Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.12.2011, Az.: 11 Sa 801/11
Wirksamkeit der Befristung von Arbeitsverhältnissen der Bediensteten eines Landkreises mit dem Aufgabenkreis der Grundsicherung für Arbeitsuchende
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 06.12.2011
- Aktenzeichen
- 11 Sa 801/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 37104
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2011:1206.11SA801.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Emden - 2 Ca 37/11 - 3.5.2011
Rechtsgrundlagen
- § 6 SGB II
- § 6a SGB II
- § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG
- § 30 Abs. 2 TVöD
Redaktioneller Leitsatz
Es stellt einen sachlichen Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses i.S. von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG dar, dass die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende zunächst zeitlich befristet im Rahmen eines Modellprojekts auf eine bestimmte Anzahl von Landkreisen übertragen wurde.
In dem Rechtsstreit
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Proz.-Bev.:
gegen
Beklagter und Berufungskläger,
Proz.-Bev.:
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2011 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Voigt,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Schalk,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Gilowski
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 03.05.2011, 2 Ca 37/11, abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung des Arbeitsverhältnisses sowie einen tariflichen Wiedereinstellungsanspruch.
Der beklagte Landkreis ist einer der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit durch Verordnung zugelassenen kommunalen Träger im Sinne von §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 6a SGB II, der zusätzlich zu seinem originären Aufgabengebiet (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II) ab dem 1. Januar 2005 auch die Aufgaben der Grundsicherung nach dem SGB II ausgeführt hat. Zur Erledigung dieser Aufgaben hat der beklagte Landkreis zusätzlich zu den vorhandenen rund 750 Beschäftigten weitere ca. 130 Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen eingestellt und die Bearbeitung der originären und der optionalen Aufgaben im "Zentrum für Arbeit" zusammengeführt.
Die am 00.00.1952 geborene Klägerin war aufgrund zweier befristeter Verträge seit dem 17. Januar 2005 als Fallmanagerin in der Arbeitsvermittlung beschäftigt. Den letzten befristeten Vertrag schlossen die Parteien für die Zeit vom 17. Januar 2007 bis 31. Dezember 2010 ab (Bl. 11 d.A.). Die Klägerin hat zuletzt 3.464,45 € brutto monatlich verdient.
Der beklagte Landkreis führt die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchende auch über den 31. Dezember 2010 hinaus fort. Die Parteien haben insoweit im Termin unstreitig gestellt, dass die Übernahme von 107 bisher befristet Beschäftigten in Dauerarbeitsverhältnisse ohne förmliches Ausschreibungsverfahren durchgeführt wurde. Die Klägerin hat sich nicht um eine unbefristete Einstellung beworben. Sie gehört zu den ca. 15 befristet Beschäftigten, die von dem Beklagten nicht über den 31. Dezember 2010 unbefristet weiterbeschäftigt wurden. Beim Landesarbeitsgericht sind insoweit sechs Parallelverfahren anhängig. Mit ihrer fristgerecht eingereichten Klage wendet sich die Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der Befristungsvereinbarung, hilfsweise begehrt sie die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gem. § 30 Abs. 2 Satz 2 TVöD.
Zum 01.12.2011 sind im Zentrum für Arbeit 2 Mitarbeiter neu eingestellt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Befristung vom 18. Oktober 2006 beendet worden ist und über den 31. Dezember 2010 unbefristet fortbesteht.
2. Im Falle des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Fallmanagerin in der Arbeitsvermittlung weiterzubeschäftigen.
3. Hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines unbefristeten Fortsetzungsvertrages ab dem 1. Januar 2011 zu den Arbeitsbedingungen, wie sie zuvor zwischen der Klägerin und dem Beklagten gem. Arbeitsvertrag vom 18. Oktober 2006 bestanden und unter Anrechnung der bisherigen Beschäftigungsdauer anzunehmen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass die nach dem Gesetz nur für den Zeitraum von sechs Jahren vorgesehene Möglichkeit, die Grundsicherung für Arbeitssuchende als optionale Aufgabe wahrzunehmen, die Befristungsvereinbarung sachlich rechtfertige. Für das Jahr 2011 seien notwendige organisatorische Änderungen auf der Grundlage der Erkenntnisse der vorangegangenen sechs Jahre umgesetzt worden, so dass es zu einer Stellenreduzierung im Zentrum für Arbeit gekommen sei (Stellenübersicht 2011 Bl. 43 d.A.). Die Klägerin habe bei der für alle Mitarbeiter durchgeführten dienstlichen Beurteilung lediglich die Gesamtnote "ausreichend" (Durchschnittseinstufung 3,54 Punkte, Endpunktwert 7) erlangt und habe daher zu den nach Leistungsgesichtspunkten nicht berücksichtigungsfähigen Mitarbeitern gehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Emden hat mit Urteil vom 3. Mai 2011 den Klaganträgen zu 1. und 2. stattgegeben, die Unwirksamkeit der Befristung festgestellt und den Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei nicht wirksam aufgrund der Befristungsvereinbarung zum 31. Dezember 2010 beendet worden, da die Voraussetzungen für eine Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG nicht vorgelegen hätten. Der Sachgrund eines vorübergehenden betrieblichen Bedarfes setze nach der Rechtsprechung voraus, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit erwarten dürfe, dass für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmersüber das vorgesehene arbeitsvertragliche Ende hinaus kein Bedarf bestehe. Allein die bestehende Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung des Personalbedarfs könne nicht durch den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages auf den Arbeitnehmer verlagert werden. Dies gelte auch für den öffentlichen Arbeitgeber. Diesen Anforderungen genüge der Vortrag des Beklagten nicht. Bei den dem Beklagten und den anderen 68 Optionskommunen übertragenen Aufgaben handele es sich unstreitig um dauerhafte und nicht lediglich vorübergehende öffentlich-rechtliche Aufgaben nach dem SGB II. Die vom Beklagten anzustellende Prognose habe sich daher auf die Frage beziehen müssen, ob eine kommunale Trägerschaft hinsichtlich dieses Aufgabenbereiches nach Ablauf des 6-Jahreszeitraumes weiterhin bestehen würde. Die gesetzliche Grundkonzeption habe grade der Erprobung gedient. Eine Evaluation mache grundsätzlich nur dort Sinn, wo man sich in einem ergebnisoffenen Prozess befinde. Damit hätten die kommunalen Träger einen wesentlichen Einfluss auf die zukünftigen Möglichkeiten gehabt. Damit sei für die Kommunen - vergleichbar eines privatwirtschaftlichen Unternehmens, das sich als verlässlicher Vertragspartner darstellen möchte, um weitere Aufträge zu erhalten - eine ähnliche Ausgangsposition gegeben gewesen. Die verbleibende Unsicherheit stelle lediglich das allgemeine Unternehmerrisiko dar. Zudem sei jedoch bereits spätestens seit dem Jahr 2008 nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 2007 erkennbar geworden, dass die Frage der zukünftigen Aufgabenwahrnehmung der Grundsicherung für Arbeitssuchende neu diskutiert und geregelt werden müsse. Es hätten sich diese 69 Optionskommunen und der Deutsche Landkreis auf dem Tag der Optionskommunen am 10. April 2008 in Berlin ausdrücklich für die Beibehaltung der kommunalen Trägerschaft ausgesprochen. Gleiches habe das Ministerium für Arbeit und Soziales in seinem Entwurf zur Neuorganisation der Durchführung des SGB II vom 23. September 2008 getan.
Nachdem sich die Befristungsvereinbarung als unwirksam erwiesen habe, habe die Klägerin auf einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Rechtsstreits. Einer Entscheidung über den Hilfsantrag habe es nicht mehr bedurft.
