Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.11.2003, Az.: 13 Sa 908/03
Beschäftigung einer Arbeitnehmerin als Teilzeitkraft während der Elternzeit; Fortsetzung der bisherigen Teilzeittätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG); Möglichkeit der anteiligen Inanspruchnahme der Elternzeit
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 25.11.2003
- Aktenzeichen
- 13 Sa 908/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 10076
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2003:1125.13SA908.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 28.02.2003 - AZ: 13 Ca 654/02
- nachfolgend
- LAG Niedersachsen - 25.11.2003 - AZ: 13 Ca 654/02
- BAG - 27.04.2004 - AZ: 9 AZR 21/04
Rechtsgrundlagen
- § 615 BGB
- § 15 BErzGG
- § 16 Abs. 1 BErzGG
- § 6 MuSchG
- § 4 Abs. 1 TzBfG
Fundstellen
- AuA 2004, 41-42 (Kurzinformation)
- LAGReport 2004, 168-170
Amtlicher Leitsatz
Nach § 15 Abs. 5 S. 2 BErzGG kann der/die Anspruchsberechtigte die bestehende Teilzeit während der Elternzeit fortsetzen. Die Fortsetzung der Teilzeit muss nicht nahtlos erfolgen, sondern kann auf Teile der Elternzeit beschränkt werden. Die Festlegung der Zeiten völliger Freistellung und der Zeiten der Teilzeitbeschäftigung muss aber bindend im Elternzeitantrag erfolgen.
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 25.11.2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter und
die ehrenamtlichen Richter Laing und Lüs
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 28.02.2003, 13 Ca 654/02, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 1.768,69 EUR festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt aus Annahmeverzug für die Zeit vom 03.06. bis 17.07.2002 Vergütung in Höhe von 1.768,69 EUR brutto. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin in diesem Zeitraum als Teilzeitkraft während der Elternzeit zu beschäftigen.
Die Klägerin ist seit dem 01.06.2000 mit monatlich 70 Stunden als Buchhalterin bei der Beklagten beschäftigt, Bruttomonatsentgelt 1.022,58 EUR. Daneben erledigt sie unter der Firma B. Buchhaltungsarbeiten, und zwar auch für die Beklagte.
Am 24.11.2001 wurde das 2. Kind der Klägerin geboren. Unter dem 09.12.2001(Bl. 10 d.A.) beantragte die Klägerin wie folgt Elternzeit:
Hiermit möchte ich meine Elternzeit mit einer Höchstdauer von 36 Monaten beantragen. Für meinen Antrag auf Erziehungsgeld brauche ich von dem Arbeitgeber eine Bescheinigung über die Elternzeit. Kannst Du dies bitte veranlassen.
Gerne stehe ich euch ab Juni 2002 zum Arbeiten zur Verfügung. In der Elternzeit kann ich bis zu 30 Stunden arbeiten.
Mit Schreiben vom 13.05.2002 (Bl. 11 d.A.) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie wie ursprünglich mitgeteilt, ab 03.06.2002 ihre Arbeitskraft im bisherigen Umfang zur Verfügung stelle. Das Schreiben vom 13.05.2002 ging am 22.05.2002 bei der Beklagten ein, die unter demselben Datum (Bl. 12 d.A.) die Beschäftigung ablehnte. Die Klägerin wird von der Beklagten seit dem 18.07.2002 in bisherigem Umfang in Teilzeit beschäftigt.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe bereits bei Mitteilung der Schwangerschaft und vor Beginn der Mutterschutzfrist die Beklagte informiert, dass sie nach einem halben Jahr Stillzeit die Arbeit wieder aufnehmen wolle. Erst in einem Gespräch am 14.03.2002 sei von der Beklagten die Beschäftigung ab Juni abgelehnt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen
- 1.
an sie 1.049,17 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2002 zu zahlen.
