Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.06.2011, Az.: 16 Sa 663/10

Formularmäßige Bindung des Arbeitnehmers an gesetzliche Kündigungsvoraussetzungen benachteiligt diesen unangemessen; Rückkehrrecht im Bereich der Deutschen Telekom AG; Unangemessene Benachteiligung durch formularmäßige Bindung an gesetzliche Kündigungsvoraussetzungen; Feststellungsantrag zur Unterbreitung eines Vertragsangebotes bei formell wirksamer außerordentlicher betriebsbedingter Kündigung mit sozialer Auslauffrist durch neue Arbeitgeberin

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
30.06.2011
Aktenzeichen
16 Sa 663/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 29454
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2011:0630.16SA663.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 24.02.2010 - AZ: 6 Ca 255/09

Amtlicher Leitsatz

Eine vorformulierte Vertragsklausel, die nicht nur eine wirksame Kündigung durch den neuen Arbeitgeber, sondern darüber hinaus eine unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG ausgesprochenen Kündigung verlangt, um ein einem Auflösungsantrag vereinbartes Rückkehrrecht auszuüben, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und ist daher unwirksam (im Anschluss an BAG 9.02.2011, 7 AZR 91/10).

In dem Rechtsstreit

Kläger und Berufungskläger,

gegen

Beklagte und Berufungsbeklagte,

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2011 durch

den Richter am Arbeitsgericht Ermel,

den ehrenamtlichen Richter Herrn Uphaus,

die ehrenamtliche Richterin Frau Kleiber

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 24.02.2010 - 6 Ca 255/09 - teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein Vertragsangebot als vollbeschäftigter Arbeitnehmer ab dem 01. August 2009 mit den Arbeitsbedingungen und anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen zu unterbreiten, die das Arbeitsverhältnis gehabt hätte, wenn der Kläger ohne Unterbrechung bei der Beklagten weiterbeschäftigt worden wäre.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Hinsichtlich der Kosten erster Instanz bleibt es bei der Kostenentscheidung im erstinstanzlichen Urteil.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein vertraglich vereinbartes Rückkehrrecht nach beendigtem Arbeitsverhältnis zusteht.

2

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Telekommunikationsunternehmen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers begann ursprünglich bei der Deutschen Bundespost. Die Beklagte führte das Arbeitsverhältnis als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost fort. Seit dem 01.10.1999 war der Kläger bei der Beklagten für eine Tätigkeit bei einer der Tochtergesellschaften der Beklagten beurlaubt. Zunächst schloss der Kläger mit Wirkung zum 01.10.1999 ein Arbeitsverhältnis zur C. GmbH, Niederlassung E. mit Dienstsitz in D. mit der Tätigkeit "Experte Bauüberwachung, Montage, Instandsetzung". Aufgrund Änderungsvertrages bestand das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 01.03.2000 mit der Niederlassung E., Geschäftstelle D., Standort F. als Techniker fort. Mit weiterem Änderungsvertrag mit der G. GmbH & Co. KG vom 17.12.2002 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Arbeitsvertrag vom 09.09.1999 zur C. GmbH wurde mit Wirkung zum 01.01.2003 das Arbeitsverhältnis zur Organisationseinheit Service Nord im Bereich BBS Nord 3 am Standort I. als Techniker fortgesetzt. Mit weiterer Änderungsvereinbarung vom 27.05.2004 wurde die Vergütung des Klägers angepasst.

3

Aufgrund weiteren Änderungsvertrages mit der C. H. Firma GmbH & Co. KG vom 26.04.2005 wurde der Kläger in der Organisationseinheit Service Nord im Bereich BBS Nord 3 am Standort D. als Seniortechniker weiterbeschäftigt. Ferner heißt es dort, dass alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom 09.09.1999 unverändert fortgelten.

4

Wegen der Einzelheiten der einzelnen geschlossenen Arbeitsverträge wird auf Blatt 289 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

5

Mit Datum vom 01.09.2003 hatten die Parteien einen Auflösungsvertrag geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.12.2003 einvernehmlich beendet worden war, um es bei der G. GmbH & Co. KG fortzusetzen.

6

§ 2 des Auflösungsvertrages enthält Regelungen zu einem zeitlich befristeten Rückkehrrecht des Klägers zur Beklagten, deren Voraussetzungen in der Anlage zum Auflösungsvertrag näher geregelt sind. Wegen der Einzelheiten des Auflösungsvertrages wird auf Blatt 140 der Gerichtsakte verwiesen.

7

Mit Datum vom 08.08.2002 hatte die Beklagte mit der C. GmbH, der C. H. Firma GmbH & Co. KG sowie der C. B. Services GmbH einerseits und ver.di Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft e. V. eine schuldrechtliche Vereinbarung geschlossen, welche das Rückkehrrecht im Einzelnen weiter regelt.

8

Unter dem 08.04.2005 schlossen die Parteien jener schuldrechtlichen Vereinbarung eine weitere schuldrechtliche Vereinbarung.

9

In dieser Vereinbarung heißt es unter anderem:

10

"Für die am 1. Oktober 2002 beurlaubten tariflichen Arbeitnehmer mit Herkunft aus der K. AG, die durch die Restrukturierung (...) gewechselt sind und bei der heutigen C. GmbH, C. H. Firma GmbH & Co KG (...) weiterbeschäftigt werden, wird in Zusammenhang mit den bei einer der genannten Gesellschaften bzw. deren Rechtsnachfolgern bestehenden Arbeitsverhältnissen ein befristetes Rückkehrrecht zur K. AG mit folgendem Inhalt vereinbart:

11

1. Die K. AG räumt den Arbeitnehmern einzelvertraglich ein Rückkehrrecht zur deutschen L. ein,

12

a) innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten (berechnet ab 01. Januar 2004) ohne das Vorliegen besonderer Gründe (allgemeines Rückkehrrecht),

13

b) nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 36 Monate ein Rückkehrrecht unter besonderen Bedingungen (besonderes Rückkehrrecht).

14

2. Besondere Bedingungen im Sinne des Abs. 1 b. liegen vor, wenn

15

a) das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen wirksam gekündigt wird.

16

oder

17

(...).

18

3. Der Arbeitnehmer kann von seinem Rückkehrrecht nach Ziffer 1 frühestens 6 Monate nach Beginn des Rückkehrzeitraumes für das allgemeine Rückkehrrecht Gebrauch machen. Es ist bei dem Rückkehrrecht nach Ziffer 1 a. und b. eine Ankündigungsfrist von 3 Monaten einzuhalten. Im Falle des besonderen Rückkehrrechts nach Ziffer 1 b. i.V.m 2 a. findet eine Rückkehr jedoch erst nach Ablauf der für den Arbeitgeber (C. gesellschaft bzw. Rechtsnachfolger) geltenden jeweiligen individuellen Kündigungsfrist statt soweit diese länger ist, als die dreimonatige Ankündigungsfrist.

19

(...)"

20

Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung wird auf Bl. 15 ff d.A. verwiesen.

