Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.01.2003, Az.: 12 Sa 1418/02
Ausserordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz; Entbehrlichkeit einer Abmahnung; Störung im Vertrauensbereich; Bedürftigkeit als unverschuldete Verhinderung der Einhaltung einer Notfrist
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 12.01.2003
- Aktenzeichen
- 12 Sa 1418/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 10670
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2003:0112.12SA1418.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 28.02.2000 - AZ: 13 Ca 129/99
Rechtsgrundlagen
- § 626 BGB
- § 233 ZPO
- § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG
Amtlicher Leitsatz
Sexuelle Übergriffe eines Vorgesetzten (tätliche Belästigungen) während der Arbeitszeit gegenüber weiblichen Mitarbeiterinnen rechtfertigen regelmäßig eine fristlose Kündigung auch ohne Abmahnung, wenn es sich um äußerst massive tätliche Belästigung handelt.
Redaktioneller Leitsatz
Wer als Vorgesetzter während der Arbeitszeit sexuelle Übergriffe gegenüber seinen weiblichen Untergebenen vornimmt und insbesondere tätliche Belästigungen verübt, verletzt nicht nur die Ehre und das Ansehen seiner Mitarbeiterinnen sondern handelt auch gröblich den Interessen seines Arbeitgebers zuwider und gibt diesem damit regelmäßig einen Grund zur fristlosen Kündigung.
Eine Abmahnung ist in einem solchen Fall entbehrlich. Es liegt nämlich ein besonders schwerwiegender Verstoss vor, der das für ein Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauen auf Dauer zerstört. Der Arbeitnehmer konnte von vornherein nicht damit rechnen, dass sein Verhalten hingenommen wird und ohne rechtliche Konsequenzen im Hinblick auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses bleibt.
In dem Rechtsstreit
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 21.01.2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Niedersachsen Röder und
die ehrenamtlichen Richter Dr. Richter und Gelbe
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 28. Februar 2000 - 13 Ca 129/99 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Der am geborene Kläger, welcher verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, stand seit dem 01. Mai 1972 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2. bzw. deren Rechtsvorgängerin und war als Schwerpunktreiseleiter zuletzt zuständig für die Region und . Auf Grund interner Umstrukturierung innerhalb des Konzerns der Beklagten zu 2. wurde der Kläger zum 01. Januar 1998 für die Beklagte zu 1. tätig. Diese zahlte ihm zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von etwa 4.575,00 DM nebst garantiertem Bonus, welcher 1998 14.000,00 DM betragen hat.
Mit Schreiben vom 03. Juni 1999 (Fotokopie Bl. 14 d. A.), dem Kläger zugegangen am selben Tage, kündigte die Beklagte zu 1. das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 20. Juni 1999, hilfsweise fristgemäß zum 31. Januar 2000.
Mit seiner am 22. Juni 1999 beim Arbeitsgericht Hannover eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung mit den Anträgen:
- 1.
im Verhältnis zur Beklagten zu 1. festzustellen, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 03.06.1999 nicht beendet wurde.
- 2.
im Verhältnis zur Beklagten zu 2. festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 03.06.1999 unwirksam ist und dass die im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien erworbenen Arbeitnehmerrechte des Klägers zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus unverändert fortbestehen.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 107 bis 111 d. A.), die erstinstanzlichen Sitzungsniederschriften sowie den Inhalt der zu den Akten erster Instanz gelangten Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen verwiesen.
Das Arbeitsgericht Hannover hat nach Beweisaufnahme (vgl. die erstinstanzliche Sitzungsniederschrift vom 28. Februar 2000, Bl. 95 bis 98 d. A.) durch das am 28. Februar 2000 verkündete, hiermit in Bezug genommene Urteil (Bl. 106 bis 120 d. A.) die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 17.225,00 DM festgesetzt. Es hat angenommen die zulässige Klage sei nicht begründet. Gegenüber der Beklagten zu 2. sei die Klage schon deshalb unbegründet, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestehe.
