Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 02.07.2003, Az.: L 2 RI 80/99
Höhe der Altersrente; Glaubhaftmachung der Beitragszahlung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 02.07.2003
- Aktenzeichen
- L 2 RI 80/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 19928
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0702.L2RI80.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - 25.02.1999 - AZ: S 13 d RI 188/98
Rechtsgrundlagen
- § 203 Abs. 1 SGB VI
- § 12 Abs. 3 DEVO
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Altersrente.
Der 1938 geborene Kläger ist gehörlos und war zuletzt bis Ende März 1978 in I. im Tischlereibetrieb der Firma J. (Firma S.) beschäftigt. Er hatte das Arbeitsverhältnis gelöst, weil er einen Arbeitsplatz in der Nähe seines Wohnortes in K. in Aussicht hatte. Da diese Aussicht trog, meldete er sich am 3. April 1978 bei der Bundesanstalt für Arbeit (BA) arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg), das ihm die BA bewilligte.
Im Oktober 1978 erhob er gegen die Firma S. vor dem Arbeitsgericht I. Klage wegen unzutreffender Lohnzahlungen für die Arbeitsunfähigkeitszeiten im Februar und März 1978 unter dem Az: 35 CA 385/78, die er jedoch wegen Versäumung der in dem Manteltarifvertrag des Verbandes der Berliner Holzindustrie vereinbarten Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis zurücknahm. Die Prozessakte ist 1996 vernichtet worden (Auskunft vom 10.02.2000).
In dem unter dem Az: S 2 AR 299/79 bei dem Sozialgericht (SG) L. anhängig gewesenen Rechtsstreit wegen der Höhe des Bemessungsentgelts für die Berechnung des Alg hatte das SG die Akten des Arbeitsgerichts I. beigezogen und festgestellt, dass in den Lohnabrechnungszeiträumen Februar und März 1978 zum Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma S. insgesamt 27 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt abgerechnet worden seien. Für den Monat Februar 1978 habe der Kläger
Berlinzulage in Höhe von 52,16 DM Urlaubsentgelt für die Zeit vom 13.02. - 24.02.1978 (10 Tage a 165,19 DM) im Gesamtbetrag von 1.651,90 DM Guthaben aus 1977 in Höhe von 421,57 DM vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 39,00 DM
somit 2.164,63 DM
sowie für den Monat März 1978
17 Tage Lohnfortzahlung à 117,66 DM im Gesamtbetrag von 2.000,22 DM zuzüglich eine vermögenswirksame Leistung von 39,00 DM 2.039,22 DM
erhalten.
Nach dem Vorbringen der Firma S. in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren hätte dem Kläger an Lohn aber nur 115,36 DM täglich und an Urlaubsgeld nur ein Tagessatz von 127,97 DM zugestanden. Von einer Berichtigung der Lohnabrechnungen habe die Arbeitgeberin allerdings abgesehen. Deshalb sei das Bemessungsentgelt für das begehrte Alg wie folgt zu ermitteln gewesen:
Februar 1978 10 Urlaubstage 1.651,90 DM vermögenswirksame Leistungen 39,00 DM Guthaben aus 1.977.421,57 DM
März 1978 17 Tage Lohnfortzahlung 2.000,22 DM vermögenswirksame Leistungen 39,00 DM 4.151,69 DM.
Die BA habe demnach Alg nach einem Bemessungsentgelt von 768,83 DM zu zahlen (Urteil vom 02.09.1990).
In Ausführung eines gerichtlichen Vergleichs, den die Beteiligten dieses Verfahrens 1986 außergerichtlich geschlossen hatten, bewilligte die Beklagte nach einem im Februar 1984 eingetretenen Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit mit Bescheid vom 16. September 1986 eine Zeitrente, die sie in der Folgezeit mehrfach verlängerte und mit Wirkung vom 1. März 1991 als Dauerrente gewährte. Aus dem dem Bewilligungsbescheid beigefügten Versicherungsverlauf ergab sich, dass die Beklagte bei der Rentenberechnung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) den Zeitraum von Januar 1978 bis 12. Februar 1978 nicht und für den Zeitraum vom 13. Februar 1978 bis Ende März 1978 nur ein Arbeitsentgelt von 3.519,00 DM berücksichtigt hatte.
