Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.04.2011, Az.: 6 Sa 1253/10
Begriff des Urlaubs in Ziffer 1 der Protokollerklärung zu § 9 Abs. 4 TVÜ-L umfasst auch den Sonderurlaub aus familiären Gründen; Begriff des Urlaubs in Ziffer 1 der Protokollerklärung zu § 9 Abs. 4 TVÜ-L; Anspruch auf Sonderurlaub aus familiären Gründen für Angestellte des öffentlichen Dienstes im Bundesland Niedersachsen
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 01.04.2011
- Aktenzeichen
- 6 Sa 1253/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 21948
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2011:0401.6SA1253.10.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BAG - 21.03.2013 - AZ: 6 AZR 401/11
Rechtsgrundlagen
- Protokollerklärung zu § 9 Abs. 4 TVÜ-L
- § 5 Abs. 6 TVÜ-Länder
- § 315 BGB
- Art. 6 GG
Amtlicher Leitsatz
Der Begriff des Urlaubs in Ziffer 1 der Protokollerklärung zu § 9 Abs. 4 TVÜ-L umfasst auch den Sonderurlaub aus familiären Gründen; andernfalls hätten die Tarifparteien bei der Schaffung der Besitzstandsregelung gegen Art. 6 GG verstoßen und die betroffene Arbeitnehmerin hätte nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot einen Anspruch auf die vorenthaltene Vergünstigung in Gestalt der Besitzstandszulage.
In dem Rechtsstreit
...
hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 1. April 2011
durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Klausmeyer,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Wichmann,
die ehrenamtliche Richterin Frau Gärtner
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 11.05.2010 - 1 Ca 416/09 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat das beklagte Land zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechtigung des beklagten Landes zum Widerruf einer Besitzstandszulage (vormals Leistungszulage).
Die Klägerin ist seit dem 01.08.1990 als Justizangestellte beim beklagten Land im Amtsgericht A-Stadt tätig. Gemäß Schreiben vom 06.05.1995 gewährte das beklagte Land der Klägerin nach Protokollnotiz Nr. 4 des Tarifvertrages für Angestellte im Schreibdienst vom 10.07.1996 i.V.m. den Richtlinien für die Gewährung von Leistungszulagen an Angestellte im Schreibdienst in der Fassung vom 01.09.1970 ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung und unter dem Vorbehalt des Widerrufs eine Leistungszulage. Die Bewilligung dieser Leistungszulage basierte auf den Feststellungen im Monat Januar 1995, in dem die Klägerin eine tatsächliche durchschnittliche Tagesanschlagsleistung von 62.559 Anschlägen erreicht hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 113, 114 d.A. verwiesen.
Bis Ende September 2008 für ca. 8 Jahre hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zunächst aufgrund Inanspruchnahme von Elternzeit durch die Klägerin und im Anschluss daran aufgrund von Sonderurlaub zur Kinderbetreuung unter Fortfall der Dienstbezüge geruht. Zum 01.10.2008 trat die Klägerin ihren Dienst an. Seit dem 01.03.2009 wird sie in einer Serviceeinheit beim Amtsgericht A-Stadt eingesetzt, zuvor erfolgte ihre Beschäftigung im Rahmen der Datenerfassung. Zunächst erhielt die Klägerin die Leistungszulage ab Oktober 2008 als Besitzstandszulage unverändert in Höhe von zuletzt 53,65 EUR brutto pro Monat weiter. Mit Schreiben vom 27.03.2009 widerrief der Präsident des Amtsgerichtes A-Stadt die Leistungszulage rückwirkend zum 01.10.2008. Er bezog sich hierbei auf § 9 Abs. 4 TVÜ-L und führte aus, dass sich die Klägerin am Stichtag, dem 31.10.2006, im Sonderurlaub aus familiären Gründen befunden habe und deshalb ihres Anspruchs auf Zahlung einer Zulage verlustig gegangen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 7 und 8 d.A. Bezug genommen.
Mit der Abrechnung für den Monat April 2009 wurden von dem Gehalt der Klägerin die für die Monate Oktober 2008 bis März 2009 geleisteten Zahlungen im Hinblick auf die Leistungszulage in Abzug gebracht. Ab April 2009 zahlt das beklagte Land an die Klägerin die streitgegenständliche Zulage nicht mehr.
