Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 17.07.2003, Az.: L 6 U 171/02
Entschädigungsleistungen wegen eines Arbeitsunfalls; Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung; Erfordernisse für die Feststellung eines Arbeitsunfalls; Vorliegen eines Unfalls im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII)
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 17.07.2003
- Aktenzeichen
- L 6 U 171/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 25017
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0717.L6U171.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 06.03.2002 - AZ: S 7 U 283/00
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 1 S. 2 SGG
- § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 6. März 2002 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Entschädigungsleistungen wegen eines Arbeitsunfalls. Der 1969 geborene Kläger ist als Elektroinstallateur im Betrieb seines Vaters tätig. Nach seinen Angaben verspürte er am 14. August 1999 bei einem Kunden beim Abrücken einer Waschmaschinen-Trockner-Kombination einen stechenden Schmerz im linken Handgelenk.
Am 16. August 1999 suchte er wegen Schmerzen im linken Handgelenk Dr. C. auf und berichtete nach dessen Bericht vom 17. Februar 2000 über spontan aufgetretene Beschwerden. Er arbeitete zunächst weiter, seit dem 25. August 1999 war er arbeitsunfähig.
Seit 2. September 1999 befand er sich in Behandlung bei den Chirurgen (und DA-Ärzten) D., dort machte er keine Angaben über ein Unfallereignis. Er wurde zunächst wegen des Verdachts auf Vorliegen einer Insertionstendinose (Sehnenscheidenentzündung) mit einer Unterarmgipsschiene versorgt. Da sich die Beschwerden auch nach Gipsentfernung nicht wesentlich besserten, wurde ein MRT durchgeführt, das einen Riss im Discus artikularis am linken Handgelenk ergab (Bericht E. vom 8. März 2000).
Am 30. September 1999 stellte sich der Kläger auf Veranlassung von Dr. F. im Krankenhaus G. vor und klagte über seit 7 Wochen bestehenden Schmerzen im linken Handgelenk. Ein Unfallereignis sei nicht bekannt (Bericht Oberarzt H. vom 30. September 1999). Am 4. Oktober 1999 erfolgte die Arthroskopie, dabei wurden u.a. kleinere Rupturen des Discus artikularis gefunden. Die Histologie ergab eine "herdförmige Degeneration eines Meniskus im Randbereich von nicht mehr frischen Läsionen, wahrscheinlich sekundäre Degeneration" (Bericht Dr. I. vom 5. Oktober 1999).
Auf Veranlassung der IKK Bremen zeigte der Kläger am 17. Januar 2000 einen Arbeitsunfall an. Die Beklagte zog ärztliche Behandlungsberichte bei und holte das Gutachten von Ricklefs/Dr. J. vom 29. Mai 2000 ein. Nach deren Ansicht war das Ereignis vom 14. August 1999 nicht geeignet, einen Körperschaden zu verursachen. Die Ruptur des Discus artikularis links sei rechtlich wesentlich nicht auf dieses Ereignis zurückzuführen, sondern auf einen bereits bestehenden Vorschaden. Dieser Vorschaden sei durch den aktenkundigen Unfall von 1992 (Handwurzelprellung links) sowie die histologischen Befunde belegt. Die Rissbildungen seien zwischenzeitig genäht. Dr. K. teilte in dem neurologischen Zusatzgutachten vom 31. Mai 2000 unauffällige Befunde mit. Mit Bescheid vom 13. Juli 2000 lehnte die Beklagte Entschädigungsansprüche mit der Begründung ab, ein Arbeitsunfall liege nicht vor (Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2000).
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg hat der Kläger vorgetragen, es habe sich nicht um eine geplante und gezielte Bewegung gehandelt, sondern um eine plötzliche und überraschende Gewalteinwirkung durch eine plötzliche Gewichtsverlagerung. Denn die 190 kg schwere Trockensäule könne von einer Person nur bewegt werden, wenn das Gewicht hin- und her gerissen werde. Dadurch komme es in Sekundenbruchteilen zu einer plötzlichen Gewichtsverlagerung. Dabei sei der Discus im linken Handgelenk gerissen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 6. März 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es stehe nicht fest, dass der Kläger bei dem Ereignis vom 14. August 1999 einen Unfallschaden erlitten habe. Die Erstbefunde seien für eine frische Unfallverletzung vollkommen untypisch gewesen. Die später aufgedeckte Ruptur des Discus artikularis sei nach dem histologischen Befund alt, das genaue Alter sei nicht feststellbar.
Gegen diesen am 12. März 2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10. April 2002 Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor, in dem Operationsbericht werde nur deshalb von einer "alten Verletzung" gesprochen, weil diese bereits ca. 1 1/2 Monate zurückgelegen habe.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
- 1.
den Gerichtsbescheid des SG Oldenburg vom 6. März 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2000 aufzuheben,
- 2.
festzustellen, dass der Discusriss an seinem linken Handgelenk Folge eines Arbeitsunfalls ist,
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, ihm Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Oldenburg vom 6. März 2002 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte Bezug genommen. Der Entscheidungsfindung haben die Verwaltungsakten der Beklagten zu Grunde gelegen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig, sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat die nach § 55 Abs. 1 Ziffer 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Feststellungsklage zu Recht abgewiesen, denn es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger am 14. August 1999 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Deshalb hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Feststellung als Arbeitsunfall erfordert ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Im vorliegenden Fall lässt sich jedoch nicht wahrscheinlich machen, dass das Ereignis vom 14. August 1999 zu einem Discusriss am linken Handgelenk geführt hat. - Befunde vom 14. August 1999 liegen nicht vor, weil der Kläger erst zwei Tage nach dem Ereignis erstmals einen Arzt aufgesucht hat. Der Discusriss wurde erst Mitte/Ende September 1999 kernspintomographisch festgestellt. - Die histologische Untersuchung ergab eine Degeneration von nicht mehr frischen Läsionen, d.h. auch diese Befunde lassen nicht mit ausreichender Sicherheit darauf schließen, dass die Rissbildungen am 14. August 1999 entstanden sind. - Der Arthroskopie-Bericht lässt diese Schlussfolgerung ebenfalls nicht zu, denn in dem Bericht vom 4. Oktober 1999 heißt es lediglich: "Ruptur ulnar am ehesten traumatisch. alt." - Auch der Kläger selbst hat den Vorgang zunächst nicht als Unfall angesehen. Denn er hat bei seinen Arztbesuchen einen Unfall verneint. Die von ihm geschilderte Tätigkeit lässt auch nicht auf einen Unfall schließen, d.h. auf ein plötzliches auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden führt (vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII). Denn bei dem Abrücken der Waschmaschinen-Trockner-Kombination handelte es sich um eine willentlich gesteuerte Tätigkeit ohne plötzliche Belastung. Deshalb überzeugt die Würdigung der Gutachter D., wonach das Ereignis nicht geeignet war, die Rissbildung zu verursachen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.