21

In einem Vertrag zur Abänderung des Auflösungsvertrages vom 30.04.2005 haben die Parteien des vorliegenden Rechtsstreites unter anderem Folgendes geregelt:

22

"§ 1 Regelung zum Rückkehrrecht

23

Die Parteien sind ich darüber einig, dass für das zeitlich begrenzte Rückkehrrecht zur K. AG gemäß § 2 Abs. 1 des Auflösungsvertrages im Zusammenhang mit der schuldrechtlichen Vereinbarung vom 08.08.2002 ab dem 01.06.2005 die in der Anlage 1, die Bestandteil dieses Vertrages ist, festgelegten Regelungen gelten. Die bisherigen Regelungen werden ohne Nachwirkung mit Ablauf des 31.Mai 2005 aufgehoben.

24

Darüber hinaus bleiben alle weiteren Regelungen des Auflösungsvertrages unverändert bestehen."

25

Bei der in § 1 des Abänderungsvertrages vom 30.04.2005 erwähnten Anlage 1 handelt es sich um die schuldrechtliche Vereinbarung vom 08.04.2005.

26

Ferner heißt es in § 2 des Abänderungsvertrages vom 30.04.2005 unter anderem:

27

"Herr A. ist damit einverstanden, dass im Falle der Inanspruchnahme des Rückkehrrechtes die C. H. Firma GmbH & Co. KG Niedersachsen der K. AG die Daten mit Bezug auf sein Arbeitsverhältnis offen legt sowie die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung stellt, aus denen sich die Voraussetzungen für das und die Folgen aus dem geltend gemachten Rückkehrrecht ergeben. Im Falle der Rückkehr auf Grund Ziffer 2 a der schuldrechtlichen Vereinbarung erfasst dies auch die soziale Rechtfertigung, Wirksamkeit und Zulässigkeit der Kündigung."

28

Bei der H. Firma bestehen Betriebsräte. Durch Zuordnungstarifvertrag vom 01.01.2006 ist die H. Firma betriebsverfassungsrechtlich in sechs Regionen unterteilt. Die Region 2 umfasst die Länder B-Stadt und Niedersachsen mit den BBS-Gebieten Nord 5 E., Nord 3 L. und Nord 4 D..

29

Mit Datum vom 12.11.2008 schlossen die C. GmbH, die C. GmbH & Co. KG, die C. B. Services GmbH mit dem Konzernbetriebsrat, auch handelnd für den Betriebsrat der Region 2, einen Interessenausgleich über eine Restrukturierung des Bereichs Technical Operations und mit Datum vom 12.11.2008 zum selben Gegenstand einen Sozialplan.

30

Gemäß § 1 des Interessenausgleiches besteht die Maßnahme darin, dass das Unternehmen ab dem 01.01.2009 Entstörtätigkeiten im Bereich der Netzebenen NE 3 und NE 4 vollständig an externe Dienstleister/Auftragnehmer vergeben und die Durchführung dieser Tätigkeiten mit eigenen Mitarbeitern vollständig bis zum 30.06.2009 einstellen würde. Diese Auftragsvergabe würde bundesweit zu einem Wegfall und damit zu einem Abbau von 162,7 Arbeitsplätzen im Bereich Außendienst/Service führen.

31

Ferner werde das Unternehmen nach Umsetzung des Personalabbaus die Außendienstgebiete (BBS-Servicegebiete) konsolidieren und neu aufteilen, und zwar 8 statt bisher 14 BBS-Servicegebiete schaffen.

32

§ 2 des Interessenausgleiches sieht bezogen auf Regionen, Bereiche, Standorte und BBS-Servicegebiete sowie Funktionen ohne Berücksichtigung eines Stellenaufbaus für die Region 2 (L. und E.) einen Abbau von Vollzeitstellen für Service-Techniker NE 2, NE 3 sowie Service-Techniker allgemein (NE 4) für den BBS Nord 5 E., für den BBS Nord 3 L. von Service-Technikern NE 2, von Service-Technikern NE 3 sowie Service-Technikern allgemein (NE 4) vor.

33

Die Zielstruktur nach Neuaufteilung der BBS-Servicegebiete sieht für die Region 2 für das Gebiet BBS Nord 3 E. noch sieben Service-Techniker NE 2, fünf Service-Techniker NE 3 sowie einen Service-Techniker allgemein (NE 4) vor, für das Gebiet Nord 2 D. noch sieben Service-Techniker NE 2, fünf Service-Techniker NE 3 sowie einen Service-Technikern allgemein (NE 4). Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf Bl. 552 R bis 555 R d.A. verwiesen.

34

Der Kläger ist tarifvertraglich nicht ordentlich kündbar.

35

Zuletzt wurde der Kläger als Service-Techniker im Netzbereich NE 3 der Region 2 beschäftigt.

36

Mit nichtdatierten Schreiben hörte die H. Firma den Betriebsrat der Region 2 zu einer außerordentlichen betriebsbedingten Beendigungskündigung des Klägers unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist an. Zur Begründung des Wegfalls des Arbeitsplatzes berief sich die H. Firma auf den Interessenausgleich und Sozialplan vom 12.11.2008.

37

Die Sozialauswahl sei unter allen vergleichbaren Mitarbeitern des Betriebes der Region mit dem gemäß § 7 des Interessenausgleichs vorgesehenen regionalen Umsetzungsteam durchgeführt worden. Der Kläger habe in der Zielstruktur nicht berücksichtigt werden können, weil er entweder von der Qualifikation oder der örtlichen Einsetzbarkeit nicht mit den dort genannten Mitarbeitern vergleichbar gewesen oder von seinen Sozialdaten her gegenüber vergleichbaren Mitarbeitern weniger schutzwürdig gewesen sei. Freie besetzbare Arbeitsplätze, für welche der Kläger die entsprechende Qualifikation aufweisen würde, seien nicht vorhanden. Zur Begründung verwies die H. Firma im Rahmen der Betriebsratsanhörung auf eine Anlage.

38

Wegen der weiteren Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Blatt 562 f. der Gerichtsakte verwiesen.

39

Mit Schreiben vom 05.12.2008 widersprach der Betriebsrat der Kündigung des Klägers mit der Begründung, der Kläger habe aufgrund seiner fernmeldetechnischen Ausbildung die Qualifikation, sich innerhalb kürzester Zeit in andere Bereiche des Unternehmens einzuarbeiten. Ferner sei ihm nicht die Möglichkeit gegeben worden, sich durch entsprechende Schulungsmaßnahmen fortzubilden.

40

Das Unternehmen beschäftige über 1.000 Zeitarbeitskräfte innerhalb des gesamten Konzerns. Aufgrund von unbesetzten Personalposten innerhalb des Konzerns bestehe die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung. Ferner bezweifele der Betriebsrat, dass die sozialen Gesichtspunkte in vollem Umfang berücksichtigt worden seien.

41

Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellungnahme des Betriebsrates wird auf Blatt 597 der Gerichtsakte verwiesen.

42

Mit Schreiben vom 09.12.2008 kündigte die H. Firma das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist von sieben Monaten zum 31.07.2009. Im Kündigungsschreiben heißt es u.a., dass der Betriebsrat der Kündigung widersprochen habe.

