Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 04.07.2003, Az.: L 13 SB 15/02
Herabsetzung des Grades der Behinderung ; Bedeutung und Folgen der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz ; Heilungsbewährung nach einem Herzinfarkt
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 04.07.2003
- Aktenzeichen
- L 13 SB 15/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 19940
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0704.L13SB15.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 22.04.2002 - AZ: S 27 SB 172/01
Rechtsgrundlagen
- § 3 SchwbG
- § 4 SchwbG
- § 24 SGB X
- § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X
Redaktioneller Leitsatz
Der Grad der Behinderung grundsätzlich unter Zuhilfenahme der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) zu bewerten. Diese sind zwar kein Gesetz und auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen. Es handelt sich bei ihnen jedoch um eine auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhende Ausarbeitung. Sie engt das Ermessen von Verwaltung und Ärzten ein, führt zur Gleichbehandlung und ist deshalb auch geeignet, gerichtlichen Entscheidungen zugrunde gelegt zu werden.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 22. April 2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem früheren Schwerbehindertengesetz (SchwbG).
Mit Bescheid vom 20. Juli 1994 stellte die Beklagte bei dem 1948 geborenen Kläger einen GdB von 50 fest. Dabei berücksichtigte sie folgende Funktionsstörungen:
- 1)
Herzinfarkt 01/1994 und 02/1994 (in Heilungsbewährung), koronare Herzkrankheit, Herzkranzgefäßdilatation (Einzel-GdB 50).
- 2)
Entzündliche Darmerkrankung (Einzel-GdB 20).
- 3)
Krampfadern (Einzel-GdB 10).
Im November 1997 leitete die Beklagte von Amts wegen eine Überprüfung ein. Nach Auswertung beigezogener aktueller Befundberichte befürwortete der Versorgungsärztliche Dienst der Beklagten hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung zu 1) eine Herabstufung nach positivem Ablauf der Heilungsbewährung (Einzel-GdB nunmehr: 20). Die entzündliche Darmerkrankung war nach seiner Beurteilung weggefallen, da Symptome einer Colitis ulcerosa (Entzündung der Dickdarmschleimhaut) ärztlicherseits nicht mehr beschrieben würden. Er empfahl nunmehr einen Gesamt-GdB von 20. Einen entsprechenden Herabsetzungsbescheid vom 6. Februar 1998 nahm die Beklagte im Widerspruchsverfahren wegen eines Anhörungsfehlers zurück (Widerspruchsbescheid vom 14.07.1999).
In einem anschließenden neuen Verwaltungsverfahren zog die Beklagte einen Befundbericht des Internisten Dr. I. vom 23. September 1999 bei. Dieser berichtete u.a. über ein hinzugetretenes schwergradiges Schlaf-Apnoe-Syndrom und fügte entsprechende Krankenhausberichte bei. Der Versorgungsärztliche Dienst stellte als Funktionsbeeinträchtigungen nunmehr eine koronare Herzkrankheit, Herzkranzgefäßdilatation (Einzel-GdB 30), ein Schlaf-Apnoe-Syndrom (Einzel-GdB 20) sowie Krampfadern (Einzel-GdB 10) fest und schlug einen Gesamt-GdB von 40 vor. Mit Schreiben vom 20. Oktober 1999 hörte die Beklagte den Kläger wegen einer entsprechenden Herabsetzung des GdB an. Sie teilte ihm mit, dass hinsichtlich der 1994 erlittenen Herzinfarkte ein Heilungsbewährungszeitraum eingeräumt worden sei. In diesem Zeitraum sei der GdB höher angesetzt worden, als es den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen habe, da die Beeinträchtigung der allgemeinen Lebensführung wegen der