Gegen dieses ihm am 6. Mai 2011 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 1. Juni 2011 Berufung eingelegt und diese am 6. Juli 2011 begründet.
Der Beklagte habe insbesondere in seinem Schriftsatz vom 1. März 2011 vorgetragen, auf welcher Grundlage er eine von seinen Daueraufgaben abgrenzbare befristete Zusatzaufgabe als sog. Optionskommune übertragen erhalten habe und dass dafür ein Mehrbedarf an Arbeitskräften erforderlich gewesen sei. Die Zulassung kommunaler Träger als Träger der Leistung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II sei nach der Kommunalträger-Zulassungsverordnung befristet gewesen bis zum 31. Dezember 2010. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe es für den Beklagten überhaupt keine Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs für die befristete Zusatzaufgabe gegeben. Das Arbeitsgericht gehe insoweit von der falschen Annahme aus, es handele sich um dauerhafte Aufgaben nach dem SGB II. Deshalb sei auch die Feststellung des Arbeitsgerichts falsch, die vom Beklagten anzustellende Prognose habe sich auf die Frage beziehen müssen, ob eine kommunale Trägerschaft nach Ablauf des 6-Jahreszeitraums weiterhin bestehen würde. Es gebe hier auch keine ähnliche Ausgangssituation wie bei einem Unternehmen, Aufträge zu generieren. Auf die Entscheidung des Gesetz- und Verordnungsgebers, wie er ab dem 1. Januar 2011 die Trägerschaft für die Leistung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II organisieren wolle, habe der Beklagte überhaupt keinen Einfluss. DieKommunalträger-Zulassungsverordnung lasse überhaupt keine andere Prognose zu, als das mit Ablauf des 31. Dezember 2010 der Bedarf an Arbeitskräften für die Sonderaufgabe beim Beklagten wegfalle.
Sofern der vorliegende Sachverhalt keinen Sachgrund nach § 14 Abs.1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG darstelle, komme eine Prüfung als sonstiger, von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 - 8 TzBfG nicht erfasster Sachgrund in Betracht.
Zu dem von der Klägerin weiter hilfsweise verfolgten Anspruch auf Wiedereinstellung nach § 30 Abs. 2 TVöD hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 30. November 2011 unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 1. März 2011 weiter vorgetragen, dass im Stellenplan 2011 eine Stellenreduzierung im Umfang von 13 Stellen vorgesehen sei, davon insgesamt 11 Stellen im Bereich der Entgeltgruppe 9 TVöD (Fallmanager/in, Arbeitsvermittler/in). Dies sei auch im April 2011 vom Kreistag beschlossen worden. Infolge des Rückgangs der Arbeitslosenzahlen sei eine weitere Stellenreduzierung zu erwarten. Ferner hat der Beklagte im Verhandlungstermin am 6. Dezember 2011 weitere Unterlagen über die "Gesamtrangfolge aller Beschäftigten nach Beurteilungen" und persönliche Beurteilungsbogen vorgelegt (Bl. 144 - 182 d.A.).