- 2.
an sie 719,52 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, im Elternzeitantrag habe die Klägerin kein konkretes Verlangen auf Weiterbeschäftigung ab Juni 2002 gestellt. Dem Verlangen vom 13.05.2002 sei sie unter Berücksichtigung einer achtwöchigen Ankündigungsfrist nachgekommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung trägt die Klägerin vor, im Elternzeitantrag vom 09.12.2001 habe sie mitgeteilt, dass sie ab Juni 2002 wieder zur Arbeit zur Verfügung stehe. Aus dem Antrag folge, dass sie während des Erziehungsurlaubes Teilzeitarbeit im bisherigen Umfange habe leisten wollen. Es habe sich nicht um eine unverbindliche Bereitschaftserklärung gehandelt. Nach § 15 Abs. 5 Satz 2 BErzGG habe sie Anspruch darauf, während der Elternzeit bestehende Teilzeitarbeit unverändert fortzusetzen. Fortsetzung im Sinne der Vorschrift bedeute nicht nahtlose Beschäftigung im Anschluss an die Mutterschutzfrist, die Teilzeitarbeit könne auch zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen werden. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 28.02.2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
- 1.
an die Klägerin 1.049,17 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2002 zu zahlen,
- 2.
an die Klägerin 719,52 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung das erstinstanzliche Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Berufung ist nicht begründet, das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war zu bestätigen.
Ein Anspruch aus Annahmeverzug, § 615 BGB, besteht nicht, weil das Arbeitsverhältnis auf Grund der beantragten Elternzeit ruhte. Es bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten, der Arbeitsaufnahme zum 03.06.2002 zuzustimmen, so dass auch ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung nicht gegeben ist.
§ 15 Abs. 5 Satz 2 BErzGG gewährt der Arbeitnehmerin, die Elternzeit beantragt hat, einen Anspruch auf Fortsetzung der bisherigen Teilzeittätigkeit, soweit 30 Wochenstunden (Absatz 4) nicht überschritten sind. Unproblematisch erfasst ist die Fallgestaltung, dass die Arbeitnehmerin Elternzeit beantragt und gleichzeitig für die Zeit nach Ablauf der Schutzfrist gemäß § 6 MuSchG Weiterarbeit in bisheriger Teilzeit ankündigt. Es handelt sich dabei um den Grundfall der Fortsetzung der Teilzeittätigkeit, der eindeutig von § 15 Abs. 5 Satz 2 BErzGG erfasst wird. Fraglich ist dagegen, ob der Anspruch hierauf beschränkt ist und nur für die zeitlich nahtlose Weiterarbeit gilt oder ob auch ein Teilzeitbeschäftigungsanspruch besteht, der zeitlich nach Beginn der Elternzeit, etwa nach 6 Monaten einsetzt. Soweit ersichtlich, wird diese Problematik nur von Sowka (NZA 2000, S. 1185, 1189) [EuGH 03.10.2000 - C 303/98] erörtert, und zwar im Zusammenhang mit Ausführungen zur Bindungswirkung des Elternzeitverlangens nach § 16 Abs. 1 BErzGG. Sowka hält es für zulässig, dass ein Arbeitnehmer für 2 Jahre Elternzeit verlangt und diese wie folgt ausgestaltet: Im ersten Jahr völlige Freistellung von der Arbeit, im zweiten Jahr Teilzeitarbeit.
Nach Auffassung der Kammer kann eine Arbeitnehmerin, die Elternzeit verlangt, mit dem Antrag auch festlegen, für welche Zeiten sie völlige Arbeitsfreistellung begehrt, für welche Zeiten sie entsprechend ihrer bisherigen Teilzeit oder für welche Zeiten sie mit Arbeitszeitverringerung nach § 15 Abs. 7 BErzGG arbeiten will. Diese Lösung ergibt sich aus einer erforderlichen Auslegung des § 15 BErzGG.
Fortsetzung der bisherigen Teilzeittätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 2 BErzGG bedeutet nach dem Wortlaut nicht zwingend zeitlich nahtlose Weiterarbeit. Auch die Aufnahme der Teilzeitarbeit nach einer Phase der völligen Freistellung kann als eine Fortsetzung angesehen werden. Sinn und Zweck der Regelung des § 15 BErzGG in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung ist es, die Elternzeit flexibel auszugestalten und Teilzeitarbeit zu ermöglichen. Beide Elternteile können anteilig oder gemeinsam Elternzeit in Anspruch nehmen (Abs. 3). Teilzeitarbeit während der Elternzeit ist bis zu 30 Stunden pro Woche zulässig (Abs. 4). Bisherige Teilzeittätigkeit kann fortgesetzt werden (Abs. 5 Satz 2), es kann ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit bestehen (Abs. 7). Wesentlich ist dabei insbesondere, dass die Elternzeit nach Abs. 3 auch anteilig genommen werden kann und nach § 16 Abs. 1 Satz 3 BErzGG auf bis zu 4 Zeitabschnitte verteilt werden kann. Der oder die Anspruchsberechtigte kann damit z.B. festlegen, dass im ersten Jahr Elternzeit mit völliger Freistellung besteht, sich daran eine Arbeitsphase von einem Jahr anschließt und nachfolgend erneut ein Jahr Elternzeit mit völliger Freistellung folgt. Entsprechend muss es dann aber für Teilzeitbeschäftigte zulässig sein, mit dem Elternzeitverlangen die Abschnitte festzulegen, in denen völlige Freistellung erfolgt und in denen die bisherige Teilzeittätigkeit geleistet wird. Eine andere Auslegung würde Teilzeitarbeit benachteiligen (§ 4 Abs. 1 TzBfG).