Rückfallgefährdung besonders zu berücksichtigen gewesen sei. Die Zeit der Heilungsbewährung sei insoweit komplikationslos abgelaufen, als kein weiterer Herzinfarkt aufgetreten sei. Dieses ergebe sich aus den eingeholten Befundberichten des Dr. I ... Ferner seien Symptome einer Colitis ulcerosa ärztlicherseits seit Jahren nicht mehr beschrieben worden, weshalb diese Funktionsbeeinträchtigung nicht mehr bestehe. Nachdem eine Äußerung des Klägers nicht eingegangen war, stellte die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. November 1999 ab dem 1. Januar 2000 einen Gesamt-GdB von 40 fest.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren nahm der Kläger über seinen Bevollmächtigten Akteneinsicht und machte geltend, weiterhin schwerbehindert zu sein. Sein Migräneleiden, ein Wirbelsäulensyndrom und eine Coxalgie rechts seien bei der Bewertung nicht berücksichtigt worden. Die Beklagte zog daraufhin einen weiteren Befundbericht des Dr. I. vom 10. April 2000 bei. Dieser gab an, der Versuch, das schwergradige Schlaf-Apnoe-Syndrom mit Hilfe einer nächtlichen Sauerstoffmaske günstig zu beeinflussen, sei gescheitert. Der Kläger sei nicht in der Lage, die Maske regelmäßig zu tragen. Insofern sei es zu einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes gekommen. Darüber hinaus leide der Kläger erneut unter einer perianalen Fistel und sei aus diesem Grund in eine Klinik eingewiesen worden. Der Bluthochdruck sei zurzeit gut eingestellt. Wegen orthopädischer Leiden sei der Kläger nicht in seiner Behandlung. Hinsichtlich der Analfistel übersandte Dr. I. Berichte des Krankenhauses J. über eine stationäre Behandlung vom 17. bis 22. Mai 2000. Ferner zog die Beklagte einen Befundbericht der Orthopädisch/Chirurgischen Gemeinschaftspraxis Dres. K. pp. vom 8. November 2000 über Behandlungen wegen einer Analfistel, lumbaler Schmerzen und Ellenbogenbeschwerden rechts bei. Der Versorgungsärztliche Dienst führte in seiner Stellungnahme vom 24. Januar 2001 aus, es ergäben sich aus den beigezogenen Unterlagen keine neuen Gesichtspunkte. Die operative Sanierung einer Analfistel stelle keine bleibende Behinderung dar. Eine chronische entzündliche Darmerkrankung sei koloskopisch und histologisch ausgeschlossen worden. Wegen lumbaler Beschwerden und Schmerzen im rechten Ellenbogen habe sich der Kläger Mitte Juli 2000 beim Orthopäden Dr. K. vorgestellt. Bewegungseinschränkungen hätten nicht festgestellt werden können, auch nach dem radiologischen Befund sei ein GdB von mindestens 10 nicht gerechtfertigt. Ein Beschwerdebild über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten sei nicht belegt. Mit einem weiteren Anhörungsschreiben vom 29. März 2001 informierte die Beklagte den Kläger über die nach Eingang der Widerspruchsbegründung beigezogenen medizinischen Unterlagen und fügte eine Kopie der versorgungsärztlichen Stellungnahme bei. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2001 wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 31. Mai 2001 Klage beim Sozialgericht (SG) Bremen erhoben. Er hat geltend gemacht, dass die koronare Herzkrankheit mit einem GdB von 30 nicht ausreichend eingestuft sei. Insoweit habe der behandelnde Internist Dr. I. eine Verschlechterung des Zustands festgestellt. Außerdem sei er wegen eines Bluthochdruckleidens in Behandlung. Ferner habe die Beklagte sein Wirbelsäulenleiden sowie die Beschwerden an der rechten Hüfte und am rechten Ellenbogen nicht berücksichtigt.
