Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.09.2008, Az.: 14 Sa 1769/07

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
15.09.2008
Aktenzeichen
14 Sa 1769/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 39329
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2008:0915.14SA1769.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 05.10.2007 - AZ: 7 Ca 350/07

Fundstellen

  • NZA-RR 2009, VI Heft 2 (amtl. Leitsatz)
  • NZA-RR 2009, 126-131 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit

...

hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2008 durch

die Richterin am Arbeitsgericht Lehmann,

den ehrenamtlichen Richter Herrn Schoenwald,

die ehrenamtliche Richterin Frau Jeremias

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.10.2007 (Az: 7 Ca 350/07) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

  2. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 1 000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2007 zu zahlen.

  3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

  4. Die Klägerin hat 96 %, die Beklagte zu 1) hat 4 % der Gerichtskosten zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten für den 1. Rechtszug trägt jede Partei selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) für das Berufungsverfahren werden der Klägerin auferlegt. Von den außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren im übrigen hat die Klägerin 96 %, die Beklagte zu 1) 4 % zu tragen.

  5. Die Revision wird für die Beklagte zu 1) zugelassen. Im übrigen wird sie nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten der Klägerin eine Entschädigung zu zahlen haben, weil sie sie bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses wegen ihres Alters benachteiligt haben.

2

Die Beklagte zu 2) hat ihren Sitz auf dem E-Straße in A-Stadt und veranstaltet dort Messen. Die Beklagte zu 1) bietet Objektschutz und Messe- und Veranstaltungsdienste an. Sie hat auf dem E-Straße dauerhaft Räume angemietet, das sogenannte Messebüro, aus denen heraus sie von der Beklagten zu 2) erteilte Aufträge organisiert. Unter anderem setzte sie ihre Arbeitnehmer entsprechend einer Vereinbarung mit der Beklagten zu 2) für die Besucherregistrierung auf der A-Stadt Messe vom 16.-20.04.2007 ein. Dabei entschied die Beklagte zu 1) selbst, welchem Mitarbeiter sie wo und wann Aufgaben zuwies.

3

Die Besucherregistrierung bezweckt die exakte Erfassung der Zahl der Messebesucher. Alle Messe-Veranstalter in Deutschland haben sich dazu gleichen Regularien unterworfen. Danach müssen unter anderem alle Besucher mit Tagesgästeausweis, einer Eintrittskarte, die ihnen zumeist kostenlos von einem Aussteller überlassen worden war, die Besucherregistrierung in einem zertifizierten DV-System durchführen (sogenannte Vollregistrierung). Die Vollregistrierung dient auch der Erfassung persönlicher Besucherdaten mit dem Ziel, die Besucher künftig mit veranstaltungsspezifischen Informationen zu versorgen. Sofern die Registrierung nicht vor der Messe online erfolgt, muss sie im Eingangsbereich des Messegeländes entweder an bereitstehen Registrierungsterminals oder durch Ausfüllen eines Registrierungsformulars erfolgen. Sowohl die fest installierten Registrierungsterminals mit dem DV-Programm als auch die Formulare werden von der Beklagten zu 2) zur Verfügung gestellt.

4

Die Klägerin ist am 00.00.1959 geboren und verfügt über ein abgeschlossenes Hochschulstudium als Dipl. Übersetzerin für Französisch und Spanisch sowie über gute Englischkenntnisse. Seit 1986 steht sie in einem Arbeitsverhältnis als Angestellte im Fremdsprachendienst zu einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes. Im April 2007 war sie schon über einen längeren Zeitraum bis zum 16.09.2007 ohne Bezüge beurlaubt.

5

Über eine Zeitungsanzeige vom 04.04.2007 suchte die Beklagte zu 1) für die Besucherregistrierung zur A-Stadt Messe vom 16.-20.04.2007 "Mitarbeiter mit mindestens einer Fremdsprache zur Aushilfe". Noch am gleichen Tag bewarb sich die Klägerin telefonisch bei der Beklagten zu 1). Ihr Gesprächspartner, Herr L., teilte mit, dass Stellen am Checkpoint bzw. hinter den Drehkreuzen bei einer Vergütung von 7,78 € pro Stunde und Arbeitsplätze in der Vollregistrierung bei einer Vergütung von 9,05 € pro Stunde zu besetzen seien. Aufgrund ihrer Fremdsprachenkenntnisse sehe er die Klägerin für einen Einsatz in der Vollregistrierung vor. Herr L. war als unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) grundsätzlich für den auf dem E-Straße befindlichen Checkpoint zuständig. Am 04.04.2007 half er jedoch aufgrund kurzfristigen Personalmangels bei den Einstellungsgesprächen für die Besucherregistrierung aus. Er ist Mitglied des bei der Beklagten zu 1) gebildeten Betriebsrates.

6

Im Messebüro der Beklagten zu 1) füllte die Klägerin noch am gleichen Tag ein Einstellungsformular der Beklagten zu 1) aus. Als Herr L. die Daten der Klägerin in den PC eingab, erklärte er nach einer Unterbrechung, die Klägerin sei für die vorgesehene Tätigkeit in der Vollregistrierung zu alt. Sie käme nur für einen der anderen Arbeitsplätze mit geringerer Vergütung in Betracht. Dies habe eine Rücksprache mit Frau M. - einer anderen Arbeitnehmerin der Beklagten zu 1) - ergeben, wobei Herr L. sich auf eine Vorgabe der Beklagten zu 2) berief. Die Klägerin wies sodann darauf hin, dass es sich um Altersdiskriminierung handeln dürfte und erklärte, sie werde sich überlegen, ob sie die Aushilfsarbeiten mit der geringeren Vergütung durchführen wolle.

7

Mit Schreiben vom 14.04.2007 machten die Rechtsanwälte der Klägerin, zu denen auch ihr Ehemann gehört, einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung gegenüber der Beklagten zu 1) geltend. Dieses Schreiben ging der Beklagten zu 1) am 16.04.2007 zu. Daraufhin bot diese der Klägerin mit einem Schreiben vom gleichen Tag an, sie ab dem Folgetag in der Besucherregistrierung einzusetzen. Da die Klägerin für den 17.04.2007 zwischenzeitlich anderes geplant hatte, nahm sie am 18.04.2007 nach der erforderlichen Schulung ihre Arbeit in der Vollregistrierung auf. Die Klägerin schloss an diesem Tag mit der Beklagten zu 1) einen befristeten Arbeitsvertrag für den Zeitraum vom 16.-20.04.2007. Sie erbrachte ihre Arbeitsleistung auch am 19. und 20.04.2007 in der Vollregistrierung. Die Beklagte zu 1) zahlte an die Klägerin Vergütung für alle fünf Arbeitstage auf der Basis von 9,05 € pro Stunde und entschuldigte sich bei der Klägerin.