43

Anfang Dezember 2008 machte der Kläger bei der Beklagten die Rückkehr in ein Arbeitsverhältnis der Beklagten auf Grundlage der schuldrechtlichen Vereinbarung geltend. Mit Schreiben vom 15.12.2008 wies die Beklagte den Antrag mit der Begründung zurück, die Rückkehrfrist sei abgelaufen.

44

Mit Schriftsatz vom 22.12.2008 erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Hannover zum Az. 10 Ca 97/09 gegen die H. Firma Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 09.12.2008.

45

Im Kündigungsschutzprozess rügte der Kläger insbesondere die Sozialauswahl, berief sich auf anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen und wies auf die Vielzahl der bei der H. Firma beschäftigten Leiharbeitnehmer hin. Als Service-Techniker der Netzebenen NE 3 und NE 4 habe der Kläger ebenso Aufgaben eines Service-Technikers der Netzebene NE 2 übernehmen können.

46

Mit Datum vom 10.06.2009 nahm der Kläger seine Kündigungsschutzklage zurück.

47

Mit seiner am 23.06.2009 beim Arbeitsgericht Oldenburg eingereichten Klage hat der Kläger unter Berufung auf das Rückkehrrecht des Auflösungsvertrages in Verbindung mit der schuldrechtlichen Vereinbarung die Abgabe eines Vertragsangebotes zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte begehrt.

48

Die Frist zur Geltendmachung des besonderen Rückkehrrechtes sei durch seinen Anfang Dezember 2008 eingereichten Antrag gewahrt. Auch die übrigen Voraussetzungen für das Rückkehrrecht der schuldrechtlichen Vereinbarung lägen vor. Die dem Kläger gegenüber ausgesprochene Kündigung vom 09.12.2008 sei sozial gerechtfertigt gewesen, da sie auf betriebsbedingten Gründen beruht habe. Auch die Sozialauswahl sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Kläger könne nicht darauf verwiesen werden, er habe es versäumt, das Kündigungsschutzverfahren durchzuführen. Die Klage vor dem Arbeitsgericht Hannover habe der Kläger deswegen zurückgenommen, weil ihm vom dortigen Vorsitzenden zu Beginn der Güteverhandlung erklärt worden sei, dass die Klage keinerlei Aussicht auf Erfolg habe. Eine Begründung sei hierfür nicht mitgeteilt worden.

49

Der Kläger hat beantragt,

50

die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Vertragsangebot als vollbeschäftigter Arbeitnehmer ab dem 01.08.2009 mit dem Inhalt zu unterbreiten, den das Arbeitsverhältnis gehabt hätte, wenn der Kläger ohne Unterbrechung weiter bei der Beklagten beschäftigt worden wäre.

51

Die Beklagte hat beantragt,

52

die Klage abzuweisen.

53

Sie hat die Auffassung vertreten, das besondere Rückkehrrecht des Klägers sei aufgrund der individuellen Kündigungsfrist abgelaufen.

54

Darüber hinaus lägen dessen Voraussetzungen nicht vor. Die Kündigung der H. Firma sei sozialwidrig gewesen. Der Kläger habe innerhalb der Zielstruktur weiterbeschäftigt werden können. Das gelte insbesondere deshalb, weil der Kläger als ordentlich unkündbarer Mitarbeiter einen besonderen Kündigungsschutz genieße. Insbesondere insoweit sei die Sozialauswahl fehlerhaft erfolgt. Zum einen sei der Familienstand des Klägers fehlerhaft nicht berücksichtigt worden. Darüber hinaus sei die Sozialauswahl fehlerhaft nicht auf die Bereiche Planung, Service und Disposition in den Netzebenen 2, 3 und 4 erstreckt worden.

55

Im Übrigen treffe den Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast für die Betriebsbedingtheit der Kündigung vom 09.12.2008.

56

Mit Urteil vom 24.02.2010 hat das Arbeitsgericht Oldenburg die Klage als zulässig, aber nicht begründet abgewiesen. Der Kläger sei der ihm obliegenden vollen Darlegungs- und Beweislast für den Nachweis, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt gewesen sei, nicht nachgekommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils wird auf Blatt 192 bis 199 der Gerichtsakte verwiesen.

57

Gegen das dem Bevollmächtigten des Klägers am 07.04.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 30.04.2010 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.07.2010 mit am 06.07.2010 eingegangene Schriftsatz begründet.

58

Während des Laufes des Berufungsverfahrens ist mit Datum vom 09.02.2011 durch das Bundesarbeitsgericht (7 AZR 91/10) ein Urteil ergangen, welches ebenfalls die Frage der Voraussetzungen eines auf die schuldrechtlichen Vereinbarung vom 08.04.2005 gestützten Rückkehrrechts eines früheren Arbeitnehmers der Beklagten zum Gegenstand hat. Die Beklagte hat diese Entscheidung im Rechtsstreit vorgelegt.

59

Mit Verfügung vom 27.06.2011 hat das Landesarbeitsgericht den Kläger auf Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit des ursprünglichen Hauptantrages hingewiesen.

60

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Begehren weiter. Die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung der H. Firma sei sozial gerechtfertigt gewesen. Im Übrigen beruft sich der Kläger auf die sich aus der Entscheidung des BAG vom 09.02.2011 ergebenden Rechtsgrundsätze. Der gestellte Hauptantrag sei zulässig, da er hinreichend bestimmt sei. Jedenfalls bestehe aber ein Feststellungsinteresse an der Feststellung des bestehenden Rückkehrrechtes.

61

Der Kläger beantragt,

62

das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg (Az. 6 Ca 255/09) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Vertragsangebot ab dem 01.08.2009 mit dem Inhalt zu unterbreiten, den das Arbeitsverhältnis gehabt hätte, wenn der Kläger ohne Unterbrechung weiter bei der Beklagten beschäftigt worden wäre,

63

hilfsweise,

64

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein Vertragsangebot als vollbeschäftigter Arbeitnehmer ab dem 01. August 2009 mit den Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen zu unterbreiten, die das Arbeitsverhältnis gehabt hätte, wenn er ohne Unterbrechung bei der Beklagten weiterbeschäftigt worden wäre.

65

wiederum hilfsweise,

66

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Abschluss eines Arbeitsvertrages auf Grundlage des sich aus der schuldrechtlichen Vereinbarung vom 08. April 2005 ergebenden besonderen Rückkehrrechts mit Wirkung zum 01. August 2009 anzubieten.

67

Die Beklagte beantragt,

68

die Berufung zurückzuweisen.

69

Die Klage sei sowohl mit den Haupt- als auch mit Hilfsantrag unzulässig.

70

Ein Rückkehrrecht des Klägers bestehe nicht, weil die Frist zur Geltendmachung abgelaufen sei. Im Übrigen sei die dem Kläger gegenüber ausgesprochene Kündigung sozial nicht gerechtfertigt gewesen. Insoweit vertieft die Beklagte ihr Vorbringen zur Sozialwidrigkeit und zu der aus ihrer sicht Fehlerhaft durchgeführten Sozialauswahl. Insoweit wird auf die schriftsätzlichen Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren verwiesen.