Das SG hat Befundberichte des Chirurgen Dr. L. vom 5. November 2001 und des Dr. I. vom 28. Oktober 2001 beigezogen. Hierzu hat die Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme vom 3. Dezember 2001 vorgelegt. Darin heißt es, bezüglich der Herzerkrankung ergäben sich keine weiteren Gesichtspunkte. Ein Bluthochdruck bestehe bereits seit Jahren und sei mit Medikamenten ausreichend eingestellt. GdB-pflichtige Folgeerscheinungen seien ärztlicherseits nicht beschrieben worden. Wegen Rückenschmerzen im LWS-Bereich habe sich der Kläger im April 2001 bei Dr. L. vorgestellt. Eine chirotherapeutische Behandlung habe zu einer baldigen Besserung der Beschwerden geführt, so dass die Behandlung nach drei Wochen habe beendet werden können. Bleibende Funktionseinschränkungen würden nicht beschrieben. Es komme also nach wie vor zu deutlichen, therapiebedürftigen LWS-Beschwerden, die aber recht kurzfristig gebessert werden könnten. Ein GdB von mindestens 10 bestehe hierdurch nicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. April 2002 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) berechtigt gewesen, den GdB auf 40 herabzusetzen. Hinsichtlich der bei dem Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren Bewertung hat sich das SG den Stellungnahmen des Versorgungsärztlichen Dienstes der Beklagten angeschlossen und davon ausgehend den vorgeschlagenen Gesamt-GdB von 40 für zutreffend gehalten.
Gegen den ihm am 27. Mai 2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10. Juni 2002 Berufung eingelegt. Unter Hinweis auf ein Urteil des SG Düsseldorf vom 13. Februar 2002, Az. - S 31 SB 282/01 -, vertritt er die Auffassung, dass ein von der Versorgungsverwaltung nach dem SchwbG gewährter GdB nicht unter Berufung auf das Institut der Heilungsbewährung, welches in den vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) geregelt sei, entzogen werden könne. Weder aus § 48 SGB X noch aus anderen Rechtsvorschriften lasse sich ableiten, dass der GdB ohne Änderungen in den tatsächlichen Befunden neu festgestellt werden könne. Der Kläger ist ferner der Auffassung, dass die AHP kein in sich logisches und wissenschaftlich nachvollziehbares Beurteilungsgefüge darstellten. Sie seien auch wegen mangelnder Transparenz mit höherrangigem Recht nicht vereinbar, denn die vom ärztlichen Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung auf seinen halbjährlichen Sitzungen gefassten Änderungsbeschlüsse würden ausschließlich den Versorgungsbehörden zur Verfügung gestellt. Schließlich könnten die AHP spätestens seit In-Kraft-Treten des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) zum 1. Juli 2001 nicht mehr angewendet werden. Im Übrigen macht der Kläger geltend, dass der Gesamt-GdB wegen Hüft- und LWS-Beschwerden, die auch schon zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung vorgelegen hätten, um 10 zu erhöhen sei, so dass insgesamt ein GdB von 50 vorliege.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 22. April 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 29. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2001 aufzuheben.
die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid sowie die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung sei das in den AHP geregelte Institut der Heilungsbewährung sehr wohl geeignet, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse und damit eine Neufeststellung zu begründen. Ferner sei der Nachweis einer GdB-pflichtigen Funktionsstörung der Wirbelsäule sowie des rechten Hüftgelenks nicht erbracht worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Prozessakte sowie die Schwerbehindertenakte der Beklagten. Diese Unterlagen haben dem Gericht vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte war berechtigt, den GdB mit Wirkung ab dem 1. Januar 2000 auf 40 herabzusetzen.
Die Behinderung und der dadurch bedingte GdB sind im vorliegenden Fall noch nach den Vorschriften der §§ 3, 4 SchwbG festzustellen, das bis zum 30. Juni 2001 gegolten hat. Denn es handelt sich um eine reine Anfechtungsklage, so dass auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 03.05.2001) abzustellen ist.