Mit der am 20. Juli 2009 beim Arbeitsgericht Osnabrück eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der Zulage in unveränderter Höhe ab dem Oktober 2008. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagtenseite sei zum Widerruf dieser Zulage auf Grundlage des Schreibens vom 27.03.2009 nicht berechtigt. Die in der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 9 Abs. 4 TVÜ-L aufgelisteten unschädlichen Unterbrechungstatbestände insbesondere in Gestalt des Urlaubes umfassten nach ihrem Sinn und Zweck den von der Klägerin am 31.10.2006 in Anspruch genommenen Sonderurlaub zur Kinderbetreuung. Eine Nichtanerkennung dieses Sonderurlaubs würde andernfalls zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber vergleichbaren Mitarbeitern ohne Sonderurlaub am 31.10.2006 sowie einer nicht gerechtfertigten mittelbaren Benachteiligung von Frauen führen.
Die Klägerin hat beantragt,
- 1.
das beklagte Land zu verurteilen, an sie 160,95 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 53,65 EUR seit dem 05.05.2009, seit dem 03.06.2009 und seit dem 30.07.2009 zu zahlen;
- 2.
das beklagte Land zu verurteilen, an sie ab dem Monat Juli 2009 eine tarifliche Zulage in Höhe von 53,65 EUR brutto zu zahlen;
hilfsweise
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an sie ab Juli 2009 die Zulage in Höhe von derzeit 53,65 EUR pro Monat weiter zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, dass die der Klägerin gewährte Zulage an sich bereits im Anschluss an den Sonderurlaub der Klägerin nach deren Dienstantritt am 01.10.2008 zu widerrufen gewesen wäre. Da der Klägerin die Leistungszulage nach dem TV-L nicht mehr zustehe, könne diese nur als außertarifliche Besitzstandszulage fortgezahlt werden, wenn sie der Klägerin am 31.10.2006 zugestanden habe. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Klägerin im Sonderurlaub befunden. Der Sonderurlaub sei nicht als unschädlicher Unterbrechungstatbestand in der abschließenden Auflistung in der Protokollerklärung Ziffer 1 zu § 9 Abs. 4 TVÜ-L enthalten. Hieraus resultiere auch keine Diskriminierung wegen des Geschlechtes, da der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses durch den Sonderurlaub aus familiären Gründen stets die Entscheidung der Eltern vorgeschaltet sei, wer von ihnen die Arbeit wegen Kindererziehungszeiten unterbreche. Im Übrigen übe die Klägerin die leistungsbegründende Tätigkeit seit dem 01.10.2008 nicht mehr aus.
Mit Urteil vom 11.05.2010 hat das Arbeitsgericht Osnabrück der Klage in vollem Umfang entsprochen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der Ausschluss von Arbeitnehmern, die am 31.10.2006 Sonderurlaub zum Zwecke der Kinderbetreuung in Anspruch genommen hätten, gegen Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG verstoße.
Gegen dieses ihm am 12.07.2010 zugestellte Urteil hat das beklagte Land mit am 11.08.2010 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung unter dem 25.10.2010 begründet.
Das beklagte Land ist der Auffassung, zum Widerruf der Zulage berechtigt gewesen zu sein. Gemäß Ziffer 5.1.4.c. der TdL-Durchführungshinweise zu § 5 Abs. 2 S. 3 TVÜ-L könne eine Leistungszulage als außertarifliche persönliche Besitzstandszulage nur dann weiter gewährt werden, wenn sie am 31.10.2006 gezahlt worden sei und die bisherigen Voraussetzungen für die Gewährung fortbestünden. Da die Klägerin seit ihrer Rückkehr überwiegend Tätigkeiten außerhalb des Schreibdienstes wahrnehme, seien beide Voraussetzungen nicht mehr gegeben. Die Klägerin sei vom 01.10.2008 bis 28.02.2009 in der Datenerfassung beschäftigt worden und ab dem 01.03.2009 in einer Serviceeinheit. Im Rahmen von § 5 Abs. 2 S. 3 TVÜ-L sei es zu keiner Festlegung von unschädlichen Unterbrechungstatbeständen gekommen. Selbst wenn man insoweit § 9 Abs. 4 TVÜ-L i.V.m. der Protokollerklärung Nr. 1 heranziehen wollte, würde das zu keinem anderen Ergebnis führen. Dann wäre nämlich der von der Klägerin in Anspruch genommene Sonderurlaub aus familiären Gründen als schädlicher Unterbrechungstatbestand zu qualifizieren.
Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichtes Osnabrück vom 11.05.2010 - 1 Ca 416/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und behauptet im Hinblick auf ihre tatsächliche Beschäftigung nach Ende ihres Sonderurlaubes, dass ursprünglich beabsichtigt gewesen sei, sie nach ihrer Rückkehr sofort und unmittelbar in einer Serviceeinheit einzusetzen. Zwei oder drei Wochen vorher sei ihr dann mitgeteilt worden, dass ein großer Bedarf in der Datenerfassung bestehe und sie deshalb dort auszuhelfen habe. Zu dieser Zeit habe sie niemand auf die Leistungszulage angesprochen oder ihr erklärt, dass eine Tätigkeit in der Datenerfassung im Hinblick auf die erforderliche Anschlagszahl unzureichend sein könnte. Nach Ablauf der ursprünglich anvisierten Aushilfszeit in der Datenerfassung sei der Klägerin mitgeteilt worden, dass ihr weiterer Einsatz dort noch erforderlich sei, und zwar für etwa zwei oder drei Monate. Anschließend sei sie dann - wie ursprünglich beabsichtigt - in einer Serviceeinheit eingesetzt worden und dort auch seither tätig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, soweit diese Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren und auf die in der mündlichen Verhandlung abgegebenen wechselseitigen Erklärungen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des beklagten Landes hat keinen Erfolg.
A.
Sie ist statthaft, form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden; die Berufung ist damit insgesamt zulässig,§§ 64, 66 ArbGG, 517, 519 ZPO.
B.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht Osnabrück hat mit Urteil vom 11.05.2010 zu Recht festgestellt, dass das beklagte Land nicht zum Widerruf der Besitzstandszulage (vormals Leistungszulage) zum 01.10.2008 berechtigt war. Die Klägerin hat weiterhin Anspruch auf Zahlung von monatlich 53,65 EUR brutto.
1.
Mit Schreiben vom 06.02.1995 ist der Klägerin auf Grundlage der Protokollnotiz Nr. 4 des Tarifvertrages für Angestellte im Schreibdienst vom 10.07.1996 in der Fassung des Tarifvertrages vom 27.07.1970 i.V.m. den Richtlinien für die Gewährung von Leistungszulagen an Angestellte im Schreibdienst in der Fassung vom 01.09.1970 eine widerrufliche Leistungszulage mit Wirkung zum 01.01.1995 zugesagt worden. Es handelt sich dabei also um die Leistungszulage nach Protokollnotiz Nr. 4 und 7 des Teils II Abschnitt N u.a. I der Anlage 1a) zum BAT. Nach Kündigung der Anlage 1a) zum BAT fand diese Vorschrift seinerzeit infolge der Nachwirkung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Diese Zulage veränderte sich bei allgemeinen Entgeltanpassungen um den von den Tarifvertragsparteien festgelegten Vomhundertsatz; sie verminderte sich um den Betrag, um den sich die Grundvergütung des Angestellten durch Erreichen der nächsten Lebensstufe erhöhte. Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 des Zulagentarifvertrages wurde diese Leistungszulage bis zu einem Betrag von derzeit 48,-- EUR (West) auf die allgemeine Zulage angerechnet. Nach § 5 Abs. 2 S. 1 TVÜ-L ist bei der Überleitung nur die ungekürzte allgemeine Zulage in das Vergleichsentgelt einzurechnen. Im TV-L ist eine entsprechende Leistungszulage nicht vorgesehen. Soweit Leistungszulagen an Angestellte im Schreibdienst am Überleitungsstichtag, d.h. dem 31.10.2006 noch gezahlt wurden, kann nach den Ausführungen der TdL in den Durchführungshinweisen zum TVÜ-Länder der Betrag, der über den Anrechnungsbetrag von 48,-- EUR (West) hinaus geht, jedoch außertariflich als persönliche Besitzstandszulage neben dem Vergleichsentgelt fortgezahlt werden. Das gilt nur, soweit die bisherigen Voraussetzungen für die Gewährung weiterhin gegeben sind( Ziffer 5.1.4 zu § 5 Abs. 2 S. 3 TVÜ-Funktionszulagen c) Leistungszulagen für Angestellte im Schreibdienst der Durchführungshinweise der TdL).
2.