8

Während ihrer Tätigkeit trug die Klägerin Dienstkleidung, die ihr von der Beklagten zu 1) zur Verfügung gestellt worden war. Es handelte sich dabei um ein dunkelblaues Kostüm, auf dessen Oberteil das Firmenkennzeichen der Beklagten zu 2) angebracht ist. Gleichzeitig trug sie einen Lichtbildausweis, der mit dem Namenszug der Beklagten zu 1) versehen war und die Trägerin/den Träger als Mitarbeiter der Beklagten zu 1) auswies.

9

Der Arbeitgeber der Klägerin, von dem sie ohne Bezüge beurlaubt worden war, hatte die Tätigkeit der Klägerin bei der Beklagten zu 1) weder genehmigt, noch wußte er davon.

10

Mit Schreiben vom 16.05.2007 machten die Rechtsanwälte der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) erneut und erstmals auch gegenüber der Beklagten zu 2) einen Anspruch auf Entschädigung geltend. Im Schreiben an die Beklagte zu 2) heißt es unter anderem:

"Aufgrund der von Ihnen veranlassten Vorgabe sind Sie unserer Mandantin aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 7 AGG zum Schadensersatz verpflichtet. Sie haften insoweit als Gesamtschuldnerin mit der N."

11

Wegen des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf Seite 6 und 7 der Klageschrift vom 12.07.2007 (Bl. 17 f.d.A.) Bezug genommen.

12

Beide Beklagten lehnten die Zahlung einer Entschädigung ab, woraufhin die Klägerin am 12.07.2007 die vorliegende Klage erhob.

13

Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hafteten als Gesamtschuldner auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Gegenüber der Beklagten zu 2) hat sie sich erstmals in ihrem Schriftsatz vom 27.09.2007 auf eine Anspruchsgrundlage nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 S. 2 AGG berufen. Es liege eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) zu. Die Klägerin hat erklärt, es werde "davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag im Sinne des AÜG geschlossen haben". Sie hat die Auffassung vertreten, aufgrund der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses sprächen genügend Indizien dafür, dass die Klägerin in den Betrieb der Beklagten zu 2) eingegliedert worden sei. Sie hat behauptet, die Beklagte zu 2) habe durch ihre Altersvorgabe bei der Personalauswahl ihr Weisungsrecht ausgeübt. Über die Organisationshierarchien habe auch die Klägerin den Weisungen der Beklagten zu 2) folgen müssen.

14

Die Klägerin hat eine Entschädigung in Höhe von mindestens 11 294,35 € für angemessen gehalten. Dies entspreche 3/5 einer Jahresvergütung. Sie hat die Auffassung vertreten, § 10 KSchG sei bei der Bemessung der Entschädigung heranzuziehen.

15

Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Arbeitsgerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 11 294,35 € liegen soltle, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2007 zu zahlen.

16

Beide Beklagte haben beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

17

Die Beklagte zu 1) hat behauptet, Herr L. sei am 04.04.2007 irrtümlich von einer Vorgabe der Beklagten zu 2) bzgl. des Alters der für die Vollregistrierung benötigten Arbeitnehmer ausgegangen. In seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied sei Herr L. zu dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geschult worden. Für die Besucherregistrierung der A-Stadt Messe 2007 seien auch 19 Personen in einem Alter über 40 Jahre eingestellt worden. Deswegen liege ihrer Ansicht nach keinerlei Altersdiskriminierung vor. Im Übrigen sei ein immaterieller Schaden nicht entstanden bzw. schon durch Naturalrestitutionen beseitigt worden. Ein etwaig verbleibender Schaden übersteige die Geringfügigkeitsgrenze nicht. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Verhältnis zu ihrem Hauptarbeitgeber u.U. nicht zur Arbeit bei der Beklagten zu 1) berechtigt gewesen sei.

18

Die Beklagte zu 2) hat behauptet, es habe nie eine Vorgabe ihrerseits an die Beklagte zu 1) gegeben, für die A-Stadt Messe 2007 in der Vollregistrierung nur Mitarbeiter bis zu einem bestimmten Lebensalter einzustellen. Anlässlich einer Sonderveranstaltung auf der C. 2006 habe es nur einmal den Wunsch gegeben, dass eingesetzte Kontroll- und Registrierungspersonal möglichst aus der Zielgruppe der Veranstaltung, junge Erwachsene und Jugendliche, auszuwählen. Im übrigen liege keine Arbeitnehmerüberlassung vor; sie habe die Beklagte zu 1) mit der Durchführung der Besucherregistrierung beauftragt. Ihre Ansprechpartnerin sei jeweils ausschließlich die für den jeweiligen Auftrag benannte projektleitende Kontaktperson der Beklagten zu 1) gewesen. Die Beklagte zu 2) hat auch die Auffassung vertreten, die Klägerin habe die Frist des § 15 Abs. 4 AGG nicht eingehalten, da sie in ihrem Anspruchsschreiben die Entschädigung lediglich auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 AGG gestützt habe.

19

Durch Urteil vom 05.10.2007 hat das Arbeitsgericht Hannover die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, durch die zunächst verweigerte Einstellung liege zwar eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Alters durch die Beklagte zu 1) vor. Ein Anspruch auf Entschädigung stehe der Klägerin jedoch nicht zu, da die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG nicht erfüllt seien. Diese Vorschrift stelle einen Spezialfall der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes dar. Dies bedeute, dass eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechtes vorliegen müsse, damit ein immaterieller Schaden zu ersetzen sei. Eine schwerwiegende Verletzung der Persönlichkeit der Klägerin sei jedoch nicht gegeben. Durch die später erfolgte Einstellung sei die Klägerin so gestellt worden, als hätte es die Diskriminierung nicht gegeben. Zudem sei die Benachteiligung vor dem Hintergrund des Zweiergesprächs innerhalb einer sehr kleinen Gruppe geschehen. Auch ergebe sich aus der Systematik des AGG, dass der Gesetzgeber davon ausgehe, eine Benachteiligung wegen des Alters greife nur sehr leicht in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein. Im übrigen habe es sich lediglich um ein Arbeitsverhältnis für wenige Tage gehandelt, so dass die Verweigerung dieses Arbeitsverhältnisses nur geringe Bedeutung haben könne, zumal der Klägerin eine andere, schlechter bezahlte Tätigkeit angeboten worden sei. Schließlich sei durch die später erfolgte Einstellung und Bezahlung sowie die Entschuldigung die ursprüngliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts in vollem Umfang beseitigt worden. Da keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin vorliege, scheide auch ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2) aus.

20

Gegen dieses Urteil, das der Klägerin am 13.11.2007 zugestellt worden ist, hat sie mit einem am 04.12.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 13.02.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist am 08.01.2008 bis zum 13.02.2008 verlängert worden war.

