so hochgradigen Osteoporoseerkrankung keines traumatischen Ereignisses bedürfe, um einen Bruch herbeizuführen. Vielmehr könne dieser durch jede Alltagsbewegung ohne äußere Einwirkung jederzeit auftreten.

3

Gegen das ihr am 30. Mai 2002 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 17. Juni 2002 eingelegten Berufung. Sie weist darauf hin, unmittelbar bei der Aufnahme im K. den Unfallhergang "Sturz während einer Rückwärtsdrehung auf die linke Hüfte" geschildert zu haben. Dieses sei in den medizinischen Unterlagen auch festgehalten worden. Des Weiteren sei eine Spontanfraktur des Schenkelhalses bei einer Alltagsbewegung angesichts der Stärke dieses Körperteils kaum vorstellbar. Zwar leide sie unter einer starken Osteoporose. Vor dem Unfall sei sie aber im Wesentlichen beschwerdefrei gewesen. Es sei bis zu dem Unfall zu keinen Brüchen von Knochen in der Stärke des Oberschenkelhalses gekommen. Der Sturz und die damit verbundene Gewalteinwirkung seien deshalb überwiegende Ursachen für den Bruch des Schenkelhalses. Die Beschwerden seien so erheblich, dass eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade vorliege.

4

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

  1. 1.

    das Urteil des SG Oldenburg vom 30. April 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1999 aufzuheben,

  2. 2.

    die mediale Schenkelhalsfraktur links als Folge des Arbeitsunfalls vom 26. Februar 1999 festzustellen,

  3. 3.

    die Beklagte zu verurteilen, ihr Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 vom Hundert der Vollrente zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Oldenburg vom 30. April 2002 zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

7

Der Senat hat die Beteiligten durch Verfügung des Berichterstatters vom 12. Mai 2003 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, über die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

8

Dem Senat haben neben den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

9

II.

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Senat hält das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Entscheidung konnte deshalb durch Beschluss ergehen (§ 153 Abs. 4 SGG).

10

Das SG hat die - hinsichtlich des Feststellungsantrags gemäß § 55 Abs. 1 Ziffer 3 SGG - zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig. Die Klägerin hat am 26. Februar 1999 keinen Arbeitsunfall erlitten. Deshalb stehen ihr auch Entschädigungsleistungen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu. Der Senat folgt den zutreffenden Entscheidungsgründen im angefochtenen Urteil (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und weist lediglich im Hinblick auf das Vorbringen der Berufung zusammenfassend auf Folgendes hin:

11

Die äußeren Umstände während der Gymnastik am 26. Februar 1999 sind auch unter Berücksichtigung der Argumente im Berufungsverfahren nicht mit der im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen Wahrscheinlichkeit wesentlich mitursächlich für die Schenkelhalsfraktur, wobei ihre Entstehung trotz der sorgfältigen und umfassenden Ermittlungen des SG letztlich unklar bleibt. Der Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des F. L. hatte von Anfang an Zweifel am Vorliegen eines Arbeitsunfalls und versorgte die Klägerin deshalb zu Lasten der AOK (Telefonvermerk vom 21. April 1999). Die Angaben im ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik C. vom 5. März 1999 legen auf Grund der ausgeprägten Osteoporose eine Spontanfraktur nahe, und den Vortrag der Klägerin, mit dem Fuß weggerutscht, hingefallen zu sein und erst danach einen Schmerz verspürt zu haben, vermochten die vom SG vernommenen Zeugen nicht zu bestätigen.

12

Doch selbst wenn davon ausgegangen würde, die Klägerin sei mit dem Fuß weggerutscht, hingefallen und habe dabei die Schenkelhalsfraktur erlitten, ist kein für sie günstiges Ergebnis die Folge. Auch dann sind die äußeren Umstände, insbesondere das Hinfallen rechtlich nicht wesentlich für die Schenkelhalsfraktur. Denn die vom SG vernommenen Zeugen und Prof. Dr. I. haben darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Gruppengymnastik die Patienten lediglich einer alltäglichen körperlichen Belastung ausgesetzt wurden. Die Klägerin fiel nicht aus einer schnellen Bewegung heraus hin, sondern befand sich in einer Rückwärtsdrehung. Das Hinfallen war deshalb nicht mit großer Energie verbunden. Des Weiteren war die Gymnastikhalle auf Osteoporosepatienten ausgerichtet. Der Boden hatte eine Gummibeschichtung, die nachgibt und sehr griffig ist (Aussage des Zeugen M.). Vor diesem Hintergrund käme dem von der Klägerin geschilderten Hergang für die Entstehung der Fraktur neben der ausgeprägten Osteoporose keine wesentliche Bedeutung zu.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

14

Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegt nicht vor.