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 3. Mai 2008 - 2 Ca 37/11 - abzuändern und die Klage, auch hinsichtlich des Hilfsantrages, abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 3. Mai 2011 - 2 Ca 37/11 - zurückzuweisen,
2. hilfsweise für den Fall, dass der Berufung stattgegeben wird, den Beklagten zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines unbefristeten Fortsetzungsvertrages ab dem 1. Januar 2011 zu den Arbeitsbedingungen wie zuvor zwischen der Klägerin und dem Beklagten gem. Arbeitsvertrag vom 18. Oktober 2006 bestanden, unter Anrechnung der diesjährigen Beschäftigungsdauer anzunehmen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Keineswegs habe der Beklagte bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrages mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen können, dass die Arbeitsaufgaben der Klägerin in absehbarer Zeit wegfallen würden. Das ergebe sich bereits aus dem Gesetzgebungsprozess, der vom erstinstanzlichen Gericht eingehend dargestellt worden sei. Am 1. Januar 2005 sei das SGB II in Kraft getreten, das die beiden parallel existierenden Leistungssysteme der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zur Grundsicherung für Arbeitssuchende für den Personenkreis der erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen zusammenführte. Zum Träger der Grundsicherung wurden gem. § 6 SGB II die Bundesagentur für Arbeit und die kreisfreien Städte und Kreise (kommunale Träger) bestimmt, gem.§ 44b SGB II wurden Arbeitsgemeinschaften eingerichtet. Abweichend hiervon wurde in § 6a SGB II einer begrenzten Zahl an Kommunen die Option einer kommunalen Trägerschaft eröffnet. 69 Kommunen wurden im Rahmen der sog. Experimentierklausel als eigenständige Leistungsträger zugelassen. Diese Zulassung war zunächst bis zum 31. Dezember 2010 befristet. § 6c SGB II beauftragte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Aufgabenwahrnehmung der Grundsicherung vergleichend zu untersuchen. Bis zum 31. Dezember 2008 sollte über die Verfahren berichtet werden. Mit einstimmigen Beschluss vom 14. Juli 2008 sei von der Arbeit- und Sozialministerkonferenz eine Richtungsentscheidung getroffen worden, mit dem wesentlichen Inhalt, dass es auch künftig mindestens zwei Modelle der Aufgabenwahrnehmung geben werde, die sich hinsichtlich der zugelassenen kommunalen Träger in ihren Grundstrukturen nicht von den bis dahin bestehenden Modellen unterscheiden sollten. Der Kreistag des Beklagten habe sodann im Januar 2010 den eigenen Beschluss vom 26. August 2004 bestätigt und nochmals den Willen bekundet, die Aufgaben als Daueraufgaben zu übernehmen. Nach alldem sei die Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts, dass der letzte befristete Arbeitsvertrag vom 18. Oktober 2006 nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei, nicht zu beanstanden. Allein der Verlauf des Gesetzgebungsprozesses habe den Abschluss eines befristeten Vertrages nicht gerechtfertigt. Da der Beklagte die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchende auch über den 31. Dezember 2010 hinaus weiterhin als kommunaler Träger ausführe, habe sich in diesem Fall auch die vom Beklagten angeführte Prognose gerade nicht bestätigt. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Beklagte als Träger der Grundsicherungsleistungen in jedem Fall zuständig sei für Kosten der Unterkunft, Heizung und Wohnungserstausstattungen, sowie für Bekleidung und Klassenfahrten. Beide Aufgaben - also Gewährung von finanziellen Leistungen und Arbeitsvermittlung - seien seit dem 1. Januar 2005 im Zentrum für Arbeit durchgeführt worden, also in der Organisationseinheit, in der auch die Klägerin beschäftigt war. Ausweislich des vorliegenden Arbeitsvertrages wurde die Klägerin bei dem Beklagten als "Beschäftigte/r" eingestellt; eine weitere Konkretisierung der Tätigkeit ergebe sich aus diesem Vertrag nicht. Die Befristung sei daher auch deshalb unwirksam, weil der Beklagte den von ihm vorgetragenen Beschäftigungsmehrbedarf nicht zutreffend von den eigentlichen Daueraufgaben abgegrenzt habe.
Der in der ersten Instanz gestellte Hilfsantrag bleibe aufrechterhalten. Der Beklagte habe seine Verpflichtung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 TVöD nicht berücksichtigt, wonach befristet Beschäftigte bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen bevorzugt zu berücksichtigen seien. 16 Planstellen seien noch nicht wieder besetzt worden, darunter auch die bisherige Stelle des Klägers. Die Planstellen im Zentrum für Arbeit seien keineswegs weggefallen, es sei eine zeitnahe Wiederbesetzung geplant, zumal eine dauerhafte Personalreduzierung wegen der derzeitigen Unterbesetzung im Zentrum für Arbeit weder möglich noch nötig sei. Die Klägerin habe über einen Zeitraum von fünf Jahren die ihr obliegenden arbeitsvertragliche Arbeitsleistung ohne Beanstandung erbracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie Protokollerklärungen der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig gem. §§ 519, 520 ZPO, §§ 64, 66 ArbGG.