71

Eine Wiedereinstellung des Klägers zu unveränderten Arbeitsbedingungen sei der Beklagten aufgrund des ersatzlosen Wegfalls des früheren Arbeitsplatzes des Klägers aufgrund der seinerzeitigen Ausgliederung der Servicebereiche nicht möglich. Die Beklagte beschäftige nach Ausgliederung ihrer Tochterunternehmen selbst keine Servicetechniker mehr. Sie sei allenfalls verpflichtet, dem Kläger ein Vertragsangebot auf Beschäftigung im Betrieb Vivento zu unterbreiten. Dieser Betrieb habe den Zweck, Beschäftigte, deren Arbeitsplätze weggefallen sind unter Aufrechterhaltung ihres sozialen Besitzstandes zu qualifizieren und auf neue zumutbare Arbeitsplätze zu vermitteln.

72

Die ergangene Entscheidung des BAG vom 09.02.2011 sei auf den Sachverhalt nicht anwendbar, da es sich um eine abweichende Fallgestaltung handele. Im Übrigen bestehe der Verdacht, dass der Kläger sein Rückkehrrecht missbräuchlich ausgeübt habe.

73

Zum einen ergebe sich dies aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen der ausgesprochenen Kündigung mit dem Ablauf des Rückkehrrechtes. Darüber hinaus habe der Betriebsrat der Kündigung ausdrücklich widersprochen. Es sei auffällig, dass der Kläger sich in seiner Verteidigung im Kündigungsschutzverfahren nicht mit dem Widerspruch des Betriebsrates auseinandergesetzt habe. Ebenfalls sei es in Parallelverfahren ebenfalls zu überraschenden Kündigungsrücknahmen gekommen. Es bestehe daher der Verdacht, dass die H. Firma mit gekündigten Arbeitnehmern Verabredungen über Klagerücknahmen getroffen habe, um sich aufwendige Prozesse zu ersparen. Hierfür spreche auch, dass diese dem Kläger sowie anderen Arbeitnehmern Musterschriftsätze zugeleitet habe um die Rechtsverfolgung in den Prozessen gegen die Beklagte zur Durchsetzung des Rückkehrrechtes zu unterstützen. Über die Sozialplanleistungen hinaus seien durch die H. Firma bei Rückkehrern in verschiedenen Fällen zusätzliche Abfindungszahlungen erbracht worden.

74

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung, die Berufungserwiderung und die weiteren im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe

75

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

76

A. Die Berufung ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO).

77

B. Die Berufung ist mit dem Hauptantrag aus der Klage unbegründet. Mit dem Hilfsantrag ist die Berufung begründet.

78

I. Die Berufung ist mit dem Hauptantrag aus der Klage unbegründet, da die Klage unzulässig ist.

79

1. Die Unzulässigkeit der Klage folgt nicht daraus, dass der Klageantrag auf die Abgabe einer Willenserklärung für einen in der Vergangenheit liegenden Vertragsabschluss gerichtet ist. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs 1 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, die auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Ebenso kann im Rahmen eines Wiedereinstellungsanspruches die Klage auf die Abgabe eines konkreten Vertragsangebotes durch den Arbeitgeber gerichtet werden (BAG 9.02.2011, 7 AZR 91/10 - Juris - Rn 20 m.w.N.).

80

2. Dem Klageantrag fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit i.S. § 253 Abs. 2 Nr.2 ZPO. Diese ist auch nicht durch Auslegung des Klagebegehrens unter Berücksichtigung des Klage- und Berufungsvorbringens zu erzielen.

81

Bei einer Verurteilung nach § 894 S.1 ZPO müssen sich die wesentlichen Vertragsbedingungen zumindest dem Antrag in Verbindung mit der Klagebegründung entnehmen lassen (BAG 16.07.2008, 7 AZR 322/07 - Juris).

82

Der Inhalt des von der Beklagten anzubietenden Arbeitsvertragsangebotes ist hinreichend zu konkretisieren. Dazu bedarf es zumindest der Nennung der wesentlichen Vertragsbestandteile, nämlich dem Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, der Arbeitszeit und der Vergütung. Soweit es die übrigen Arbeitsbedingungen angeht, reicht die Bezugnahme auf die tarifvertraglichen Regelungen, die bei ununterbrochenem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegolten hätten, aus (BAG 9.02.2011 aaO. Rn 22).

83

Entgegen der vom Kläger unter anderem angeführten Auffassung des LAG Berlin - Brandenburg (Urteil vom 24.11.2010, 20 Sa 419/10 - Juris) ist die gewählte unbestimmte Antragsfassung im Rahmen des Leistungsantrages nicht zulässig. Der Kläger hat zu seinen früheren Vertragsbedingungen bei der Beklagten nichts vorgetragen. Dem Antrag kann daher auch nicht unter Zuhilfenahme des Klage- und Berufungsvorbringens durch Auslegung entnommen werden, welches der Inhalt der von der Beklagten anzubietenden wesentlichen Vertragsbedingungen sein soll. Soweit das LAG Berlin- Brandenburg in der angeführten Entscheidung ausführt, eine noch hinreichende Bestimmtheit sei anzunehmen, da der Antrag in Anlehnung an Ziffer 4 Satz 2 der schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8. April 2005 formuliert sei, die Beklagte das Vertragsangebot abzugeben habe und auch aufgrund der tariflichen Änderungen und der Änderungen der Vergütungsstruktur selbst bestimmen und erkennen könne, welches Angebot abzugeben sei, damit der Kläger so gestellt ist, als wäre er ununterbrochen bei ihr beschäftigt gewesen, überzeugt dies nicht. Gerade der Gesichtspunkt, dass durch die gewählte Antragsformulierung die konkrete Ausgestaltung des Vertragsangebotes der Beklagten überlassen wird und damit die wesentlichen Vertragsbedingungen nicht durch den Tenor des Urteils festgelegt werden, spricht gegen die hinreichende Bestimmtheit eines solchen, an den Anforderungen einer für einen Vertragsschluss eines Arbeitsvertrages mit einem bestimmten Inhalt zu messenden Willenserklärung i.S. § 894 ZPO.

84

Hinzu kommt, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Kläger nicht mehr in der bisherigen Tätigkeit bei der Beklagten beschäftigt werden kann, da diese Tätigkeiten bei der Beklagten gerade aufgrund der bei der Beklagten vormals durchgeführten Umstrukturierungen und Verlagerungen von Aufgaben auf die Kabelgesellschaften nicht mehr vorhanden sind. Darüber hinaus hat die Beklagte eingewandt, dem Kläger derzeit keine konkrete vertragsgemäße Einsatzmöglichkeit sondern allenfalls eine vertragliche Tätigkeit allein im Betrieb Vivento, der Beschäftigungsgesellschaft der Beklagten, anbieten zu können. Hieraus folgt, dass - jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Kammer - das von der Beklagten gegenüber dem Kläger abzugebenden Vertragsangebot derzeit weder bestimmt noch derart hinreichend bestimmbar ist, dass es sich auf ein einziges nach billigem Ermessen abzugebendes Vertragsangebot konkretisieren ließe. Zutreffend wendet die Beklagte ein, dass das Angebot, zu welchem die Beklagte im Rahmen des gestellten Antrages verurteilt werden soll, jedenfalls derart hinreichend bestimmt sein muss, dass nicht bereits der Streit über die wesentlichen Vertragsbedingungen in das Vollstreckungsverfahren verlagert würde. Gerade dies wäre der Fall, wenn aufgrund der Unbestimmtheit des Tenors unklar bliebe, welches der konkrete Inhalt des Vertragsangebotes ist, zu welchem die Beklagte verurteilt worden ist.