Das zwischen der Beklagten zu 1. und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche Kündigung vom 03. Juni 1999 mit der von der Beklagten zu 1. eingeräumten Auslauffrist zum 20. Juni 1999 aufgelöst worden. Die Beklagte zu 1. habe das Arbeitsverhältnis der Parteien rechtswirksam aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt. Auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme vom 28. Februar 2000 stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger am 12. Mai 1998 die Zeugin N. in grober Weise sexuell belästigt habe, indem er sie zu sexuellen Handlungen und Duldungen aufgefordert habe, obwohl er aus ihren Reaktionen habe ableiten müssen, dass dies von der Zeugin abgelehnt werde. Die Zeugin habe glaubhaft bekundet, dass sie sich vom Zungenkuss des Klägers, den sie nicht erwidert habe, überrumpelt gefühlt habe und nicht gewusst habe wie sie sich verhalten sollte. Sie habe dargelegt, dass die sexuell bestimmten körperlichen Berührungen und Aufforderungen des Klägers ihr unangenehm gewesen seien und sie diese nicht gewollt habe. Die Annäherungen des Klägers hätten bei ihr zu großer Verwirrung geführt und sie habe Angst um ihre berufliche Zukunft gehabt. Freimütig habe auch die Zeugin eingeräumt, dass sie den Kläger beim Kuss an dem Aufsichtspunkt nicht weggeschubst und sich bei dem letzten Stopp auf dem Waldweg darauf eingelassen habe, mit ihm noch ein Stück zu laufen. Sie habe jedoch glaubhaft ausgesagt, dass es in dem Augenblick, als der Kläger ihr erstmals seine Zunge in den Mund gesteckt habe in ihrem Kopf angefangen habe zu rotieren. Nachvollziehbar sei auch, dass sie in diesem Moment Angst wegen beruflicher Konsequenzen gehabt habe, weil ihr sehr an der gelegen sei und klar gewesen sei, dass der Kläger am längeren Hebel gesessen und sie evtl. habe versetzen lassen können. Auch habe die Zeugin freimütig eingeräumt, dass sie den Kläger weder damals noch heute gemocht habe und glaubwürdig geschildert, wie die sexuellen Berührungen und Aufforderungen zu Handlungen jeweils nur von ihm ausgegangen seien und auch nur seiner sexuellen Befriedigung gedient hätten und wie sie sich durch Nichterwiderung des Zungenkusses, Hinweise auf ihren Freund und ihre Periode, Hände entziehen und in Bewegung halten, Wegschubsen seiner Hände von ihrem Körper (Geschlechtsorgane) versucht habe, sich seinen Avancen zu entziehen. Dass sich die Zeugin in dieser vom Kläger geschaffenen Situation nicht deutlicher zur Wehr gesetzt habe, weil sie Angst gehabt und auch berufliche Nachteile befürchtet habe, sei nachvollziehbar.
Das festgestellte Verhalten des Klägers gegenüber der Zeugin N. am 12. Mai 1998 stelle sich als grobe sexuelle Belästigung dar, die auch ohne vorangegangene Abmahnung eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen vermöge. Hierbei spielten insbesondere die vom Kläger herbeigeführten äußeren Umstände eine gravierende Rolle, mit denen er die Zeugin in eine Zwangslage gebracht habe, in der sie sich offensichtlich gegenüber seinen Annäherungsversuchen kaum noch habe zur Wehr setzen können. Auch die Tatsache, dass der Vorfall mit der Zeugin N. bei Ausspruch der Kündigung bereits mehr als ein Jahr zurückgelegen habe, führe zu keiner anderen Bewertung. Zwar könnten auch zurückliegende Ereignisse, die das Arbeitsverhältnis nicht mehr belasteten, unerheblich sein, wenn sie zunächst schwer wiegend gewesen sein. Vorliegend handele es sich jedoch bei den von der Zeugin N. bekundeten sexuellen Belästigungen um Störungen im Vertrauensbereich der Vertragspartner. Der Kläger habe gegenüber der Zeugin und gegenüber diversen weiteren Mitarbeiterinnen eine Vorgesetztenstellung gehabt. Gerade bei einem Vorgesetzten müsse der Arbeitgeber wegen der damit verbundenen Machtposition insbesondere auf die moralische Integrität vertrauen können. Auch die Äußerungen der von der Beklagten angehörten weiteren Mitarbeiterinnen des Klägers zeigten, dass dieser offensichtlich insbesondere auch gegenüber neuen, jüngeren Reiseleiterinnen körperlichen Kontakt oder entsprechende Gelegenheit zu solchem suche. Die Beklagte habe deshalb damit rechnen müssen, dass der Kläger