Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.08.2008, Az.: 1 TaBV 62/08

Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Einigungsstellenverfahren; Parallele Einrichtung von zwei Einigungsstellen als Widerspruch zu der Zielsetzung des besonderen Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
26.08.2008
Aktenzeichen
1 TaBV 62/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 22676
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2008:0826.1TABV62.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 27.03.2008 - AZ: 4 BV 13/08
ArbG Hannover - 04.06.2008 - AZ: 5 BV 13/08

Amtlicher Leitsatz

Orientierungssatz:

Betriebs- oder Konzernebene für Errichtung der Einigungsstelle

Amtlicher Leitsatz

Kann eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle unter Beteiligung des örtlichen Betriebsrats als auch des Konzernbetriebsrats zu dem gleichen Regelungsgegenstand nicht festgestellt werden, spricht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass der Betriebsrat vor Ort berufen ist seine Mitbestimmungsrechte im Einigungsstellenverfahren zu wahren (Umkehrschluss aus §§ 50 Abs. 2, 58 Abs. 2 BetrVG). Die Einigungsstelle ist nur dann mit dem Konzernbetriebsrat zu errichten, wenn dieser offensichtlich zuständig ist. Eine parallele Einrichtung von zwei Einigungsstellen widerspricht der Zielsetzung des besonderen Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens.

In dem Beschlussverfahren
hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
aufgrund der Anhörung
am 26. August 2008
durch
den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Prof. Dr. Lipke
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin und Bet. zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 4. Juni 2008 - 5 BV 13/08 - abgeändert und die Anträge des Konzernbetriebsrats und Bet. zu 3) zurückgewiesen.

Die Beschwerde des Betriebsrats und Bet. zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 27. Mai 2008 - 4 BV 13/08 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I. In den im zweiten Rechtszug verbundenen Beschwerdeverfahren 1 TaBV 62/08 und 1 TaBV 76/08 ist im Streit, ob auf Betriebsrats- oder Konzernbetriebsratsebene der Arbeitgeberin eine Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand "ePost" zu errichten ist.

2

Die Beteiligten sind darüber einig, dass ein Mitbestimmungsrecht der Betriebsratsseite nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG in Rede steht. Dabei beansprucht der Konzernbetriebsrat und Beteiligte zu 3) für sich die Zuständigkeit zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung für alle Unternehmen der Verlagsgruppe der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1). Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) hält dagegen die Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats und Beteiligten zu 2) für gegeben, mit dem sie am 31. Januar 2008 eine bis zum 30. Juni 2008 geltende "Testvereinbarung" zum Betrieb der "ePost" geschlossen hatte. Der Betriebsrat und Beteiligte zu 2) hält dagegen eine unternehmensübergreifende bzw. konzernweite Regelung für die Verlagsgruppe geboten.

3

In zwei Einigungsstelleneinsetzungsverfahren vor zwei unterschiedlichen Kammer des Arbeitsgerichts Hannover haben zum einen die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) und zum anderen der Konzernbetriebsrat der Verlagsgruppe und Beteiligte zu 3) die Einrichtung der Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand "ePost" beantragt. In beiden Verfahren ist dem Antrag stattgegeben worden, da eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht festgestellt werden konnte.

4

Im Verfahren 4 BV 13/08 hat das Arbeitsgericht Hannover die Einigungsstelle auf Betriebsebene unter dem Vorsitz des Direktors des Arbeitsgerichts K. mit 3 Beisitzern von jeder Seite errichtet. Im Verfahren 5 BV 13/08 ist die Einigungsstelle mit demselben Einigungsstellenvorsitzenden und 3 Beisitzern von jeder Seite auf unternehmensübergreifender Ebene eingesetzt worden. Was die Beschlussgründe der Entscheidungen beider Kammern des Arbeitsgerichts Hannover und den zu Grunde gelegten Sachvortrag der Beteiligten betrifft, wird auf Blatt 41 bis 46 der Akten - 4 BV 13/08 - und auf Blatt 100 bis 105 der Akten - 5 BV 13/08 - Bezug genommen.

5

Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover - 4 BV 13/08 -, der dem Betriebsrat und Beteiligten zu 2) am 9. Juni 2008 (Bl. 49 d. A.) zugestellt wurde, hat dieser Beschwerde nebst Begründung zum Landesarbeitsgericht eingelegt am 21. Juni 2008 (Bl. 54 d. A.). Gegen den ihr am 9. Juli 2008 (Bl. 106 d. A.) zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover - 5 BV 13/08 - hat die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) Beschwerde nebst Begründung zum Landesarbeitsgericht eingelegt am 21. Juli 2008 (Bl. 111 d. A.).