85

II. Die Klage ist mit dem Hilfsantrag begründet.

86

1. Der Hilfsantrag ist zulässig.

87

a) Beim Übergang vom Leistungs- zu einem Feststellungsantrag handelt es bereits nicht um eine Klageänderung i.S. §§ 263, 533 ZPO sondern um eine Beschränkung des Streitgegenstandes i.S. § 264 Nr.2 ZPO (Zöller/Greger, 27 Aufl., § 263 ZPO Rn 8). Unabhängig davon, dass der Feststellungsantrag damit als bloßes "Minus" zum Hauptantrag aufzufassen ist, wäre der Hilfsantrag jedenfalls auch sachdienlich i.S. § 533 Nr.1 i.V.m. § 533 Nr.2 ZPO.

88

b) Das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist vorhanden.

89

Wie unter I. ausgeführt, steht einem konkreten Leistungsantrag entgegen, dass die Beklagte nach dem übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien dem Kläger - bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - ein konkretes bestimmbares Vertragsangebot, welches die wesentlichen Vertragsbedingungen eines abzuschließenden Arbeitsvertrages enthält, nicht unterbreiten kann. Denkbar ist, dass die Beklagte dem Kläger sogar mehrere, mit unterschiedlichen Vertragsbedingungen versehene Angebote unterbreiten könnte, welche alle die Anforderungen an das Rückkehrrecht erfüllen. Die Beklagte bestreitet ferner, dass dem Kläger überhaupt ein vertragliches Rückkehrrecht zusteht. Der Kläger hat daher jedenfalls ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, ihm auf der Grundlage des vertraglichen Rückkehrrechts ein zumindest rahmenmäßig umschriebenes Vertragsangebot zu unterbreiten. Insoweit ist es mangels möglicher Konkretisierung der wesentlichen Vertragsbedingungen im Rahmen des Feststellungsbegehrens ausreichend, dass der Klageantrag sich hinsichtlich der Feststellung der zu vereinbarenden Vertragsbedingungen an dem Wortlaut der Nr.4 der schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8.04.2005 orientiert.

90

2. Der Hilfsantrag ist begründet.

91

Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein Vertragsangebot als vollbeschäftigter Arbeitnehmer ab dem 1. August 2009 mit den Arbeitsbedingungen und anzuwendenden tariflichen Regelungen zu unterbreiten, die das Arbeitsverhältnis gehabt hätte, wenn der Kläger ohne Unterbrechung bei der Beklagten weiterbeschäftigt worden wäre.

92

a) Ein Anspruch scheidet nicht deshalb aus, weil das begehrte Vertragsangebot auf einen in der Vergangenheit liegenden Vertragsschluss gerichtet ist. Die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Urteil, die mit der Fiktion der Abgabe der Angebotserklärung vorbereitet werden soll, ist - wie unter I. der Entscheidungsgründe ausgeführt - zulässig. Erst Recht ist daher eine bloße Feststellung einer solchen Verpflichtung im Urteil zulässig.

93

b) Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe eines entsprechenden Vertragsangebotes durch die Beklagte.

94

Der Anspruch folgt aus dem Vertrag der Parteien zur Abänderung des Auflösungsvertrages vom 30.04.2005 in Verbindung mit dessen Anlage 1, der schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8.04.2005.

95

aa) Mit der Frage der Rechtsnatur, der Auslegung und der Wirksamkeit der Regelungen der als Anlage zu einem Auflösungsvertrag eines früheren Arbeitnehmers der Beklagten in Bezug genommenen schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8.04.2005 hat sich das BAG in dem den Parteien bekannten Urteil vom 9.02.2011 - 7 AZR 91/10 - beschäftigt. Gegenstand jener Entscheidung ist nicht nur eine wortgleiche sondern die identische schuldrechtliche Vereinbarung, welche als Anlage 1 im Änderungsvertrag der Parteien zum Auflösungsvertrag in Bezug genommen worden ist. Der Rechtsauffassung des BAG zur Auslegung und der Wirksamkeit der Regelungen der schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8.04.2005 - im vorliegenden Fall in Verbindung mit dem Vertrag der Parteien zur Abänderung des Auflösungsvertrages vom 30.04.2005 - schließt sich die Kammer voll inhaltlich an.

96

bb) Unter Anwendung der im Urteil des BAG vom 9.02.2011 - 7 AZR 91/10 - aufgestellten Grundsätze liegen die Voraussetzungen des besonderen Rückkehrrechts des Klägers nach § 1 des Änderungsvertrages zum Auflösungsvertrag vom 30.04.2005 in Verbindung mit Nr.1 Buchstabe b, Nr.2 Buchstabe a der schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8.04.2005 (im Folgenden: SV) vor:

97

(1) Der Kläger ist früherer Arbeitnehmer der Beklagten i.S. der SV. Er stand in einem Arbeitsverhältnis zu einer der in der schuldrechtlichen Vereinbarung genannten Kabelgesellschaften und war zum 1. Oktober 2002 von der Beklagten aufgrund seines Wechsels in eine der Kabelgesellschaften beurlaubt.

98

(2) Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde von der H. Firma aus dringenden betrieblichen Gründen i.S. Nr.2 a der SV gekündigt.

99

Dem steht nicht entgegen, dass Nr.2 a der SV auf § 1 Abs. 2 ff KSchG Bezug nimmt, das Arbeitsverhältnis des Klägers von der H. Firma jedoch wegen des bestehenden tariflichen Sonderkündigungsschutzes außerordentlich mit sozialer Auslauffrist gekündigt worden ist. Die Regelung erfasst auch eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

100

In der zitierten Entscheidung vom 9.02.2011 führt das BAG hierzu unter Rn 36 aus:

101

"Die Wirksamkeit einer solchen außerordentlichen "betriebsbedingten" Kündigung wird zwar nicht an § 1 KSchG gemessen, sondern an § 626 BGB. Zu prüfen ist nach § 626 Abs. 1 BGB aber, ob dem Arbeitnehmer im Fall ordentlicher Kündbarkeit eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar wäre (vgl. nur BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17). Die Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung sind dadurch mit denen einer ordentlichen Kündigung verknüpft. Bei einer außerordentlichen "betriebsbedingten" Kündigung handelt es sich deswegen um eine Kündigung "aus dringenden betrieblichen Gründen" iSv. Nr. 2 Buchst. a SV. Das Erfordernis einer "aus dringenden betrieblichen Gründen" ausgesprochenen Kündigung dient der Abgrenzung von personen- und verhaltensbedingten Kündigungen, bei denen kein Rückkehrrecht besteht. Das macht insbesondere Nr. 5 SV deutlich. Aus der SV geht im Übrigen nicht hervor, dass dieses Regelwerk Arbeitnehmer, die tariflich gegen ordentliche Kündigungen geschützt sind, von ihrem persönlichen Geltungsbereich ausnehmen will. Wegen des besonderen Schutzes dieser Arbeitnehmergruppe hätte es hierfür eines klaren Anhaltspunkts im Wortlaut der SV bedurft."

