Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 07.07.2003, Az.: L 16 B 3/03 U
Ablehnung von berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation nach Arbeitsunfall; Frühzeitige und möglichst dauerhafte Wiedereingliederung in Beruf; Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung durch Landesversicherungsanstalt (LVA)
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 07.07.2003
- Aktenzeichen
- L 16 B 3/03 U
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 19949
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0707.L16B3.03U.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 24.02.2003 - AZ: S 7 U 296/02
Rechtsgrundlagen
- § 26 Abs. 1 SGB VII
- § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 24. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die 1946 geborene Klägerin erlitt am 26. August 1996 einen Arbeitsunfall, bei dem sie sich einen Sprunggelenksverrenkungsbruch rechts mit Innenknöchelabriss und einen Würfelbein- und Kleinzehenbruch links zuzog. Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls erhält sie eine Verletztenrente in Höhe von 30 v. H. der Vollrente seit dem 1. März 1999, nachdem sie vorher eine Rente als vorläufige Entschädigung in Höhe von 20 v. H. der Vollrente bezogen hatte. Zum Unfallzeitpunkt war die Klägerin als Wäschereigehilfin bei der F., Vechta, beschäftigt.
Die Beklagte gewährte der Klägerin gemäß Bescheid vom 4. März 1998 eine berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation in Form der Teilnahme an einer berufspraktischen Fortbildung für Rehabilitanden ab 2. März 1998 für die Dauer von sechs Monaten bei dem Bildungswerk G. in Cloppenburg. Diese Bildungsmaßnahme musste mit Wirkung zum 30. Juni 1998 abgebrochen werden, da es dem Bildungsträger trotz intensiver Bemühungen nicht gelang, für die Klägerin einen gesundheitlich geeigneten Praktikumsplatz zu finden. Diese nahm seinerzeit zwar verschiedene Praktikumsstellen wahr, jedoch traten gesundheitliche Probleme auf, die einen Praktikumswechsel und letztlich den Abbruch der Maßnahme erforderlich machten.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2000 gewährte die Beklagte der Klägerin die Teilnahme an der berufspraktischen Weiterbildung bei der H. ab 3. Januar 2000 als Maßnahme der Berufshilfe. Die Maßnahme musste jedoch mit Wirkung zum 18. Februar 2000 abgebrochen werden, da es weder der Klägerin noch dem Maßnahmeträger gelang, einen Praktikumsplatz für die weitere Teilnahme an der berufspraktischen Weiterbildung zu finden.
Mit Bescheid vom 13. März 2000 lehnte es die Beklagte ab, eine Wiederaufnahme der Maßnahme zum 3. April 2000 als Berufshilfe zu fördern. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass es nicht gelungen sei, für die Klägerin einen Praktikumsplatz zu finden, so dass die Rehabilitationsmaßnahme zum 18. Februar 2000 habe abgebrochen werden müssen. Darüber hinaus habe die Klägerin bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Oldenburg-Bremen einen Antrag auf Zahlung einer Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit gestellt; hieraus gehe hervor, dass sie sich selbst für erwerbsunfähig halte. Daher bestehe keine Veranlassung, Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation zu fördern, die dazu dienten, die Klägerin wieder in das Arbeitsleben einzugliedern.
Den am 29. März 2000 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2000 zurück. Zur Begründung führte sie aus, Ziel der beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen sei die Verbesserung der Vermittlungschancen der Rehabilitanden mit dem Ziel einer dauerhaften Wiedereingliederung in das Erwerbsleben. Da sowohl die im Jahr 1998 bewilligte als auch die am 3. Januar 2000 begonnene berufspraktische Maßnahme hätten abgebrochen werden müssen, sei davon auszugehen, dass es auch künftig nicht gelingen werde, gesundheitlich geeignete Praktikumsplätze zu finden, die in ein Beschäftigungsverhältnis einmünden könnten. Zudem halte die Klägerin sich selbst für erwerbsunfähig, denn sie habe einen entsprechenden Rentenantrag gestellt.
Die Klägerin hat am 8. August 2000 beim Sozialgericht (SG) Oldenburg Klage erhoben. Ferner hat sie gegen die LVA Oldenburg-Bremen Klage erhoben wegen Zahlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Mit Beschluss vom 6. September 2000 hat das SG auf Antrag der Beteiligten das Verfahren gegen die Beklagte zum Ruhen gebracht.
Das Streitverfahren gegen die LVA Oldenburg-Bremen wegen Zahlung einer Rente ist dadurch beendet worden, dass die LVA Oldenburg-Bremen sich verpflichtet hat, der Klägerin seit dem 1. August 2002 unbefristet Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen. Die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit gegen die Beklagte in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, dass sie laut Feststellungen der LVA in dem Parallelverfahren zumindest bis Juli 2002 erwerbsfähig gewesen sei.
Die Beklagte hat dem Kostenantrag widersprochen und geltend gemacht, die Klage sei von vornherein unbegründet gewesen, so dass eine Kostenübernahme nicht in Betracht komme.