weiterhin bei entsprechenden Gelegenheiten nichts auslassen würde. Darauf, dass die Zeugin N. sich auf eigenem Wunsch in das Zielgebiet habe zurückversetzen lassen, komme es in diesem Zusammenhang nicht an, denn entscheidend sei, dass das Vertrauensverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger hinsichtlich dessen moralischer Integrität erschüttert sei. Auch die Interessenabwägung führe zu keinem anderen Ergebnis. Zwar sei der Kläger bereits 52 Jahre alt und habe im Zeitpunkt der Kündigung eine Betriebszugehörigkeit von über 27 Jahren aufgewiesen. Zudem habe er Unterhaltspflichten gegenüber einer Ehefrau und zwei Kindern. Die Beklagte habe jedoch berücksichtigen müssen, dass er als Vorgesetzter tätig gewesen sei und diese Stellung gravierend ausgenutzt habe. Aus seiner langjährigen Beschäftigungsdauer folge nicht das Recht, dass der Kläger seine ihm unterstellten Mitarbeiterinnen sexuell belästige. Schließlich habe die Beklagte auch die zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, da sie nach der glaubhaften Aussage der Zeugin N. von den Vorfällen am 12. Mai 1998 erst kurz vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung erfahren habe. Eine Abmahnung des Klägers sei entbehrlich gewesen, denn dieser habe angesichts der Schwere seiner Verfehlung nicht glauben können, dass sein Verhalten seitens der Beklagten ohne rechtliche Konsequenzen im Hinblick auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses bliebe.
Das Urteil des Arbeitsgericht ist dem Kläger am 06. Juni 2000 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 06. Juli 2000, per Telefax eingegangen beim Landesarbeitsgericht am 06. Juli 2000, hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Berufungsverfahrens beantragt. Diesem Schriftsatz lag eine Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen nicht bei. Nach einem entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden vom 14. Juli 2000, welcher dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. Juni 2000 zugegangen ist, hat der Kläger mit am 26. Juli 2000 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 24. Juli 2000 beantragt, ihm wegen schuldloser Versäumung der Prozesskostenhilfeantragsfrist und der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu bewilligen.
Dem Kläger ist dann mit Beschluss vom 02. August 2002 ab 06. Juli 2000 für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Der Kläger hat daraufhin am 09. August 2002 mit Schriftsatz vom 07. August 2002 Wiedereinsetzung hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist beantragt, gleichzeitig Berufung eingelegt und diese unter Bezugnahme auf die bereits mit Schriftsatz vom 05. Juli 2000 vorgelegte Berufungsbegründung begründet.
Er macht insbesondere geltend:
Das Arbeitsgerichts habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Mit der Berufung werde die Klage im vollem Umfang weiterverfolgt. Unstreitig sei es zwischen dem Kläger und der ihm bei der Beklagten dienstlich unterstellten Zeugin N. am 12. Mai 1998 zu einer erst- und einmaligen Begegnung sexuellen Inhalts gekommen, die vom Kläger aktiv vorangetrieben worden sei, weil er sich in seine junge und attraktive Kollegin verliebt habe. Es könne auch als zutreffend unterstellt werden, dass die Zeugin diese Begegnung als erhebliche Belästigung erfunden habe. Falsch indes sei die Deutung des Arbeitsgerichts, der Kläger habe aus den Reaktionen der Zeugin ableiten müssen, dass die sexuellen Handlungen von ihr abgelehnt worden seien. Da sich die Zeugin ohne für den Kläger erkennbaren Widerstand auf dessen Wünsche eingelassen habe, weil sie es hinter sich bringen wollte, stelle sich die Frage wie der Kläger, der sich in die Zeugin verliebt habe und dessen rationale Steuerung durch sein sexuelles Begehren offenbar zu einem guten Teil ausgeschaltet gewesen sei, davon habe Kenntnis nehmen sollen, wollen oder müssen, dass seine Avancen und sexuellen Wünsche sie erheblich belästigten und ihr unangenehm gewesen seien. Der Kläger habe der Zeugin im übrigen keinen Grund gegeben Angst davor zu haben, er könne ihr beruflich schaden, wenn sie ihm nicht zu Willen sei.