102

Damit erfasst Nr.2 a der SV auch die gegenüber dem Kläger ausgesprochene außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 9.12.2008.

103

(3) Der Kläger hat ein besonderes Rückkehrrecht i.S. Nr.1 Buchstabe b SV, obwohl sein Arbeitsverhältnis mit der H. Firma nicht schon mit dem 31.12.2008 sondern aufgrund der Kündigung vom 9.12.2008 erst am 31.07.2009 endete.

104

Hierzu führt das BAG in der Entscheidung vom 9.02.2011 unter Rn 38 aus:

105

"(1) Nach Nr. 1 Buchst. b SV räumte die Beklagte dem Kläger ein besonderes Rückkehrrecht "nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 36 Monate" ein. Das allgemeine Rückkehrrecht bestand nach Nr. 1 Buchst. a SV für einen Zeitraum von 24 Monaten, berechnet ab 1. Januar 2004, also bis 31. Dezember 2005. Der Zeitraum für das besondere Rückkehrrecht endete 36 Monate später mit dem 31. Dezember 2008.

106

(2) (...) Aus dem Wortlaut der Regelung geht nicht eindeutig hervor, ob mit dem Rückkehrrecht "für weitere 36 Monate" die Entstehung des Rechts bis 31. Dezember 2008, seine Geltendmachung oder die tatsächliche Rückkehr bis zu diesem Zeitpunkt gemeint ist. Der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner (§ 157 BGB) spricht jedoch dafür, dass es jedenfalls genügt, wenn das Rückkehrrecht bis 31. Dezember 2008 durch den Zugang einer ordentlichen oder außerordentlichen "betriebsbedingten" Kündigung entstand und gegenüber der Beklagten geltend gemacht wurde. Mit Ausübung des Rückkehrrechts bis 31. Dezember 2008 erlangte die beklagte Verwenderin Planungssicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Rückkehr des einzelnen Arbeitnehmers. Die in Nr. 3 Satz 2 SV enthaltene Ankündigungsfrist von drei Monaten deutet zudem darauf hin, dass das Regelwerk zwischen dem Rückkehrrecht und der tatsächlichen Rückkehr unterscheidet."

107

Diese Voraussetzungen liegen vor. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist mit Schreiben vom 9.12.2008 gekündigt worden. Der Kläger hat sein Rückkehrrecht gegenüber der Beklagten noch im Dezember 2008 geltend gemacht.

108

(4) Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des besonderen Rückkehrrechts. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die H. Firma aus betriebsbedingten Gründen gekündigt worden.

109

Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft den Kläger nicht die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die dem Kläger gegenüber erklärte Kündigung vom 9.12.2008 als betriebsbedingte Kündigung wirksam war.

110

Wie das BAG in der zitierten Entscheidung vom 9.02.2011 unter Rn 30 ff ausführt, handelt es sich bei der als Anlage zum Aufhebungsvertrag vollständig in diesen einbezogenen SV um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. § 305 Abs.1 S.1 BGB.

111

Die durchzuführende Inhaltskontrolle führt zu dem Ergebnis, dass das für das besondere Rückkehrrecht in Nr.1 Buchstabe b und Nr.2 Buchstabe a SV aufgestellte Erfordernis einer nicht nur wirksamen sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs.2 ff KSchG ausgesprochenen Kündigung den Kläger unangemessen i.S. § 307 Abs.1 BGB benachteiligt. Das besondere Rückkehrrecht kann ohne das Erfordernis einer nicht nur wirksamen sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs.2 ff KSchG ausgesprochenen Kündigung aufrecht erhalten bleiben. Die Klausel ist teilbar und kann ohne unzumutbare Härte für die Beklagte aufrecht erhalten bleiben. Der wirksame Teil der Nr.2 Buchstabe a SV beschränkt sich auf die Voraussetzung einer wirksamen Kündigung, die auch bei Eintritt der Fiktion des § 7 Halbsatz 1 KSchG (im Fall einer außerordentlichen Kündigung i.V.m. § 13 Abs.1 Satz 2 KSchG) erfüllt ist (BAG aaO. Rn 55, 63-65).

112

Die von der H. Firma ausgesprochene Kündigung vom 9.12.2008 gilt damit bereits aufgrund der erfolgten Klagerücknahme im Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Hannover nach § 7 Halbsatz 1, § 13 Abs.1 Satz 2 KSchG, § 269 Abs.3 Satz 1 KSchG als wirksam. Hieraus folgt, dass der Kläger nicht weiter darlegen und beweisen muss, dass die Voraussetzungen einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung erfüllt sind (ebenso BAG aaO. Rn 66).

113

Da der unwirksame Bestandteil der Klausel "unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs.2 ff KSchG" vollständig entfällt kommt es auch nicht auf die Frage an, welche Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür getragen hätte, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung vorlagen. Der Beklagten ist damit zugleich der Gegenbeweis, dass die betriebsbedingte Kündigung sozialwidrig gewesen sei, verwehrt. Das BAG beschränkt den Prüfungsumfang der Wirksamkeit der Kündigung allein auf die allgemeinen Grundsätze der Missbrauchskontrolle, insbesondere auf den Fall eines etwaigen kollusiven Zusammenwirkens des Klägers mit der Kabelgesellschaft zu Lasten der Beklagten.

114

(5) Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte ist nicht gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Insbesondere liegt kein kollusives Verhalten des Klägers gemeinsam mit der H. Firma zu Lasten der Beklagten vor.

115

(a) Die Rücknahme der Kündigungsschutzklage gegen die H. Firma im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Hannover (10 Ca 97/09) verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

116

Hierzu führt das BAG in der Entscheidung vom 9.02.2011 aus:

117

"Nr. 2 Buchst. a SV verkehrt zum einen die für den Kündigungsschutzprozess in § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG vorgesehene Darlegungs- und Beweislast. Denn die Regelung macht die Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG für eine von der K ausgesprochene "betriebsbedingte" Kündigung zur Anspruchsvoraussetzung des Rückkehrrechts. Zum anderen beseitigt Nr. 2 Buchst. a SV die Fiktion der § 13 Abs. 1 Satz 2, § 7 Halbs. 1 KSchG. Die Wirkung dieser Fiktion beschränkt sich darauf, dass eine bestimmte Kündigung wirksam ist. Ob der Kündigungsgrund tatsächlich zutrifft, ist nicht Gegenstand der Fiktion (vgl. APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 7 KSchG Rn. 7; KR/Rost 9. Aufl. § 7 KSchG Rn. 20a).

