Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.10.2011, Az.: 9 TaBV 32/11

Zusätzliche Freistellungen nach dem Tarifvertrag zusammen mit den Mindestfreistellungen sind im Rahmen des einheitlichen Wahlvorgangs zu wählen; Einheitliche Wahl freizustellender Betriebsratsmitglieder bei Vorliegen einer tariflichen Freistellungsregelung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
10.10.2011
Aktenzeichen
9 TaBV 32/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 29821
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2011:1010.9TABV32.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 02.02.2011 - AZ: 7 BV 14/10

Amtlicher Leitsatz

Im Rahmen des einheitlichen Wahlvorganges sind die zusätzlichen Freistellungen nach dem Tarifvertrag zusammen mit den Mindestfreistellungen nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu wählen.

Unabhängig davon, ob die freizustellenden Betriebsratsmitglieder Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sind oder nicht. Bei den Regelungen im Freistellungstarifvertrag handelt es sich um betriebsverfassungsrechtliche Normen im Sinne von § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 2 TVG.

An diesem Ergebnis ändert auch die Aufgabe der Rechtsprechung zur Tarifeinheit nichts. Nach dem Grundsatz der Tarifeinheit wurden Fälle der Tarifkonkurrenz in einem Betrieb gelöst, um zu erreichen, dass in einem Betrieb lediglich ein Tarifvertrag gilt. Ein solcher Fall der Tarifkonkurrenz liegt nicht vor.

Antragsbefugnis der einzelnen Betriebsratsmitglieder.

Tenor:

Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 16) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 02.02.2011, 7 BV 14/10 teilweise abgeändert und der Antrag zu 2) zurückgewiesen. Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten über die Wahl der freizustellenden Betriebsratmitglieder sowie die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses.

2

Der Beteiligte zu 1) ist Mitglied des Betriebsrates. Er wurde über die Liste "D." gewählt. Der Beteiligte zu 2) ist der 27köpfige Betriebsrat der Beteiligten zu 3) und Arbeitgeberin für den Betriebsbereich "Zentraler Service". 25 Mitglieder sind über einen Wahlvorschlag der Liste "E." gewählt worden und zwei Mitglieder über einen Wahlvorschlag der Liste "D.". In dem Betrieb der Beteiligten zu 3) sind zwischen 4.000 und 5.000 Arbeitnehmer vom Betriebsrat zu vertreten.

3

§ 5 des zwischen der Gewerkschaft E. und der Beteiligten zu 3) geschlossenen Zuordnungstarifvertrages vom 01.04.2010 lautet:

4

"(1) Die Gesamtzahl der Freistellungen für die D.1 im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags beträgt 92 (Zweiundneunzig) Arbeitseinheiten.

5

Diese Anzahl beinhaltet die gesetzlichen sowie die zusätzlich gewährten Freistellungen. Die Verteilung der Freistellungen erfolgt durch den Abschluss eines gesonderten Tarifvertrages.

6

Bei der Verteilung der Freistellungen werden folgende Kriterien berücksichtigt: (...).

7

(2) Regelmäßig zur Mitte und zum Ende einer Wahlperiode werden die Tarifvertragsparteien die Gesamtzahl der Freistellungen gemäß Absatz 1 überprüfen und im Falle der Veränderung der Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen unverzüglich Verhandlungen mit dem Ziel aufnehmen, die Gesamtzahl der Freistellungen entsprechend anzupassen. ... ."

8

Für den vollständigen Inhalt des Zuordnungstarifvertrages wird auf Bl. 31 - 35 Bezug genommen.

9

Der zwischen der Gewerkschaft E. und der Beteiligten zu 3) unter dem 01.04.2010 geschlossenen Freistellungstarifvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

10

"§ 2 Tarifvorbehalt

11

In Angelegenheiten, die durch diesen Tarifvertrag geregelt sind, ist der Abschluss von Betriebsvereinbarungen nicht möglich.

12

§ 3 Freistellungsumfang für die Betriebsräte

13

(1) Die Vertragsschließenden haben durch Zuordnungstarifvertrag für die D.1 vom 01.04.2010 die Gesamtzahl der Freistellungen für die D.1 festgelegt. Die zum 01.04. festgelegte Verteilung der vereinbarten Freistellungen wird durch diesen Tarifvertrag geregelt.

14

(2) Die Freistellungen je selbstständiger Organisationseinheit/Betrieb (gem. § 38 Abs. 1 BetrVG und zusätzlich gewährte Freistellungen) ergeben sich aus der Anlage."

15

In der Anlage ist für jeden der 10 örtlichen Betriebsräte die Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder benannt. Diese beträgt für den Beteiligten zu 2) 13. Für den Inhalt des Freistellungstarifvertrages nebst Anlage wird auf Bl. 36 - 39 d.A. Bezug genommen.