Er habe insbesondere seine Vorgesetztenstellung, und sein im Verhältnis zur Zeugin deutlich höheres Lebensalter, nicht ausgenutzt. Auch habe die gemeinsame Weiterarbeit für die Beklagte mehr als 5 Monate gedauert. Schließlich habe der Kläger bei der Vernehmung der Zeugin im Arbeitsgericht durch den Blickkontakt entgegen der Auffassung des Gerichts nicht versucht die Zeugin zu beeinflussen. Die Beklagten hätten im übrigen den Kläger auf einen so genannten Eremitenarbeitsplatz versetzen können, anstatt eine Kündigung auszusprechen. Außerdem hätte mutmaßlich schon eine Abmahnung, Versetzung oder Degradierung, ausgereicht dem Kläger deutlich vor Augen zu führen, wie er sich künftig gegenüber ihm unterstellten Mitarbeiterinnen zu verhalten habe. Die Bewertung des Arbeitsgerichts dahingehend, dass es sich bei der sexuellen Annäherung des Klägers an die Zeugin N. um eine schwere Pflichtverletzung handele, deren Rechtswidrigkeit dem Kläger ohne weiteres erkennbar gewesen sein müsse, könne nicht zutreffen. Der Kläger sei bis zur Vernehmung dieser Zeugin in innerster Überzeugung davon ausgegangen, dass die Begegnung am 12. Mai 1998 vom beiderseitigen Willen und Wollen getragen gewesen sei. Eine Abmahnung sei nicht entbehrlich gewesen, denn den Beklagten als weltweit tätigen Reiseunternehmen hätten vielfältige Sanktionsmöglichkeiten zu Gebote gestanden. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung des Klägers wird auf dessen Schriftsatz vom 05. Juli 2000 (Bl. 126 bis 132 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
- I.
dem Kläger wegen der im Laufe des Prozesskostenhilfeprüfungs- und Wiedereinsetzungsverfahrens insoweit schuldlos versäumten Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
- II.
Das angefochtene Urteil auf die Berufung hin aufzuheben und
- 1.
im Verhältnis zur Beklagten zu 1. festzustellen, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 03.06.1999 nicht beendet wurde,
- 2.
im Verhältnis zur Beklagten zu 2. festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 03. Juni 1999 unwirksam ist und dass die im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien erworbenen Arbeitnehmerrechte des Klägers zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus unverändert fortbestehen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 09. Januar 2003 (Bl. 218 bis 220 d. A.).
Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt ihrer im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist teilweise unzulässig und im übrigen unbegründet.
Die Berufung des Klägers ist teilweise unzulässig.
Das betrifft die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Abweisung der Klage gegenüber der Beklagten zu 2., weil zwischen diesen Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestehe. Hierzu finden sich in der Berufungsbegründung des Klägers keine Ausführungen. Damit ist der Kläger seiner Pflicht zur Begründung der Berufung nach §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 519 Abs. 1 ZPO nicht nachgekommen. Zur Begründung eines Rechtsmittels gehört es, dass der Berufungsführer sich mit den tragenden Entscheidungsgründen der Vorinstanz auseinander setzt. Hieran fehlt es völlig in Bezug auf die vom Arbeitsgericht verneinte Arbeitgeberstellung der Beklagten zu 2.
Im übrigen ist die Berufung zulässig.
Insbesondere ist die Einlegungsfrist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 516 ZPO) gewahrt, weil dem Kläger auf seinen Antrag hin, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert eine Notfrist wie die einmonatige Berufungseinlegungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 233 ZPO). Als unverschuldete Verhinderung ist auch die Bedürftigkeit einer Partei anzusehen, wenn sie innerhalb der Notfrist einen Prozesskostenhilfeantrag stellt. Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfüllt. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 06. Juni 2000 zugestellt worden. Am 06. Juli 2000 und damit rechtzeitig innerhalb der Berufungseinlegungsfrist ist beim Landesarbeitsgericht ein Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens eingegangen. Nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 02. August 2002 hat der Kläger am 09. August 2002 Berufung eingelegt und die versäumte Prozesshandlung damit nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nachgeholt.
Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie jedoch nicht begründet. Die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1. gegenüber dem Kläger ist wirksam. Das Arbeitsgericht hat insoweit in dem angefochtenen Urteil die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Berufungskammer hält die Ausführungen der ersten Instanz im Wesentlichen für zutreffend. Sie schließt sich den die Entscheidung tragenden Rechtssätzen in den Gründen des angefochtenen Urteils an, sodass von einer eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG n.F. abgesehen werden kann. Die Ausführungen der Berufung sind demgegenüber nicht geeignet, eine Abänderung des Urteils erster Instanz herbeizuführen.