Sie ist auch begründet. Das Arbeitsverhältnis hat aufgrund wirksamer Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2010 geendet. Ein Anspruch der Klägerin auf Einstellung gem.
§ 30 Abs. 2 TVöD besteht nicht.
I. Die Parteien legen ebenso wie die angefochtene Entscheidung im Grundsatz die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Anforderungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG zugrunde. Danach setzt die Befristung eines Arbeitsvertrages wegen vor-übergehenden betrieblichen Bedarfes an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers voraus, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit erwarten darf, dass für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmersüber das vorgesehene Vertragsende hinaus kein Bedarf besteht (etwa BAG11.02.04, 7 AZR 362/03, AP Nr. 256 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Entgegen der Würdigung durch das Arbeitsgericht sind im vorliegenden Fall diese Anforderungen erfüllt. Zwar ist das Arbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung nicht grundsätzlich zwischen den an ein privatwirtschaftliches Unternehmen und den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber zu stellenden Anforderungen unterscheidet. Zutreffend ist auch sowohl die Erwägung, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende eineöffentliche Daueraufgabe darstellt als auch die Erwägung, dass der Beklagte ebenso wie die anderen sog. Optionskommunen daran interessiert waren, sich sowohl gegenüber den Arbeitsuchenden als auch gegenüber dem Bund als verlässliche Vertragspartner darzustellen, die ihre Aufgabe zulässig erfüllen. Zutreffend ist auch die Würdigung, dass das gesetzliche Modell der Optionskommunen von vornherein in die Zukunft hin ausgerichtet war. Eine gesetzliche "Experimentierklausel" trägt in sich die Erwägung, dass im Fall einer positiven Bewertung des Verlaufes eine Fortschreibung der gesetzlichen Regelung für die Zukunft ins Auge gefasst wird.
Wollte man der weiteren Argumentation des Arbeitsgerichts zur Prognosebeurteilung folgen, wäre allerdings möglicherweise eine weitere zeitliche Differenzierung geboten. In den insgesamt sechs parallel vor der Kammer verhandelten Rechtsstreitigkeiten variierten die Termine des Vertragsschlusses zwischen dem Oktober 2005 - bei der Klägerin Oktober 2006 - und dem März 2009. Am 20. Dezember 2007 verkündete das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung, wonach jedenfalls die Bildung von Arbeitsgemeinschaften nicht ausreichend verfassungsrechtlich abgesichert war. Ab diesem Zeitpunkt war bekannt, dass eine gesetzliche Neuregelung zu erfolgen hat. Inwieweit dies auch die Übertragung auf die Optionskommunen betreffen würde, war Gegenstand der folgenden politischen Diskussion. Zumindest seit November 2008 war davon auszugehen, dass die Mehrheit der Arbeit- und Sozialminister der Länder eine Beibehaltung des Optionsmodells befürworteten. Eine vom Bundesverfassungsgericht verlangte Verankerung der Aufgabenübertragung auf kommunale Träger im Grundgesetz (jetzt Art. 91 e) erfolgte jedoch erst im Jahre 2010. Angesichts dieser Entwicklung wäre zu erwägen, tatsächlich die Prognosebeurteilung und insofern auch die Rechtswirksamkeit einer Befristung für einen im Oktober 2005 geschlossenen Arbeitsvertrag anders zu beurteilen als für ein im März 2009 geschlossenen.