Schließlich wäre gerade für die Mutter die Fortsetzung der Teilzeitarbeit unnötig erschwert. Wenn das Kind gestillt wird, ist die zeitlich nahtlose Fortsetzung der Teilzeitarbeit oft nicht realisierbar und gewünscht. Dem Zweck des § 15 Abs. 5 Satz 2 BErzGG entspricht es deshalb, einen Anspruch auf Fortsetzung der Teilzeit zu gewähren nach vorausgegangener völliger Freistellung.
Der Anspruch nach § 15 Abs. 5 Satz 2 BErzGG kann aber nicht beliebig während einer bestehenden Elternzeit gestellt werden, sondern ist mit dem Elternzeitantrag geltend zu machen. An einem entsprechenden eindeutigen Antrag fehlt es hier, sodass die Klage abzuweisen war.
Im Rahmen der Auslegung ist bereits die Möglichkeit der anteiligen Inanspruchnahme der Elternzeit behandelt, die im Antrag auf Elternzeit gemäß § 16 Abs. 1 BErzGG festzulegen ist. Der Antrag, der als einseitige Gestaltungserklärung auf das Arbeitsverhältnis einwirkt, ist bindend. Änderungen während der Elternzeit sind, von Ausnahmen abgesehen, nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich (Buchner/Becker, MuSchG und BErzGG, 7. Aufl., § 16 BErzGG, Rnr. 21 ff.). Diese Bindungswirkung dient dem Schutz des Arbeitgebers, der den Arbeitsplatz freihalten muss und gegebenenfalls durch Vertretung besetzen muss. Ein Anspruch auf Fortsetzung der Teilzeit muss dann aber eindeutig im Elternzeitantrag enthalten sein. Es muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass, in welchem Umfang und zu wann Teilzeitbeschäftigung verlangt wird. Unklarheiten gehen dabei zu Lasten der Antragstellerin, weil es sich um eine einseitige Gestaltungserklärung handelt.
Mit Schreiben vom 09.12.2001 beantragte die Klägerin in erster Linie Elternzeit mit der Höchstdauer von 36 Monaten. In dem nachfolgenden Absatz heißt es dann, dass sie ab Juni 2002 zum Arbeiten zur Verfügung stehe, sie könne in der Elternzeit bis zu 30 Stunden arbeiten. Es fehlt insoweit die eindeutige Aussage, dass sie zum Monatsbeginn Juni 2002 die Arbeit wieder aufnehmen will, und zwar im bisherigem Umfang mit 70 Stunden pro Monat.
Der Hinweis auf die höchst zulässige Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche lässt den Schluss zu, dass sie an einer erheblich höheren Teilzeitarbeit interessiert war, als ihrem bisherigen Arbeitsvertrag entspricht. Nach § 15 Abs. 4 BErzGG kann Teilzeitarbeit bis zu 30 Stunden pro Woche beim bisherigen Arbeitgeber, bei einem anderen Arbeitgeber oder als Selbstständiger geleistet werden. Der Hinweis auf die 30 Stundengrenze kann deshalb auch so gewertet werden, dass die Klägerin an einer Ausweitung ihrer Tätigkeit als Selbstständige oder an einer Ausweitung ihrer Tätigkeit für die Beklagte oder an einer Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber interessiert war. Es kommt deshalb nicht ausreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Klägerin während der Elternzeit mit bindender Wirkung ab Anfang Juni 2002 ihre bisherige Teilzeittätigkeit wieder aufnehmen wollte. Die Erklärung vom 09.12.2001 kann deshalb nur als unverbindliche Absichtserklärung gewertet werden, die den Anforderungen des § 16 Abs. 1 BErzGG auf konkrete Festlegung von Freistellungsphase und Teilzeitphase nicht genügt.
Da die Berufung zurückzuweisen war, trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsmittels, § 97 ZPO.
Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 1.768,69 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 3 ZPO.