118

(bb) Diese in Nr. 2 Buchst. a SV enthaltene Voraussetzung ist nach § 307 Abs. 2 iVm. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

119

Für den Arbeitnehmer, der das Rückkehrrecht ausüben will, begründet sie die Obliegenheit, eine Kündigungsschutzklage nicht nur anzustrengen, sondern sie durch streitiges, klageabweisendes und rechtskräftiges Urteil zu beenden. Darin liegt eine unzumutbare Belastung des Arbeitnehmers, dh. eine Einschränkung, die es gefährdet, dass der Vertragszweck - die Verknüpfung der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem Wiedereinstellungsanspruch - erreicht wird (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Der Arbeitnehmer kann sich nicht frei entschließen, die Unsicherheiten und Belastungen eines Kündigungsschutzrechtsstreits auf sich zu nehmen, wenn er das besondere Rückkehrrecht - den Wiedereinstellungsanspruch - durchsetzen will. Er kann seine Klage gegen die Kabelgesellschaft nicht zurücknehmen, keinen Klageverzicht erklären, kein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen und sich, ohne den Verlust des Wiedereinstellungsanspruchs zu riskieren, nicht vergleichsweise einigen. Er kann seine Entscheidung über die Einleitung und Fortführung des Rechtsstreits auch nicht von einer Beurteilung der Prozessaussichten abhängig machen. Er muss den Rechtsstreit vielmehr sogar dann führen, wenn er selbst der Auffassung ist, die klagebegründenden Tatsachen nicht schlüssig vortragen zu können (vgl. zu einer auf der Grundlage von § 75 Abs. 1 BetrVGüberprüften Klageobliegenheit im Zusammenhang mit einer Sozialplanforderung BAG 22. Juli 2003 - 1 AZR 575/02 - zu III 1 b cc (1) der Gründe, BAGE 107, 100). Der Prozesserfolg steht regelmäßig erst nach Jahren fest. Das widerspricht dem typischen Zweck eines Wiedereinstellungsanspruchs, der u.a. darin besteht, Zeiten der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken."

120

Da der Kläger bereits nicht verpflichtet war, gegen die Kündigung durch Erhebung einer Klage vorzugehen, bestand auch keine Verpflichtung, den Prozess nach Klageerhebung zu Ende zu führen. In der bloßen Rücknahme der Klage kann im Regelfall daher kein Treueverstoß liegen.

121

Soweit die Beklagte mutmaßt, der Kläger habe von der H. Firma für die Klagerücknahme eine Gegenleistung erhalten, wäre dieser Umstand nach Auffassung der Kammer für sich genommen ebenfalls rechtlich unerheblich, denn das "Abkaufen" des Prozessrisikos ist im Kündigungsschutzprozess gängige Praxis und kein Indiz dafür, dass eine Kündigung vorgeschoben ist. Ist der Arbeitnehmer nicht einmal zur Klageerhebung verpflichtet, muss er den Prozess nicht bis zum Urteil durchführen. Es ist im Ergebnis daher unerheblich, ob die Prozessbeendigung durch den Arbeitnehmer aus freien Stücken, im Wege eines Abfindungsvergleiches oder durch Rücknahme einer Klage aufgrund einer hierfür vereinbarten Gegenleistung erfolgt. Im übrigen hat die Beklagte ihre entsprechende Behauptung, der Kläger habe hierfür eine Gegenleistung erhalten, nicht substantiiert. Der Kläger hat darüber hinaus im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausdrücklich erklärt, im Zusammenhang mit der Klagerücknahme über die Sozialplanleistungen hinaus von der H. Firma keine Zahlungen erhalten zu haben.

122

(b) Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte ist nicht aufgrund eines kollusiven Zusammenwirkens mit der H. Firma ausgeschlossen.

123

Ein kollusives Verhalten liegt bei einem vorsätzlichen Zusammenwirken mehrerer zum Schaden eines dritten Vertragspartners vor (vgl. z.B. BGH 25.01.2011, XI ZR 100/09 - Juris - Rn 43).

124

Ein solches kollusives Zusammenwirken könnte beispielsweise dann angenommen werden, wenn der Kläger und die H. Firma einvernehmlich den Kläger dem Kreis der zu kündigenden Arbeitnehmer zugeschlagen hätten, obwohl für beide Seiten erkennbar eine Kündigung des Klägers überhaupt nicht in Betracht gekommen wäre. Denkbar wäre auch der Fall, dass eine in Wahrheit verhaltens- oder personenbedingte Kündigung nur rein äußerlich als betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen wird, um dem Kläger noch vor Ablauf der Rückkehrfrist gegenüber der Beklagten einen Wiedereinstellungsanspruch zu verschaffen.

125

Keine dieser Voraussetzungen liegen vor.

126

Die Darlegungs- und Beweislast für ein kollusives Verhalten träfe die Beklagte. Es kann dahingestellt bleiben, welche konkreten Anforderungen an die Darlegung eines kollusiven Verhaltens im Einzelfall zu stellen sind. Zu fordern ist jedenfalls ein Sachvortrag, der den Schluss auf ein bewusstes Zusammenwirken bei Ausspruch der Kündigung zum Nachteil der Beklagten zulässt. Unter Anlegung dieses Maßstabes kann aus dem Vorbringen der Beklagten der Rückschluss auf ein kollusives Verhalten des Klägers und der H. Firma zu Lasten der Beklagten jedenfalls nicht gezogen werden.

127

(aa) Kein Indiz ist der zeitliche Zusammenhang zwischen der Betriebsänderung und dem zeitlichen Ablauf des Rückkehrrechts. Selbst wenn der bevorstehende zeitliche Ablauf der Rückkehrrechte der früheren Beschäftigten der Beklagten Motiv der H. Firma für den Zeitpunkt der Durchführung der Betriebsänderung gewesen sein sollte, wäre dies dem Kläger persönlich nicht zurechenbar sondern beträfe allein die Frage der Verletzung etwaiger Rücksichtnahmepflichten der H. Firma gegenüber der Beklagten.

128

(bb) Die Rücknahme der Klage im Kündigungsschutzprozess ist - wie oben ausgeführt - nicht treuwidrig und damit für sich genommen auch kein Indiz für ein kollusives Verhalten.

129

(cc) Die Frage, ob die ausgesprochene Kündigung materiell-rechtlich sozial gerechtfertigt gewesen wäre, stellt kein Tatbestandsmerkmal des Rückkehranspruches dar. Eine bloße Sozialwidrigkeit der ausgesprochenen Kündigung kann daher grundsätzlich kein hinreichendes Indiz dafür sein, dass der Kündigung ein kollusives Verhalten zu Grunde liegt.

130

Dies gilt insbesondere für die von der Beklagten geltend gemachte Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Sozialauswahl.