Die geschilderte Problematik macht aber deutlich, dass für die Beurteilung der Rechtsfrage einer wirksamen Befristung nicht entscheidend darauf abgestellt werden kann, im Wege der Rechtskontrolle den Grad an Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit politischer Entscheidungsprozesse zu bewerten. Vielmehr ist maßgeblich darauf abzustellen, dass der Beklagte als kommunaler Träger in rechtlicher Hinsicht ausschließlich von den bindenden rechtlichen Vorgaben des Bundes abhängig war. Die gesetzliche Grundlage der Übertragung der Aufgabe auf den Beklagten war gesetzlich unzweifelhaft in ihrer Wirksamkeit begrenzt auf den 31. Dezember 2010. Damit stand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eindeutig fest, dass der Beklagte bei unveränderter Rechtslage ab dem 1. Januar 2011 die ihm zusätzlich übertragene Aufgabe der Arbeitsvermittlung nicht mehr würde wahrnehmen dürfen. Der Beklagte hatte, wie auch alle anderen Optionskommunen, keinerlei unmittelbaren Einfluss darauf, ob, wann und in welcher Weise der Deutsche Bundestag und Bundesrat darüber entscheiden würden, das Modell der kommunalen Trägerschaft fortzusetzen. Die Konstellation stellt sich damit entscheidend anders dar, als etwa bei einer befristeten Einstellung durch das Land im Rahmen eines Schulversuches (etwa Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 17. Oktober 2008 - 10 Sa 1231/07; vom 21. September 2009 - 9 Sa 1920/08). In jenen Fällen waren Arbeitgeber und Gesetzgeber gerade identisch.
Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte in der gebildeten Einheit "Zentrum für Arbeit" möglicherweise die Pflichtaufgabe und die optionale Aufgabe nicht organisatorisch streng voneinander getrennt hat - was im Übrigen gerade auch Zweck der vollständigen Übertragung auf die Kommunen sein sollte - steht einer Wirksamkeit der Befristung wegen vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs nicht entgegen. Die Wirksamkeit einer Befristung wegen eines vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG setzt voraus, dass der Arbeitnehmer gerade zur Deckung dieses Mehrbedarfs eingestellt wird. Dies erfordert jedoch nicht einmal notwendig, dass der befristete beschäftigte Arbeitnehmer in dem Bereich eingesetzt wird, in dem der Mehrbedarf entstanden ist. Es genügt vielmehr, wenn zwischen dem zeitweilig erhöhten Arbeitsanfall und der befristeten Einstellung ein vom Arbeitgeber darzulegender ursächlicher Zusammenhang besteht. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, die vorhandene Arbeitsmenge zu verteilen, seine Arbeitsorganisation zu ändern oder die zusätzlichen Arbeiten anderen Arbeitnehmern zuzuweisen. Er darf einen zeitweiligen Mehrbedarf an Arbeitskräften nur nicht zum Anlass nehmen, beliebig viele Arbeitnehmer einzustellen. Vielmehr muss sich die Zahl der befristet eingestellten Arbeitnehmer im Rahmen des prognostizierten Mehrbedarfs halten und darf diesen nicht überschreiten (etwa BAG 17.03.10, 7 AZR 640/08, AP Nr. 70 zu § 14 TzBfG). Unstreitig ist durch die Übertragung der optionalen Aufgaben auf den Beklagten erheblicher personeller Mehrbedarf entstanden. Anhaltspunkte dafür, dass Einstellungen über diesen Bedarf hinaus erfolgt seien, ergeben sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht.
II. Auch der in der Berufung weiter zu bescheidende Hilfsantrag der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Ein Anspruch auf unbefristete Einstellung gem. § 30 Abs. 2 TVöD besteht nicht.
Das Bundesarbeitsgericht hat die tarifliche Vorgängerregelung in der Protokollnotiz Nr.4 zu Nr.1 SR 2y zum BAT dergestalt ausgelegt, dass sie lediglich das Ermessen des öffentlichen Arbeitgebers bei der Einstellungsentscheidung einschränkt. Sie stellt danach keine eigenständige Rechtsgrundlage dar. Eine Rechtsgrundlage ist vielmehr ausschließlich in Art. 33 Abs. 2 GG zu suchen (BAG 2.7.03, 7 AZR 529/02, AP Nr. 254 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Dies hat auch für § 30 Abs. 2 TVöD zu gelten (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TVöD § 30 Rn. 385). Die Voraussetzungen des Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. § 30 Abs. 2 TVöD sind jedoch aus verschiedenen Gründen nicht erfüllt.