Entgegen der vom Kläger im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung ist der GdB grundsätzlich unter Zuhilfenahme der AHP, Stand November 1996 (AHP 1996), zu bewerten. Diese sind zwar kein Gesetz und auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen. Es handelt sich bei ihnen jedoch um eine auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhende Ausarbeitung. Sie engt das Ermessen von Verwaltung und Ärzten ein, führt zur Gleichbehandlung und ist deshalb auch geeignet, gerichtlichen Entscheidungen zugrunde gelegt zu werden. Gibt es solche anerkannten Bewertungsmaßstäbe, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich von diesen auszugehen (BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 m.w.N.). Deshalb stützt sich auch der erkennende Senat in seiner ständigen Rechtsprechung auf die genannten Anhaltspunkte. Soweit sich der Kläger auf das Urteil des SG Düsseldorf vom 13. Februar 2002 (Az. S 31 SB 282/01) beruft, wonach ein GdB aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht unter Berufung auf das in den AHP geregelte Institut der Heilungsbewährung herabgesetzt werden darf, ist dieses Urteil zwischenzeitlich aufgehoben worden (Urteil des Landessozialgerichts -LSG - Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 2002, Az. L 7 SB 39/02). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat trotz der vom SG Düsseldorf erhobenen Einwände keinen Anlass gesehen, von der ständigen Rechtsprechung des BSG zur Anwendbarkeit der AHP abzuweichen. Dieser Beurteilung schließt sich der erkennende Senat an.
Der angefochtene Bescheid vom 29. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2001 ist formell und materiell rechtmäßig. Er ist verfahrensfehlerfrei ergangen. Insbesondere hat die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 20. Oktober 1999 ordnungsgemäß angehört (§ 24 SGB X). Sie hat ihm die für die beabsichtigte Entscheidung erheblichen Tatsachen (Heilungsbewährung hinsichtlich der Herzinfarkte, Wegfall der Darmerkrankung) und die zugrunde liegenden Befundberichte mitgeteilt. Im anschließenden Widerspruchsverfahren hat der Kläger durch Akteneinsicht Kenntnis der vorliegenden medizinischen Unterlagen erhalten. Über die danach noch beigezogenen Befundberichte ist der Kläger mit Schreiben vom 29. März 2001 informiert worden. Das Ergebnis der Ermittlungen konnte er der beigefügten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24. Januar 2001 entnehmen.
Der angefochtene Herabsetzungsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist die Beklagte berechtigt gewesen, den GdB unter Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides vom 20. Juli 1994 mit Wirkung ab dem 1. Juli 2000 auf 40 festzusetzen, denn gegenüber der Feststellung von 1994 hatte sich eine wesentliche Änderung ergeben.
Nach den im Jahr 1994 gültigen AHP, Ausgabe 1983 (AHP 1983), war nach einem Herzinfarkt die GdB-Bewertung vor allem von der verbliebenen Leistungsbeeinträchtigung abhängig. Daneben war für ein Jahr nach dem Herzinfarkt eine Heilungsbewährung abzuwarten; während dieser Zeit war auch bei relativ geringer Leistungsbeeinträchtigung ein GdB um mindestens 50 anzunehmen (Nr. 26.9, S. 67). Dieses führte im Falle des Klägers dazu, dass mit Bescheid vom 11. Juli 1994 aufgrund der im Januar und Februar 1994 erlittenen Herzinfarkte ohne Rücksicht auf die tatsächlich verbliebene Leistungsbeeinträchtigung ein Einzel-GdB von 50 angenommen wurde. Die Heilungsbewährung war vorliegend ohne Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse allein dadurch eingetreten, dass der Kläger innerhalb eines Jahres keinen weiteren Herzinfarkt erlitten hatte. Die Beklagte war danach - an sich schon im Jahr 1995 - berechtigt und verpflichtet, eine Neubewertung des Leidens unter Berücksichtigung der tatsächlich vorliegenden Leistungsbeeinträchtigung vorzunehmen. Die nunmehr anzuwendenden AHP 1996 sehen bei einer koronaren Herzkrankheit mit Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (z.B. forsches Gehen &61531;5 - 6 km/h&61533;, mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens zwei Minuten) einen GdB von 20 - 40 vor (Nr. 26.9, S. 86f). Angesichts der zum Zeitpunkt des Herabsetzungsbescheides aktenkundigen ergometrischen Belastbarkeit von bis zu 100 Watt erweist sich der vom Versorgungsärztlichen Dienst vorgeschlagene Einzel-GdB von 30 als zutreffend. Eine höhere Bewertung kam nicht in Betracht, da hierfür nach den AHP 1996 (a.a.O.) eine Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. Spazierengehen &61531;3 - 4 km/h&61533;, Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens zwei Minuten) erforderlich ist. Eine Leistungsbeeinträchtigung von derartigem Ausmaß war bei dem Kläger nach den vorliegenden Befunden nicht gegeben. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, ob die AHP 1983 bei der Erstfeststellung des GdB im Juli 1994 insoweit noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprochen haben. Auch wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, so würde dieses lediglich zur Unverbindlichkeit der AHP in diesem Punkt führen, aber nichts daran ändern, dass der Bescheid vom 20. Juli 1994 - wenn auch zu Unrecht - auf den GdB-erhöhenden Umstand einer noch abzuwartenden einjährigen Heilungsbewährung gestützt war und sich mit Ablauf dieser Zeit eine nach § 48 Abs. 1 SGB X zu berücksichtigende Tatsache geändert hatte (vgl. BSG vom 12.02.1997, SozR 3-1300 § 48 Nr. 60).