16

In dem ebenfalls zwischen der Gewerkschaft E. und der Beteiligten zu 3) geschlossenen Mitbestimmungstarifvertrag vom 01.04.2010 heißt es auszugsweise:

17

"§ 2 Tarifvorbehalt

18

In Angelegenheiten, die durch diesen Tarifvertrag geregelt sind, ist der Abschluss von Betriebsvereinbarungen nicht möglich, es sei denn, dieser Tarifvertrag lässt dies ausdrücklich zu.

19

§ 3 Bildung eines Gesamtbetriebsrates

20

(1) ...

21

(2) ...

22

(3) Für ihre Tätigkeit im Gesamtbetriebsrat D.1 werden gesondert vier (4) Mitglieder von ihrer Arbeit freigestellt. Bestehende Freistellungen aus dem örtlichen Betriebsrat werden nicht auf das Freistellungsvolumen nach Satz 1 angerechnet.

23

(4) ... ."

24

Für den gesamten Mitbestimmungstarifvertrag wird auf Bl. 40 - 43 d.A. Bezug genommen.

25

Am 26.05.2010 fand die konstituierende Sitzung des Beteiligten zu 2) mit 27 anwesenden Mitgliedern statt. Für das Protokoll dieser Betriebsratssitzung wird auf Bl. 135 - 137 d.A. Bezug genommen. Ausweislich des Tagesordnungspunktes 1 wurde die Tagesordnung einstimmig angenommen. Unter TOP 6 beschloss der Beteiligte zu 2) mit 25 Ja- und zwei Nein-Stimmen, aus dem Freistellungskontingent laut Zuordnung eine Freistellung dem Gesamtbetriebsrat D.1 GmbH zur Verfügung zu stellen. Der Beteiligte zu 1) gab zu Protokoll, dass laut § 38 BetrVG keine einzelne Freistellung gewählt werden könne, sondern Freistellungen nur als Gesamtpaket zu wählen seien. Somit erkenne er das Wahlergebnis nicht an.

26

Unter TOP 7 wurden einvernehmlich die Vertreter für den Gesamtbetriebsrat gewählt.

27

Unter TOP 8 wählte der Betriebsrat sodann die freizustellenden Betriebsratsmitglieder für die verbleibenden 12 Freistellungen. Die Wahl entfiel nach dem D´Hondtschen-Höchstzahlverfahren auf die Beteiligten zu 4) - 15). Die nächst folgende 13. Höchstzahl wäre auf den Beteiligten zu 1) entfallen.

28

Der Beteiligte zu 1) hat mit am 08.06.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenem Antrag die Unwirksamkeit der Freistellungswahl geltend gemacht. Es habe eine einheitliche Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder erfolgen müssen. Die Vorgehensweise des Beteiligten zu 2) missachte den Minderheitenschutz der Liste D..

29

Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) hat beantragt,

30

1. die Wahl der freizustellenden Mitglieder des Betriebsrates vom 26.05.2010 für unwirksam zu erklären.

31

2. Der unter TOP 6 gefasste Beschluss, eine der dem Beteiligten zu 2) zustehenden Freistellungen dem Gesamtbetriebsrat zur Verfügung zu stellen, für unwirksam zu erklären.

32

Die Beteiligte zu 2), 10) und 16) haben beantragt,

33

die Anträge zurückzuweisen.

34

Die übrigen Beteiligten haben keinen Antrag gestellt.

35

Der Beteiligte zu 2) hat die Auffassung vertreten, dass die nach dem Freistellungstarifvertrag zusätzlich gewährten Freistellungsmandate an den Gesamtbetriebsrat abgegeben werden könnten. Diejenigen Betriebsratsmitglieder, die nicht E.-Mitglieder seien, könnten sich nicht auf die erhöhte Freistellungsstellungszahl des Tarifvertrages berufen. Die Abgabe einer Freistellung an den Gesamtbetriebsrat sei erfolgt, um dem vom Betriebsrat in den Gesamtbetriebsrat entsandten Mitglied F. und damit dem Beteiligten zu 2) ein entsprechendes politisches Gewicht im Gesamtbetriebsrat zu sichern.

36

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Beteiligten zu 1) vollumfänglich stattgegeben, weil die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach § 38 Abs. 2 BetrVG in einem einheitlichen Wahlgang durchzuführen sei. Für die Einzelheiten der Gründe wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichtes vom 02.02.2011 Bezug genommen.