6

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) hält die unternehmensübergreifende Einrichtung einer Einigungsstelle mit dem Konzernbetriebsrat und Beteiligten zu 3) für offensichtlich unzuständig. Es fehle hier an einer originären Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats. Die Einführung von "ePost" sei nur bei der Verlagsgesellschaft M1 und der M2 vorgesehen, nicht bei den weiteren 16 Unternehmen der M1-Gruppe. Es sei beabsichtigt, die manuelle durch eine elektronische Zuordnung in der Sachbearbeitung der Kundenbuchhaltung zu ersetzen. Allein für das Einscannen der Schriftstücke sei die M2 (M2) - eine Tochtergesellschaft der Verlagsgesellschaft M1 - als reiner Dienstleister tätig. Hinzu käme als rein technischer Dienstleister das ebenfalls konzernintern tätige G1, das für den Netzbetrieb zuständig sei. Die notwendigen Software-Lizenzen "ePost" zur Bearbeitung hätte nur die Verlagsgesellschaft M1 und Beteiligte zu 1). Ein Zugriff auf die Personaldaten oder auf die eingescannte und bearbeitete Kundenpost sei von Dritter Seite nicht möglich; ebenso wenig sei der Austausch von Mitarbeiter- und Kundendaten beabsichtigt. Die M1 Verlagsgesellschaft habe für alle 16 Unternehmen der Gruppe unter Hilfeleistung der M2 sämtliche Aufgabenstellungen zur Kundenbuchhaltung übernommen. Deshalb sei für die anderen Unternehmen auch keine Software-Lizenz mehr erforderlich. Für all diese Umstände werde der Zeuge S. zum Nachweis angeboten. Aus den dargelegten Umständen ergebe sich, dass es kein zwingendes Erfordernis einer unternehmensübergreifenden Regelung gebe und deshalb die Einigungsstelle mit dem Konzernbetriebsrat und Beteiligten zu 3) nicht einzurichten sei. Grundsätzlich sei der örtliche Betriebsrat als unmittelbar gewählter und besonders legitimierter Belegschaftsvertreter zuständig. Diese Einschätzung teile auch der Betriebsrat des G2, der den Konzernbetriebsrat und Beteiligten zu 3) beauftragt habe, für ihn den Einsatz von "ePost" zu regeln. Ein solcher Beschluss sei bei originärer Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats und Beteiligten zu 3) nicht notwendig gewesen.

7

Wegen einer terminlichen Verhinderung hat die Arbeitgeberin anstelle des zunächst benannten Zeugen S. nunmehr den Zeugen M3 angeboten.

8

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) stellt den Antrag,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hannover - 5 BV 13/08 - den Antrag des Konzernbetriebsrats zurückzuweisen.

9

sowie

die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover - 4 BV 13/08 - zurückzuweisen .

10

Der Betriebsrat und Beteiligte zu 2) stellt den Antrag,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hannover - 4 BV 13/08 - den Antrag der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

11

Der Konzernbetriebsrat und Beteiligte zu 3) stellt den Antrag,

die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover - 5 BV 13/08 - zurückzuweisen.

12

Betriebsrat und Konzernbetriebsrat als Beteiligte zu 2) und 3) halten den "Offensichtlichkeitsmaßstab" auch bei konkurrierender Zuständigkeit von mehreren Betriebsratsgremien für maßgeblich. Soweit das Arbeitsgericht im Verfahren 4 BV 13/08 den örtlichen Betriebsrat für allein zuständig gehalten habe, beruhe dies auf reinen Zweckmäßigkeitsüberlegungen, die hier nicht anzustellen seien. Im Workflow-System der einzuführenden "ePost" seien die Mitarbeiter der Verlagsgesellschaft M1, des G1 und der M2 eingebunden. Die hier anstehende Verarbeitung personenbezogener Daten der Mitarbeiter der M2 und des G1 könne indessen vom Betriebsrat und Beteiligten zu 2) mangels Legitimation nicht mitgeregelt werden. Dies könne allein der originär zuständige Konzernbetriebsrat und Beteiligte zu 3). Im Übrigen sei in der Regelabsprache zur Testvereinbarung mit dem Betriebsrat und Beteiligten zu 2) die unternehmerische Absicht zum Ausdruck gekommen, dass hier für die Verlagsgruppe das System "ePost" verwirklicht werden sollte. Diese Absicht - insoweit unstreitig - sei später geändert worden mit der Bündelung der Kundenbuchhaltung für mehrere Unternehmen der Unternehmensgruppe bei der Verlagsgesellschaft M1. Es sei unklar, ob Personaldaten Beschäftigter anderer Unternehmen der Verlagsgruppe dabei mitverarbeitet werden könnten. Die mögliche Speicherung von deren Mitarbeiterdaten nach dem § 3 BDSG genüge, um unternehmensübergreifende Mitbestimmungsrechte des Konzernbetriebsrats und Beteiligten zu 3) auszulösen. Insoweit verweisen Betriebsrat und Konzernbetriebsrat auch auf die Entscheidung des BAG vom 20. Dezember 1995 - 7 ABR 8/95 -. Es müsse daher bei den Entscheidungen der 4. und 5. Kammer des Arbeitsgerichts Hannover verbleiben, welche die Einrichtung von zwei Einigungsstellen für nicht offensichtlich unzuständig hielten.

13

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf den Akteninhalt der zum Aktenzeichen 1 TaBV 62/08 verbundenen Verfahren Bezug genommen. Des Übrigen wird hinsichtlich des Vorbringens im Anhörungstermin, in dem der Zeuge M3 informatorisch befragt wurde, auf die Anhörungsniederschrift 1 TaBV 62/08 verwiesen.

14

II. Die Beschwerden der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1) und des Betriebsrats und Beteiligten zu 2) sind statthaft und zulässig. Begründet ist hingegen nur die Beschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1). Es kann allein eine offensichtliche Unzuständigkeit des örtlichen Betriebsrats und Beteiligten zu 2) nicht festgestellt werden. Von daher waren in den verbundenen Verfahren die Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 27. Mai 2008 - 4 BV 13/08 - zurückzuweisen und auf die Beschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1) der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 4. Juni 2008 - 5 BV 13/08 - abzuändern unter gleichzeitiger Zurückweisung der Anträge des Konzernbetriebsrats und Beteiligten zu 3).

15

1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen anderer Landesarbeitsgerichte dient das Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG dem Ziel, die zwischen den Betriebspartnern stockenden Verhandlungen alsbald mit Hilfe eines externen Vorsitzenden wieder in Gang zu bringen und dadurch die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG zu erneuern (vgl. LAG Niedersachsen vom 25. Oktober 2005 - 1 TaBV 48/05 = LAGE § 98 ArbGG Nr. 45; zuletzt Beschluss vom 30. Januar 2007 - 1 TaBV 106/06; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 6. Aufl. § 98 Rn. 11; Düwell-Lipke-Koch ArbGG 2. Aufl. § 98 Rz. 12; in diese Richtung ebenso LAG Düsseldorf vom 20. März 2007 - 8 TaBV 15/07 - LAGE § 98 ArbGG Nr. 48a; LAG Hamm vom 9. August 2004 - 10 TaBV 81/04 - LAGE § 98 ArbGG Nr. 43 jeweils mwN). Um eine schnelle Fortsetzung der Verhandlung in der Einigungsstelle zu ermöglichen, ist deshalb nur zu prüfen, ob die beantragte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist.

16

Dies haben die Beschlüsse der 4. und 5. Kammer des Arbeitsgerichts Hannover unter Heranziehung des Maßstabs der "offensichtlichen Unzuständigkeit" jeweils verneint. Mit Errichtung zweier paralleler Einigungsstellen zum gleichen Regelungsgegenstand "ePost" müssten demnach die mit unterschiedlichen Beisitzern besetzten Einigungsstellen in eigener Sachprüfung entscheiden, ob ihre Zuständigkeit gegeben ist. Wird dies jeweils bejaht, müssten parallel Regelungen auf betriebs- und unternehmensübergreifender Ebene verhandelt werden. Eine solche Rechtsfolge mag dem Kontrollmaßstab der "offensichtlichen Unzuständigkeit" geschuldet sein, widerspricht aber dem Ziel einer beschleunigten abschließenden Regelung durch eine Einigungsstelle, die auch eine Verfahrensaussetzung verbietet. Dabei wird nicht übersehen, dass neben dem Verfahren nach § 98 ArbGG die Möglichkeit eines Vorabentscheidungsverfahrens nach § 80 ArbGG gegeben ist, welches die Zuständigkeit des Betriebsratsgremiums für die Inanspruchnahme eines bestimmten Beteiligungsrechts zum Inhalt haben kann (BAG vom 25. April 1989 - 1 ABR 91/87 - EzA § 98 ArbGG 1979 Nr. 6; GK/-BetrVG-Kreutz 8. Aufl. § 76 Rn. 71).

17

Schließlich ist zu bedenken, dass bei der parallelen Führung von zwei Einigungsstellen zu einem gleichen Regelungsgegenstand nicht nur widersprüchliche Ergebnisse, sondern auch doppelte Kosten für die Arbeitgeberin anfallen, die diese nach § 40 BetrVG zu tragen hat.

18

Zusammengefasst ist daher festzustellen, dass das 98er-Verfahren sinnentleert würde, wenn es zulässig wäre mit unterschiedlichen Betriebsratsgremien in mehreren Einigungsstellen den gleichen Regelungsgegenstand zu behandeln.

19

2. Die vom Konzernbetriebsrat und Beteiligten zu 3) beantragte Einigungsstelle erweist sich hingegen als "offensichtlich unzuständig" im Sinne von § 98 ArbGG, so dass dahinstehen kann, wie bei einer Konkurrenz von zwei Betriebsratsgremien zur Einsetzung einer Einigungsstelle zu verfahren ist, wenn sich gegenüber beiden Gremien eine offensichtliche Unzuständigkeit nicht aufdrängt.

20

a) Eine offensichtliche Unzuständigkeit kann sich daraus ergeben, dass nicht der antragstellende, sondern eine andere Arbeitnehmervertretung für den Verfahrensgegenstand eindeutig zuständig ist (LAG Hamburg vom 10. April 1991 - 5 TaBV 3/91 = DB 1991, 2195; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 6. Aufl. § 98 Rn. 9; Düwell-Lipke ArbGG-Koch 2. Aufl. § 98 Rn. 58). Dabei ist in der Regel davon auszugehen, dass das Mitbestimmungsrecht den Betriebsräten vor Ort und nicht dem Gesamt- oder Konzernbetriebsrat zusteht. Im Bereich der sozialen Angelegenheiten ist im Grundsatz stets der Betriebsrat vor Ort zuständig, da es regelmäßig um betriebsbezogene Umstände geht und nur selten eine zwingende sachliche Notwendigkeit für eine gemeinsame betriebsübergreifende Regelung besteht (BAG vom 23. September 1975 - 1 ABR 122/73 = EzA § 50 BetrVG 1972 Nr. 1; Richardi/Annuß BetrVG 10. Aufl. § 50 BetrVG Rn. 20; Fitting, BetrVG 24. Aufl. § 50 Rn. 35; ErfK/Eisemann 8. Aufl. § 50 Rn. 4; DKK-Trittin 11. Aufl. § 50 Rn. 38 unter Hinweis auf betriebsbezogene Differenzierungen bei Einführung neuer Technologien jeweils mwN).

21

Die Zuständigkeit eines übergeordneten Betriebsratsgremiums setzt voraus, dass es sich um eine mehrere Betriebe betreffende Angelegenheit handelt und ein objektiv zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht, was sich aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben kann. Im Grundsatz bleibt es aber dabei, dass für die Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz der von den Arbeitnehmern unmittelbar gewählte und deshalb mit der höchsten demokratischen Legitimation versehene Betriebsrat vor Ort zuständig ist (LAG Köln vom 28. Januar 2008 - 14 TaBV 70/07 = BB 2008, 1113 LS). Es spricht somit im Umkehrschluss zu den Sonderbestimmungen in §§ 50, 58 BetrVG eine gesetzliche Vermutung dafür, dass der Betriebsrat vor Ort seine Mitbestimmungsrechte im Einigungsstellenverfahren zu wahren hat und nur im Ausnahmefall aus originärer Zuständigkeit der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat.

22

Das führt im Verfahren nach § 98 ArbGG dazu, dass es der offensichtlichen Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats bedarf, um den ansonsten grundsätzlich zu beteiligenden örtlichen Betriebsrat zu verdrängen und die auf Betriebsebene zu bildende Einigungsstelle für "offensichtlich unzuständig" zu halten. Um eine offensichtliche Zuständigkeit eines übergeordneten Betriebsratsgremiums zu erkennen, ist es erforderlich den hierzu erheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (vgl. LAG Niedersachsen vom 8. Juni 2007 - 1 TaBV 27/07 = LAGE § 98 ArbGG Nr. 49). Das Gericht hat demzufolge im Einvernehmen mit den Beteiligten den im Anhörungstermin gestellten Zeugen M3 informatorisch zum Betrieb der "ePost" befragt.