21

Die Klägerin nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Sie vertritt die Auffassung, § 15 Abs. 2 AGG setze keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung müsse der Präventionsgedanke berücksichtigt werden. Im Hinblick auf ihr Arbeitsverhältnis zum Hauptarbeitgeber meint sie, es sei nicht erheblich, ob sie insoweit berechtigt gewesen sei, die Arbeit bei der Beklagten zu 1) aufzunehmen. Außerdem sei gemäß § 3 Abs. 3 TVöD lediglich noch eine Anzeige erforderlich, eine Genehmigungsbedürftigkeit bestehe nicht mehr. Sie habe auch die Fristen für die Geltendmachung der Entschädigung gegenüber der Beklagten zu 2) eingehalten. Es sei nämlich unerheblich, ob und wenn ja welche Anspruchsgrundlagen rechtlicher Art bei der Geltendmachung genannt würden.

22

Die Klägerin beantragt,

  1. in Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.10.2007, 7 Ca 350/07, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, jedoch nicht unter 11 294,35 € liegen sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2007 zu zahlen.

23

Beide Beklagten beantragen,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Beklagte zu 1) vertritt die Auffassung, § 15 Abs. 2 AGG setzte eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus, die hier nicht vorliege. Anderenfalls müsse sich die Höhe der Entschädigung aufgrund der Unerheblichkeit der Persönlichkeitsrechtsverletzung auf "null" reduzieren. Hierbei sei das eigene Verhalten der Klägerin zu berücksichtigen, die das andere Arbeitsplatzangebot mit geringerer Vergütung nicht angenommen habe und die Entschädigung nicht unmittelbar nach dem Vorfall selbst, sondern erst am ersten Tag der Messe geltend gemacht habe. Letztlich scheitere der Anspruch der Klägerin an der fehlenden erforderlichen Zustimmung des Hauptarbeitgebers, da die Klägerin objektiv für die Tätigkeit gar nicht in Betracht gekommen sei.

25

Die Beklagte zu 2) nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie vertritt auch die Auffassung, dass ein etwaiger Anspruch der Klägerin durch die spätere Einstellung und aufgrund der Entschuldigung der Beklagten zu 1) nebst Zahlung der Vergütung erfüllt worden sei.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2008 Bezug genommen.

27

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß der Beschlüsse vom 11.09. und 15.09.2008. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.09.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und gegenüber der Beklagten zu 1) zum Teil begründet. Im Übrigen hat sie keinen Erfolg.

29

I.

Die gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 2 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

30

II.

Die Berufung ist gegenüber der Beklagten zu 1) zum Teil begründet, gegenüber der Beklagten zu 2) unbegründet.

31

1.

Die Berufung gegen die Beklagte zu 1) ist zum Teil begründet, denn der Klägerin steht ein Anspruch auf Entschädigung gegen diese Beklagte in Höhe von 1 000,- € zu.

32

Dieser Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 15 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 AGG.

33

1.1.

§ 15 AGG regelt die Ansprüche der Beschäftigten auf Entschädigung und Schadensersatz bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, den durch den Verstoß entstandenen Schaden zu ersetzen. Absatz 2 dieser Vorschrift regelt, dass der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, verlangen kann.

34

Einzige Voraussetzung für den Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG ist ein dem Arbeitgeber zurechenbarer Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. Es kommt daher weder auf ein Verschulden des Arbeitgebers an, noch darauf, ob eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung des betroffenen Arbeitnehmers vorliegt. Dies folgt aus der Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte sowie insbesondere unter der gebotenen Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.

35

Dem Wortlaut nach handelt es sich bei § 15 Abs. 2 S. 1 AGG um eine Rechtsfolgenregelung. Die Voraussetzungen, unter denen eine Entschädigung zu zahlen ist, werden durch § 15 Abs. 2 S. 1 AGG nicht festgelegt (vgl. Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 896).

36

Aus der Gesetzessystematik folgt, dass der Entschädigungsanspruch den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot voraussetzt (allgemeine Meinung, vgl. Schleusener/Suckow/Voigt-Voigt, 2. Auflage 2008, § 15 AGG Rz. 29; Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 896; Erfurter Kommentar-Schlachter, 8. Auflage 2008, § 15 AGG Rz. 5; LAG Berlin-Brandenburg 05.12.2007 - 24 Sa 1684/07 - zitiert nach Juris). § 15 Abs. 2 AGG regelt eine Rechtsfolge, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 S. 1 AGG erfüllt sind.

37

Aus Sinn und Zweck der Norm sowie ihrer Entstehungsgeschichte und unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben folgt, dass weder ein Verschulden des Arbeitgebers noch eine schwerwiegende Verletzung der Persönlichkeit des Betroffenen vorliegen muss, damit ein Entschädigungsanspruch entsteht.

38

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vom 14.08.2006 wurde als Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung verkündet. Es handelt sich dabei um vier EU-Richtlinien, nämlich die vom 29.06.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (2000/43/EG), der vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2000/78/EG), derjenigen vom 23.09.2002 zur Änderung einer Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (2002/73/EG) und der vom 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (2004/113/EG).

39

Vorgängernormen im deutschen Recht waren § 611a BGB aF und § 81 Abs. 2 SGB IX aF. Diese Vorschriften regelten Entschädigungsansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung bzw. Diskriminierung wegen einer Behinderung. Auch diese Normen dienten der Umsetzung von EU-Richtlinien und sind mit Inkrafttreten des AGG durch dessen Regelungen ersetzt worden. Schon § 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB IX aF stellte keine weiteren Anforderungen an einen Entschädigungsanspruch als die Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers (vgl. BAG vom 12.09.2006 - 9 AZR 807/05 - AP § 81 SGB IX Nr. 13 = EzA § 81 SGB IX Nr. 14). Gleiches galt für den Entschädigungsanspruch nach § 611a Abs. 2 BGB aF (vgl. BAG vom 05.02.2004 - 8 AZR 112/03 - AP § 611a BGB Nr. 23 = EzA § 611a BGB 2002 Nr. 3).

40

§ 15 Abs. 1 S. 2 AGG sieht nunmehr das Verschulden des Arbeitgebers als Voraussetzung für einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens vor. Trotz der systematischen Stellung vor der Rechtsfolgenregelung in § 15 Abs. 2 AGG kann dies nicht auf den Entschädigungsanspruch wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, übertragen werden. Dies folgt aus der europarechtskonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 S. 1 AGG. Diese Auslegung ist schon deswegen geboten, weil das AGG gerade der Umsetzung der EU-Richtlinien dient. Außerdem entspricht es auch und gerade dem Willen des Gesetzgebers. In der Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 2 ist ausdrücklich aufgeführt, dass der Anspruch auf Entschädigung die Forderungen der Richtlinien sowie der Rechtssprechung des europäischen Gerichtshofes nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber erfülle. Der aus § 611a BGB bekannte Grundgedanke werde hier auf alle Tatbestände einer Benachteiligung übertragen (Bundestags-Drucksache 16/1780 S. 38). Zu § 15 Abs. 1 enthält die Gesetzesbegründung den ausdrücklichen Hinweis, dass durch Satz 2 dieser Vorschrift klargestellt werde, dass der materielle Schadensersatzanspruch - anders als bei der Entschädigung - nur entstehe, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung zu vertreten habe (a.a.O., so auch die allgemeine Meinung vgl. Erfurter Kommentar-Schlachter, 8. Auflage 2008, § 15 Rz. 5; Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 896; Schleusener/Suckow/Voigt-Voigt, § 15 AGG Rz. 39; Bauer/Göpfert/Krieger, § 15 AGG Rz. 32; anderer Ansicht unter Hinweis auf die Europarechtswidrigkeit seiner Auslegung Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rz. 516).

41

Aus der Entstehungsgeschichte und unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Auslegung folgt auch, dass eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG ist.

42

Ein Entschädigungsanspruch wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung besteht nach der gefestigten Rechtssprechung des BGH nur dann, wenn eine schwerwiegende Verletzung vorliegt (vgl. BGH vom 06.12.2005 - VI ZR 265/04 - NJW 2006, 605 = MDR 2006, 930 [BGH 06.12.2005 - VI ZR 265/04] m.w.N.; Müller VersR 2008, 1141, 1150). Der Anspruch auf Geldentschädigung ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG (BGH a.a.O.) Diese Herleitung des Entschädigungsanspruchs aus einer deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlage und dem Verfassungsrecht entspricht auch der Rechtssprechung des BAG (vgl. nur Urteil vom 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 - AP § 611 BGB Mobbing Nr. 5 = EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 6).

43

Aus der Entstehungsgeschichte folgt, dass die Entschädigungsregelung in § 15 Abs. 2 AGG keine reine Ausprägung des deliktischen Entschädigungsanspruchs ist. Der Entstehungsgrund ist nämlich die Umsetzung der EU-Richtlinien. Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass der aus § 611a BGB bekannte Grundgedanke auf alle Tatbestände einer Benachteiligung übertragen werde und dass die Entschädigung ausschließlich für immaterielle Schäden gewährt werde, die regelmäßig bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung vorlägen (Bundestags-Drucksache 16/1780 S. 38).

44

Dass die Gesetzesbegründung den fast identischen Entschädigungsanspruch zum Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr in § 21 Abs. 2 S. 3 AGG als spezialgesetzlichen Geldentschädigungsanspruch wegen der in der Benachteiligung liegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung bezeichnet (Bundestags-Drucksache 16/1780 S. 46), führt nicht dazu, dass alle Voraussetzungen des deliktsrechtlichen Anspruchs eingehalten werden müssen. Die Gesetzesbegründung stellt lediglich im Hinblick auf die Angemessenheit, also die Höhe der Entschädigung darauf ab, dass bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur schwerwiegende und anderweitig nicht auszugleichende Persönlichkeitsrechtsverletzungen kompensiert und für die Bemessung der Entschädigungshöhe die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung erheblich sei. Außerdem führt die Gesetzesbegründung auch an, dass ein rein symbolischer Schadensersatz unzulässig wäre und nicht den Anforderungen der Richtlinien entspräche.

45

Damit folgt die Beschränkung des Entschädigungsanspruchs auf schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzungen weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte. Sie steht auch nicht mit dem Sinn und Zweck, die EU-Richtlinien umzusetzen und bei der Verletzung des Diskriminierungsverbots wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu gewähren, in Übereinstimmung. Die EU-Richtlinien überlassen es den Mitgliedsstaaten, die Sanktionen festzulegen, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung der Richtlinien zu verhängen sind. Allerdings müssen die Sanktionen - die auch Schadensersatzleistungen an die Opfer umfassen können - wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (vgl. Art. 15 RL 2000/43/EG, Art. 17 RL 2000/78/EG). Dies entspricht auch der Rechtssprechung des EuGH, der zu einer damals geltenden EWG-Richtlinie Nr. 76/207 vom 09.02.1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen einen verschuldensabhängigen Anspruch auf Schadensersatz wegen Diskriminierung für gemeinschaftswidrig hielt. Entscheide sich ein Mitgliedsstaat für eine Sanktion, die sich in dem Rahmen über eine Regelung über die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers einfüge, so müsse der Verstoß gegen des Diskriminierungsverbot für sich genommen ausreichen, um die volle Haftung seines Urhebers auszulösen ( EuGH vom 22.04.1997 - Rechtssache C 180/95 - Draehmpael - AP § 611a BGB Nr. 13 = EzA § 611a BGB Nr. 12). Auch die ganz überwiegende Meinung in der Literatur sieht eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht als Anspruchsvoraussetzung für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG an (Bauer/Evers NZA 2006, 893, 896; Erfurter Kommentar-Schlachter § 15 AGG Rz. 36; Schleusener/Suckow/Voigt-Voigt, § 15 AGG Rz. 29; Diller NZA 2007, 649, 650; anderer Ansicht Thüsing, arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz 2007 Rz. 519, derselbe NZA 2004 Sonderbeilage zu Heft 22, 3, 15, der eine "erhebliche" Persönlichkeitsverletzung verlangt).

46

1.2.

Die Beklagte zu 1) hat auch gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen.

47

Es liegt eine unmittelbare Diskriminierung der Klägerin wegen ihres Alters vor, die nicht gerechtfertigt ist und die der Beklagten zu 1) zuzurechnen ist.

48

Die unmittelbare Benachteiligung wegen ihres Alters besteht darin, dass die Beklagte zu 1) der Klägerin - zunächst - die Einstellung in der Vollregistrierung verweigerte wegen ihres Alters. Das ist eine weniger günstige Behandlung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG, als sie eine jüngere Person mit der Qualifikation der Klägerin erfahren hätte.

49

Diese unterschiedliche Behandlung ist auch nicht zulässig gewesen. Eine Rechtfertigung nach § 8 ff. AGG ist weder ersichtlich, noch von den Beklagten behauptet worden.

50

Dass die Klägerin später - nach schriftlicher Geltendmachung ihres Entschädigungsanspruches - tatsächlich eingestellt wurde, ändert nichts an der am 04.04.2007 erfolgten Altersdiskriminierung.

51

Der Beklagten zu 1) als gemäß § 15 AGG verpflichtetem Arbeitgeber ist das Verhalten von Herrn L. am 04.04.2007 zuzurechnen.