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
Zutreffend ist zunächst die Annahme des Arbeitsgerichts, das Verhalten des Klägers stelle an sich einen wichtigen Grund zur Kündigung dar. Sexuelle Belästigungen eines Vorgesetzten gegenüber Arbeitnehmerinnen können eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (vgl. Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Auflage 2002, S. 263 m. w. N.). Wer als Vorgesetzter während der Arbeitszeit sexuelle Übergriffe gegenüber seinen weiblichen Untergebenen vornimmt und insbesondere tätliche Belästigungen verübt, verletzt nicht nur die Ehre und das Ansehen seiner Mitarbeiterinnen sondern handelt auch gröblich den Interessen seines Arbeitgebers zuwider und gibt diesem damit regelmäßig einen Grund zur fristlosen Kündigung.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht eine Abmahnung für entbehrlich gehalten hat. Zwar ist auch bei Störungen im Vertrauensbereich das Abmahnungserfordernis stets zu prüfen und eine Abmahnung jedenfalls dann vor Ausspruch der Kündigung erforderlich, wenn ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht und erwartet werden kann, dass das Vertrauen wieder hergestellt wird. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber nicht als ein erhebliches den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen. Eine Abmahnung hat jedoch nicht stets schon dann Vorrang vor einer Kündigung, wenn eine Wiederholung des pflichtwidrigen Verhaltens auf Grund der Abmahnung nicht zu erwarten ist. Bei besonders schwer wiegenden Verstößen ist nämlich eine Abmahnung grundsätzlich entbehrlich, weil in diesen Fällen regelmäßig davon auszugehen ist, dass das pflichtwidrige Verhalten das für ein Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauen auf Dauer zerstört hat. Das Arbeitsgericht hat ohne Fehler einen Ausnahmefall im vorbezeichneten Sinne angenommen und dies zutreffend mit der Schwere des Vertragsverstoßes begründet. Dem folgt die Kammer. Der Kläger hat gegenüber der Zeugin N. sich eines massiven sexuellen Übergriffs schuldig gemacht. Es handelt sich nicht, wie der Kläger glauben machen will, um eine normale sexuelle Annäherung zwischen erwachsenen Mitarbeitern eines Großkonzerns. Vielmehr suchte der Kläger im Dienst (!) von sich aus sexuellen Kontakt zur Zeugin N. , welche ihn weder dazu vorher ermutigt noch provoziert hatte. Dabei nutzt er die Umstände einer Dienstfahrt aus, indem er allein mit der Zeugin war und in eine einsame Gegend fuhr, sodass diese ihm praktisch wehrlos ausgeliefert war. Bei einem derartigen Sachverhalt konnte er nicht mit vertretbaren Gründen annehmen, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde von der Beklagten nicht als ein erhebliches dem Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen. Er musste vielmehr durchaus wissen, dass solche Übergriffe eines Vorgesetzten von seinem Arbeitgeber nicht geduldet werden können. Das Vertrauensverhältnis, welches zwischen einem als Vorgesetzten eingesetzten Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber hinsichtlich der moralischen Integrität des Vorgesetzten bestehen muss, wird schwer erschüttert wenn der Vorgesetzte die Zwangslage einer untergebenen Mitarbeiterin ausnutzt, um diese sexuell zu bedrängen insbesondere wenn -wie hier- es sich nicht um leichtere Verstöße handelt, sondern um äußerst massive tätliche Belästigungen.
Im Rahmen der Interessenabwägung kann der Beklagten auch nicht zugemutet werden, den Kläger zwecks Vermeidung einer Kündigung auf einen so genannten Eremitenarbeitsplatz zu versetzen, d. h. an ein Reiseziel, das ausschließlich von einem Mitarbeiter allein betreut wird. Voraussetzung einer derartigen Prüfung ist nämlich, dass ein solcher Arbeitsplatz frei wäre. Dies ist jedoch vom Kläger nicht dargelegt worden.
Die Kammer ist deshalb mit dem Arbeitsgericht, unter Würdigung aller Umstände der Auffassung, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger zu Recht eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, was dazu führt, dass die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen war.
Streitwertbeschluss:
Streitwert: unverändert.