Auf die dagegen erhobene Klage, mit der ein Schreiben der AOK I. vom 28. Februar 1978 über den Krankengeldbezug vom 3. Januar bis 11. Februar 1978 vorgelegt wurde, stellte die Beklagte die Rente unter zusätzlicher Anerkennung der Zeit vom 1. Januar 1978 bis 11. Februar 1978 als Ausfallzeit neu fest (Bescheid vom 13. Januar 1987). Ferner speicherte sie den vorgenannten Zeitraum direkt im Konto des Klägers. Dieser rügte eine fehlerhafte Beitragsabführung durch die Firma S. und stützte sein Erhöhungsbegehren zusätzlich auf die Feststellungen, die das SG L. a.a.O. zur Ermittlung des Bemessungsentgelts für den Alg-Bezug getroffen hatte. Das SG M. wies dagegen die Klage durch Urteil vom 11. Februar 1988 zum Az: 1 J 222/86 ab. Im anschließenden Berufungsverfahren trug der Kläger vor, die Firma S. hätte ihm damals bis zum 12. Februar 1978 Lohnfortzahlung gewähren müssen, habe dies jedoch pflichtwidrig unterlassen. Seine Berufung wies der Senat zurück und stellte darauf ab, dass der Kläger von Januar 1978 bis 11. Februar 1978 Krankengeld bezogen habe. Soweit er Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle begehre, sei dies eine Angelegenheit aus dem Arbeitsverhältnis. Die Beklagte habe jedenfalls den Zeitraum entsprechend der Mitteilung der AOK I. zutreffend als Ausfallzeit anerkannt. Auch die Behauptung, dass die Firma S. das Entgelt für die Monate Februar und März 1978 falsch berechnet habe, sei im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zu berücksichtigen (Urteil vom 27.09.1989 - Az: 2 LJ 62/88 -). Diese Entscheidung wurde bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 17. Juni 1998 bewilligte die Beklagte rückwirkend ab April 1998 Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres, wobei sie für den Monat Januar 1978 eine beitragsfreie Zeit, für den Monat Februar 1978 eine beitragsgeminderte Zeit mit einem Arbeitsentgelt von 1.224,00 DM und den Monat März als Beitragszeit mit einem Arbeitsentgelt von 2.295,00 DM zugrunde legte. Im anschließenden Klageverfahren hat sich der Kläger wiederum gegen die Nichtberücksichtigung seines Lohnfortzahlungsanspruchs für die Zeit bis 12. Februar 1978 und die Höhe des für die Folgezeit zugrunde gelegten Bruttoarbeitsentgelts gewandt und in Ablichtung die Entgeltbescheinigung der Firma S. über 4.151,00 DM für den Zeitraum von Januar bis März 1978 nach Anlage 11 zur Datenerfassungsverordnung vom 24.11.1972 (BGBl. I 2163 - DEVO) vorgelegt. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 1999 hat die Beklagte den Widerspruch gegen den Altersrentenbescheid unter Hinweis auf das rechtskräftige Senatsurteil vom 27. September 1989 zurückgewiesen. Dieser Entscheidung ist auch das SG gefolgt und hat die Klage gegen den Altersrentenbescheid mit Gerichtsbescheid vom 25. Februar 1999 abgewiesen.
Mit der rechtzeitig eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Rentenerhöhungsbegehren weiter. Er lässt inhaltlich beantragen,
- 1.