Die weiteren von der Beklagten anerkannten Funktionsstörungen (Schlaf-Apnoe-Syndrom, Krampfadern) sind unstreitig mit einem Einzel-GdB von 20 bzw. 10 zutreffend bewertet worden. Der medikamentös gut eingestellte Bluthochdruck ohne Folgeschäden bedingte keinen GdB (vgl. AHP 1996, Nr. 26.9, S. 92).
Weitere GdB-pflichtige Funktionsstörungen lagen bei dem Kläger zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor. Insbesondere bedingten die geltend gemachten LWS-, Hüft- und Ellenbogenbeschwerden noch keinen GdB. Nach den AHP 1996 kommt es bei Leiden dieser Art nicht auf die röntgenologischen Befunde, sondern vielmehr auf das Ausmaß etwaiger Bewegungseinschränkungen bzw. - bei Wirbelsäulenschäden - auch auf eine etwaige Instabilität an (Nr. 26.18, S. 139, 144, 152). Der Chirurg Dr. L. hat in seinem für das SG erstatteten Befundbericht vom 5. November 2001 über eine erfolgreiche, im April 2001 durchgeführte Behandlung von Rückenschmerzen im LWS-Bereich berichtet. Funktionsbeeinträchtigungen hat er nicht angegeben. Bei dem Orthopäden Dr. K. stand der Kläger im Juli/August 2000 wegen Schmerzen im Lumbalbereich und im rechten Ellenbogen in Behandlung (Befundbericht vom 08.11.2000). Der Versorgungsärztliche Dienst hat hierzu in seinen Stellungnahmen vom 24. Januar und 3. Dezember 2001 zutreffend ausgeführt, dass Bewegungseinschränkungen nicht mitgeteilt worden seien und angesichts der nur kurzfristigen Behandlungen und der von Dr. L. mitgeteilten Besserung von einer bleibenden Behinderung nicht ausgegangen werden könne. Selbst wenn aber entsprechend dem Vorbringen des Klägers insoweit ein weiterer Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigen wäre, würde dieser nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führen. Denn zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, führen nach den AHP 1996 (Nr. 19, S. 35) - von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen - nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen.
Hinsichtlich der Grundsätze der Gesamt-GdB-Bildung wird im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in dem Gerichtsbescheid Bezug genommen. Danach ist der hier von der Beklagten feststellte Gesamt-GdB von 40 nicht zu beanstanden. Dem durch das Herzleiden bedingten Einzel-GdB von 30 sind wegen der mit dem Schlaf-Apnoe-Syndrom verbundenen Funktionsbeeinträchtigung (Einzel-GdB 20) 10 Punkte hinzuzufügen, so dass sich ein Gesamt-GdB von 40 ergibt. Das Krampfaderleiden mit einem Einzel-GdB von 10 wirkt sich nicht erhöhend aus (s. o.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es hat kein Anlass bestanden, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).