Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.02.2011, Az.: 5 Sa 520/10
Vermutungswirkung gemäß § 1 Abs. 5 KSchG wird in der Regel nicht aufgehoben bei Vorliegen einer Ermächtigung zur Einsetzung von 10% Leiharbeitnehmer in einem Interessenausgleich mit Namensliste; Aufhebung der Vermutungswirkung gemäß § 1 Abs. 5 KSchG im Falle des Vorliegens einer Ermächtigung zur Einsetzung von 10% Leiharbeitnehmer in einem Interessenausgleich mit Namensliste
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 10.02.2011
- Aktenzeichen
- 5 Sa 520/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 21953
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2011:0210.5SA520.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Celle - 11.03.2010 - AZ: 1 Ca 255/09
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 5 KSchG
- § 125 InsO
Amtlicher Leitsatz
Enthält ein Interessenausgleich mit Namensliste die Ermächtigung, der Arbeitgeber dürfte bis zu 10% Leiharbeitnehmer einsetzen, dann ist die Vermutungswirkung gem. §§ 1 Abs. 5 KSchG, 125 InsO nicht aufgehoben, jedenfalls dann nicht, wenn die Ermächtigung weitere Einschränkungen (Befristung, Regelung des Zwecks) enthält.
In dem Rechtsstreit
...
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2011
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kubicki,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Wolf,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Krawczyk
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 wird das Urteil des Arbeitsgerichts I-Stadt vom 11.03.2010 - 1 Ca 255/09 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer gegenüber dem Kläger aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochenen Kündigung.
Die S. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) stellte an verschiedenen Standorten Produkte für die Autoindustrie her. Bei der Schuldnerin, die am Standort A. mehrere 100 Arbeitnehmer beschäftigte, ist ein Betriebsrat gewählt worden.
Sie beschäftigte den am 0.0.1956 geborenen Kläger ab dem 18.01.1990 an ihrem Standort in A. als Maschinenbediener. Sein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen belief sich zuletzt auf ca. 2.360,00 EUR.
Die Arbeitnehmer der Schuldnerin waren entsprechend ihrer Tätigkeit in Entgeltgruppen gemäß dem Bundesentgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer in der Westdeutschen Chemischen Industrie eingruppiert: Maschinenbediener in E 2, Gabelstaplerfahrer in E 3, Lagerarbeiter in E 3, Maschinenführer und Einrichter in E 4 und Schichtführer in E 7.
Das Amtsgericht I-Stadt eröffnete mit Beschluss vom 01.03.2009 zum Az.: 33 IN 56/08 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Beklagten zu 1.) zum Insolvenzverwalter. Dieser vereinbarte unter dem 18.03.2009 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 125 InsO und eine Betriebsvereinbarung zur Durchführung der Betriebsvereinbarung über ein Interessenausgleich, in der die Kriterien für die vorzunehmende Sozialauswahl festgelegt wurden.
Bestandteil der Namensliste ist auch der Name des Klägers. Der Interessenausgleich enthält unter anderem folgende Regelungen:
"...
§ 1 Geltungsbereich/Gegenstand des Interessenausgleichs
1.
Der Interessenausgleich umfasst alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die am Tage der Insolvenzeröffnung (01.03.2009) in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der S. GmbH standen. Räumlich erstreckt sich der Interessenausgleich auf die Bundesrepublik Deutschland. Sachlich erfasst dieser Interessenausgleich den aufgrund des Umsatzrückgangs und des entfallenden Beschäftigungsbedarfs folgenden Personalabbau. Für den einzelnen Betrieb erfolgt eine Umstrukturierung der Arbeitsabläufe gemessen an dem Auftragsvolumen für das Jahr 2009. Die Personalbedarfsplanung ist als Anlage 1 beigefügt. Der Insolvenzverwalter hat die unternehmerische Entscheidung getroffen, in den in der Anlage 1 aufgeführten Bereichen Arbeitsplätze abzubauen.
2.
Sollte sich zukünftig zeitweise ein Personalmehrbedarf vorübergehend ergeben, so vereinbaren die Parteien bereits jetzt, dass der Arbeitgeber diesen zunächst mit Leiharbeitskräften bis zu einer Gesamtzahl von bis zu 10%, gemessen an der Belegschaft des Werkes A. (Produktionsbetrieb) abdecken kann. Dies ist beschränkt auf einen Personalmehrbedarf, der aufgrund von Urlaub- und Krankenfehlzeiten entsteht. Sollte sich auftragsbezogen ein vorübergehender Mehrbedarf ergeben, so werden die Betriebsparteien eine gesonderte Regelung treffen, wie diesem Mehrbedarf begegnet werden soll.
Soweit zukünftig Neueinstellungen vorgenommen werden, so sind sich die Betriebsparteien einig, dass bei der Besetzung dieser Stellen bei gleicher Eignung und Fähigkeiten bevorzugt Arbeitnehmer berücksichtigt werden, die von diesem Personalabbau betroffen waren.
§ 2 Durchführung/Betriebsänderung
Bei der Gemeinschuldnerin muss am Standort A. ein Personalabbau von insgesamt 153 Arbeitsplätzen erfolgen.
Den vom Personalabbau betroffenen und in der Anlage 2 namentlich aufgeführten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern soll noch vor dem 31.03.2009 eine Kündigung ausgesprochen werden. Die Parteien sind sich darüber einig, dass es sich bei der Anlage 2 um eine Namensliste im Sinne von § 125 Insolvenzordnung handelt, die im Wege einer zusammengesetzten Urkunde integraler Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung ist.
§ 3 Sozialauswahl
1.
Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass Grundlage der Sozialauswahl zunächst ein zwischen Betriebsrat und Insolvenzverwalter abgestimmtes Punkteschema ist. Hierüber wurde mit dem Betriebsrat eine gesonderte Vereinbarung getroffen.
2.
Der Arbeitgeber hat die unternehmerische Entscheidung getroffen, eine ausgewogene Personalstruktur zu schaffen bzw. in einzelnen Abteilungen zu erhalten, § 125 Abs. 2 InsO. Aus diesem Grund sollen - sofern sachlich im Hinblick auf die Abteilungsgröße sinnvoll - Altersgruppen gebildet werden.
Es können folgende Altersgruppen gebildet werden (Stichtag 01.03.2009)
bis zum vollendeten 25. Lebensjahr
älter als 25 Jahre bis zum vollendeten 35. Lebensjahr
älter als 35 Jahre bis zum vollendeten 45. Lebensjahr
älter als 45 Jahre bis zum vollendeten 55. Lebensjahr
älter als 55 Jahre
3.
Zwischen den Betriebsparteien besteht Einigkeit darüber, dass die Durchführung der Sozialauswahl nach Altersgruppen erforderlich für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ist, weil ohne Berücksichtigung der Altersgruppen die Altersstruktur sich erheblich verschlechtern würde.
4.
Nach erfolgter Beurteilung entsprechend dem Punktesystem ist ggf. eine Betrachtung einzelner persönlicher, sozialer Härtefälle zu berücksichtigen.
5.
Abschließend ist in jedem Einzelfall eine Interessenabwägung aller Gesamtumstände durchzuführen.
6.
Die Sozialauswahl erstreckt sich zwischen den "vergleichbaren" und somit gegenseitig "austauschbaren" Beschäftigten, betriebsbezogen. Die Betriebsparteien werden sich einvernehmlich auf die zu bildenden Vergleichsgruppen vereinbaren.
§ 4 Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG
Der Betriebsrat erklärt des Weiteren, dass er im Rahmen der Verhandlungen über diesen Interessenausgleich ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG angehört wurde und ihm alle relevanten Informationen zum Kündigungsgrund und zur Sozialauswahl sowie eine Liste sämtlicher Arbeitnehmer mit ihren relevanten Sozialdaten (Namen, Funktion, Abteilung, Geburtstag, Eintrittsdatum, Familienstand, Unterhaltspflichten lt. Lohnsteuerkarte oder soweit bekannt, individuelle Kündigungsfrist, evtl. bestehende Schwerbehinderung, Verdienst etc.) vorgelegen haben. Des Weiteren wurde ihm eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer übergeben. Der Betriebsrat erklärt, dass er die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis nimmt und abschließend keine weitere Stellungnahme abgeben wird und das Anhörungsverfahren als abgeschlossen ansieht.
..."
In der Betriebsvereinbarung zur Durchführung der Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich heißt es unter anderem:
"...
§ 2 Punkteschema
1.
Die Sozialauswahl erfolgt anhand eines Punkteschemas. Betriebsrat und Unternehmen haben sich nach Abschluss der Beratungen auf die Anwendung folgenden Punkteschemas verständigt:
- Lebensalter: 1 Punkt
- Betriebszugehörigkeit: 2 Punkte
- Unterhaltsverpflichtung: 5 Punkte pro Kind laut Lohnsteuerkarte oder anderweitig bekannt; 5 Punkte für Verheiratsein (Lohnsteuerkarte 3, 4 und 5)
- Schwerbehinderteneigenschaft: 1 Punkt pro 10% Prozent Grad der Schwerbehinderung/Gleichstellung
2.
Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Verhinderung einer weiteren Überalterung der Belegschaft im Rahmen der Umsetzung der Maßnahmen des Interessenausgleichs eine ausgewogene Altersstruktur geschaffen werden soll (§ 125 Abs. 2 InsO). Hierzu haben sich die Betriebsparteien grundsätzlich auf die Bildung nachstehenden Altersgruppen geeinigt:
Über 55
46 bis 55
36 bis 45
26 bis 35
bis 25
Die Betriebsparteien sind sich einig, dass die vorzunehmende Sozialauswahl gemäß § 2 Abs. 3 sich auf die jeweilige Altersgruppe beschränkt. In der Gruppe der über 55 Jahre kann unabhängig vom jeweiligen Punktwert die soziale Schutzwürdigkeit eines Mitarbeiters geringer bewertet werden, wenn er Anspruch auf ungekürzte Altersrente hat.
3.
Es wird für jeden Mitarbeiter eine Gesamtpunktzahl ermittelt, welche seine soziale Schutzwürdigkeit wiedergibt. Hierbei werden zunächst die Sozialdaten mit Punkten bewertet. Die Einzelwerte werden addiert und ergeben eine Gesamtpunktzahl. Je höher die Gesamtpunktzahl des Mitarbeiters, desto höher ist seine soziale Schutzwürdigkeit einzustufen. In jedem Einzelfall ist - insbesondere bei gleicher oder annähernd gleicher Punktzahl - eine zusätzliche individuelle Betrachtung erforderlich. Ferner kann unabhängig vom jeweiligen Punktwert die soziale Schutzwürdigkeit eines Mitarbeiters geringer bewertet werden, wenn er Anspruch auf ungekürzte Altersrente hat.
4.
Bei der Sozialauswahl sind Vergleichsgruppen zu bilden."
Einschließlich des Klägers enthielt die Namensliste 134 Mitarbeiter.
Der Beklagte zu 1.) erstattete unter dem 20.03.2009 der Bundesagentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige, die Grundlage der Genehmigung durch die Bundesagentur für Arbeit am 09.04.2009 war. Mit Schreiben vom 24.03.2009 sprach der Beklagte zu 1.) gegenüber dem Kläger die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2009 aus und stellte ihn mit sofortiger Wirkung von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Am Standort A. der Schuldnerin werden nach Ausspruch der Kündigung, spätestens ab dem 30.04.2009, Leiharbeitnehmer beschäftigt.
Bei der Sozialauswahl, die der streitgegenständlichen Kündigung zugrunde gelegen hat, ordnete der Beklagte zu 1.) den Kläger der Altersgruppe der 46-55jährigen Maschinenbediener zu. Entsprechend dem mit dem Betriebsrat vereinbarten Sozialpunkteschema entfielen auf ihn 95 Sozialpunkte. Nicht gekündigt wurden Mitarbeiter mit 98 und mehr Punkten. In dieser Gruppe baute der Beklagte zu 1.) 23 Arbeitsplätze ab.
Vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung ist das Anhörungsverfahren gegenüber dem Betriebsrat mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbunden worden. Per E-Mail am 17.03.2009 forderte ein Vertreter des Beklagten zu 1.) den Betriebsrat auf, über den Interessenausgleich, die Namensliste und die Anhörung nach § 102 BetrVG abschließend zu beraten. Nähere Einzelheiten sind streitig.
Mit Wirkung zum 12.07.2009 übernahm die Beklagte zu 2.) den Betrieb der Schuldnerin in A. im Wege eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB.
Mit seiner Kündigungsschutzklage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewehrt, das Vorliegen von Kündigungsgründen und die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestritten. Er hat behauptet, am Standort A. seien teilweise über 40 Leiharbeitnehmer beschäftigt gewesen. Hierbei habe es sich nicht um die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern aus urlaubs- bzw. krankheitsbedingtem Arbeitskräftemangel gehandelt. Diese Arbeitnehmer hätten nicht andere, sondern 1:1 genau diejenigen Arbeiten in Vollstundenzahl in den Produktionsabläufen verrichtet, die ursprünglich von ihm ausgeführt worden seien.
Er hat die Auffassung vertreten, der Beklagte zu 1.) habe der Sozialauswahl falsche Vergleichsgruppen zugrunde gelegt. Richtigerweise hätte die Sozialauswahl zwischen allen Arbeitnehmern durchgeführt werden müssen, die im Produktionsbereich als ungelernte Arbeiter eingesetzt worden seien.
Er hat beantragt,
- 1.
es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Schuldnerin durch die Kündigung des Beklagten zu 1.) vom 24. März 2009 nicht mit Ablauf des 30. Juni 2009 beendet worden ist;
- 2.
es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2.) ein Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des zwischen dem Kläger und der Schuldnerin geschlossenen Arbeitsvertrages besteht;
- 3.
die Beklagte zu 2.) wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gemäß dem zwischen dem Kläger und der Schuldnerin geschlossenen Arbeitsvertrag weiterzubeschäftigen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben sich auf die Vermutungswirkung des Interessenausgleiches mit Namensliste gestützt. Zur Sozialauswahl haben sie die Auffassung vertreten, bei der Abgrenzung der Tätigkeitsgruppen seien die Hauptmerkmale (Schwerpunkt der Tätigkeit) sowie die Eingruppierung als grundlegende Kriterien berücksichtigt worden. Die unterschiedliche Eingruppierung in den Entgeltgruppen sei nach der Rechtsprechung des BAG ein maßgebliches Kriterium für die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern.
Der Beklagte zu 1.) hat behauptet, am 06.03.2009 habe er den Betriebsrat das Personalanpassungskonzept und eine Liste mit den Sozialdaten der Arbeitnehmer übersandt. Ferner sei gegenüber dem Betriebsrat das Personalanpassungskonzept erläutert worden. Am 17.03.2009 seien dem Betriebsratsvorsitzenden A. nochmals die Unterlagen zur Verfügung gestellt worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, Bl. 2 - 12 desselben, Bl. 286 - 296 der Gerichtsakte, verwiesen.
Mit Urteil vom 11.03.2010 hat das Arbeitsgericht dem Klagebegehren des Klägers in vollem Umfang entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der am 18.03.2009 vereinbarte Interessenausgleich mit Namensliste sei nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung dringender betrieblicher Erfordernisse zu begründen. Denn dieser Interessenausgleich gestatte derart umfangreich und beschränkungsarm Leiharbeit, dass von einer Vermutung zugrundeliegender betrieblicher Gründe nicht die Rede sein könne. Wegen der genauen Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, Bl. 12 - 26 desselben, Bl. 296 - 310 der Gerichtsakte verwiesen.
Dieses Urteil ist dem Beklagten zu 1.) am 18.03. und der Beklagten zu 2.) am 17.03.2010 zugestellt worden. Der Beklagte zu 1.) hat mit einem am 09.10.2010 und die Beklagte zu 2.) mit einem am 13.04.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Nachdem das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 10.05.2010 zugunsten des Beklagten zu 1.) die Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.06.2010 verlängert hatte, hat er dieses Rechtsmittel mit einem am 07.06.2010 eingegangenen Schriftsatz begründet. Mit Beschluss vom 11.05.2010 hat das Landesarbeitsgericht zugunsten der Beklagten zu 2.) die Rechtsmittelfrist bis zum 08.06.2010 verlängert. Mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz hat sie die Berufung begründet.
Mit ihren Berufungen verfolgen die Beklagten das erstinstanzliche Ziel der Klageabweisung weiter. Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie vertreten die Auffassung, der Interessenausgleich mit Namensliste entfalte die Vermutungswirkung des§ 125 InsO. Insbesondere diene die entsprechende Klausel in dem Interessenausgleich, die Leiharbeit in einem gewissen Umfange zulasse, nicht dazu, sogenannte Austauschkündigungen zu rechtfertigen. Sie bestreiten, regelmäßig in einem die Klausel überschreitenden Umfang Leiharbeitnehmer eingesetzt zu haben. Vielmehr hätten sie in dem Zeitraum der 24.-35. Kalenderwoche des Jahres 2009 durchschnittlich maximal 22,6 Leiharbeitnehmer eingesetzt.
Sie behaupten, der Betriebsrat sei per E-Mail am 06.03.2009 über die Personen der abzubauenden Arbeitnehmer, über die abzubauenden Stellen, das Personalabbaukonzept und über eine Auswahlrichtlinie informiert worden, er sei ferner per E-Mail am 16. und 17.03.2009 über die Sozialdaten und über die Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer informiert worden.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 11.03.2010, Az.: 1 Ca 255/09 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung. Er nimmt Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen und behauptet, die Beklagte zu 2.) habe nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Leiharbeitnehmer im Umfang von mindestens 30 Personen durchgängig beschäftigt. Diese hätten die Funktion eingenommen, die er früher in Vollzeit wahrgenommen habe.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf ihre Schriftsätze vom 04.06., 07.06., 29.07., 20.10., 21.10., 29.10., sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 10.02.2011 verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen A., B. und D.. Wegen der genauen Einzelheiten der Beweisaufnahme wird gleichfalls auf das Sitzungsprotokoll vom 10.02.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufungen bei der Beklagten sind zulässig. Sie sind statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG und 519, 520 ZPO). Insbesondere ist es zulässig gewesen, dass die Beklagte zu 2.) auf die ihr bekannte Berufungsbegründung des Beklagten zu 1.) vollumfänglich Bezug genommen hat.
B.
Die Berufungen der Beklagten sind begründet. Sie führen zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung. Die streitgegenständliche Kündigung vom 24.03.2009 hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.06.2009 beendet. Diese Kündigung ist unter jedem denkbaren Gesichtspunkt rechtwirksam. Durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2009 konnte kein Arbeitsverhältnis gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte zu 2.) am 12.07.2009 übergehen, sodass auch die gegen die Beklagte zu 2.) gerichteten Klageanträge abzuweisen waren.
I.
Zugunsten der Beklagten wird gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die streitgegenständliche gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG.
1.
Der Tatbestand des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO ist gegeben. Insbesondere haben die Betriebspartner einen wirksamen Interessenausgleich mit dazugehörender Namensliste unterzeichnet. Diese Namensliste enthielt auch den Namen des Klägers. Auch betrifft der Interessenausgleich eine Betriebsänderung gemäߧ 111 BetrVG in Form eines Personalabbaus, der das in § 17 KSchG genannte Zahlenverhältnis bei weitem übersteigt. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
2.
Die Vermutungswirkung dieses Interessenausgleiches mit Namensliste wird nicht durch die in dieser Vereinbarung vorbehaltene Leiharbeitsquote von bis zu 10% in § 1 Ziffer 2 aufgehoben. Der Rechtsauffassung der Vorinstanz wird nicht gefolgt.
a)
In der bisherigen Rechtsprechung gibt es keine vergleichbaren Beispielsfälle zu diesem konkreten Problemkreis, der dadurch gekennzeichnet ist, dass in dem Interessenausgleich mit Namensliste gemäß §§ 125 InsO oder 1 Abs. 5 KSchG der Arbeitgeber in irgendeiner Form ermächtigt wird, im folgenden Zeitraum Leiharbeitnehmer einsetzen zu dürfen.
b)
Allgemein zum Problemkreis des Einsatzes von Leiharbeitnehmern und der Widerlegung der Vermutungswirkung eines Interessenausgleiches gemäß § 1 Abs. 5 KSchG verhalten sich folgende Rechtsgrundsätze und einzelfallbezogene Bewertungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung ist als widerlegt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebsbedingte Grund nicht vorliegt, weil das Beschäftigungsbedürfnis in Wirklichkeit nicht weggefallen ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Arbeit nach wie vor vorhanden, der Arbeitnehmer aber durch andere Arbeitnehmer beispielsweise durch Leiharbeiter ersetzt worden ist (BAG, Urteil vom 12.03.2009, Az.: 2 AZR 418/07 - NZA 2009, 123 - 128). In dem soeben zitierten Streitfall hat das Bundesarbeitsgericht die Widerlegung der Vermutungswirkung verneint, weil der Kläger durch den von ihm geltend gemachten Einsatz von Leiharbeitnehmern nicht hinreichend deutlich gemacht habe, wie sich dies auf seine Beschäftigungsmöglichkeit ausgewirkt habe. Zum einen stellt das Gericht auf die geringe Anzahl von Leiharbeitnehmern bei einem erheblichen Umfang des Personalabbaues ab und zum anderen darauf, dass er nicht hinreichend substantiiert zu den von der Beklagten vorgetragenen Gründen für die Leiharbeit Stellung genommen habe (BAG a.a.O.).
Der vorübergehende Einsatz von Leiharbeitnehmer an wenigen Tagen nach Ausspruch der Kündigung vermag an der Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO nichts zu ändern. Auch die pauschale Angabe, es seien Leiharbeitnehmer eingesetzt worden, ersetzt keinen konkreten Vortrag (LAG Köln, Urteil vom 03.08.2009, Az.: 5 Sa 43/09 - ZinsO 2009, 2017 bis 2019).
Die Vermutungswirkung des Interessenausgleiches steht dann in Frage, wenn Stammarbeitsplätze abgebaut und gleichzeitig eine Vielzahl von Leiharbeitnehmern weiter beschäftigt werden. Ein umfangreicher Leiharbeitnehmereinsatz nach Ende der Kündigungsfrist kann zu einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG führen, der die Vermutungswirkung ebenfalls aufhebt (LAG Köln, Urteil vom 25.01.2010, Az.: 5 Sa 917/09 - [...]). In dieser bereits zitierten Entscheidung genügte der Einsatz von 5 - 10 Leiharbeitnehmern bei knapp 180 Arbeitnehmern nicht, die vor dem Interessenausgleich in der Abteilung gearbeitet haben, um die Vermutungswirkung aufzuheben.
Die von Leiharbeitnehmern besetzten Stellen können bei Beachtung der unternehmerischen Organisationsfreiheit nur dann als freie Arbeitsstellen angesehen werden, wenn sie nicht nur als Personalreserve zur Abdeckung eines unvorhersehbar auftretenden Beschäftigungsbedarfs beschäftigt werden. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, ob und gegebenenfalls wie lange er eine Abwesenheit von Arbeitnehmern aufgrund von Krankheit, Urlaubs-, Sonderurlaubs oder aus sonstigen Gründen hin nimmt und wie er sie überbrückt. Wird der Vertretungsbedarf etwa durch rechtlich zulässig gestaltete Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern abgedeckt, denen er durch "Rahmenverträge" verbunden ist, so ist das durch den Vertretungsbedarf beschriebene Beschäftigungsvolumen nicht frei. Der Arbeitgeber ist auch frei in der Entscheidung, ob und in welchem Umfang er eine Personalreserve für Vertretungsfälle vorhält (LAG Köln, Urteil vom 14.06.2009, Az.: 11 Sa 320/09 - AE 2010, 9900).
c)
Unter Berücksichtigung vorstehend zitierter Rechtsgrundsätze widerlegt die Leiharbeitnehmerklausel in § 1 Abs. 2 des Interessenausgleiches die Vermutungswirkung gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht.
aa)
§ 1 Abs. 2 des Interessenausgleiches verfolgt nicht das Ziel, die Stammbelegschaft oder aber wesentliche Teile durch Leiharbeitnehmer zu ersetzen. Die Betriebsparteien verfolgen keine außerhalb des Gesetzeszweckes liegende Interessen.
Beruht das Zustandekommen der Einigung der Betriebspartner auf außerhalb des Gesetzeszweckes liegenden Erwägungen, dann kann die von ihnen vereinbarte Namensliste keine ausreichende Grundlage für das Eingreifen der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG oder auch des § 125 Abs. 1 InsO bilden (BAG, Urteil vom 26.03.2009, Az.: 2 AZR 296/07 - NZA 2009, 1151 - 1156 [BAG 26.03.2009 - 2 AZR 296/07]). Im entschiedenen Fall enthielt die Namensliste auch Arbeitnehmer, die nicht gekündigt werden mussten und von den Betriebspartnern nur aufgenommen wurden, um die drohende Sperrzeit durch die Bundesagentur für Arbeit 144 SGB III auszuschließen. Hier erkannte das BAG eine Umgehung der Regelungen des SGB III zu Lasten der Sozialversicherungsträger und verneinte die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG. Eine vergleichbare Fallkonstellation ist vorliegend nicht gegeben. Insbesondere kann ein gesetzeswidriger Zweck des § 1 Abs. 2 des Interessenausgleiches nicht darin gesehen werden, die Betriebspartner hätten unzulässigerweise Austauschkündigungen vorgenommen und auf diese Weise gegen die anerkannten Rechtsgrundsätze, die für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG gelten, verstoßen.
In diesem Zusammenhang ist zunächst einmal von der grundsätzlichen Unzulässigkeit einer sogenannten Austauschkündigung auszugehen. Nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 26.09.1996, Az.: 2 AZR 200/96 - AP Nr. 80 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung) ist der Entschluss, die formale Arbeitgeberaufstellung aufzugeben, keine die Kündigung bedingende Unternehmerentscheidung, wenn der Unternehmer gegenüber den Beschäftigten im Wesentlichen weiterhin selbst die für die Durchführung der Arbeit erforderlichen Weisungen erteilt. In einem solchen Fall entfällt nicht nur die Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb, vielmehr sollen nur die eigenen Beschäftigten durch ausgeliehene Arbeitnehmer ersetzt werden.
Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 03.03.2009, Az.: 12 Sa 2468/08 - DB 2009, 1353-1354) führt ein solcher rechtlicher Ausgangspunkt der Unzulässigkeit einer Austauschkündigung auch dann zur Sozialwidrigkeit einer Kündigung, wenn ein Arbeitgeber dauerhaft Leiharbeitnehmer beschäftigt, sie zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung nicht zuerst entlässt und dies auch dann, wenn der Leiharbeitnehmer nur zur Krankheitsvertretung beschäftigt wird.
Demgegenüber wird vertreten, dass der Einsatz von Leiharbeitnehmern nicht zur Konstellation einer sogenannten Austauschkündigung führen könne, da die Leiharbeitnehmer nicht Arbeitnehmer des Arbeitgebers würden und sich die sogenannte Crewing-Entscheidung des BAG (BAG Urteil vom 29.06.1996 a.a.O.) lediglich mit einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung befasst habe (von Hoyningen-Huene, 14. Aufl., § 1 RdNr. 423 f bis 423 h). Ebenfalls wird argumentiert, ein Unternehmen könne bei Wegfall von Stammarbeitsplätzen nicht darauf verwiesen werden, solchen Vertretungsbedarf nicht mit Leiharbeitnehmern abzudecken, soweit diese Leiharbeitnehmer nur als Personalreserve zur Abdeckung unvorhersehbar auftretenden Beschäftigungsbedarfes eingesetzt würden (Rost, Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Umstrukturierung, in NZA Beilage 1, 2009, S. 26).
bb)
Entscheidend für das Berufungsgericht sind folgende Erwägungen: Unabhängig davon, ob und inwieweit im Allgemeinen der Einsatz von Leiharbeitnehmern der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG entgegensteht, hat zunächst einmal ein formell wirksamer Interessenausgleich mit Namensliste, der eine Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG betrifft, die Vermutungswirkung für sich. Die Widerlegung der Vermutungswirkung aufgrund eines Zweckes, der außerhalb gesetzlich geschützter Interessen liegt, ist positiv zu begründen. Die Annahme einer unzulässigen Austauschkündigung aufgrund der Leiharbeitnehmerklausel des § 1 Abs. 2 des am 18.03.2009 unterzeichneten Interessenausgleiches verbietet sich aus mehreren Gründen: Zum einen enthält diese Klausel eine Maximalquote von 10%, von der bei Abschluss des Interessenausgleiches im Zeitpunkt der Unterzeichnung überhaupt nicht feststand, ob der Beklagte sie überhaupt insgesamt ausschöpfen wird. Zum anderen ist diese Klausel auf einen vorübergehenden Zeitraum bis zum 31.12.2009 begrenzt (gemäß § 7 Satz 2 des Interessenausgleiches). Schließlich betrifft diese Klausel einen vorübergehenden Personalmehrbedarf aus einem ganz konkreten in dieser Klausel genannten Grund, nämlich aufgrund von Urlaubs- und Krankheitsfehlzeiten. Diese weitreichenden Einschränkungen lassen die Klausel keineswegs als gesetzeswidrige Ermächtigung zur Vornahme von Austauschkündigungen erscheinen.
In diesem Zusammenhang dürfen bei der Problematik, ob durch einen Einsatz von Leiharbeitnehmern im Nachhinein die Vermutungswirkung gemäß §§ 125 Abs. InsO, 1 Abs. 5 KSchG beseitigt werden, keine anderen Anforderungen gelten als bei der Prüfung inwieweit eine im Interessenausgleich vorbehaltene Leiharbeitnehmereinsatzmöglichkeit zur Widerlegung folgt. Aufgrund einer solchen derartig eingeschränkten Klausel steht nicht einmal im Ansatz im Vorhinein fest, dass "die Arbeit nach wie vor vorhanden, der Arbeitnehmer aber durch andere Arbeitnehmer, beispielsweise durch einen Leiharbeitnehmer ersetzt worden ist", worauf entscheidend das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 12.03.2009 a.a.O.) abgestellt hat. Im Übrigen lassen die Rechtsgrundsätze dieser bereits zitierten Entscheidung auch erkennen, dass Vertretungsfälle unschädlich sind. Nur der dauerhafte Einsatz von Leiharbeitnehmern ist im Hinblick auf die Kündigung unter Berücksichtigung der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG von Bedeutung (BAG a.a.O., RdNr. 28).
Nach alledem ist die Vermutungswirkung gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht durch die Leiharbeitnehmerklausel aufgehoben, wobei auch noch Folgendes anzumerken ist:
Ausgangspunkt der Erwägungen, in der Leiharbeitnehmerklausel eine Widerlegung der Vermutungswirkung zu erkennen, ist ihre Bewertung als "Ermächtigung" zugunsten des Arbeitgebers. Bereits dieser Ausgangspunkt erscheint bedenklich. Möglich und naheliegend ist es demgegenüber, diese Klausel als Begrenzung des Leiharbeitnehmereinsatzes (beispielsweise aufgrund eines besonderen Interesses des Betriebsrates) zu verstehen, um einen dauerhaften, nicht mit dem in der Klausel genannten Zweck zu vereinbarenden und dem dort festgelegten Höchstmaß übersteigenden Leiharbeitnehmereinsatz zu verhindern.
3.