37

Gegen den dem Beteiligten zu 2) und Beteiligten zu 16) am 15.02.2011 zugestellten Beschluss haben diese Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) ging beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen am 11.03.2011 ein, die Beschwerdebegründung am 11.04.2011. Die Beschwerde des Beteiligten zu 16) ging am 15.03.2011 ein, die Beschwerdebegründung am 12.05.2011, nachdem die Beschwerdebegründungsfrist antragsgemäß bis 16.05.2011 verlängert wurde.

38

Der Beteiligte zu 2) vertritt mit der Beschwerde die Auffassung, die tarifvertraglich zusätzlich gewährten Freistellungen würden nur die Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft begünstigen. Die Freistellungsstellungsverpflichtung binde lediglich den Arbeitgeber, ohne dass Nichtmitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sich auf die zusätzlichen Freistellungskontingente berufen könnten. Da die Rechtsprechung zur Tarifeinheit inzwischen aufgegeben worden sei, stelle sich die rechtliche Frage nach den Auswirkungen auf die vorliegende Konstellation. Die Beschlussfassung über die Abgabe einer Freistellung des Beteiligten zu 2) an den Beteiligten zu 16) habe auch nicht den Zweck verfolgt, den Minderheitenschutz zu umgehen, sondern sollte sicherstellen, dass das Betriebsratsmitglied F. als freigestelltes Mitglied in den Gesamtbetriebsrat entsandt werden konnte. Der Beteiligte zu 16) schließt sich der Begründung des Beteiligten zu 2) im Wesentlichen an. Die zusätzlichen Freistellungen aus dem Freistellungstarifvertrag berechtigen den Beteiligten zu 2) lediglich zu mehr Freistellungen als die gesetzlichen, verpflichte ihn dazu aber nicht. Der Entsendung des Betriebsratsmitgliedes F. in den Gesamtbetriebsrat sei wegen anstehender betrieblicher Umstrukturierungsmaßnahmen erforderlich gewesen. Die Beteiligten zu 3) bis 15) haben keine Stellungnahmen abgegeben.

39

Der Beteiligte zu 2) und der Beteiligte zu 16) beantragen,

40

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hannover vom 02.02.2011, 7 BV 14/10, die Anträge zurückzuweisen.

41

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

42

die Beschwerden zurückzuweisen.

43

Er bezieht sich auf die arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe und verweist darauf, dass Tarifverträge beide Vertragsteile binden würden und nicht einseitig geändert werden dürften. Das Ziel, F. als freigestelltes Betriebsratsmitglied in den Gesamtbetriebsrat zu entsenden, hätte auch bei Durchführung einer einheitlichen Wahl erreicht werden können.

44

Die übrigen Beteiligten stellen keine Anträge.

45

Für das gesamte Vorbringen der Beteiligten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen (§ 313 Abs. 2 ZPO).

46

II. Die statthafte Beschwerde (§ 87 Abs. 1 ArbGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG i.V.m. § 66 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 5 ArbGG).

47

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Hinsichtlich des Antrages zu 2 ist eine Antragsbefugnis des Beteiligten zu 1) nicht gegeben. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.

48

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder vom 25.05.2010 unwirksam war.

49

a) Betriebsratsmitglieder können die Wahl nach § 38 BetrVGüber die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern entsprechend § 19 BetrVG anfechten. Der Beteiligte zu 1) ist antragsbefugt und hat den Antrag binnen einer Frist von zwei Wochen (§ 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) beim Arbeitsgericht eingereicht.

50

b) Die am 26.05.2010 durchgeführte Wahl über die freizustellenden Betriebsratsmitglieder verstößt gegen § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Nach § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG werden die freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Es gilt der Grundsatz des einheitlichen Wahlgangs. Von dem Wahlverfahren darf auch nicht durch Tarifvertrag abgewichen werden. § 38 Abs. 1 Satz 5 BetrVG sieht lediglich vor, dass durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung anderweitige Regelungen über die Freistellung vereinbart werden können. Der Freistellungstarifvertrag sieht eine abweichende Regelung über einen Wahlvorgang auch nicht vor. Im Rahmen des einheitlichen Wahlvorganges sind die zusätzlichen Freistellungen nach dem Tarifvertrag zusammen mit den Mindestfreistellungen nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu wählen (Fitting, Betriebsverfassungsgesetz § 38 Rn 29; ErfKomm-Koch, 10. Aufl. § 38 BetrVG Rn. 5; LAG Hamm vom 10.06.2005, 13 TaBV 26/05, zitiert nach Juris, Rn 43; LAG Hessen vom 01.08.1991, 12 TaBV 40/91, LS. 2;).