52

Es kann insoweit offen bleiben, ob diese Zurechnung in entsprechender Anwendung von § 278 BGB erfolgt (so Bauer/Göpfert/Krieger § 15 AGG Rz. 33; Erfurter Kommentar-Schlachter § 15 AGG Rz. 7; Bauer/Evers NZA 2006, 893, 896) oder über gesonderte aus dem AGG zu entnehmenden Zurechnungsstrukturen (Schleusener/Suckow/Voigt-Voigt § 15 AGG Rz. 43; Adomeit/Mohr NZA 2007, 179, 182; so wohl auch BAG vom 05.02.2004 - 8 AZR 112/03 - AP § 611a BGB Nr. 23 = EzA § 611a BGB 2002 Nr. 3 zu § 611a BGB aF). Denn in jedem Fall wird dem Arbeitgeber das Verhalten von Vorgesetzten in seinem Betrieb gegenüber Arbeitnehmern bzw. potentiellen Arbeitnehmern zugerechnet. Dies folgt einerseits aus § 278 BGB, der die Zurechnung von Verhalten derjenigen Personen zum Arbeitgeber regelt, die dieser zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten einsetzt. Es folgt aber andererseits auch aus Sinn und Zweck von § 15 Abs. 2 AGG, eine wirksame Sanktion bereit zu stellen bei der Verletzung des Benachteiligungsverbots. Könnte sich ein Arbeitgeber durch arbeitsteilige Aufspaltung seiner Arbeitgeberfunktion seiner Haftung entledigen, griffe der Entschädigungsanspruch zu kurz. Deutlich wird dies auch an § 12 AGG. Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber verpflichtet, präventiv tätig zu werden (Abs. 1). Nach Abs. 3 hat der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot durch Beschäftigte die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung zu ergreifen.

53

Eine dem AGG möglicherweise immanente Entlastungsmöglichkeit des Arbeitgebers durch ausreichende Schulung seiner Vorgesetzten (§ 12 Abs. 2 S. 2 AGG, siehe hierzu Adomeit/Mohr NZA 2007, 179, 182.; ablehnend Schleusener/Suckow/Voigt-Voigt § 15 AGG Rz. 44) kommt hier der Beklagten zu 1) in keinem Fall zu gute. Eine derartige Entlastung ist ihr nämlich nicht gelungen. Ihr Vortrag ist insoweit unsubstantiiert und gemäß § 138 ZPO nicht zu berücksichtigen. Sie hat lediglich vorgetragen, Herr L. sei nach dem AGG geschult worden; er habe in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied Schulungen erhalten. Nachdem die Klägerin diesen Vortrag bestritten bzw. als nicht ausreichend konkret bezeichnet hat, hat die Beklagte nicht näher dargelegt, wann genau Herr L. welche Schulung zu seinen Pflichten im Hinblick auf das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erhalten habe.

54

1.3.

Wegen des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot kann die Klägerin von der Beklagten zu 1) eine Entschädigung in Höhe von 1 000,- € verlangen.

55

Zur Höhe der Entschädigung legt § 15 Abs. 2 AGG lediglich fest, dass diese "angemessen" zu sein habe. Dies entspricht der Regelung in § 611a Abs. 2 BGB aF Eine Begrenzung auf 3 Monatsgehälter gemäß § 15 Abs. 2 S. 2 AGG ist nicht erforderlich, denn die Klägerin wäre bei benachteiligungsfreier Auswahl tatsächlich eingestellt worden, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass die Beklagte zu 1) sie später tatsächlich beschäftigt hat.

56

Bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wie die Art und Schwere der Benachteiligung, der Anlass und der Beweggrund des Handelns sowie das gemeinschaftsrechtliche Erfordernis einer abschreckenden Wirkung der Sanktion (vgl. BAG vom 05.02.2008 - 8 AZR 112/03 - AP § 611a BGB Nr. 23 = EzA § 611a BGB 2002 Nr. 3 zu § 611a BGB; Schleusener/Suckow/Voigt-Voigt § 15 AGG Rz. 48 ff.; Bauer/Göpfert/Krüger AGG § 15 Rz. 34 ff).

57

Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles hielt die erkennende Kammer eine Entschädigung in Höhe von 1 000,- € für angemessen.

58

Zu Gunsten der Beklagten hat sie berücksichtigt, dass die Diskriminierung nicht lange andauerte, sondern die Beklagte sofort nach Geltendmachung durch die Klägerin versuchte, soweit wie möglich Wiedergutmachung zu leisten. Dies geschah, indem sie der Klägerin, ohne hierzu verpflichtet zu sein (§ 15 Abs. 6 AGG), die Begründung eines entsprechenden Beschäftigungsverhältnisses anbot. Darüber hinaus ersetzte sie der Klägerin deren materiellen Schaden im Sinne von § 15 Abs. 1 AGG ohne jedwedes Zögern.

59

Zu Gunsten der Beklagten zu 1) wurde auch berücksichtigt, dass die Klägerin durch die ausgesprochene Entschuldigung Genugtuung erhalten hat und kein messbarer immaterieller Schaden eingetreten ist.

60

Zu Lasten der Beklagten zu 1) wertete das Gericht, dass die Klägerin unmittelbar benachteiligt wurde und nicht nur mittelbar im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung stellt regelmäßig einen schwereren Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot dar, als eine mittelbare Benachteiligung.

61

Zu Lasten der Beklagten wurde ebenfalls gewertet, dass hier ein offensichtlicher Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung vorliegt. Denn ersichtlich gibt es keinerlei Rechtfertigung für die Nichtberücksichtigung von Registrierungshilfen für die Vollregistrierung aufgrund ihres Alters.

62

Die Benachteiligung erfolgte auch vorsätzlich. Vorsatz liegt dann vor, wenn wissentlich und willentlich sowie im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehandelt wird (vgl. BAG vom 18.01.2007 - 8 AZR 250/06 - AP § 254 BGB Nr. 15 = EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2). Trotz Hinweises der Klägerin darauf, dass Altersdiskriminierung vorliege, wenn sie für den Arbeitsplatz in der Vollregistrierung nicht berücksichtigt werde, wurde ihr die Einstellung auf diesem Arbeitsplatz verweigert. Ein etwaiger Irrtum des Herrn L. über eine Vorgabe der Beklagten zu 2) führt nicht zu einer anderen Bewertung. Eine Vorgabe der Beklagten zu 2) bzgl. des Alters der Registrierungshilfen mag subjektiv zu einer Interessenkollision führen. Sie kann aber am Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einer solchen Vorgabe nichts ändern.

63

Neutral bewertete die Kammer im vorliegenden Fall, dass die Klägerin die Beschäftigung auf den niedriger vergüteten Arbeitsplätzen nicht in Betracht gezogen hat. Dieser Umstand ändert nämlich weder an der Schwere des Verstoßes noch an der erlittenen Diskriminierung etwas. Die Benachteiligung liegt nämlich im vorliegenden Fall in der Zurücksetzung der Klägerin allein wegen ihres Alters. Ein Verstoss gegen eine Schadensminderungspflicht kann dagegen bei der Bemessung des materiellen Schadensersatzes nach § 15 Abs. 1 AGG Berücksichtigung finden (vgl. Bauer/Göpfert/Krieger § 15 AGG Rz. 30).

64

Auch die kurze Dauer des vorgesehenen Beschäftigungsverhältnisses wurde weder benoch entlastend berücksichtigt. An der Bewertung des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, ändert sich nämlich dadurch nichts. Berücksichtigung findet die Dauer des beabsichtigten Arbeitsverhältnisses dagegen bei § 15 Abs. 1 AGG. Sie beeinflusst den materiellen Schaden. Der Verlust eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit seiner Aussicht auf länger andauernde Gehaltszahlungen kann einen höheren materiellen Schaden nach sich ziehen als die Nichtdurchführung eines befristeten Arbeitsverhältnisses von einer Woche. Auch aufgrund dieses Umstandes hielt die Kammer § 10 KSchG, der eine Regelung über die Höhe einer Abfindung bei Verlust eines Arbeitsplatzes enthält, bei der Bemessung der Entschädigung i.S.v. § 15 Abs. 2 AGG nicht für - entsprechend - anwendbar.

65

Weder entschädigungserhöhend noch entschädigungsverringernd hat die Kammer den Umstand gewertet, dass die Beklagte von 75 Beschäftigten Registrierungshilfen 5 in einem Alter über 40 Jahre eingestellt hat. Daraus ergibt sich nämlich, dass zwar die Beklagte ältere Arbeitnehmer für die Arbeitsplätze in der Vollregistrierung nicht systematisch ausgegrenzt hat. Die Beklagte hat jedoch auch nicht bewiesen, dass es sich bei der Verweigerung der Einstellung der Klägerin lediglich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe. Dies steht zur Überzeugung der Kammer nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest.

66

Bei der Würdigung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme insbesondere auch in Bezug auf die Aussage von Zeugen ist von der sog. Nullhypothese auszugehen. Zunächst hat das Gericht zu unterstellen, dass eine Zeugenaussage unwahr sei. Sodann ist unter Verwendung von Elementen der Aussageanalyse (Qualität, Konstanz, Aussageverhalten) und der Fehlerquellen- bzw. der Motivationsanalyse die Zuverlässigkeit der Aussage zu beurteilen. Erst wenn diese Prüfstrategie ergibt, dass die Unwahrhypothese mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, gilt die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage handelt (vgl. BGH vom 30.07.1999 - 1 StR 618/98 - NJW 1999, 2746 = JZ 2000, 262 [BGH 30.07.1999 - 1 StR 618/98]).

67

Im vorliegenden Fall gibt es genügend Realitätskennzeichen, die dafür sprechen, dass die Aussage des Zeugen N. zu der Auswahl und dem Alter der Registrierungshilfen für die A-Stadt Messe 2007 wahr ist. Obwohl dem Zeugen das sehr enge Beweisthema im Hinblick auf das Alter der Arbeitnehmer in der Besucherregistrierung bekannt war, hat er zunächst von sich aus Abläufe und Hintergründe der Personalrekrutierung dargestellt. Er hat Kenntnislücken frei mitgeteilt, wie zum Beispiel, dass er nicht aus dem Kopf erinnere, wie die Altersstruktur bei den verschiedenen Arbeitsplätzen in der Besucherregistrierung gewesen sei. Außerdem hat er auch ihn bzw. seinen Arbeitgeber belastende Umstände offen bekundet. Hierzu zählt beispielsweise der Umstand, dass es einen Mitarbeiter der Beklagten zu 2) gegeben habe, der den Arbeitnehmern im Messebüro der Beklagten zu 1) zu verstehen gegeben habe, er möchte vor allem junge dynamische Leute haben. Außerdem hat er den Vortrag der Beklagten zu 1) im Prozess korrigiert. Dies gilt beispielsweise für den bis dahin unstreitigen Umstand, dass Frau M. die Vorgesetzte des Herrn L. gewesen sei. Diese Anhäufung von Realitätskennzeichen im Sinne der Rechtssprechung des BGH hat bei der erkennenden Kammer zu der Gewissheit geführt, dass der Zeuge im Bezug auf die Altersverteilung die Wahrheit gesagt hat.

68

Aus dem somit bewiesenen Umstand, dass 5 von 75 Registrierungshilfen für die A-Stadt Messe 2007 älter als 40 Jahre waren, kann nicht auf eine systematische Diskriminierung wegen des Alters geschlossen werden.

69

Die Aussage des Zeugen war allerdings unergiebig im Hinblick auf den möglicherweise die Beklagte zu 1) entlastenden Umstand, dass es sich um einen einmaligen "Ausrutscher" gehandelt habe. Der Zeuge konnte nämlich nicht angeben, ob die Beklagte zu 1) wegen der vermeintlichen Vorgabe der Beklagten zu 2) weitere Bewerber abgelehnt hatte. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass er nicht mitteilen konnte, wann die Arbeitnehmer jeweils eingestellt wurden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beklagte zu 1) keine weitere Altersdiskriminierung durchgeführt hat, ergibt sich aus dem Zahlenwerk nicht. Nur 7 % der Registrierungshilfen waren älter als 40 Jahre. Das ist ein relativ niedriger Prozentsatz insbesondere auch im Hinblick auf das allseits bekannte Verhältnis älterer Arbeitsloser zu jüngeren Arbeitslosen.

70

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände hielt die Kammer eine Entschädigung in Höhe von 1 000,- € für angemessen. Für die Höhe spielte in Anlehnung an § 15 Abs. 2 S. 2 AGG die zu erwartende Bruttomonatsvergütung der Klägerin eine Rolle. Darüber hinaus wurde durch die Kammer für erheblich erachtet, dass die Bemessung von Entschädigungen nach § 253 Abs. 2 BGB herangezogen werden kann allerdings unter Berücksichtigung des besonderen Umstandes, dass nach § 15 Abs. 2 AGG in jedem Fall der Entschädigung auch abschreckende Wirkung zukommen muss.

71

1.4.

Der Umstand, dass der Arbeitgeber der Klägerin, zu dem sie in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stand, von der Nebentätigkeit der Klägerin bei der Beklagten zu 1) weder Kenntnis hatte, noch diese genehmigt hatte, steht dem Anspruch der Klägerin auf Entschädigung nicht entgegen.

72

Die Auffassung der Beklagten, die Klägerin sei deswegen für eine Stelle in der Besucherregistrierung objektiv gar nicht in Betracht gekommen, geht fehl.

73

Zu § 611a BGB war anerkannt, dass ein Entschädigungsanspruch nur dann bestand, wenn "der Bewerber" objektiv überhaupt für die in Aussicht genommene Stelle in Betracht kam und sich auch subjektiv ernsthaft beworben hatte (vgl. BAG vom 12.11.1998 - 8 AZR 365/97 - AP § 611a BGB Nr. 16 = EzA § 611a BGB Nr. 14). Dies ergab eine Auslegung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm. Ob diese Voraussetzungen auch weiterhin bei § 15 AGG zu prüfen sind (dafür Thüsing, arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz 2007, Randziffer 529; Ermann-Belling BGB, 12. Auflage 2008, § 15 AGG Randziffer 8), kann vorliegend offen bleiben. Selbst unterstellt diese Voraussetzungen wären bei § 15 AGG anzulegen, bestünde ein Anspruch der Klägerin.

74

Die Klägerin kam nämlich für die in Aussicht genommene Stelle objektiv in Betracht. Die einschränkende Auslegung von § 611a BGB diente dazu, rechtmißbräuchliche Bewerbungen aus dem Anwendungsbereich auszunehmen. Dem Schutzzweck des § 15 AGG widerspricht es aber nicht, wenn ein Bewerber um ein befristetes Arbeitsverhältnis durch das Eingehen eines solchen Arbeitsvertrages möglicherweise eine vertragliche Pflichtverletzung gegenüber einem anderen Arbeitgeber begeht. Es handelt sich dann auch nicht zwangsläufig um eine rechtsmißbräuchliche Bewerbung mit dem einzigen Ziel, eine Entschädigung zu erlangen. Vorliegend war die Klägerin objektiv in der Lage und subjektiv bereit, die Arbeit als Registrierungshilfe durchzuführen. Gleichzeitig verfügte sie über die erforderlichen Fähigkeiten und Qualifikationen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Neuregelung im § 3 Abs. 3 TVöD bzw. § 3 Abs. 4 TV-L Nebentätigkeiten keinem Erlaubnisvorbehalt des öffentlichen Arbeitgebers mehr unterliegen, sondern lediglich rechtzeitig vorher schriftlich anzuzeigen sind. Sogar im Verhältnis zu dem Hauptarbeitgeber bestand somit kein Verbot für die Klägerin, der Nebentätigkeit nachzugehen.

75

1.5.

Die Klägerin hat auch die Fristen zur außergerichtlichen und zur gerichtlichen Geltendmachung ihres Anspruchs gegenüber der Beklagten zu 1) eingehalten. Das Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 14.04.2007 wahrt die zweimonatige Frist des § 15 Abs. 4 AGG ab dem Zugang der Ablehnung der Bewerbung. Mit der Einreichung ihrer Klage am 12.07.2007 hat die Klägerin auch die Dreimonatsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG nach schriftlicher Geltendmachung eingehalten.

76

Nach alledem besteht ein Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) in Höhe von 1 000,- €; der Berufung der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) war daher nur zum Teil stattzugeben.

77

2.

Die Berufung der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2) ist unbegründet, denn diese schuldet der Klägerin keine Entschädigung.

78

Das Handeln der Beklagten zu 2) hat weder die Tatbestandsvoraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach dem AGG erfüllt noch nach deliktsrechtlichen Vorschriften.

79

2.1.

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) scheitert allerdings nicht an den einzuhaltenden Ausschlussfristen. Auch gegenüber der Beklagten zu 2) hat sie nämlich die Frist zur außergerichtlichen sowie zur gerichtlichen Geltendmachung eingehalten. Durch ihr Schreiben vom 16.05.2007 hat sie die Frist des § 15 Abs. 4 AGG gewahrt. Ihre Rechtsanwälte haben in diesem Schreiben den Sachverhalt detailliert geschildert, mitgeteilt, die Klägerin mache einen Anspruch auf angemessene Entschädigung geltend und diesen Anspruch der Höhe nach beziffert. Damit sind die Anforderungen nach § 15 Abs. 4 AGG erfüllt. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift.

80

Grundsätzlich dienen Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen dazu, dem Anspruchsgegner zu ermöglichen, die Forderung zeitnah zu prüfen (vgl. BAG vom 17.04.2002 - 4 AZR 644/00 - AP § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung Nr. 40 = EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 148). Dem Arbeitgeber soll es beispielsweise ermöglicht werden, Beweise zu sichern. Das ist auch insbesondere Sinn und Zweck der Vorschrift des § 15 Abs. 4 AGG. Bei Bewerbungsverfahren ist häufig nicht sichergestellt, dass nach Auswahl der Bewerber Unterlagen bzgl. der abgewiesenen Bewerber aufbewahrt werden. Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG soll dem Arbeitgeber diese Möglichkeit erhalten.

81

Um diesem Zweck genüge zu tun, kommt es nicht darauf an, ob und wenn ja welche Anspruchsgrundlage der benachteiligte Bewerber in seinem Geltendmachungsschreiben nennt. Selbst eine falsche Norm wäre unschädlich. Ausreichend ist es nämlich, dass der Arbeitgeber weiß, es handelt sich um einen Anspruch wegen Diskriminierung bei dem Bewerbungsverfahren (vgl. auch BAG vom 03.04.2007 9 AZR 823/06 - AP § 81 SGB IX Nr. 14 = EzA § 81 SGB IX Nr. 15 zu der Ausschlussfrist des § 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 SGB IX aF). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

82

2.2.

§§ 15 Abs. 2, 6 Abs. 2 S. 2 AGG gewähren der Klägerin keinen Entschädigungsanspruch. Die Beklagte zu 2) ist nämlich nicht Schuldnerin einer Entschädigung. Es kann daher offen bleiben, ob die Beklagte zu 2) der Beklagten zu 1) eine rechtsverbindliche Vorgabe bzgl. des Alters der Registrierungshilfen gemacht, lediglich einen dementsprechenden Wunsch geäußert oder keine solche Bedingung gesetzt hat.

83

2.2.1.

Nach § 15 Abs. 1 AGG haftet "der Arbeitgeber". Die Beklagte ist nicht Arbeitgeberin, denn zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) wurde der Arbeitsvertrag nicht geschlossen.

84

Die Beklagte zu 2) haftet auch nicht als "Dritte" nach § 15 Abs. 2 AGG, weil Dritte nach dieser Norm nicht in Anspruch genommen werden könne. Das folgt aus der Auslegung der Norm. Der Wortlaut ist zwar nicht ergiebig. Aber schon dem Umstand, dass es sich in § 15 Abs. 2 S. 1 AGG lediglich um eine Rechtsfolgenregelung handelt, ist zu entnehmen, dass Schuldner derjenige ist, der in Abs. 1 genannt wird. Das ist der Arbeitgeber. Auch die Vorgängernormen der §§ 611a BGB und 81 Abs. 2 SGB IX legen den Arbeitgeber als Anspruchsgegner fest. Weder aus dem Sinn und Zweck der Norm noch unter Berücksichtigung der EU-rechtlichen Vorgaben ergibt sich eine andere Auslegung. Diese Auffassung wird auch in der Literatur und bisher ergangenen Rechtssprechung geteilt (vgl. Oberwetter BB 2007, 1109, 1111 f.; LAG Düsseldorf 14.02.2008 - 11 Sa 1939/07 - zitiert nach Juris; Schleusener/Suckow/Voigt-Voigt § 15 AGG Randziffer 28). Lediglich Diller ( NZA 2007, 649, 651 f.) vertritt die Auffassung, dass selbstständig agierende Personalberater, die ein Arbeitgeber bei der Personalsuche eingeschaltet hat, unter Umständen direkt haften könnten. Allerdings ist vorliegend keine solche Fallkonstellation gegeben.

85

2.2.2.