23

b) Die informatorische Befragung des Zeugen M3, der als Gruppenleiter des Mahnwesens und der Debitorenbuchhaltung im Betrieb der Beteiligten zu 1) beschäftigt ist, hat ergeben, dass andere Konzernunternehmen der Verlagsgruppe M1 nicht von der Einführung der "ePost" betroffen sind, da mit Hilfe der Software gebündelt nur Kundendaten in der M1 bearbeitet werden. Arbeitnehmerdaten sind in diesem Zusammenhang nur dort und nicht bei den anderen konzernangehörigen Unternehmen betroffen. Soweit Mitarbeiter der zur Unternehmensgruppe gehörenden M2 mit dem Prozess des Einscannens beschäftigt seien, würden deren Personaldaten zu einer weiteren Verarbeitung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht erfasst. Die Mitarbeiter des konzernangehörigen G1 beschränke sich auf die technische Wartung und Pflege des Netzwerks. Ein Zugriff auf die eingescannten Kundendaten hätten weder die Mitarbeiter der M2 noch des G1. Die Software-Lizenzen seien klar auf die Arbeitnehmer der M1 Verlagsgesellschaft beschränkt.

24

Der informatorisch befragte Zeuge hat damit im Wesentlichen die Angaben der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1) bestätigt und die Verfahrensabläufe der "ePost" anhand von Anzeigen einer Protokolldatei sowie einer Prozessdarstellung der Postbearbeitung (Bl. 92/93 d. A.) veranschaulicht. Die Bekundungen der Informationsperson waren klar, nachvollziehbar und in sich stimmig. Die Befragung durch die Beteiligten hat keine Widersprüche im Informationsgehalt aufzeigen können.

25

Am Maßstab einer erforderlichen "offensichtlichen Zuständigkeit" des Konzernbetriebsrats und Beteiligten zu 3) gemessen, kann unter dem Eindruck der informatorischen Zeugenbefragung und der dazu vorgelegten Dokumente deshalb nicht festgestellt werden, dass eine offensichtliche Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats zur Regelung der "ePost" besteht.

26

c) Die vom Betriebsrat angezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Dezember 1995 (- 7 ABR 8/95 - EzA § 58 BetrVG 1972 Nr. 1) steht dem nicht entgegen. Für eine zwingende einheitliche Regelung auf Konzernebene mit Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats ist danach der Inhalt der geplanten Regelung sowie das Ziel, das durch die Regelung erreicht werden soll, entscheidend. Hier hat die Arbeitgeberin Aufgaben der Kundenbuchhaltung für alle Unternehmen der Verlagsgruppe in der M1 Verlagsgesellschaft konzentriert; wohl auch um Lizenzgebühren für die Software "ePost" zu sparen. Die Weiterleitung von Mitarbeiterdaten in andere Unternehmen der M1-Gruppe ist dabei nicht im Plan. Damit eröffnet sich eine Regelungsmöglichkeit auf der Betriebsebene, die eine originäre offensichtliche Zuständigkeit für den Konzernbetriebsrat sperrt. Das BAG führt im Zusammenhang damit auch aus, dass die Zuständigkeit des einzelnen Betriebsrats und des Konzernbetriebsrats zur Regelung derselben Angelegenheiten sich gegenseitig ausschließen (BAG aaO zu B I). Das muss nach Auffassung des erkennenden Gerichts ebenfalls für den Maßstab der "offensichtlichen Unzuständigkeit" gelten.

27

3. Soweit den örtlichen Betriebsräten in der Verlagsgruppe daran liegt, den Konzernbetriebsrat mit den Verhandlungen in der Einigungsstelle zu betrauen, kann dies auf dem Wege der §§ 58 Abs. 2, 50 Abs. 2 BetrVG geschehen. Allerdings ist der Betriebsratsseite zuzugeben, dass die Rechte des beauftragten Konzernbetriebsrats und Beteiligten zu 3) nicht über die dem örtlich eingeräumten Betriebsrats zustehenden Rechte hinausgehen können. Soweit die Betriebsratsseite weiter davon ausgeht, dass ein Workflow-System zur ePost mit Personaldatenerfassung zwischen den Mitarbeitern der Beteiligten zu 1), dem G1 und dem der M2 besteht, müssten deshalb die dortigen Betriebsräte allesamt den Konzernbetriebsrat und Beteiligten beauftragen, um übernehmensübergreifend für diesen Bereich der Verlagsgruppe zu einer Regelung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG tätig zu werden.

28

Es bleibt mithin bei der Regelzuständigkeit des örtlichen Betriebsrats und Beteiligten zu 2).

29

4. Eine Kostenentscheidung ist nach § 2 Abs. 2 GKG nicht zu treffen, da das Beschlussverfahren gerichtskostenfrei ist.

30

Gegen diese Entscheidung ist nach § 98 Abs. 2 ArbGG ein Rechtsmittel nicht gegeben.