Zum einen hat die Klägerin nicht ausreichend dargelegt, dass - sei es zum 1. Januar 2011, sei es zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - tatsächlich eine oder mehrere freie Stellen im Zentrum für Arbeit zur Besetzung anstanden (etwa BAG 02.07.03, 7 AZR 529/02, aaO.). Bei dem auf zeugenschaftliche Vernehmung des Landrates gerichteten Beweisantritt handelt es sich um einen Ausforschungsbeweis, dem nicht nachzugehen war. Der Beklagte hat bereits mit Schriftsatz vom 21. Januar 2011 erstinstanzlich eine Stellenübersicht für das Jahr 2011 vorgelegt, aus der eine Reduzierung der Stellen im Zentrum für Arbeit ersichtlich ist. Eine Woche vor dem Termin zur mündlichen Berufungsverhandlung ist auch dem Klägervertreter per Telefax die schriftsätzliche Erklärung übermittelt worden, dass der Kreistag die bereits im Januar vorgelegte Stellenübersicht in der Sitzung am 7. April 2011 beschlossen habe. Das maßgebliche Zahlenmaterial lag der Klägerin insoweit bereits seit zehn Monaten vor. Sie hat auch in der mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2011 nicht erklärt bestreiten zu wollen, dass der Kreistag einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Auch der Umstand, dass der Beklagte infolge der angefochtenen Entscheidung die Klägerin im Verlauf des Jahres 2011 weiter beschäftigt hat, besagt nichts über tatsächlich zur Besetzung anstehende "freie" Stellen.
Schließlich hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt des Rechtsstreits behauptet, dass überhaupt Stellen zur Besetzung im Zentrum für Arbeit neu ausgeschrieben worden sind. Bei der Besetzung von Arbeitsplätzen, für die sie sich nicht beworben hat, brauchte der Beklagte die Klägerin nicht zu berücksichtigen (BAG 02.07.03 aaO.).
Die Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zur bevorzugten unbefristeten Einstellung nach § 30 Abs. 2 TVöD erstreckt sich nach Sinn und Zweck gerade auf die Konkurrenzsituation mit eventuellen externen Bewerbern, gegenüber denen bereits - befristet - beschäftigte Arbeitnehmer ggf. bevorzugt werden sollen. Die Auswahl zwischen einer großen Zahl von befristet beschäftigten Arbeitnehmern auf eine beschränkte Zahl von zu besetzenden Stellen wird durch die Tarifvorschrift nicht geregelt. Es wird auch aus der Antragsbegründung nicht deutlich, dass die Klägerin geltend macht, sie habe anstelle eines anderen übernommenen Beschäftigten unbefristet eingestellt werden müssen; ein Auswahlfehler würde insoweit auch keinen Einstellungsanspruch der Klägerin begründen (BAG 19.02.03, 7 AZR 67/02, AP Nr. 250 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Vielmehr geht die Argumentation der Klägerin dahin, dass noch insgesamt 16 Planstellen zur Wiederbesetzung anstünden. Wenn es aber auf die Frage der Auswahl zwischen den ursprünglich insgesamt 130 befristet Beschäftigten im jetzigen Rechtsstreit nicht mehr ankommt, können auch weitere Frage der Leistungsbeurteilung dahinstehen. Es bestand daher kein verfahrensrechtlicher Anlass, der Klägerin auf die erst im Termin überreichten weiteren Beurteilungsunterlagen weiteren Schriftsatznachlass zu gewähren.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Revision ist zugelassen worden gem.
§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Schalk
Gilowski