Die Beklagte zu 2) ist auch nicht nach § 6 Abs. 2 S. 2 AGG als Arbeitgeberin der Klägerin anzusehen. Nach dieser Norm gilt auch ein Dritter als Arbeitgeber nach § 15 AGG, wenn ihm Beschäftigte zur Arbeitsleistung überlassen werden. Diese Vorschrift findet vorliegend keine Anwendung, da die Beklagte zu 1) die Klägerin nicht im Wege der Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG an die Beklagte zu 2) verliehen hat.

86

Nicht jeder drittbezogene Arbeitseinsatz ist eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG. Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags mit seinem Arbeitgeber. Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Dabei kann sich der Geschäftsinhalt sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben. Maßgeblich ist letztendlich die tatsächlichen Durchführung, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben (vgl. BAG vom 10.10.2007 - 7 AZR 448/06 - EzAÜG § 10 AÜG Verwirkung Nr. 4, zitiert nach Juris;  06.08.2003 - 7 AZR 180/03 - AP § 9 AÜG Nr. 6 = EzA § 1 AÜG Nr. 13). Von Arbeitnehmerüberlassung ist dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten eingegliedert ist und nicht nur dem Werk oder der Dienstleistung geschuldeten Weisungen unterliegt.

87

Unter Anwendung dieser Grundsätze wurde die Klägerin von der Beklagten zu 1) nicht an die Beklagte zu 2) im Wege der Arbeitnehmerüberlassung verliehen. Es ist der Klägerin zwar zuzugeben, dass die Vollregistrierung in den Räumen der Beklagten zu 2) mit Hilfe der von ihr zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel (Registerierungsterminals mit DV-System sowie Registrierungsformulare) durchgeführt wurde. Außerdem handelt es sich dabei um eine Aufgabe, zu deren Durchführung sich die Beklagte zu 2) als Messeveranstalterin verpflichtet hat. Die Klägerin war aber weder in ihren Betrieb eingegliedert, noch hat sie Weisungen in arbeitsrechtlicher Hinsicht von der Beklagten zu 2) erhalten. Das ergibt sich daraus, dass die Beklagte zu 1) die entscheidenden Anweisungen in Bezug auf das Arbeitsverhältnis mit den Registrierungskräften traf. Sie entschied, welche Bewerber eingestellt wurden. Sie legte fest, welche Registrierungshilfe an welchem Tag in welchem Zeitraum an welchem Eingang beschäftigt wurden. Sie organisierte auch die Schulung der Registrierungshilfen. Aufgrund der zu tragenden Dienstkleidung war die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin der Beklagten zu 2) anzusehen. Auf der Dienstkleidung war zwar das Logo der Beklagten zu 2) aufgebracht. Gleichzeitig trug die Klägerin jedoch einen Lichtbildausweis, der sie als Arbeitnehmerin der Beklagten zu 2) auswies. Andere Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in den Betrieb der Beklagten zu 2) eingegliedert war, liegen nicht vor. Es ist weder ersichtlich noch hat sie beispielsweise behauptet, dass die Klägerin gemeinsam mit Arbeitnehmern der Beklagten zu 2) Aufgaben erledigte. Da somit die Weisungen in arbeitsrechtlicher Hinsicht durch die Beklagte zu 1) erfolgten und lediglich die zur Erfüllung der Vollregistrierung erforderlichen Betriebsmittel der Beklagten zu 2) genutzt wurden, ist nicht von einer Arbeitnehmerüberlassung auszugehen.

88

Eine Feststellung der vertraglichen Grundlagen zwischen den Beklagten über die Durchführung der Vollregistrierung hatte nicht zu erfolgen. Es lag dafür kein hinreichender Tatsachenvortrag der Klägerin vor. Die reine Vermutung, die Beklagten hätten einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen, ersetzt den ordnungsgemäßen Vortrag im vorliegenden Fall nicht. Eine Partei kann zwar lediglich vermutete Tatsachen in den Prozess einführen. Dies gilt beispielsweise für Verabredungen zwischen anderen Personen. Damit nicht die Grenzen zur unzulässigen Ausforschung überschritten werden, müssen für die Richtigkeit der Vermutungen allerdings hinreichende tatsächliche bzw. greifbare Anhaltspunkte sprechen (vgl. BGH vom 05.04.2001 - IX ZR 276/98 - NJW 2001, 2327 = MDR 2001, 1002 [BGH 05.04.2001 - IX ZR 276/98]). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Wie gerade dargelegt, gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung.

89

2.3.

Die Beklagte zu 2) haftet auch nicht nach deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen. In Betracht kämen hier die Schutzgesetzverletzung im Sinne vom § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 AGG oder der verfassungsrechtlich ausgeprägte deliktsrechtliche Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung. Beide Anspruchsgrundlagen würden voraussetzen, dass die Beklagte zu 2) zum einen der Beklagten zu 1) bewusst eine Vorgabe in Bezug auf das Alter der Registrierungshilfen gemacht hätte und eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt. Diese letzte Voraussetzung ist auch bei einem Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 AGG zu prüfen, da es bei den deliktsrechtlichen Voraussetzungen bleibt und nur das Schutzgesetz dem § 7 AGG entnommen wird (vgl. nur Schleusener/Suckow/Voigt-Voigt § 15 AGG Randziffer 23 ff.).

90

Von einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Dabei ist hier auf das Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter zu 2) abzustellen. Zwar läge bei der hier unterstellten Vorgabe der Beklagten zu 2) bzgl. des Alters eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes bzw. Herabsetzung von potentiellen Bewerbern wegen ihres Alters vor. Allerdings konnte die Kammer aufgrund der übrigen Umstände keine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin feststellen. Hier ist zu berücksichtigen, dass es sich um einen einmaligen Vorfall handelt, bei dem ein messbarer immaterieller Schaden nicht ersichtlich ist. Bei einer unterstellten Vorgabe der Beklagten zu 2) bezieht sich die Herabwürdigung auch nicht auf die Klägerin persönlich, denn diese Vorgabe wäre in Unkenntnis der Bewerber erfolgt. Direkter Vorsatz in Bezug auf die Klägerin liegt somit nicht vor; ihre Herabsetzung ist durch die Beklagte zu 2) lediglich billigend in Kauf genommen worden.

91

Da somit selbst bei dem Vorliegen einer Vorgabe bzgl. des Alters ein Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) nicht besteht, war die Berufung der Klägerin insoweit zurückzuweisen.

92

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO. Da die Klägerin mit ihrer Forderung in Höhe von 11 294,35 € lediglich gegenüber der Beklagten zu 1) in Höhe von 1 000,- € obsiegte, war die Beklagte zu 2) an den Kosten nicht, die Klägerin im Hinblick auf ihr Unterliegen gegenüber beiden Beklagten mit 96 %, die Beklagte zu 1) mit 4 % zu beteiligen.

93

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für die Zulassung der Revision liegen vor, soweit die Beklagte zu 1) zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt wurde. Es handelt sich insoweit bei der Auslegung von § 15 Abs. 2 AGG um eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

94

Im Übrigen standen keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung an.

Lehmann
Herrn Schoenwald
Frau Jeremias