51

c) Das gilt unabhängig davon, ob die freizustellenden Betriebsratsmitglieder Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sind oder nicht. Bei den Regelungen im Freistellungstarifvertrag handelt es sich um betriebsverfassungsrechtliche Normen im Sinne von § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 2 TVG. Betriebsverfassungsrechtliche Normen gelten für alle Betriebe tarifgebundener Arbeitgeber. Durch die genannten gesetzlichen Normen ersetzt das Tarifvertragsgesetz die fehlende Tarifbindung von Arbeitnehmern, damit organisationsrechtliche Normen im Betrieb einheitlich gelten können. Es ist weder erforderlich, dass alle im Betrieb vertretenen Gewerkschaften an dem Abschluss des Tarifvertrages über die betriebsverfassungsrechtliche Normen beteiligt sind (BAG vom 29.07.2009, 7 ABR 27/08, NZA 2009, S. 1424 - 1430 = AP Nr. 7 zu § 3 BetrVG 1972 Rn 11 und 25) noch das jedes Betriebsratsmitglied an den Tarifvertrag gebunden ist. § 3 Abs. 2 TVG ordnet die betriebsbezogene Geltung von betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Normen unabhängig von der Organisation der Arbeitnehmer in der Gewerkschaft an. Es handelt sich insoweit um eine Ausnahme von dem Grundsatz, nach dem Rechtsnormen eines Tarifvertrages grundsätzlich nur zwischen beiderseits tarifgebundenen Anwendung finden (BAG vom 29.07.2009, aaO. Rn 25).

52

Damit entsteht die von den Beteiligten zu 2) und den Beteiligten zu 16) geltend gemachte Konstellation, wonach für Nichtmitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft lediglich sieben Freistellungen vorzunehmen sind und für Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft 13 Freistellungen, nicht. Alle Betriebsratsmitglieder können sich wegen §§ 3 Abs. 2; 4 Abs. 1 Satz 2 TVG darauf berufen, dass 13 Freistellungen für den Betriebsrat vorzunehmen sind.

53

d) An diesem Ergebnis ändert auch die Aufgabe der Rechtsprechung zur Tarifeinheit nichts. Nach dem Grundsatz der Tarifeinheit wurden Fälle der Tarifkonkurrenz in einem Betrieb gelöst, um zu erreichen, dass in einem Betrieb lediglich ein Tarifvertrag gilt. Ein solcher Fall der Tarifkonkurrenz liegt nicht vor. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Inhaltsnormen andere Bindungswirkungen haben als betriebsverfassungsrechtliche Normen (vgl. BAG vom 27.01.2010, 4 AZR 549/08, NZA 2011, S. 645 ff. [BAG 04.05.2010 - 9 AZR 184/09] Rn 67 und 88). Wie die Fallkonstellation zu lösen wäre, wenn in einem Betrieb zwei unterschiedliche Tarifverträge betriebsverfassungsrechtliche Normen enthalten, die dann jeweils beide über § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 2 TVG Anwendung finden müssten, ist für die vorliegende Fallkonstellation nicht entscheidungserheblich. Die Bindungswirkung eines Tarifvertrages mit betriebsverfassungsrechtlichen Normen wird - wie ausgeführt - über das Tarifvertragsgesetz gelöst. Aus diesem Grunde war auch die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.

54

III. Der Antrag zu 2 ist bereits unzulässig. Dem Beteiligten zu 1) fehlt insoweit die Antragsbefugnis. Ein Beteiligter ist im Beschlussverfahren nur insoweit antragsbefugt, als er eigene Rechte geltend macht. Antragsbefugt ist, wer entweder aufgrund einer gesetzlichen Regelung antragsbefugt ist oder geltend macht, dass er durch die begehrte Entscheidung in seiner Rechtstellung unmittelbar betroffen ist, oder sein kann (BAG vom 21.07.2004, 7 ABR 58/03, AP Nr. 13 zu § 47 BetrVG = NZA 2005, S. 170 [BAG 21.07.2004 - 7 ABR 58/03] - S. 173, Rn 23; Weth-Schwab, Arbeitsgerichtsgesetz, § 81 Rn 55 ff. m.w.N.). Durch die Beschlussfassung zur TOP 6 am 26.05.2010 durch den Betriebsrat ist der Beteiligte zu 1) nicht in seinen Rechten berührt. Allein die Abgabe einer Freistellung aus dem tariflichen Freistellungskontingent berührt seine betriebsverfassungsrechtliche Stellung noch nicht. Der Beteiligte zu 1) ist erst aufgrund der fehlerhaften Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder in seiner Rechtstellung berührt.

55

VI. Eine Kostenentscheidung hat im Beschlussverfahren nicht zu ergehen. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 92 Abs. 1; 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG liegen nicht vor.

Dr. Hartwig
Straub
Jaros