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 25. Februar 1999 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 1999 zu ändern,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, ihm rückwirkend ab 1. April 1998 höhere Altersrente nach Maßgabe eines Arbeitsentgelts von 4.151,00 DM für den Zeitraum von Januar bis März 1978 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hebt in ihrer Berufungserwiderung hervor, dass die Firma S. ihre Entgeltmeldung für die Monate Januar bis März 1978 über 4.151,00 DM berichtigt habe. Danach seien für den Zeitraum vom 13. Februar bis Ende März 1978 lediglich 3.519,00 DM als Entgelt gemeldet worden, wovon auch nur Beiträge zu Sozialversicherungen entrichtet worden sein dürften.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Im vorbereitenden Verfahren sind die den Kläger betreffenden Vorgänge der Beklagten, des Sozialgerichts L. und des Sozialgerichts M. beigezogen worden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den sonstigen Inhalt dieser Vorgänge und der Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Altersrentenbescheid vom 17. Juni 1998 erweist sich als rechtmäßig. Der Kläger kann nicht verlangen, dass die Beklagte für das erste Quartal 1978 höhere Entgeltpunkte berücksichtigt. Ihre Charakterisierung der rentenrechtlichen Zeiten, die der Kläger damals zurückgelegt hat, lässt sich ebenso wenig beanstanden wie die Entgeltpunkte, die in dem angefochtenen Bescheid dafür ermittelt wurden. Zutreffend hat die Beklagte bei der Rentenberechnung in Anwendung der Vorschriften der §§ 70 Abs. 1 Satz 1, 71 Abs. 1 und Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung des Gesetzes vom 6. April 1998 (Bundesgesetzblatt - BGBl.. - I, 688 SGB VI n.F.) die Monate Januar und Februar 1978 als beitragsfreie bzw. beitragsgeminderte Zeit behandelt und für den Monat März 1978 eine Beitragszeit mit einem rentenversicherungspflichtigen Entgelt von 2.295,00 DM zugrunde gelegt.
Den gesamten Zeitraum von Januar bis März 1978 hat sie nicht als Beitragszeit anzurechnen. Im Sinne der Vorschrift des § 203 Abs. 1 SGB VI n.F. kann der Kläger nicht glaubhaft machen, dass er damals durchgehend gegen Entgelt beschäftigt gewesen ist und die Firma S. Beiträge nach einem Arbeitsentgelt von 4.151,00 DM abgeführt hat. Auch nach seinem Vortrag hat bis 12. Februar 1978 kein Beschäftigungsverhältnis mit Lohnbezug bestanden. Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall reicht für die zusätzliche Berücksichtigung einer Beitragszeit nicht aus. Denn den behaupteten Anspruch hätte die Firma S. erfüllt und auf den Auszahlungsbetrag Sozialversicherungsbeiträge gezahlt haben müssen, um dem Klagebegehren teilweise zu entsprechen. Diese Voraussetzungen lagen aber unstreitig nicht vor. Feststellen lässt sich im vorliegenden Fall lediglich, dass die Firma S. im Februar und März 1978 ohne die Berlinzulage Arbeitsentgelte in Höhe von 4.151,69 DM abgerechnet, zunächst nach Anlage 11 der DEVO für den Zeitraum von Januar bis März 1978 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 4.151,00 DM bescheinigt und sodann ihre Angaben mit Vordruck nach Anlage 17 zur DEVO berichtigt hat. Offen bleiben muss dagegen, ob und ggf. in welcher Höhe sie für die angegebenen Beschäftigungszeiten im ersten Quartal 1978 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hat. In Fällen dieser Art war die Beklagte jedoch nach § 199 Abs. 1 Satz 1 SGB VI n.F. berechtigt, bei der Berechnung der Rente Beschäftigungszeiten in dem Umfang zugrunde zu legen, wie sie ihr im Meldeverfahren ordnungsgemäß übermittelt wurden. Nach dem im angefochtenen Rentenbescheid dokumentierten Meldeweg der gespeicherten Daten wurden ihr im ersten Quartal 1978 zuletzt Beschäftigungszeiten nur für die Zeit vom 13. Februar bis 31. März 1978 mit einem auf 3.519,00 DM reduzierten Arbeitsentgelt gemäß § 12 Abs. 3 DEVO weitergeleitet. Das bedeutet, dass sie nach Auswertung der unter dem 28. Februar 1978 erteilten Bestätigung der AOK I. über den Krankengeldbezug bis 11. Februar 1978 den Monat Januar 1978 als beitragsfreie und den Monat Februar 1978 als beitragsgeminderte Zeit werten und bei der Ermittlung der Entgeltpunkte für die Monate Februar und März 1978 die Beträge von 1.224,00 DM und 2.295,00 DM als Bemessungsgrundlage berücksichtigen durfte, die zusammen die auf 3.519,00 DM berichtigte Entgeltsumme ergeben.
Der Gerichtsbescheid des SG Lüneburg vom 25. Februar 1999 war daher zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor.