Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.01.2011, Az.: 13 Sa 1039/10
Organisationsentscheidung im Konzern; Betriebsbedingte Kündigung bei unsubstantiierten Darlegungen der Arbeitgeberin zum Wegfall des Arbeitsplatzes in Konzernunternehmen
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 25.01.2011
- Aktenzeichen
- 13 Sa 1039/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 11511
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2011:0125.13SA1039.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg - 11.05.2010 - AZ: 7 Ca 33/10
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3 KSchG
- § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG
Fundstellen
- EzA-SD 6/2011, 3
- schnellbrief 2011, 6
Amtlicher Leitsatz
Eine auf Konzernebene getroffene Organisationsentscheidung, die den Wegfall eines Arbeitsplatzes in einem Konzernunternehmen zur Folge hat, ist nicht als außerbetrieblicher betriebsbedingter Kündigungsgrund zu bewerten. Vielmehr handelt es sich um innerbetriebliche Umstände, sodass die getroffene Organisationsentscheidung vom Arbeitgeber im Einzelnen darzulegen ist.
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungsbeklagter,
gegen
Beklagte und Berufungsklägerin,
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2011 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Ossenkopp,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Gilowski
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 11.05.2010, 7 Ca 33/10, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 35.000,-- € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.07.2009 zum 31.01.2010 nicht aufgelöst worden ist. Die Beklagte begründet die Kündigung damit, dass der Arbeitsplatz des Klägers als Leiter Export weggefallen sei.
Der Kläger, Dipl.-Betriebswirt, ist seit dem 01.04.1994 bei Unternehmen der S.-Gruppe beschäftigt, zu der auch die Beklagte gehört. Gemäß Anstellungsvertrag mit der Beklagten vom 24.08.2000 (Bl. 9 ff. d.A.) ist er seit dem 01.07.2000 als Leiter der Division Export tätig. In Ziffer 1 des Vertrages ist der Aufgabenbereich wie folgt umschrieben:
Seine Aufgabe umfasst im Wesentlichen die Verantwortung für Strategie, Planung, Kontrolle und Führung des Funktionsbereiches "Export" der Firmengruppe S..
Als Vergütung erhielt er ein erfolgsunabhängiges Jahresgehalt von 140.000,- € zuzüglich Privatnutzung des Firmenwagens und zuzüglich Prämien. Er war Prokurist der Beklagten und Direktor bzw. Geschäftsführer eines schweizerischen und eines französischen Vertriebsunternehmens.
Die Beklagte ist Teil eines weltweit operierenden Konzerns mit Sitz in Südafrika, der sich mit der Produktion und Vermarktung von M. befasst. Die Organisationseinheit S. Europe ist untergliedert in den kontinentaleuropäischen Bereich (im Folgenden: S. Europa) und Großbritannien (S. UK). Auf das Organigramm K16 a, Bl. 226 d.A. wird Bezug genommen. Die Zentrale von S. Europa hat ihren Sitz in W-Stadt und umfasst mehrere Firmen, darunter die Beklagte. Auf das Telefonverzeichnis der Firmengruppe S. in W-Stadt, K16 f., Bl. 231 d.A., wird Bezug genommen. Am Standort W-Stadt findet keine M.produktion statt. Zum Konzernbereich S. Europa gehören Produktionsbetriebe in Polen, Ungarn und der Ukraine, die in Form selbständiger Gesellschaften betrieben werden. Eine Übersichtüber die Vielzahl der zu S. Europa gehörenden Firmen ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Aufstellung, K16b - K16e, Bl. 227 ff. d.A..
Die Exportabteilung der Beklagten bestand aus dem Kläger als Leiter und einer ihm zugeordneten Assistentin. Nach Darstellung der Beklagten war der Kläger verantwortlich für Strategie, Planung, Kontrolle und Führung des Funktionsbereichs Export der Firmengruppe S. M., für Akquisition und Betreuung der im Ausland ansässigen Handelsvertreter und Kunden der Unternehmen der Gruppe sowie für Vermarktung der Kollektionen der Produktionsunternehmen, die von der Beklagten betreut wurden. Im Jahre 2009 bis zur Freistellung ist der Kläger auch tätig geworden im Projekt "E." der Firma h..
Schwerpunkt der Produktion und Vermarktung der S. Europa ist der P.bereich.
Im Februar 2009 wurden die P.aktivitäten in Europa zusammengefasst unter der Bezeichnung S. E. U. (im Folgenden: SEU). Die rechtlich selbständigen polnischen, ungarischen und deutschen P.lieferanten wurden unter die einheitliche Leitung eines Managementteams gestellt mit A. B. als CEO, des Geschäftsführers der Beklagten als CFO und des Justiziars der Beklagten als Legal.
Nach vorsorglicher Anhörung des Betriebsrates mit Schreiben vom 28.07.2009 (Bl. 50 ff. d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.07.2009 zum 31.01.2010 und stellte den Kläger von der Arbeitsleistung frei.
Der Kläger hat u.a. geltend gemacht, dass ein Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht vorliegt und hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 30.07.2009, zugegangen am 30.07.2009, beendet wurde.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, nach Zusammenfassung der P.aktivitäten Anfang 2009 zur SEU als neuer Firmengruppe unter Leitung von A. B. habe dieser entschieden, die Exportaufgaben des Klägers nicht mehr von der Beklagten, sondern von Vertriebsmitarbeitern der SEU ausführen zu lassen. Weil der Polstermöbelbereich einen wesentlichen Teil der Geschäftstätigkeit von S. Europa ausmache, sei damit der Arbeitsplatz des Klägers faktisch weggefallen. Herr A. B. habe der Beklagten seine Entscheidung am 25.02.2009 mitgeteilt. In der Folgezeit habe der Kläger die Exportabteilung abgewickelt und z.B. Handelsvertreterverträge aufgelöst. Ein dauerhafter Einsatz des Klägers im E.-Projekt der Firma h. sei daran gescheitert, dass deren neuer Geschäftsführer T. ein eigenes Konzept für die Marke E. vorgelegt habe und selbst die Vermarktung übernommen habe. Am 24.07.2009 sei sodann durch Geschäftsführer und Justiziar der Beklagten die Entscheidung getroffen worden, die Abteilung Export zum 31.07.2009 zu schließen und dem Kläger zu kündigen.
Der Kläger hat die von der Beklagten vorgetragenen Kündigungsgründe bestritten, insbesondere den Wegfall des Arbeitsplatzes. Vielmehr liege eine Austauschkündigung auf Grund Konzernentscheidung vor. Eine nachvollziehbare Unternehmensentscheidung mit der Folge des Arbeitsplatzwegfalls habe die Beklagte nicht vorgetragen. Noch bis Juli 2009 habe er Vertriebsaufgaben auch für die von A. B. geleitete P.gruppe SEU ausgeführt. Von der Einstellung und Abwicklung der Exportabteilung habe er erst im Juli mit Kündigung erfahren. Noch am 27.07.2009 habe er eine Einladung für ein Meeting der P.gruppe SEU im November erhalten. Seine Tätigkeit habe sich auf alle in der S.-Gruppe zusammengefassten Unternehmen erstreckt, die Ansiedlung des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten sei zufällig. Mit der P.gruppe sei eine konzerntypische firmenübergreifende Organisationseinheit geschaffen worden. Die konzernbezogenen Vertriebsaufgaben, die er wahrgenommen habe, bestünden weiterhin und würden von neu eingestelltem Vertriebspersonal wahrgenommen. Auf Grund Arbeitsvertrag und ausgeübter Tätigkeit bestehe ein konzernbezogener Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
Das Arbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt und die Entscheidung insbesondere darauf gestützt, dass eine hinreichend substanziierte Darstellung einer unternehmerischen Entscheidung, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers geführt habe, nicht vorliege. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung wiederholt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen zum Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers als Leiter Export. Mit Entscheidung von A. B., die Exportaufgaben von der Beklagten abzuziehen und in den von ihm geführten Firmen der SEU anzusiedeln, sei der wesentliche Teil der Tätigkeit des Klägers weggefallen. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers, unter Umständen auf Grund eines neuen Arbeitsvertrages mit der Firma h., im Rahmen des E.-Projekts sei nicht mehr in Betracht gekommen. Der neue Geschäftsführer dieser Firma habe entschieden, diese Aufgaben auf Grund eines neuen Konzepts selbst zu übernehmen. Auf dieser Grundlage habe die Entscheidung getroffen werden müssen, die Export-Abteilung zu schließen. Die Beklagte betreue im Verhältnis zu deutschen Kunden Unternehmen der S.-Gruppe, gehöre aber nicht selbst zum P.bereich SEU. Es bestehe deshalb kein Beschäftigungsbedarf mehr für die Abteilung des Klägers. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung und den Beklagtenschriftsatz vom 05.01.2011.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 11.05.2010 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Oldenburg (7 Ca 33/10) die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung und des Schriftsatzes vom 20.01.2011 das erstinstanzliche Urteil.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung der Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Die Kündigung des Klägers kann nicht mit Schließung der Exportabteilung auf Grund Auftragsentzugs durch den verantwortlichen Geschäftsführer der SEU begründet werden. Vielmehr beruht die Schaffung der SEU und in ihrer Folge die Verlagerung der Exportaufgaben auf einer Entscheidung auf Konzernebene. Weil das Arbeitsverhältnis des Klägers konzernbezogen ausgestaltet ist und firmenübergreifend quasi Konzerntätigkeit zum Inhalt hat, war diese Organisationsentscheidung auf Konzernebene im Einzelnen darzulegen. Dies ist nicht ausreichend geschehen.
2. Nach der Rechtsprechung des BAG kann sich ein betriebsbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ergeben durch außerbetriebliche Gründe (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) oder aus innerbetrieblichen Umständen (unternehmerischen Organisationsentscheidungen wie Rationalisierung, Einschränkung der Produktion oder Umorganisation). Die auf innerbetrieblichen Gründen beruhende unternehmerische Organisationsentscheidung ist von den Gerichten nur daraufhin zu überprüfen, ob sie tatsächlich vorliegt und umgesetzt wird und ob sie nicht unsachlich und willkürlich getroffen worden ist. Eine weitergehende gerichtliche Prüfung findet nicht statt (z.B. BAG vom 17.06.1999, 2 AZR 456/98, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 103). Wird z.B. durch unternehmerische Organisationsentscheidung eine Hierarchieebene innerhalb des Unternehmens abgebaut, werden Einzelarbeitsplätze durch Umverteilung der Aufgaben gestrichen, beschränkt sich die Organisationsentscheidung auf den Wegfall eines Arbeitsplatzes, sodass Organisationsentscheidung und Kündigung zusammenfallen, so sind an die Darstellung der Organisationsentscheidung und ihre Umsetzbarkeit erhebliche Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber muss zur organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung im Einzelnen vortragen. Dies hat insbesondere den Zweck, einen Missbrauch des Kündigungsrechts auszuschließen. Es soll vermieden werden, dass durch Umverteilung von Aufgaben auf Grund betriebsbedingter Kündigungen rechtswidrige Überforderungen oder Benachteiligungen der im Betrieb verbleibenden Arbeitnehmer erfolgen. Gerade bei Einzelkündigungen muss auch ausgeschlossen werden, dass die unternehmerische Entscheidung nur als Vorwand dient, um einen bestimmten Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen. Bei Aufgabenumverteilung muss deshalb die Organisationsentscheidung so konkret dargestellt werden, dass eine Austauschkündigung ausgeschlossen werden kann und eine dauerhafte Aufgabenverlagerung mit Arbeitsplatzwegfall nachvollzogen werden kann (BAG vom 13.02.2008, 2 AZR 1041/06, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158; BAG vom 08.11.2007, 2 AZR 554/05, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156; BAG vom 22.05.2003, 2 AZR 326/02, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126; BAG vom 12.04.2002, 2 AZR 740/00, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 117.
Nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 23.04.2008, 2 AZR 1110/06, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160) ist dasKündigungsschutzgesetz nicht konzernbezogen, insbesondere besteht grundsätzlich nach Arbeitsplatzwegfall in einem Konzernunternehmen kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen. Ausnahmsweise ist jedoch dann eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht zu bejahen, wenn sich ein anderes Unternehmen zur Übernahme des Arbeitnehmers bereiterklärt hat oder wenn sich eine solche konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht aus dem Arbeitsvertrag, sonstigen vertraglichen Absprachen oder aus der in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt.
3. Die Beklagte kann die Kündigung nicht auf außerbetriebliche Gründe, nämlich Wegfall der Exportbetreuung durch Verlagerung dieser Tätigkeit auf Firmen der SEU, stützen. Weil die Umorganisation auf einer unternehmensübergreifenden Organisationsentscheidung auf Konzernebene beruhte und auf Grund des Konzernbezugs des Arbeitsverhältnisses des Klägers ist diese Organisationsentscheidung wie eine unternehmensinterne Entscheidung zu bewerten und entsprechend darzustellen.
Bei isolierter Betrachtung der Beklagten ergeben sich aus dem Wegfall der Exportbetreuung für die Firmen der SEU und aus der beendeten Beteiligung am E.-Projekt ausreichende betriebsbedingte Gründe. Die Beklagte - isoliert betrachtet - kann den Kläger mangels entsprechender Beauftragung durch andere Konzernunternehmen nicht mehr beschäftigen. Diese unternehmensbezogene Sichtweise ist vorliegend aber nicht gerechtfertigt, weil dabei die Konzerneinbindung der Beklagten und der Konzernbezug des Arbeitsverhältnisses unberücksichtigt bleiben.
Konzernbindung zeichnet sich dadurch aus, dass eine unternehmensübergreifende Leitungsmacht auf Konzernebene besteht. Typischerweise werden dann unternehmerische Organisationsentscheidungen, insbesondere wenn sie mehrere Konzernunternehmen tangieren, nicht unternehmensintern und autonom getroffen, sondern in einem übergeordneten Konzerngremium. Organisationsentscheidungen innerhalb eines Konzerns, die zum Arbeitsplatzwegfall in einem konzernangehörigen Unternehmen führen, sind nicht als außerbetriebliche Gründe zu behandeln. Eine solche Sichtweise würde nicht ausreichend berücksichtigen, dass die Konzernentscheidung gleichzeitig eine unternehmensinterne Entscheidung für das betroffene Unternehmen darstellt. Der Konzernbindung wird man nur gerecht, wenn Organisationsentscheidungen auf Konzernebene als innerbetriebliche Umstände und damit als innerbetriebliche Organisationsentscheidung behandelt werden und als solche zur Begründung der Kündigung im Einzelnen darzulegen sind.
Hilfsweise ist die Bewertung einer Konzernentscheidung als unternehmensinterne Organisationsentscheidung auch deshalb gerechtfertigt, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers durch umfangreichen Konzernbezug gekennzeichnet ist. Die Aufgaben des Klägers sind im Anstellungsvertrag vom 24.08.2000 dahingehend beschrieben, dass er die Verantwortung für Strategie, Planung, Kontrolle und Führung des Funktionsbereichs Export der Firmengruppe S. M. hat. Soweit für die Kammer nachvollziehbar, handelt es sich bei dieser Aufgabenstellung um eine Stabsstelle im Bereich Auslandsvertrieb für die Firmen der S. Europa. Der Kläger hatte nicht nur einzelne Firmen der Gruppe in Grundsatzfragen des Auslandsvertriebs zu beraten und zu unterstützen, vielmehr war er für alle Firmen der S. Europa und für die gesamte Produktpalette zuständiger Vertriebsrepräsentant im europäischen Ausland. Die Aufgabenstellung weist damit Konzernbezug auf und geht über eine Tätigkeit für die Beklagte weit hinaus.
Die Anbindung des Klägers per Arbeitsvertrag an die Beklagte ist nicht nachvollziehbar und kann nur als zufällig bezeichnet werden. Anders ausgedrückt - für die arbeitsvertragliche Bindung an die Beklagte ergeben sich keine sachlichen Anhaltspunkte, die arbeitsvertragliche Bindung könnte auch mit irgendeiner anderen Firma der S. Europa bestehen ohne Nachteile für die Aufgabenwahrnehmung. Nach dem Telefonverzeichnis der Firmengruppe S. in W-Stadt sind dort 5 größere Unternehmen tätig, nämlich S. E. AG, S. GmbH (die Beklagte), B. S. GmbH, G.. So ist z.B. der Vertriebsinnendienst angesiedelt bei der B. S. GmbH. Die Export-Abteilung des Klägers mit 2 Beschäftigten dagegen ist der Beklagten zugeordnet. Daraus kann nur geschlossen werden, dass die arbeitsvertragliche Einbindung nur von sekundärer Bedeutung ist, das Arbeitsverhältnis vielmehr dominiert ist von der konzernbezogenen Aufgabenstellung und von der Unterstellung unter eine firmenübergreifende Entscheidungsebene im Konzern. Dass Zuständigkeit und Entscheidungsbefugnisse nicht firmenbezogen getrennt sind, sondern firmenübergreifend auf Konzernebene geregelt werden, ergibt auch dieÜbersicht International Management (K8, Bl. 215 d.A.). Für die SEU ist damit eine firmenübergreifende Zuständigkeits- und Entscheidungsebene gebildet mit A. B. als CEO, dem Geschäftsführer der Beklagten als CFO und dem Justiziar der Beklagten als Legal. Der firmenübergreifende Tätigkeitsbereich des Klägers und die firmenübergreifende Konzernentscheidungsstruktur müssen dann aber zur Folge haben, dass die Schaffung der SEU und die damit verbundene Verlagerung von Vertriebstätigkeiten nicht als außerbetrieblicher Umstand gewertet werden kann, sondern als innerbetriebliche unternehmerische Organisationseinheit.
