Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.08.2008, Az.: 7 TaBV 148/07

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
07.08.2008
Aktenzeichen
7 TaBV 148/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 39328
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2008:0807.7TABV148.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 05.10.2007 - AZ: 12 BV 1/07

Tenor:

  1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.10.2007, 12 BV 1/07, wird zurückgewiesen.

  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Gesamtschwerbehindertenvertreter B.... zu erstattenden Reisekosten anlässlich der Teilnahme an einem Seminar in R-Stadt sowie darüber, ob der Erstattungsanspruch in dem Beschlussverfahren oder Urteilsverfahren geltend zu machen ist.

2

Die Beteiligte zu 2) (Arbeitgeberin) betreibt Spielbanken in mehreren niedersächsischen Städten und beschäftigt etwa 480 Arbeitnehmer. In den Spielbanken A-Stadt und C-Stadt sind Schwerbehindertenvertretungen gewählt, die eine Gesamtschwerbehindertenvertretung gebildet haben, die Beteiligte zu 1). Schwerbehindertenvertreter in C-Stadt und Vorsitzender der Gesamtschwerbehindertenvertretung ist T.... B.....

3

Der Vorsitzende der Beteiligten zu 1) nahm entsprechend einem Beschluss der Beteiligten zu 1) vom 25.01.2006 (Bl. 86 d.A.) in der Zeit vom 13.03.2006 bis zum 17.03.2006 an einem Seminar zum Thema "Schwerbehindertenvertretung Aktuell" in R-Stadt teil. Er führte diese Reise mit seinem Privatfahrzeug durch und machte am 27.03.2006 (Bl. 5 d.A.) u.a. Fahrtkosten für 1706 gefahrene Kilometer in Höhe von 511,80 € geltend.

4

Die Arbeitgeberin erstattete ihm lediglich den Preis für eine Bahnfahrt in Höhe von 239,20 € mit der Begründung, die Anreise mit dem Pkw sei nicht genehmigt worden. Die Differenz wird in dem vorliegenden Beschlussverfahren von der Beteiligten zu 1) geltend gemacht.

5

Maßgeblich für die Abrechnung von Reisekosten ist zunächst die Reisekostenrichtlinie der Arbeitgeberin vom 07.10.2003, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 6-11 d.A.). Diese enthält u.a. folgende Regelungen:

  1. 2.1

    Wirtschaftlichkeitsgebot

    Bei der Planung und Durchführung von Dienstreisen sind die Gesichtspunkte der betrieblichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen. ...

  2. 2.2

    Genehmigung

    1. ( 1)

      Dienstreisen bedürfen stets der Genehmigung ...

    2. ( 2)

      Die Genehmigung für Dienstreisen von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen in den Spielbanken erteilen der Leiter der Spielbank bzw. sein Stellvertreter.

    3. ( 3)

      Die Genehmigung von Dienstreisen von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen in der Zentrale und von den Leitern der Spielbank bzw. ihren Vertretern erteilen die Geschäftsführer bzw. die Prokuristen.

    4. ( 4)

      Die Genehmigung von Dienstreisen der Prokuristen erteilen die Geschäftsführer.

    5. ( 5)

      Schulungsveranstaltungen von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen einschließlich der damit verbundenen Dienstreisen bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Geschäftsführer.

    ...

  3. 3.2

    Privat-Pkw

    1. ( 1)

      Ein Privat-Pkw darf für eine Dienstreise nur bei Vorliegen besonderer Gründe (...) ausnahmsweise und nach vorheriger Genehmigung durch den zuständigen Vorgesetzten benutzt werden, die Gründe dafür sind im Genehmigungsantrag zu nennen.

6

Der Gesamtschwerbehindertenvertreter B.... leidet an einem Anfallsleiden, das es erforderlich macht, ein Sauerstoffgerät mit sich zu führen. Er bat die Arbeitgeberin deshalb mit Schreiben vom 08.11.2003, Dienstreisen zukünftig grundsätzlich mit dem Privatfahrzeug durchführen zu können. Die Arbeitgeberin erklärte mit Schreiben ihrer Geschäftsführer vom 13.11.2003 (Bl. 12 d.A.) u.a.:

  1. 1.

    Wir sind damit einverstanden, dass Sie bei allen genehmigten Dienstreisen ihren privaten Pkw benutzen können.

  2. 2.

    Anfallende Dienstreisen im Zusammenhang mit ihrer Aufsichtsratstätigkeit ...

  3. 3.

    Mit Ausnahme der unter Ziffer 2 genannten Dienstreisen müssen auch Sie jede Dienstreise im Einzelnen sich vom Spielbankleiter genehmigen lassen, und zwar mit Hilfe der gültigen Antragsformulare. ...

7

Mit Schreiben vom 25.01.2006 an die Geschäftsführung der Arbeitgeberin (Bl. 64 d.A.) beantragte der Gesamtschwerbehindertenvertreter die Kostenübernahme und Freistellung für das im Streit stehende Seminar vom 13.03.2006 bis 17.03.2006. Die Arbeitgeberin erwiderte mit einem von dem Geschäftsführer R.... C.... unterzeichneten Schreiben vom 03.02.2006 (Bl. 65 d.A.):

wir genehmigen Ihnen die Teilnahme am oben genannten Seminar in R-Stadt vom 13. März bis zum 17. März 2006.

Wir weisen darauf hin, dass mit diesem Schreiben nicht automatisch die Dienstreise von Ihnen genehmigt ist. Diese lassen Sie bitte gesondert von seinem Spielbankleiter genehmigen, vgl. Ziff. 2.2. der Reisekostenordnung.

Die Freistellung für die Seminarteilnahme erfolgt durch Ihren Spielbankleiter.

8

Mit Formular vom 13.02.2006 beantragte der Gesamtschwerbehindertenvertreter die Genehmigung der Dienstreise bei seinem Spielbankleiter. Dieser genehmigte die Dienstreise unter dem 15.02.2006 (Bl. 36 d.A.) mit der Einschränkung:

Für die Reise nach R-Stadt wird nur das Verkehrsmittel Bahn genehmigt.

9

Die Beteiligte zu 1) wandte sich mit Schreiben vom 25.02.2005 (Bl. 39, 40 d.A.) gegen die Ablehnung der Nutzung des privaten Pkw. Der Spielbankleiter erwiderte mit Schreiben vom 06.03.2006 (Bl. 41, 42 d.A.), da das Seminar u.a. auch in B-Stadt angeboten werde, komme ein Anspruch auf Freistellung und Fahrtkostenerstattung für die Teilnahme in R-Stadt ganz offenkundig nicht in Betracht. Die Beteiligte zu 1) antwortete sodann mit Schreiben vom 11.03.2006 (Bl. 43, 44 d.A.).

10

Das Arbeitsgericht hat durch einen der Arbeitgeberin am 21.11.2007 zugestellten Beschluss vom 05.10.2007, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 93-99 d.A.), die Arbeitgeberin verurteilt, an die Antragstellerin Fahrtkosten in Höhe von 272,60 € (netto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2006 zu zahlen.

11

Hiergegen richtet sich die am 06.12.2007 eingelegte und nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 21.02.2008 am 18.02.2008 begründete Beschwerde der Arbeitgeberin.

12

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, der im Streit stehende Anspruch hätte nicht im Beschlussverfahren, sondern im Urteilsverfahren geltend gemacht werden müssen. Es gehe im vorliegenden Verfahren nicht um Rechte der Gesamtschwerbehindertenvertretung, sondern um den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch für die Teilnahme an einer Schulung eines einzelnen Mitglieds der Gesamtschwerbehindertenvertretung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müsse dieser Anspruch im Urteilsverfahren verfolgt werden.

13

Die streitigen Fahrtkosten seien nicht erstattungsfähig, da ihre Verursachung zum einen nicht notwendig und zum anderen auch nicht genehmigt war. Die Arbeitgeberin sei aus Kostengründen bereit gewesen, die im Dezember 2006 in B-Stadt stattfindende Schulung bei einer Anreise mit dem Privat-Pkw zu genehmigen oder aber die Fahrten mit der Bahn nach R-Stadt und zurück.

14

Der Schwerbehindertenvertreter B.... könne sich nicht auf die allgemeine Dienstreisegenehmigung vom 13.11.2003 berufen. Diese setze eine genehmigte Dienstreise voraus. Diese erforderliche Genehmigung habe der örtliche Spielbankleiter nicht erteilt. Nach der hierarchischen Ordnung im Betrieb habe die Geschäftsführung über die generelle Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung zu entscheiden, während der Spielbankleiter vor Ort die Möglichkeit haben müsse, die Kosten für eine derartige Schulungsveranstaltung aus Wirtschaftlichkeitserwägungen heraus möglichst gering zu halten. Die Berechtigung des Spielbankleiters beziehe sich lediglich auf die Punkte, die nicht bereits von der Geschäftsführung genehmigt worden seien, wozu auch die Reisekosten zählten.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages der Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren wird Bezug genommen auf die Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2008 und 04.06.2008.

16

Die Arbeitgeberin beantragt,

  1. unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Klage abzuweisen.

17

Der Betriebsrat beantragt,

  1. die Beschwerde zurückzuweisen.

18

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss nach Maßgabe des Schriftsatzes seiner Prozessbevollmächtigten vom 18.04.2008.

19

II.

1. Die gemäß § 87 Absatz 1 ArbGG statthafte Beschwerde der Arbeitgeberin ist gemäß den §§ 87 Absatz 2, 89 Absatz 1 und 2, 66 Absatz 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig.

20

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

21

2.1 Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass der im Streit stehende Erstattungsanspruch in dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2a ArbGG zu verfolgen ist.

22

Die erkennende Kammer ist vorliegend nicht gemäß §§ 88, 65 ArbGG gehindert, die Zulässigkeit der gewählten Verfahrensart nachzuprüfen. Zwar kann das Beschwerdegericht nach diesen Vorschriften grundsätzlich nicht prüfen, ob die gewählte Verfahrensart zulässig ist. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch, wenn das Arbeitsgericht wie vorliegend trotz der Rüge der richtigen Verfahrensart durch die Arbeitgeberin hierüber nicht vorab durch Beschluss nach §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17a Abs. 3 GVG entschieden hat ( BAG vom 26.03.1992, 2 AZR 443/91, AP Nr. 7 zu § 48 ArbGG 1979). Dann kann diese Frage nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung noch im Rahmen der Überprüfung der Hauptsache geklärt werden (Germelmann, 5. Aufl. 2008, § 65 ArbGG, Rz. 14; Grunsky, § 80 ArbGG Rz. 12a).

23

2.2 Das Beschlussverfahren ist die zutreffende Verfahrensart für den geltend gemachten Erstattungsanspruch aus § 96 Abs. 8 SGB IX.

24

Die Arbeitgeberin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit die Erstattung von Reisekosten eines Schwerbehindertenvertreters nur im Urteilsverfahren entschieden hat ( BAG vom 16.08.1977, 1 ABR 49/76, AP Nr. 1 zu § 23 SchwbG; BAG vom 28.04.1988, 6 AZR 421/86, AP Nr. 3 zu § 22 SchwbG).

25

Demgegenüber hat das Bundesarbeitsgericht in einem Beschluss vom 21.09.1989 (1 AZR 465/88, AP Nr. 1 zu § 25 SchwbG 1986) die Auffassung vertreten, dass Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Schwerbehindertenvertretung, soweit es sich um deren Beteiligungsrechte im weitesten Sinne gegenüber dem Arbeitgeber bzw. der Dienststelle oder anderen Organen der Betriebsverfassung oder der Personalvertretung handelt, im Beschlussverfahren zu entscheiden sind. Diese Rechte und Pflichten haben hiernach ihre Grundlage nicht im Arbeitsverhältnis des jeweiligen Vertrauensmannes oder der Vertrauensfrau der Schwerbehinderten, sondern in dem von ihnen wahrgenommenen Amt der Schwerbehindertenvertretung. Das Bundesarbeitsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber des Schwerbehindertengesetzes Rechtsstreitigkeiten zwischen den Organen der gesetzlichen Verfassung des Betriebes oder der Dienststelle in einem besonderen Verfahren, dem Beschlussverfahren vor den Arbeitsgerichten oder den Verwaltungsgerichten, entschieden sehen wollte. Das rechtfertigt es, auch Rechtsstreitigkeiten über Rechte und Pflichten des Organs "Schwerbehindertenvertretung" im Beschlussverfahren zu entscheiden, zumal es an einer anderen ausdrücklich normierten Zuständigkeitsregelung fehlt, da diese Streitigkeiten nicht als Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis angesehen werden können.

26

Der Gesetzgeber hat in der Folgezeit erstmals mit Wirkung vom 01.08.1996 geregelt, dass Angelegenheiten aus § 54c SchwbG in dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu entscheiden sind. Im Jahre 2000 wurde die Zuständigkeit auf die in den §§ 24, 25 SchwbG geregelten Tatbestände ergänzt. Nach der derzeitigen Fassung des § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen im Beschlussverfahren zuständig für Angelegenheiten aus den §§ 94, 95, 139 SGB IX.

27

Rechtsgrundlage für den vorliegend im Streit stehenden Erstattungsanspruch ist § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX. Dies spricht von der Gesetzessystematik zunächst dagegen, dass vorliegend das Beschlussverfahren die zutreffende Verfahrensart ist.

28

Die erkennende Kammer geht mit dem LAG Nürnberg (Beschluss vom 22.10.2007, 6 Ta 155/07, ZTR 2008, 116-117) davon aus, dass die Nichterwähnung des § 96 Abs. 8 SGB IX in § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht, weshalb die gesetzliche Lücke durch eine entsprechende Anwendung von § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG zu schließen ist.

29

Ziel des Gesetzgebers war, die Angelegenheiten der Schwerbehindertenvertretung im Beschlussverfahren entscheiden zu lassen (BT-Drs. 13/11289 vom 17.07.1998). Ausdrücklich erwähnt wurden dabei die §§ 24 und 25 SchwbG, die die Wahl und Amtszeit sowie die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung regelten (jetzt: §§ 94, 95 SGB IX). Der Gesetzgeber hat offenbar übersehen, dass die nicht in Bezug genommene Regelung des § 26 SchwbG (jetzt: § 96 SGB IX) ebenfalls Vorschriften enthält, die nicht persönliche Rechte des jeweiligen Schwerbehindertenvertreters regeln, sondern Rechte des Organs. Dies betrifft insbesondere § 96 Abs. 8 SGB IX, der die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Tagung der durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten regelt. Da der Gesetzgeber fast sämtliche organschaftlichen Fragen den Gerichten für Arbeitssachen übertragen hat, ist es gerechtfertigt, die wenigen organschaftlichen Streitpunkte, die in § 96 SGB IX geregelt sind, ebenso zu behandeln wie die in den §§ 94 und 95 SGB IX geregelten Sachverhalte. Der Gesichtspunkt der Sachnähe spricht daher ebenso wie die Historie und die Begründung des Gesetzgebers dafür, alle organschaftlichen Streitpunkte der Schwerbehindertenvertretung dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zuzuordnen (so auch Gagel in juris PR-ArbR 5/2008 Anm. 4; Germelmann-Matthes u.a., ArbGG, 6. Aufl. 2008, § 2a Rn. 24; GK-Dörner, 2005, § 2a ArbGG Rz. 72).

30

Bei dem im Streit stehenden Anspruch auf Erstattung von Reisekosten handelt es sich um einen organschaftlichen Streit in diesem Sinne. Anspruchsgrundlage für den im Streit stehenden Anspruch ist § 96 Abs. 8 SGB IX. Nach dieser Vorschrift trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten. Hierunter fallen auch die im Streit stehenden Reisekosten. Die Teilnahme an dem Seminar mit dem Thema "Schwerbehindertenvertretung Aktuell" diente ausschließlich der ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben der Beteiligten zu 1). Der Anspruch hat deshalb seine Grundlage nicht im Arbeitsverhältnis des Gesamtschwerbehindertenvertreters B...., sondern in dem von ihm wahrgenommenen Amt der Schwerbehindertenvertretung.

31

Es ist kein Grund ersichtlich, die anlässlich der Schulung eines Schwerbehindertenvertreters entstandenen Kosten anders zu behandeln als die Kosten eines Betriebsratsmitglieds, die unstreitig im Beschlussverfahren zu klären sind.

32

2.3 Das Landesarbeitsgericht war vorliegend nicht verpflichtet, über die Frage der Zulässigkeit des Beschlussverfahrens durch Beschluss vorab zu entscheiden (a.A. BAG vom 26.03.1992, a.a.O.). Der gemäß § 48 Abs. 1 ArbGG entsprechend anwendbare § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG besagt lediglich, dass dann, wenn der beschrittene Rechtsweg, hier die gewählte Verfahrensart, zulässig ist, das Gericht dies vorab aussprechen kann. Das Gericht handelt somit nach pflichtgemäßem Ermessen.

33

Eine Verpflichtung zur Vorabentscheidung besteht nach Satz 2 nur dann, wenn eine Partei dies rügt. Die Rüge muss dabei in der mündlichen Verhandlung deutlich erkennbar erhoben werden (MK-Zimmermann, 3. Aufl. 2008, § 17a GVG Rz. 12; Wieczorek/Schütze-Schreiber, 3. Aufl., § 17a GVG Rz. 18).

34

Vorliegend hat die Arbeitgeberin zwar bis zuletzt die Auffassung vertreten, das Urteilsverfahren sei die richtige Verfahrensart. Sie hat jedoch nicht ausdrücklich zu erkennen gegeben, dass sie eine Vorabentscheidung über die Zulässigkeit der Verfahrensart begehrt. Unter diesen Umständen ist es ausnahmsweise zulässig, über die Zulässigkeit des Beschlussverfahrens und die Hauptsache gleichzeitig durch einen die Instanz beendenden Beschluss zu entscheiden. Hierdurch wird dem das arbeitsgerichtliche Verfahren prägenden Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG Rechnung getragen.

35

2.4 Die Beteiligte zu 1) hat gegen die Arbeitgeberin einen Anspruch auf Erstattung weiterer 272,60 € nebst Zinsen aus § 96 Abs. 8, Abs. 4 Satz 3 SGB IX.

36

Über die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme im Sinne von § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

37

Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass nach Ziffer 2.2 (5) der Reisekostenrichtlinie vom 07.10.2003 die Genehmigung von Schulungsveranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Dienstreisen den Geschäftsführern und nicht dem Spielbankleiter obliegt.

38

Die im Streit stehende Schulungsveranstaltung ist dem Gesamtschwerbehindertenvertreter B.... dementsprechend mit Schreiben vom 03.02.2006 durch den Geschäftsführer der Arbeitgeberin R.... C.... genehmigt worden.

39

Die Geschäftsführer der Arbeitgeberin hatten sich auch bereits mit Schreiben vom 13.11.2003 damit einverstanden erklärt, dass der Gesamtschwerbehindertenvertreter B.... bei allen genehmigten Dienstreisen seinen privaten Pkw benutzen darf. Diese pauschale Genehmigung bezieht sich zwar nur auf alle "genehmigten Dienstreisen", setzt also die Genehmigung einer Dienstreise voraus. Eine derartige Genehmigung ist jedoch vorliegend mit Schreiben vom 03.02.2006 erfolgt. Unter diesen Umständen war der Vorsitzende der Beteiligten zu 1) berechtigt, mit seinem privaten Pkw das Seminar in R-Stadt vom 13.03.2006 bis zum 17.03.2006 zu besuchen. Die Arbeitgeberin ist somit verpflichtet, die im Streit stehenden Reisekosten in vollem Umfange zu erstatten.

40

Dem steht nicht entgegen, dass der dem Schwerbehindertenvertreter B.... vorgesetzte Spielbankleiter die Reise nach R-Stadt nur mit dem Verkehrsmittel Bahn genehmigt hat.

41

Nach der eigenen Reisekostenrichtlinie war der Spielbankleiter für die Genehmigung der Schulungsveranstaltung einschließlich der damit verbundenen Dienstreisen nicht zuständig. Der Schwerbehindertenvertreter ist zwar im Rahmen der Genehmigung vom 03.02.2006 aufgefordert worden, die Dienstreise noch gesondert von seinem Spielbankleiter genehmigen zu lassen. Für den Spielbankleiter blieb jedoch, wie das Arbeitsgericht richtig entschieden hat, kein Spielraum mehr bei der Wahl des Schulungsortes oder des zu verwendenden Verkehrsmittels, da hierüber bereits eine verbindliche Entscheidung der Geschäftsführung gemäß dem Schreiben vom 03.02.2006 und 13.11.2003 vorlag. Der Spielbankleiter durfte lediglich über noch nicht berücksichtigte Punkte entscheiden, die die betrieblichen Belange vor Ort betreffen.

42

Die Arbeitgeberin ist somit verpflichtet, an die Beteiligte zu 1) Fahrtkosten in Höhe von weiteren 272,60 € zu zahlen. Dieser Betrag ist gemäß § 286, 288 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2006 zu verzinsen.

43

3. Die Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, §§ 87 Abs. 2, 72 Abs. 2 ArbGG.

Leibold
Frau Coppenrath
Herr Bernt