Insoweit ist vorliegend davon auszugehen, dass es sich bei der der Klägerin ursprünglich bewilligte Leistungszulage um eine widerrufliche gehandelt hat. Die Ausübung des Widerrufes ist dem beklagten Land jedoch nur nach billigem Ermessen gemäߧ 315 BGB möglich. Das billige Ermessen ist in einem solchen Fall gewahrt, wenn der Arbeitgeber für den Widerruf einen sachlichen Grund hat (vgl. nur BAG, 09.06.1967 - 3 AZR 352/66 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Lohnzuschläge). Diesem Maßstab wird der von dem beklagten Land ausgesprochene Widerruf nicht gerecht. Bei der Klägerin sind die Voraussetzungen für die Zahlung der Leistungszulage als persönliche Besitzstandszulage nach Überleitung in den TV-L bei der gebotenen Zugrundelegung des Durchführungshinweis Ziffer 5.1.4.c) der TdL gegeben. Es ist sowohl davon auszugehen, dass die Klägerin die bisherigen Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungszulage erfüllt als auch, dass diese am Überleitungsstichtag, dem 31.10.2006, gezahlt wurde.
a.
Die Klägerin übt weiterhin die für die Gewährung der ursprünglichen Leistungszulage anspruchsbegründende Tätigkeit aus.
a. a.
Zwar wird sie nicht mehr im Schreibdienst, sondern in einer Serviceeinheit eingesetzt. Die dort zu verrichtenden Tätigkeiten erfüllen jedoch weiterhin die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungszulage. Das ergibt sich aus § 2 des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1a) zum BAT (Angestellte in Serviceeinheiten bei Gerichten und Staatsanwaltschaften) vom 29.11.2000. Durch diesen Tarifvertrag sind ab 01.01.2001 Tätigkeitsmerkmale für Angestellte in Serviceeinheiten bei Gerichten und Staatsanwaltschaften in die Vergütungsgruppen V b, V c, IV b und VII b eingefügt worden. § 2 enthält die Übergangsvorschriften für die Angestellten, die nach den neuen Tätigkeitsmerkmalen für Angestellte in Serviceeinheiten bei Gerichten und Staatsanwaltschaften einzugruppieren sind. Nach § 2 Nr. 2 dieses Änderungstarifvertrages ist die am 31. Dezember 2000 zustehende Summe aus Grundvergütung, allgemeiner Zulage, ggf. Funktionszulage und Leistungszulage nach den Protokollnotizen Nr. 3, 4, 6 und 7 oder Bewährungszulage nach der Fußnote 1 zur Vergütungsgruppe VII des Teils II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1 a zum BAT unter Berücksichtigung allgemeiner Vergütungserhöhungen so lange fortzuzahlen, bis diese Summe durch die vom 1. Januar 2001 an zustehende Summe aus Grundvergütung, allgemeiner Zulage und ggf. Vergütungsgruppenzulage nach den Fußnoten der Vergütungsgruppe VI b des Teils II Abschnitt T Unterabschnitt I der Anlage 1a) zum BAT in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung erreicht oder überschritten wird. Diese Vorschrift enthält mithin eine Regelung zur Besitzstandswahrung für diejenigen Angestellten, die bisher nach den Tätigkeitsmerkmalen für Angestellte im Schreibdienst eingruppiert waren und infolge des Wegfalls von Bewährungs-, Funktions- und/oder Leistungszulagen bei Eingruppierung nunmehr nach Teil II Abschnitt T Unterabschnitt I der Anlage 1a) zum BAT Vermögenseinbußen erleiden. Die Übergangsvorschrift gilt tariflich also nur für Angestellte, deren Bezüge sich durch das Inkrafttreten der neuen Tätigkeitsmerkmale am 01.01.2001 vermindern. Dieselben Effekte können aber auch eintreten, wenn Angestellte aus dem Schreibdienst in neu geschaffene oder schon bestehende Serviceeinheiten umgesetzt werden. Die Geschäftsstelle der TdL hat deshalb mit Rundschreiben vom 02.02.2001 - 3-03-02-20/239/01-B/2 - keine Bedenken erhoben, diese Übergangsvorschrift in Nr. 2 auch in diesen Fällen entsprechend anzuwenden (vgl. Clemens-Scheuring, Kommentar, BAT, Vergütungsordnung BL 122. Lieferung, Stand Oktober 2003, zu II T-Justizdienst, Übersicht, Erläuterung 1.3.2.). Das ist auch im Erlass des Niedersächsischen Justizministeriums vom 10.02.2009 - 2512 - 104.96 ausdrücklich bestätigt worden, indem darin ausgeführt wird, dass u.a. für die Beschäftigten aus dem Schreibdienst, die am 31. Dezember 2000 nach der Protokollnotiz 4 eine Leistungszulage erhalten haben, die Übergangsregelung des § 2 Nr. 2 des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1 a) zum BAT auch dann gilt, wenn der Wechsel aus dem Schreibdienst in die Serviceeinheit nach dem 1. Januar 2001 erfolgt. Diese Besitzstandswahrung wird in dem Erlass ausdrücklich erweitert auf die Beschäftigten aus dem Schreibdienst, die nach dem Inkrafttreten des TVÜ-L und TV-L in die Serviceeinheiten wechseln.
b. b.
Auch der Umstand, dass die Klägerin nach Beendigung ihres Sonderurlaubes zunächst in der Datenerfassung und erst anschließend in einer Serviceeinheit tätig geworden ist, führt nicht zum Wegfall der für die Leistungszulage/ Besitzstandzulage maßgeblichen Tätigkeit. Abzustellen ist allein auf die der Klägerin dauerhaft zugewiesenen Aufgaben in einer Serviceeinheit, während die Klägerin vom 01.10.2009 bis 28.02.2010 lediglich aushilfsweise und vorübergehend in der Datenerfassung tätig geworden. Aus § 22 Abs. 2 BAT folgt, dass sich die Vergütung nach den Tätigkeitsmerkmalen richtet, die der gesamten und nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeiten entsprechen. Eine andere Sichtweise würde zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Schlechterstellung der Klägerin führen. Sie hat von der Beklagten unwidersprochen ausgeführt, ihr sei bei der Übertragung der vorübergehenden Tätigkeiten in der Datenerfassung nicht erklärt worden, dass sich hieraus etwaige negative Konsequenzen für ihren Anspruch auf die Zahlung einer Leistungszulage ergeben könnten. Vielmehr ist diese auch während des Einsatzes in der Datenerfassung zumindest anfänglich ohne irgendeinen Vorbehalt weiter gezahlt worden.
b.
Das beklagte Land kann den Widerruf der Leistungs-/Besitzstandszulage nicht damit rechtfertigen, dass an die Klägerin am Stichtag, d.h. dem 31.10.2006 tatsächlich keine Leistungszulage gezahlt worden ist, weil sie sich seinerzeit im Sonderurlaub zur Kinderbetreuung befunden hat. Vielmehr ist die Klägerin so zu behandeln, als habe sie ihre übliche Vergütung einschließlich der Zulage erhalten.
a. a.
Insoweit ist zunächst auf § 5 Abs. 6 TVÜ-Länder hinzuweisen, wonach für Beschäftigte, die nicht für alle Tage im Oktober 2006 oder für keinen Tag dieses Monates Bezüge erhalten haben, das Vergleichentgelt so bestimmt wird, als hätten sie für alle Tage dieses Monats Bezüge erhalten. Bei der Ermittlung des Vergleichsentgelts wird also bei Arbeitnehmern, die im Monat Oktober 2006 ganz oder teilweise keine Bezüge erhalten haben, z.B. wegen Arbeitsunfähigkeit, Elternzeit oder Sonderurlaub ohne Bezüge so getan, als ob für den gesamten Monat Oktober die fiktiv zustehenden Bezüge gezahlt worden wären. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass in den Durchführungshinweisen der TdL gerade zu diesem § 5 TVÜ-Länder in Bezug auf die Zahlung von Leistungszulagen von diesem Grundsatz abgewichen werden sollte. Wenn bei dem maßgeblichen Vergleichsentgelt also nach § 5 Abs. 6 TVÜ-Länder eine fiktive Berechnung maßgeblich ist, ist davon auszugehen, dass eine dementsprechende fiktive Sichtweise auch den Durchführungshinweisen der TdL zur Gewährung der Leistungs- / Besitzstandszulage geboten ist.
b. b.
Auch unabhängig davon hätte das beklagte Land das ihm zustehende Ermessen nicht wirksam ausgeübt, wenn es sich zum Widerruf der Zulage darauf beruft, dass sich die Klägerin am maßgeblichen Stichtag, dem 31.10.2006 im Sonderurlaub aus familiären Gründen ohne Fortzahlung der Vergütung befunden hat.
Im TV-L ist eine Leistungszulage nicht vorgesehen. Die TdL hat erkannt, dass eine diesbezügliche Besitzstandswahrung bei Überleitung der Arbeitsverhältnisse in den TV-L geboten ist, und deshalb die Durchführungshinweise in Ziffer 5.1.4.c) gegeben. Diese erkennt das beklagte Land als verbindlich an. Die TdL und ihm folgend das beklagte Land können aber von der neu geschaffenen Besitzstandsregelung nicht bestimmte Gruppen von Angestellten ohne einen unter Beachtung der Wertentscheidung des Art.6 GG sachlich vertretbaren Grund gänzlich ausnehmen. Wäre es nach den Durchführungshinweisen für den Besitzstand entscheidend, dass der Angestellte am 31.10.2006 tatsächlich eine Leistungszulage erhalten hat, ließe diese die durch Art. 6 GG geschützten Belange von Ehe und Familie gleichheits- und sachheitswidrig außer Betracht, weil dadurch Arbeitnehmern, die im Oktober 2006 z.B. Elternzeit oder Sonderurlaub aus familiären Gründen genommen haben, der Anspruch auf die außertarifliche Besitzstandszulage (vormals Leistungszulage) versagt würden. Damit würden gerade solche Arbeitnehmer, die augrund einer von Art. 6 GG gestützten Entscheidung im maßgeblichen Monat Oktober 2006 kein Entgelt erhalten haben, gegenüber Arbeitnehmern benachteiligt, die tatsächlich eine Vergütung bezogen haben. Gemäß Art. 6 Abs. 2 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern. Dieses Elternrecht hat nicht nur Grundrechtscharakter, sondern zugleich eine die gesamte staatliche Ordnung und damit auch die Gerichte bindende Richtlinienfunktion. Zum Elternrecht gehört die Befugnis zu entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden sollen. In Erfüllung dieser Schutz- und Fürsorgepflicht hat der Gesetzgeber das gesetzliche Institut der Elternzeit geschaffen. So soll die Ausübung des Erziehungsrechtes ohne Verlust des Arbeitsplatzes ermöglicht werden. Gleiches gilt für die Inanspruchnahme von Sonderurlaub zum Zwecke der Kinderbetreuung gemäß § 55 Abs. 1 BAT. Dieser dient ebenso wie die Elternzeit der durch Art. 6 GG geschützten Betreuung von Kindern durch ihre Eltern. Die von dem beklagten Land für sich in Anspruch genommene Widerrufsmöglichkeit allein vor dem Hintergrund des tatsächlichen Nichtbezugs von Arbeitsvergütung führt auch nicht nur in atypischen Einzelfällen zu geringfügigen Nachteilen einzelner Betroffenen. Die Rückkehr von Arbeitnehmern, die Elternzeit und/oder Sonderurlaub zum Zwecke der Kinderbetreuung in Anspruch nehmen, ist nicht atypisch, sondern gerade Teil der vom Gesetzgeber und den Tarifvertragsparteien mit Eröffnung der Elternzeit und des Sonderurlaubs verfolgten Intention. Beides soll die Verbindung von Familie und Erwerbstätigkeit erleichtern (vgl. zum Ganzen BAG, 18.12.2008 - 6 AZR 890/07 - AP Nr. 3 zu § 11 TVÜ). Die Sichtweise des beklagten Landes hätte gerade für die Arbeitnehmer, die sich unmittelbar vor der Überleitung in den TV-L in Elternzeit oder Sonderurlaub befanden, besonders harte finanzielle Konsequenzen, weil sie einerseits bereits während der Elternzeit/des Sonderurlaubes kein Arbeitsentgelt erhalten und durch die Versagung der Besitzstandszulage ihre finanzielle Schlechterstellung für die Zeit nach Wiederaufnahme der Tätigkeit teilweise perpetuiert wird (BAG, 18.12.2008 - 6 AZR 287/07 - AP Nr. 22 zu § 11 TVÜ).
3.
Insgesamt ist festzuhalten, dass der Widerruf der Besitzstandszulage (vormals Leistungszulage) nicht billigem Ermessen entspricht und mithin unwirksam ist. Die Klägerin hat damit auch über den 01.10.2008 hinaus Anspruch auf Zahlung der streitigen Zulage in Höhe von 53,65 EUR brutto bis zur Einführung einer neuen Leistungsbezahlung (§ 18 TV-L). Dieses hat das Arbeitsgericht Osnabrück zu Recht erkannt. Die hiergegen gerichtete Berufung des beklagten Landes war zurückzuweisen.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil findet, wie sich aus der Urteilsformel ergibt, die Revision statt.
...
Wichmann
Gärtner