Unabhängig von der abstrakten Regelung der Leiharbeitnehmerklausel ist die Vermutungswirkung nicht durch den rein tatsächlichen Einsatz von Leiharbeitnehmern widerlegt worden. In diesem Zusammenhang konnte der Kläger seine Behauptung, über die das Landesarbeitsgericht Beweis erhoben hat, bezüglich des tatsächlichen Leiharbeitnehmereinsatzes nicht beweisen. Dies ist das Ergebnis der Beweisaufnahme. Soweit es um einen dauerhaften Arbeitseinsatz der Leiharbeitnehmer auf dem Arbeitsplatz des Klägers geht, waren die Bekunden der Zeugen bereits unergiebig und haben die klägerische Behauptung nicht bestätigt. Soweit es um die Anzahl der eingesetzten Leiharbeitnehmer geht, konnten die Zeugen jedenfalls nicht bestätigen, dass durchgängig eine, die Höchstgrenze von 10% überschreitende Anzahl von Leiharbeitnehmern eingesetzt worden ist. Sie bekunden lediglich die Überschreitung dieser Höchstgrenze in absoluten Ausnahmefällen. Dies ist nicht geeignet, die Vermutungswirkung des Interessenausgleichs mit Namensliste zu widerlegen. Denn eine solche Widerlegung setzt voraus, dass "die Arbeit nach wie vor vorhanden, der Arbeitnehmer aber durch andere Arbeitnehmer, beispielsweise durch einen Leiharbeitnehmer ersetzt worden ist (BAG, Urteil vom 12.03.2009, a.a.O.).
4.
Es ist nicht widersprüchlich, wenn die Namensliste lediglich 134 Mitarbeiter aufführt, der Interessenausgleich vom 18.03.2009 den Abbau von 153 Arbeitsplätzen vorsieht. Denn der Interessenausgleich spricht an keiner Stelle von 153 betriebsbedingten Kündigungen, sondern nur von einem notwendigen Abbau von 153 Arbeitsplätzen. Ein Arbeitsplatzabbau muss nicht zwingend mit einer betriebsbedingten arbeitgeberseitigen Kündigung einhergehen. Im vorliegenden Streitfall hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung, ohne dass der Kläger dem substantiiert entgegengetreten wäre, nachvollziehbar dargelegt, die Arbeitplätze von 19 nicht zu kündigenden Mitarbeitern seien bereits durch Eigenkündigung oder Unterzeichnung von Aufhebungsverträgen beendet worden. Dies wertet das Berufungsgericht als unstreitig, jedenfalls nicht als ausreichend gemäß § 138 ZPO bestritten.
II.
Die soziale Auswahl ist nicht gemäß § 125 Abs. 1 InsO grob fehlerhaft gewesen.
1.
Das von den Betriebspartnern verwendete Punkteschema ist - an dem Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit gemessen - nicht zu beanstanden und entspricht in etwa dem vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 12.03.2009 (Az.: 2 AZR 418/07 - NZA 2009, 1023 - 1028) nicht beanstandeten Punkteschema.
2.
Auch die Altersstaffelung ist zulässig. Wenn auch die legitimen Ziele einer Altersgruppenregelung vom Arbeitgeber im Prozess grundsätzlich dargelegt werden müssen, ist regelmäßig vom Vorhandensein solcher Ziele auszugehen, wenn die Altersgruppenbildung bei Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt, da in diesen Fällen regelmäßig die Erhaltung einer auch altersmäßig ausgewogenen Personalstruktur gefährdet ist (BAG, Urteil vom 12.03.2009 a.a.O.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie im vorliegenden Streitfall, der Arbeitnehmer die Vermutung des Vorliegens berechtigter betrieblicher Interessen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht entkräftet (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2010, Az.: 2 AZR 468/08 - NZA 2010, 1059-1063).
3.
Die Zuordnung des Klägers zur Vergleichsgruppe der Maschinenbediener war nicht grob fehlerhaft.
a)
Ist der Tatbestand des § 125 Abs. 1 InsO - wie vorliegend - gegeben, dann kann die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten und auch insoweit nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden; sie ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird. Dabei bezieht sich der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit nicht nur auf die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst. Vielmehr wird die gesamte Sozialauswahl, also insbesondere auch die Bildung der Auswahlrelevanten Gruppen, von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf ihre groben Fehler überprüft. Grob fehlerhaft im Sinne der Norm ist eine soziale Auswahl, wenn ein evidenter Fehler vorliegt, und der Interessenausgleich, insbesondere bei der Gewichtung der Auswahlkriterien jede Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG, Urteil vom 28.08.2003, Az.: 2 AZR 368/02 - AP Nr. 1 zu § 125 InsO m.w.N.).
b)
Gemessen an diesem Maßstab lässt sich eine grobe Fehlerhaftigkeit der Bildung der Vergleichsgruppen nicht feststellen. Insbesondere trifft die erstinstanzlich geäußerte und zweitinstanzlich wiederholte Rechtsauffassung des Klägers, er sei mit allen Arbeitnehmern zu vergleichen, die seiner Altersgruppe entsprechen und zwar unabhängig von der Tätigkeit des Gabelstaplerfahrers, Maschinenbedieners, Maschinenführers, Kommissionierers bzw. Lagerarbeiters vor dem Hintergrund des vorstehenden Maßstabes nicht zu.
aa)
Es entspricht den Intentionen der Insolvenzordnung, im Rahmen marktwirtschaftlicher Sanierungen Kündigungsverfahren für den Insolvenzverwalter und die betroffenen Arbeitnehmer berechenbar zu machen. Von einem groben Fehler kann nur gesprochen werden, wenn die Austauschbarkeit offensichtlich verkannt worden ist und es an sachbezogenen Differenzierungsgründen mangelt. So ist nicht als grob fehlerhaft zu beanstanden, wenn die Betriebsparteien bezüglich der Vergleichbarkeit auf die sofortige Substituierbarkeit ohne Einarbeitungszeit abgestellt haben (BAG, Urteil vom 17.11.2005, Az.: 6 AZR 107/05 - BAGE, 116, 213-222). Dem entspricht es, im Interesse einer schnellen und klaren Handhabbarkeit von Massenentlassungen durch den Insolvenzverwalter auf abgrenzbare, arbeitsplatzbezogene Merkmale abzustellen. Im Übrigen ist nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar, dass der Kläger die von ihm für sich reklamierten anderweitigen Einsatzmöglichkeiten ohne jedwede Einarbeitungszeit ausführen kann.
bb)
Auch steht bereits die Eingruppierung in den unterschiedlichen Vergütungsgruppen der Vergleichbarkeit entgegen. Alle übrigen vom Kläger für sich als möglich erscheinende Tätigkeiten (mit Ausnahme der Tätigkeit des Maschinenbedieners) werden nach dem anwendbaren Tarifvertrag mindestens nach Lohngruppe E 3 vergütet. Es gilt der allgemeine Grundsatz, demzufolge bei Hilfstätigkeiten der tariflichen Eingruppierung für die Beurteilung der Vergleichbarkeit eine individuelle Bedeutung zukommt und für die Beurteilung derselben herangezogen werden kann (BAG, Urteil vom 12.03.2009, a.a.O.; BAG, Urteil vom 05.12.2002, Az: 2 AZR 679/01 - AP Nr. 60 zu § 1 KSchG 1969 soziale Auswahl).
cc)
Schließlich setzt die Vergleichbarkeit im Rahmen der sozialen Auswahl auch voraus, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, dem zu kündigenden Arbeitnehmer per Weisungsrecht, ohne dass es einer Änderung des Arbeitsvertrages bedarf, die anderweitige Tätigkeit zuzuweisen. Auch dies ist nicht erkennbar und liegt auch nicht nahe, weil das Direktionsrecht regelmäßig auf die Zuweisung von Tätigkeiten begrenzt ist, die der tariflichen Vergütungsgruppe der ausgeübten Tätigkeit entsprechen.
III.
Die streitgegenständliche Kündigung ist auch nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrates gemäߧ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat ist vor Ausspruch dieser Kündigung ordnungsgemäß angehört worden. Die Beklagte hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigung substantiiert dargestellt. Das Bestreiten des Klägers stellt ein zulässiges Bestreiten mit Nichtwissen dar und führte zum Erfordernis einer Beweisaufnahme. Nach durchgeführter Beweisaufnahme ist das Landesarbeitsgericht mit der erforderlichen Sicherheit gemäß § 286 ZPO davon überzeugt, dass der Betriebsrat der Schuldnerin an deren Standort in A. von dem Wesentlichen der Kündigung zugrunde liegenden Sachverhalt informiert worden ist. Insbesondere hat er vor Ausspruch der Kündigung eine Übersicht über die abzubauenden Stellen, das Personalabbaukonzept insgesamt, die Auswahlrichtlinie, die Personen der zu kündigenden Arbeitnehmer sowie die Sozialdaten sämtlicher Arbeitnehmer erhalten. Zugleich ist ihm der Entwurf des Interessenausgleiches mit Namensliste übermittelt worden.
Teilweise ist dies bereits unstreitig. Soweit dies streitig gewesen ist, konnte die Beklagte ihre Behauptungen beweisen. Dies ist das Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Vernehmung der Zeugen D. und B.. Sie konnten die entscheidungserheblichen Tatsachen bekunden und sich daran insbesondere deswegen erinnern, weil - soweit es den Zeugen D. anbelangt, die E-Mail vom 06.03.2009 von ihm verpasst worden ist. Wenn auch der Zeuge nicht bekunden konnte, dass diese E-Mail den Betriebsrat erreicht hat, so war nach seiner Bekundung diese E-Mail die Arbeitsgrundlage des Betriebsrates. Gleiches gilt für den Zeugen B., der selbst die E-Mail vom 16.03. dem Betriebsrat persönlich übermittelt hat.
Das Berufungsgericht ist mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit auch deswegen von dem Erhalt dieser beiden elektronischen Mitteilungen überzeugt, weil nur auf dieser Grundlage der Abschluss des Interessenausgleiches durch den Betriebsrat zu erklären ist. Der Interessenausgleich greift eben diese per E-Mail am 06.03. und 16.03. übermittelten Informationen im Einzelnen auf.
IV.
Auch im Übrigen entspricht die streitgegenständliche Kündigung in jeder Hinsicht der Rechtsordnung. Vor Ausspruch derselben hat der Beklagte zu 1.) seiner Anzeigepflicht gemäß § 17 Abs. 1 KSchG entsprochen. Auch ist die maßgeblich in § 113 Abs. 1 InsO vorgesehene Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Monatsende eingehalten worden.
V.
Entspricht diese Kündigung in jedweder Hinsicht den Anforderungen der Rechtsordnung und hat sie dementsprechend das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2009 beendet, dann konnte das Arbeitsverhältnis nicht am 12.07.2009 auf die Beklagte zu 2.) übergehen, sodass auch insoweit die Klage abzuweisen war.
C.
Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO als unterlegene Partei vollständig die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung - die Problematik einer Leiharbeitnehmerklausel in einem Interessenausgleich mit Namensliste ist höchstrichterlich noch nicht geklärt - die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil findet, wie sich aus der Urteilsformel ergibt, die Revision statt.
...
Wolf
Krawczyk