131

Zwar könnte nach dem Sachvortrag der Beklagten einiges dafür sprechen, dass die H. Firma im Rahmen der ausgesprochenen Kündigung im Hinblick auf den besonderen tariflichen Kündigungsschutz des Klägers eine fehlerhafte Sozialauswahl durchgeführt haben könnte. Sowohl was die Einbeziehung so genannter tariflich unkündbarer Arbeitnehmer in eine Sozialauswahl als auch die Anforderungen bei der Suche nach einem anderweitigen freien Arbeitsplatz angeht, werden an den Arbeitgeber in diesen Fällen erhöhte Anforderungen gestellt (vgl. hierzu z.B. BAG 8.04.2003, 2 AZR 355/02, AP Nr. 181 zu § 626 BGB = NZA 2003, 856 [BAG 08.04.2003 - 2 AZR 355/02]). Selbst eine grob fehlerhafte Sozialauswahl wäre aber noch kein Indiz für ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem Kläger und der H. Firma. So erscheint insbesondere die Begrenzung des Auswahlkreises für die soziale Auswahl durch die H. Firma auf die BBS D. zwar problematisch, aber auch nicht völlig abwegig. Aufgrund des Änderungsvertrages des Klägers mit der H. Firma zum 1.4.2005, welcher als Organisationseinheit den Service Nord im Bereich BBS Nord 3 am Standort D. benennt, ist die Auffassung, die Sozialauswahl sei auf die Betriebe i.S. des ZuordnungsTV vom 1.1.2006 zu beschränken, die ursprünglich im Vertrag enthaltene allgemeine Versetzungsklausel sei darüber hinaus mit der Vertragsänderung aufgehoben und der Auswahlkreis daher auf den Bereich der BBS Nord 3 D. zu beschränken, zumindest aus Sicht des Arbeitgebers vertretbar, selbst wenn diese Auffassung sich im Kündigungsschutzprozess als nicht tragfähig erwiesen hätte. Hinzu kommt, dass die Sozialauswahl, wie der Betriebsratsanhörung (Bl. 562 d.A.) zu entnehmen ist, gemäß § 7 Abs.1 des Interessenausgleiches durch das innerbetriebliche Umsetzungsteam durchgeführt worden ist.

132

Dass der Kläger von der Betriebsänderung grundsätzlich betroffen war, sein bisheriger Arbeitsplatz also von den im Interessenausgleich niedergelegten Maßnahmen erfasst wurde, folgt bereits aus dem Vergleich der in § 2 des Interessenausgleiches dargestellten Ist-Struktur mit der Zielstruktur und der sich daraus ergebenden grundsätzlichen Reduzierung von Arbeitsplätzen für Servicetechniker der Bereiche NE3 und NE4 in der Region 2.

133

Greifbare Anhaltspunkte für ein Zusammenwirken des Klägers mit der H. Firma bestehen damit allein wegen etwaiger berechtigter Zweifel an der sozialen Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung nicht.

134

(dd) Der Umstand, dass der Betriebsrat der Kündigung mit Schreiben vom 5.12.2008 widersprochen hat, ist ebenfalls kein Indiz für ein kollusives Verhalten des Klägers und der H. Firma.

135

Die Tatsache eines vom Betriebsrat erhobenen Widerspruches besagt für sich genommen nichts über die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Aus der Begründung des Widerspruches können sich im Einzelfall allenfalls Tatsachen ergeben, die Rückschlüsse auf eine evidente Unwirksamkeit der Kündigung zulassen.

136

Der Widerspruch vom 5.12.2008 ist indes allgemein gehalten und geht auf die persönlichen Umstände des Klägers nicht konkret ein. Weder werden vom Betriebsrat Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf konkreten Arbeitsplätzen benannt noch wird näher erläutert, warum der Betriebsrat im konkreten Einzelfall soziale Gesichtspunkte für nicht ausreichend gewahrt hält. Der Betriebsrat führt nicht einmal aus, welche Arbeitnehmer er für weniger schutzwürdig hält. Als Indiz für eine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung enthält der Widerspruch damit keine hinreichenden Tatsachen.

137

(ee) Als Indiz für ein kollusives Zusammenwirken des Klägers mit der H. Firma könnte allein der Umstand herhalten, dass die H. Firma nach dem Vorbringen der Beklagten Arbeitnehmer, die gegenüber der Beklagten im Prozess Rückkehransprüche verfolgen, mit Musterschriftsätzen unterstützt habe, zu dieser Gruppe habe auch der Kläger gehört.

138

Ein derartiges gemeinschaftliches Vorgehen im Prozess reicht als Indiz dafür, dass die Verfolgung des Rückkehrrechtes auf einem bereits bei Kündigung gefassten gemeinsamen Plan der gekündigten Arbeitnehmer und der H. Firma beruhte, nicht aus. Ein bloßes gemeinsames Vorgehen aufgrund gleichartiger Interessenlage erfüllt die Voraussetzungen eines kollusiven Verhaltens nicht ohne weiteres (BGH 10.06.2010, V ZB 192/10, NJW RR 2010, 1314 [BGH 10.06.2010 - V ZB 192/09]). Mit der Unterstützung der rückkehrwilligen Arbeitnehmer durch Musterschriftsätze mag sich die H. Firma möglicherweise in Widerspruch zu konzerninternen Treue- und Rücksichtnahmepflichten gegenüber der Beklagten gesetzt haben. Bezogen auf das Verhältnis des Klägers zur Beklagten stellt es indes kein treuwidriges Verhalten dar, sich vom bisherigen Anstellungsarbeitgeber nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung bei der Durchsetzung des vertraglichen Rückkehrrechts unterstützen zu lassen. Als kollusives Verhalten, welches dem Rückkehrrecht entgegensteht, ist eine solche Unterstützungshandlung jedenfalls nicht einzuordnen.

139

(ff) Auch aus einer Gesamtschau aller Umstände ergeben sich keine greifbaren Anhaltspunkte für ein kollusives Verhalten des Klägers und der H. Firma zu Lasten der Beklagten.

140

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs.2 ArbGG, §§ 91, 92, 97 ZPO.

141

Die erstinstanzlichen Kosten waren dem Kläger aufzuerlegen, da das Arbeitsgericht den dort allein anhängigen Klageantrag im Ergebnis zu Recht - wenn auch mit anderer Begründung - abgewiesen hat. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gegeneinander aufzuheben, da der Kläger zwar mit dem Hauptantrag unterlegen ist, mit dem wirtschaftlich nahezu gleichwertigen Hilfsantrag aber obsiegt hat.

142

IV. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht. Weder ein Zulassungsgrund gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG noch gemäß § 72 Abs.2 Nr.2 ArbGG liegt vor.

143

Die entscheidungserhebliche materiell-rechtliche Rechtsfrage ist durch die zitierte Entscheidung des BAG vom 9.02.2011 geklärt.

144

Die abweichend vom Ergebnis des LAG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 24.11.2010 - 20 Sa 419/10 - beurteilte Frage der Zulässigkeit des Klageantrages betrifft die Anwendung des Prozessrechtes, nämlich die Frage der Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrages i.S. § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO i.V.m. § 894 ZPO. Die dem Bestimmtheitserfordernis genügenden Voraussetzungen der Zulässigkeit eines entsprechenden Leistungsantrages sind in der zitierten Entscheidung des BAG vom 9.02.2011 dargestellt. An den Grundsätzen der Rechtsprechung des BAG hat sich die Kammer orientiert. Eine die Revisionszulassung erfordernde Divergenz gemäß § 72 Abs.2 Nr.2 ArbGG liegt nicht schon deshalb vor, weil die Kammer bei Anwendung dieser Grundsätze zu einem anderen Ergebnis gelangt als das LAG Berlin-Brandenburg.

Ermel
Uphaus
Kleiber