Ob der dargestellte Konzernbezug einen Anspruch des Klägers auf konzernweite Weiterbeschäftigung und Umsetzung begründet, ob vorliegend der anzuwendende Kündigungsschutz ausnahmsweise konzernbezogen ist, war hier nicht abschließend zu entscheiden. Zu entscheiden war nur, dass eine Konzernentscheidung zur Aufgabenumverteilung mit der Folge eines Arbeitsplatzverlustes in einem Unternehmen wie jede unternehmerische Organisationsentscheidung im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses im Einzelnen und konkret darzulegen ist. Nur dann ist der Kündigungsgrund schlüssig vorgetragen. Die Rechtssprechung stellt hohe Anforderungen an die Darlegung der unternehmerischen Organisationsentscheidung, insbesondere wenn sie nur Auswirkungen auf einen oder wenige Arbeitsplätze hat. Diese Anforderungen sind auch deshalb gestellt, um nachprüfen zu können, ob Aufgabenverlagerung tatsächlich geplant und durchgeführt wird oder ob durch vorgeschobene Aufgabenverlagerung betriebsbedingte Kündigungsgründe vorgetäuscht werden. Entscheidend ist auch die Verhinderung einer Austauschkündigung. Wenn aber wie hier ein Arbeitsverhältnis Konzernbezug ausweist, die Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Anstellungsfirma als zufällig bezeichnet werden muss und Organisationsentscheidungen firmenübergreifend auf einer Konzernebene stattfinden, dann muss die Konzernentscheidung wie eine firmeninterne unternehmerische Organisationseinheit zur Begründung des betriebsbedingten Kündigungsgrundes dargelegt werden.
4. Die Beklagte hat nicht ausreichend dargelegt, welche Auswirkungen die Schaffung der SEU und die Entscheidung des Geschäftsführers A. B. zur Verlagerung aller Vertriebsaktivitäten in die angeschlossenen Firmen im Einzelnen hatten. Es ist nicht erkennbar, ob die bisherigen Tätigkeiten des Klägers beibehalten und lediglich einem anderen Mitarbeiter einer anderen Firma übertragen wurden. Es ist nicht ersichtlich, ob mit diesen Aufgaben vorhandene Mitarbeiter betraut wurden oder ob Neueinstellungen erfolgen mussten. Eine ansatzweise Prüfung, ob die getroffene Organisationsentscheidung willkürlich oder unsachlich ist, ist damit dem Gericht nicht möglich. Bereits der bisherige Aufgabenbereich des Klägers als Leiter Export ist von der Beklagten nur sehr pauschal beschrieben worden. Die neuen Vertriebsstrukturen im Rahmen der SEU sind aus dem Beklagtenvortrag überhaupt nicht erkennbar. Es ist auch nicht erkennbar, ob tatsächlich eine Umorganisation geplant und durchgeführt worden ist oder ob nur ein Grund gesucht worden ist, dem Kläger zu kündigen.
Weil die unternehmerische Organisationsentscheidung von der Beklagten nicht schlüssig dargelegt ist, ein betriebsbedingter Kündigungsgrund damit nicht vorliegt, ist die ausgesprochene Kündigung sozial nicht gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 KSchG. Das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts war zu bestätigen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes erfolgt gemäß § 63 Abs. 2 GKG in Anwendung des § 42 Abs. 3 GKG.
Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Ossenkopp
Gilowski