Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.06.2011, Az.: 4 Sa 381/11 B

Eine Altersabstandsklausel in der betrieblichen Witwenrente ist aus Gründen sachgerechter Risikobegrenzung wirksam; Wirksamkeit einer Altersabstandsklausel bei der betrieblichen Witwenrente

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
23.06.2011
Aktenzeichen
4 Sa 381/11 B
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 39978
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2011:0623.4SA381.11B.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 15.10.2013 - AZ: 3 AZR 653/11

Fundstellen

  • NZA-RR 2011, 600-603
  • schnellbrief 2011, 4

Amtlicher Leitsatz

Eine Altersabstandsklausel, nach der der Anwärter nicht mehr als 20 Jahre älter sein darf als der überlebende Ehepartner, ist nach der derzeitigen Rechtslage wirksam. Sie dient einer sachlich gerechtfertigten Risikobegrenzung.

In dem Rechtsstreit

Klägerin und Berufungsklägerin,

gegen

Beklagte und Berufungsbeklagte,

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2011 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Krönig,

den ehrenamtlichen Richter Herrn Straden,

den ehrenamtlichen Richter Herrn Elges

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 17. Februar 2011 - 1 Ca 375/10 B - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin eine betriebliche Witwenrente zusteht.

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Die am 1. Oktober 1958 geborene Klägerin ist die Witwe des am 6. April 2010 verstorbenen Herrn A. mit dem sie seit dem 24. April 1987 verheiratet war. Herr A., geboren am 22. Juni 1933, war über mehr als 20 Jahre Mitarbeiter der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin und schied im Jahr 1979 aus dem Unternehmen aus. Seit dem 1. Januar 1992 erhielt der Ehemann der Klägerin Versorgungsbezüge in Höhe von zuletzt 209,50 € brutto.

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Auf das Arbeitsverhältnis des Ehemanns der Klägerin fand die Versorgungsordnung der B., C-Stadt Anwendung. Darin heißt es auszugsweise:

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VI. Anspruchsvoraussetzungen für Witwenrente

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1. Den Anspruch auf Witwenrente erwirbt die hinterlassene Ehefrau eines Anwärters mit dessen Tode. Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, dass der Anwärter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hatte, dass der verstorbene Anwärter nicht mehr als 20 Jahre älter war als die überlebende Ehefrau und dass bereits am letzten 1. Juni vor seinem Tode

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- die Wartezeit (III) und

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- seit mindestens einem Jahr die Aufnahmevoraussetzungen (I 1) erfüllt waren

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und

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- die Ehe nachweislich mindestens ein Jahr bestand.

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VIII. Höhe des Ruhegeldes

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1. Die Altersrente beträgt 0,8 % des rentenfähigen Arbeitsverdienstes (X) für jedes rentenfähige Dienstjahr (IX 2), höchstens jedoch 20 % des rentenfähigen Arbeitsverdienstes.

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2. a) Die Bemessungsgrundlage für vor Erreichen der festen Altersgrenze erworbene Ansprüche (V 2, V 3, VI 1) errechnet sich nach Ziffer 1 aus

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- der Anzahl der erreichbaren Dienstjahre (IX 3) anstelle der rentenfähigen Dienstjahre und

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- dem rentenfähigen Arbeitsverdienst (X)

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Diese Bemessungsgrundlage wird nachfolgend "erreichbare Altersrente" genannt.

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b) Die vorzeitige Altersrente beträgt den Teil der erreichbaren Altersrente, der dem Verhältnis der rentenfähigen Dienstjahre (IX 2) zu den erreichbaren Dienstjahren (IX 2) entspricht.

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c) Die Invalidenrente beträgt den Teil der erreichbaren Altersrente, der dem Verhältnis der rentenfähigen Dienstjahre (IX 2) zu den erreichbaren Dienstjahren (IX 3) entspricht.

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d) Einkünfte des Ruhegeldempfängers, die dieser vor Erreichen der festen Altersgrenze (IV) aus einem Arbeitsverhältnis oder anderer regelmäßiger Erwerbstätigkeit bezieht, werden auf das Ruhegeld angerechnet.

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Die Beklagte lehnte vorgerichtlich unter Hinweis auf die Altersabstandsklausel in der Versorgungsordnung die Zahlung einer Witwenrente an die Klägerin ab.

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Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die in der Versorgungsordnung enthaltene Altersabstandsklausel sei unwirksam. Sie sei weder erforderlich noch angemessen. Sie verstoße gegen die Rahmenrichtlinie 2000/78/EG, gegen das Verbot der Altersdiskriminierung aus dem AGG, gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und schließlich gegen § 307 BGB.

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Die Klägerin hat beantragt,

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1. festzustellen, dass die Altersabstandsklausel gemäß Ziffer VI. 1. der Versorgungsordnung der Beklagten unwirksam ist.

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2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Witwenrente in Höhe von 942,75 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 104,75 € brutto seit dem 01.06.2010, 01.07.2010, 01.08.2010, 01.09.2010, 01.10.2010, 01.11.2010, 01.12.2010, 01.01.2011, 01.02.2011 zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 17.02.2011 abgewiesen. Gegen das ihr am 11. März 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. März 2011 Berufung eingelegt und sie gleichzeitig begründet.

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Die Klägerin macht geltend, das Arbeitsgericht habe die Benachteiligung über § 10 AGG für zulässig gehalten. Die Begründung trage indes nicht. Die Altersabstandsklausel in der Versorgungsordnung sei objektiv unangemessen. Die Grenzziehung hinsichtlich des Altersunterschiedes sei willkürlich und diene allein den monetären Interessen der Arbeitgeberin. Die Interessen des Mitarbeiters im Hinblick auf die durch seine Betriebstreue erworbenen Versorgungsansprüche zugunsten seines überlebenden Lebenspartners würden dabei völlig übergangen. Bereits in der Rechtssache D. (BAG EuGH - Vorlage 27.06.2006 - 3 AZR 352/05 - AP D 1 b BetrAVG Nr. 6) habe sich die Unvereinbarkeit einer Altersabstandsklausel mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz angedeutet. Ein völliger Ausschluss von Versorgungsansprüchen allein wegen eines Altersunterschiedes sei nicht richtlinienkonform.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 17. Februar 2011 - 1 Ca 375/10 B - abzuändern und

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1. festzustellen, dass die Altersabstandsklausel gem. Ziff. VI.1. der Versorgungsordnung der Beklagten unwirksam ist,

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2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 942,75 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 104,75 € brutto seit dem 1. Juni 2010, 1. Juli 2010, 1. August 2010, 1. September 2010, 1. Oktober 2010, 1. November 2010, 1. Dezember 2010, 1. Januar 2011 und 1. Februar 2011 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

35

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 21. April 2011. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, § 10 AGG lasse eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Die vorliegend streitige Altersabstandsklausel begrenze das Risiko für die Arbeitgeberin des verstorbenen Ehemanns der Klägerin anhand demographischer Kriterien. Je jünger die Hinterbliebene im Verhältnis zu dem Arbeitnehmer sei, dem die Altersversorgung zugesagt werde, desto länger sei der Zeitraum, währenddessen der Arbeitgeber durchschnittlich Hinterbliebenenversorgung zu erbringen habe. Die Begrenzung des Altersabstands stehe in einem inneren Zusammenhang mit einer Beschränkung eben dieses Risikos.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

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II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung einer Witwenrente in Höhe von monatlich 104,75 € brutto nicht zu.

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1. Dem Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Witwenrente steht VI.1. der Versorgungsordnung vom 29. Juni 1979 entgegen. Danach ist Anspruchsvoraussetzung, dass der verstorbene Anwärter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hatte und nicht mehr als 20 Jahre älter war als die überlebende Ehefrau. Vorliegend war der verstorbene Ehemann mehr als 25 Jahre älter als die Klägerin.

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2. Die Altersabstandsklausel in der Versorgungsordnung ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen § 7 i. V. m. § 1 AGG, wonach eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters grundsätzlich unzulässig ist.

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a. Das AGG findet vorliegend Anwendung. Es gilt trotz der in § 2 Abs. 2 S. 2 enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentengesetz nicht vorrangige Sonderregelungen enthält (BAG 11. Dezember 2007 - 3 AZR 249/06 - AP § 2 AGG Nr. 1). Letzteres ist nicht der Fall.

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Das AGG ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Seine Anwendung setzt voraus, dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem Versorgungsschuldner bestand. Dabei ist zwar auf den Beschäftigten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG) und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen. Allerdings ist nicht erforderlich, dass zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber zum maßgeblichen Zeitpunkt noch ein Arbeitsverhältnis bestand. Ausreichend ist vielmehr, wenn der Arbeitnehmer mit unverfallbaren Anwartschaften aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden oder Betriebsrentner ist und das damit begründete Rechtsverhältnis bei oder nach Inkrafttreten des AGG noch besteht bzw. noch bestand. Das Ausscheiden mit unverfallbarer Anwartschaft und ein Anspruch auf Betriebsrente begründen ein versorgungsrechtliches Dauerschuldverhältnis zwischen dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer und dem ehemaligen Arbeitgeber. Durch die Anwartschaft hat der Arbeitgeber die Verpflichtung, nach den Regeln der Versorgungsordnung das Versorgungsrisiko abzudecken. Dieses aktualisiert sich mit Eintritt des Versorgungs- oder Nachversorgungsfalls. Nach § 6 Abs. 1 AGG gilt das Gesetz zudem nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für andere Beschäftigte, sondern auch für Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist (BAG 15. September 2009 - 3 AZR 294/09 - AP GG Art. 3 Nr. 317; 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - AP § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung Nr. 26). Da der vorzeitig mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedene Ehemann der Klägerin am 6. April 2010, also erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 (Art. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 - BGBl. I S. 1897) verstorben ist, hätte sich eine etwaige Versorgungsverpflichtung aus der unverfallbaren Anwartschaft unter dem zeitlichen Geltungsbereich des AGG aktualisiert.

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b. Die in VI. der Versorgungsordnung vorgesehene einschränkende Voraussetzung für den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung, dass der verstorbene Anwärter nicht mehr als 20 Jahre älter war als die überlebende Ehefrau, stellt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters dar.

44

aa. Die Voraussetzung, dass der Altersabstand weniger als 20 Jahre betragen muss, führt nicht zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die in Rede stehende Versorgungsregelung knüpft insoweit nicht an das Lebensalter an; sie beruht auch nicht unmittelbar auf diesem Merkmal.

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bb. Eine mittelbare Benachteiligung liegt ebenfalls nicht vor.

46

Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich. Eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmales kann aber durch ein rechtmäßiges Ziel und die Wahl von verhältnismäßigen Mitteln zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden (§ 3 Abs. 2 2. Halbs. AGG). Dabei muss das rechtmäßige Ziel, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet, nicht ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung verfolgen, sondern schließt andere von der Rechtsordnung anerkannte Gründe für die Verwendung des neutralen Kriteriums ein. Die differenzierende Maßnahme muss allerdings zur Erreichung des rechtmäßigen Ziels geeignet und erforderlich sein und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte der Beteiligten darstellen. In einem solchen Fall fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen einer mittelbaren Benachteiligung (BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - AP § 3 AGG Nr. 1).

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Dieses Normverständnis des § 3 Abs. 2 AGG entspricht der gemeinschaftsrechtlichen Regelungssystematik. Art. 2 Abs. 2 RL 2000/78/EG unterscheidet zwischen Diskriminierungen, die unmittelbar auf den in Art. 1 RL 2000/78/EG angeführten Merkmalen beruhen (Art. 2 Abs. 2a), und den mittelbaren Diskriminierungen (Art. 2 Abs. 2b). Während eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung nur nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt werden kann (eine Besonderheit gilt für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG), können diejenigen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die mittelbare Diskriminierungen bewirken können, nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) RL 2000/78/EG schon der Qualifikation als Diskriminierung entgehen, sofern sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] - AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 12).

48

Die weitere Einschränkung, dass unter dem legitimen Ziel insbesondere Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, ist in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) RL 2000/78/EG nicht enthalten. Bewirken die Vorschriften, Kriterien oder Verfahren wegen des Vorliegens eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) der Richtlinie deshalb keine mittelbare Diskriminierung, bedarf es keines Rückgriffs auf Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England], aaO.; BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - AP § 3 AGG Nr. 1).

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cc. Die Altersabstandsklausel ist durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.

50

Ziff. VI der Versorgungsordnung will mit der einschränkenden Voraussetzung erkennbar erreichen, dass die Leistungspflichten des Arbeitgebers begrenzt werden. Dieses Ziel ist rechtmäßig iSd § 3 Abs. 2 AGG. Der Arbeitgeber entscheidet bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung. Entschließt er sich hierzu, so ist er auch frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zugesagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Er kann Leistungen der Hinterbliebenenversorgung versprechen, eine Rechtspflicht hierzu trifft ihn nicht. Aus dem Grunde ist er grundsätzlich auch berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Gruppen von Arbeitnehmern, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen (BAG 19. Februar 2002 - 3 AZR 99/01 - AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 22; 19. Dezember 2000 - 3 AZR 186/00 - AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 19; 11. August 1987 - 3 AZR 6/86 - AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 4; 28. Juli 2005 - 3 AZR 457/04 - NZA-RR 2006, 591).

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Eine Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale liegt gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung (BAG 19. Februar 2002 - 3 AZR 99/01 - AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 22; 28. Juli 2005 - 3 AZR 457/04 - aaO.). Vor diesem Hintergrund hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um sie besser kalkulierbar zu halten (BAG 28. Juli 2005 - 3 AZR 457/04 - aaO.; 19. Februar 2002 - 3 AZR 99/01 - aaO.; 27. Juni 2006 - 3 AZR 352/05 (A) - AP § 1b BetrAVG Nr. 6). Voraussetzung für die Wirksamkeit einer derartigen Begrenzung ist, dass ein ausreichender Zusammenhang mit einleuchtenden Risikoerwägungen vorliegt (vgl. BAG 28. Juli 2005 - 3 AZR 457/04 - aaO.).

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dd. Die Voraussetzung, dass der Altersabstand zwischen den Eheleuten nicht mehr als 20 Jahre betragen darf, ist zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich.

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Die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ist Teil einer umfassenden Versorgungsregelung. Durch die Zusage soll der Arbeitnehmer in der Sorge um die finanzielle Lage seiner Hinterbliebenen entlastet werden. Die Hinterbliebenenversorgung nach dem Betriebsrentengesetz knüpft an das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers an (BAG 20.04.2010 - 3 AZR 509/08 - AP § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung Nr. 26). Auch vor diesem Hintergrund kann es dem Versorgungsschuldner - unabhängig von den versicherungsmathematischen Erwägungen, die für den Umfang der zu bildenden Rückstellungen bedeutsam sein können - nicht untersagt werden, die Gewährung der Witwenrente davon abhängig zu machen, dass der Altersunterschied zwischen den Ehegatten eine bestimmte Zahl von Jahren nicht übersteigt. Bisher sind solche Vereinbarungen grundsätzlich ebenso für zulässig erachtet worden wie Spätehen- und Getrenntlebenklauseln sowie Regelungen über eine erforderliche Mindestdauer der Ehe. Altersdifferenzklauseln sind grundsätzlich geeignet, einen Missbrauch der betrieblichen Altersversorgung ("Versorgungsehe zwischen Alt und Jung") zu verhindern. Vorliegend begrenzt die zwischen den Parteien maßgebliche Altersabstandsklausel das Risiko für die Arbeitgeberin des verstorbenen Ehemannes der Klägerin anhand demografischer Kriterien. Je jünger die Hinterbliebenen im Verhältnis zu den Arbeitnehmern sind, denen die Altersversorgung zugesagt wurde, desto länger ist der Zeitraum, während dessen der Arbeitgeber durchschnittlich die Hinterbliebenenversorgung zu erbringen hat. Die Begrenzung des Altersabstandes hat deshalb einen inneren Zusammenhang mit einer Begrenzung eben dieses Risikos. Ehepartner, die deutlich jünger sind als der verstorbene (ehemalige) Arbeitnehmer, befinden sich zudem nicht in einer mit gleich alten Ehepartnern vergleichbaren Lage: Ihnen kann wegen ihres Alters eher eine eigene Berufstätigkeit zugemutet und damit die Verpflichtung auferlegt werden, für ihren Unterhalt selbst und allein aufzukommen. Sie haben häufig - wie auch vorliegend die Klägerin - ihren Ehepartner erst gegen oder nach Ende seines Berufslebens geheiratet, so dass der Gesichtspunkt der "mittelbaren Mitwirkung am Wohlergehen des Unternehmens" zu vernachlässigen ist (vgl. zur Zulässigkeit von Altersabstandsklauseln: Rolfs, NZA 2008, 553; Preis/Temming, NZA 2008, 1209; Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG 5. Aufl., Anh. § 1 Rn. 202). Altersabstandsklauseln dürfen aber nicht dazu führen, dass Altersunterschiede, wie sie zwischen Ehegatten üblich sind, zu einem Leistungsausschluss führen würden. Bei einer Altersdifferenz von 20 Jahren ist dies nicht der Fall (im Ergebnis billigend für eine Abstandsklausel von 25 Jahren auch bereits BAG 9. November 1978 - 3 AZR 784/77 - AP § 242 BGB Ruhegehalt Nr. 179; für Verfassungsmäßigkeit dieser Unterscheidung: BVerfG 11. September 1979 - 1 BvR 92/79).

54

c. Auch das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht der Wirksamkeit der Altersabstandsklausel nicht entgegen.

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Nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzesbuches sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die - wie das hier der Fall ist - eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Die Regeln über das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen finden grundsätzlich auch auf Arbeitsverträge Anwendung; dabei sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 4 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch).

56

Die hier zur Überprüfung stehende Altersabstandsklausel benachteiligte den verstorbenen Ehemann der Klägerin, dem als Arbeitnehmer die Versorgungszusage gegeben war, nicht unangemessen. Der Arbeitgeber hat - wie ausgeführt - ein berechtigtes Interesse daran, die von ihm durch eine Versorgungszusage gedeckten Risiken anhand von sachlich billigenswerten Gründen zu begrenzen.

57

d. Die Wirksamkeit der in VI.1. enthaltenen, den Anspruch auf Witwenrente ausschließenden Voraussetzung eines Altersabstandes zwischen den Eheleuten von weniger als 20 Jahren scheitert schließlich auch nicht an einem Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. Art. 3 GG. Weder der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch Art. 3 GG enthalten weitergehende Anforderungen als § 3 AGG.

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3. Der Feststellungsantrag ist unzulässig. Die Klägerin begehrt nicht die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses iSd § 256 ZPO, sondern vielmehr die Feststellung der Unwirksamkeit einer Norm.

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III. Die Berufung der Klägerin war daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

60

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Krönig
Straden
Elges