Mit Beschluss vom 24. Februar 2003 hat das SG den Antrag der Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ob ein Anspruch auf eine Leistung eines Sozialversicherungsträgers bestehe, bestimme sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Wegen der Erwerbsunfähigkeit der Klägerin habe bereits seit dem 11. Juli 2002 kein Anspruch bestanden, sie wieder in das Erwerbsleben zu integrieren. Sie habe sich selbst schon zuvor als erwerbsunfähig angesehen und das Verfahren wegen Zahlung der Rente gegen die LVA Oldenburg-Bremen ausdrücklich als vorrangig bezeichnet. Nach den Umständen des zu entscheidenden Falles sei der Klage von Anfang an keine Erfolgsaussicht beizumessen gewesen. Daher sei es unbillig, dem Sozialversicherungsträger die außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 28. Februar 2003 zugestellten Beschluss am 6. März 2003 schriftlich beim SG Beschwerde eingelegt. Es hat ihr nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen vorgelegt.
Die Klägerin macht geltend, die Entscheidung des SG sei unzutreffend, denn sie sei bis zum 10. Juli 2002 erwerbsfähig gewesen. Sie habe sowohl gegen den Widerspruchsbescheid der LVA Oldenburg-Bremen als auch gegen den der Beklagten Klage erheben müssen, um den Eintritt der Rechtskraft der beiden Widerspruchsbescheide zu vermeiden. Es sei sinnvoll gewesen, eines der beiden Verfahren zum Ruhen zu bringen. Sie habe sich letztendlich für die Fortführung des Verfahrens gegen die LVA Oldenburg-Bremen entschieden, jedoch hätte sie auch eine Entscheidung in der Hinsicht treffen können, dass sie den Rechtsstreit gegen die Beklagte weiterführe. Wenn sich in dem Verfahren gegen die LVA Oldenburg-Bremen herausgestellt hätte, dass nicht von einer Erwerbsminderung auszugehen sei, hätte der Klage gegen die Beklagte stattgegeben werden müssen.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 24. Februar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und ist weiterhin der Ansicht, dass die Klage von vornherein keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe, so dass die Rücknahme der Klage nur folgerichtig gewesen sei.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten (Az. 98/122506/96.7 - 01) beigezogen. Diese Akte und die Gerichtsakte (Az. L 16 B 3/03 U, S 7 U 296/02) haben vorgelegen.
II.
Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist jedoch als unbegründet zurückzuweisen.
Da der angefochtene Beschluss des SG eine Kostenentscheidung gemäß § 193 Abs. 1 SGG zum Inhalt hat, hat - wie das LSG Bremen im Beschluss vom 18. Mai 1987 (Az. L 5 BR 2/86) ausgeführt hat &61531;vgl. auch Beschluss des LSG Bremen vom 15. November 1985, Az. L 5 BR 13/85, in Breithaupt 1987, Seite 523 (zur Kostenentscheidung nach Erledigung einer Untätigkeitsklage)&61533; - das Beschwerdegericht einen Ermessensspielraum zu respektieren, der der Vorinstanz eingeräumt ist. Die Kostenentscheidung des SG ergeht jedoch nicht nach freiem, ungebundenem Ermessen, sondern ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzungen sind die "Erfolgsaussicht" und/oder das "Veranlassungsprinzip"; diese unterliegen der uneingeschränkten Rechtsprüfung durch das Beschwerdegericht (vgl. LSG Bremen, a.a.O.; im Einzelnen streitig, vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Auflage 2002, § 193 Rn. 17; Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, 4. Auflage, Stand: Juli 2000, § 193 Rn. 98, 99).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der angefochtene Beschluss zu Recht ergangen. Zutreffend macht die Beklagte geltend, dass die Klage von Anfang an keine Erfolgsaussicht gehabt habe.
Nach § 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) haben Versicherte nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften unter anderem Anspruch auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation. Dabei hat der Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig die Versicherten nach ihrer Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung ihrer Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern (§ 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII).
Die Beklagte hatte der Klägerin bereits mit Bescheid vom 4. März 1998 eine berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation gewährt, die jedoch abgebrochen werden musste, weil es nicht gelang, einen für die Klägerin im Hinblick auf ihre gesundheitliche Beeinträchtigung geeigneten Praktikumsplatz zu finden. Nochmals gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 13. Januar 2000 eine Maßnahme der Berufshilfe in Form der Teilnahme an der berufspraktischen Weiterbildung bei der H. ab 3. Januar 2000. Auch diese Maßnahme musste mit Wirkung zum 18. Februar 2000 abgebrochen werden, da es wiederum weder der Klägerin noch dem Maßnahmeträger gelang, einen für die Klägerin geeigneten Praktikumsplatz zu finden. Angesichts dieser gescheiterten Bemühungen, die Klägerin wieder in das Arbeitsleben einzugliedern, war die Beklagte berechtigt, die Gewährung einer weiteren berufsfördernden Leistung zur Rehabilitation in Form der Wiederaufnahme der Maßnahme zum 3. April 2000 abzulehnen. Die Richtigkeit dieser Entscheidung ist später dadurch bestätigt worden, dass die Klägerin schließlich ab August 2002 von der LVA Oldenburg-Bremen eine Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung bezieht.
Angesichts dieser Darlegungen sind die Ausführungen der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht geeignet, ihrer Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Es kommt nicht darauf an, dass die Klägerin bis zur Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung - wenn auch eingeschränkt - erwerbsfähig oder berufsfähig war, denn zusätzlich war zu prüfen, ob eine berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation Erfolg versprechend war. Dies war nach dem Ergebnis der vorangegangenen Maßnahmen zu verneinen.
Nach allem hat das SG zu Recht entschieden, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, die der Klägerin entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).