Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 29.09.2003, Az.: L 6 U 251/03 ER

Geltendmachung der Weiterführung einer Verletztenrente über den Tag der Befristung hinaus bei gleichzeitiger Beziehung einer Altersrente im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes; Prüfung eines Anordnungsanspruches hinsichtlich Vorliegen einer Notlage bei Beziehung einer Altersrente

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
29.09.2003
Aktenzeichen
L 6 U 251/03 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 20211
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0929.L6U251.03ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 15.07.2003 - AZ: S 2 U 79/03 ER

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 15. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihm auch über den 31. Januar 2001 hinaus Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen.

2

Der 1937 geborene Antragsteller bezieht Altersrente. Er war seit 1962 im Allgemeinen Krankenhaus B., beschäftigt und führte seit Mai 1968 im dortigen Hilfslabor mykologische Untersuchungen durch. Diese Beschäftigung gab er auf Grund einer Atemwegserkrankung im Juli 1998 auf und beantragte am 9. Juni 1998 die Anerkennung seiner Atemwegserkrankung als Berufskrankheit - BK -. Gestützt auf das lungenärztliche Gutachten des Dr. C. vom 21. September 1999 und das arbeitsmedizinisch/internistische Gutachten des Prof. Dr. D. vom 10. Oktober 2001 erkannte die Antragsgegnerin eine obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers als BK nach Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) an und bewilligte für die Zeit vom 1. August 1998 bis 31. Januar 2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - von 20 v.H. Zur Begründung führte sie aus: Durch die Untersuchungen bei Prof. Dr. D. am 11. und 29. Januar 2001 sei festgestellt worden, dass eine obstruktive Atemwegserkrankung durch die berufliche Tätigkeit des Antragstellers verursacht worden sei. Die Folgen dieser BK bedingten eine MdE in rentenberechtigendem Grad vom 1. Januar 1998 bis 31. Januar 2001. Vom Zeitpunkt der vorgenannten Untersuchung an habe anhand der Messergebnisse festgestellt werden können, dass eine MdE in rentenberechtigendem Grad nicht mehr vorliege, sodass eine Rentenzahlung nur bis zum 31. Januar 2001 erfolgen könne. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, den er ausführlich begründete (vgl. das Schreiben vom 28. Februar 2002). Am 18. Juni 2002 hat der Antragsteller beim Sozialgericht - SG - Lüneburg Klage erhoben und im Wesentlichen beantragt, die "Gesamt-Symptomatologie" einschließlich einer Verschlimmerung eines Emphysems als BK anzuerkennen und Verletztenrente in Höhe von 70 v.H. der Vollrente zu zahlen. Prof. Dr. D. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 10. Dezember 2002 an seiner Beurteilung festgehalten. Die Antragsgegnerin hat den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2003 zurückgewiesen.

3

Am 28. April 2003 hat der Antragsteller außerdem beim SG Lüneburg beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Verletztenrente über den 31. Januar 2001 hinaus zu zahlen. Er hat zur Begründung geltend gemacht, auch aktuell sei seine Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H. gemindert, sodass ihm die Antragsgegnerin eine fortlaufende Leistung von ca. 402,00 EUR schulde. Eine Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt würde eine unbillige Härte bedeuten, da er 30 Jahre lang einen Spezialberuf mit zum Teil wissenschaftlicher Aufgabenstellung ausgeübt habe.

4

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 15. Juli 2003 abgewiesen, weil der Antragsteller keinen Anordnungsgrund i.S.d. § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - glaubhaft gemacht habe. Eine besondere Notlage des Antragstellers sei nicht zu erkennen. Da dieser eine Altersrente erhalte, sei davon auszugehen, dass er damit die nötigen Ausgaben bestreiten könne. Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung müsse er sich notfalls sogar auf die vorläufige Inanspruchnahme von Sozialhilfe verweisen lassen. Ob ein Anordnungsanspruch bestehe, könne deshalb dahingestellt bleiben. Nach dem bisherigen Beweisergebnis sei die Frage völlig offen, wobei allerdings nach den bisherigen gutachtlichen Stellungnahmen ein Rentenanspruch mangels der medizinischen Voraussetzungen nicht gegeben sei.

5

Gegen diesen ihm am 18. Juli 2003 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 6. August 2003 Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, es bestünden gewichtige Anordnungsgründe. Mit der Rentenentziehung gingen ihm monatlich etwa 400,00 EUR verloren, die den durch den Körperschaden und die materiellen Nachteile bedingten Mehrbedarf ausgleichen sollten. Den Weg zum Sozialamt müsse er nicht gehen, weil er vom 15. bis zum 62. Lebensjahr ohne Unterbrechung einer versicherten Tätigkeit nachgegangen sei. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz des Antragstellers vom 5. August 2003 Bezug genommen.

6

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

7

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) und damit zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

8

Wie das SG indessen zutreffend ausgeführt hat, richtet sich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG, wenn - wie hier - um Sozialleistungen gestritten wird. Danach kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Eine solche Regelungsanordnung ist geboten, wenn der Anordnungsanspruch - d.h. die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren begehrt wird - und der Anordnungsgrund - d.h. die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung - mit Wahrscheinlichkeit vorliegen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

9

Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass die Frage, ob ein Anordnungsanspruch (hier: Anspruch auf Verletztenrente über den 31. Januar 2001 hinaus) besteht, nicht entscheidungserheblich ist, weil ein Anordnungsgrund fehlt. Denn es ist dem Kläger zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Das folgt daraus, dass sein Lebensunterhalt durch seine Altersrente wirtschaftlich gesichert ist. Da der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen vom 15. bis zum 62. Lebensjahr ohne Unterbrechung berufstätig war, ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Altersrente seinen Lebensstandard sichert, zumal sein für die Rentenberechnung maßgebendes Einkommen als Laborant (z.B. 1998/1999: 35.749,10 EUR) deutlich über dem Durchschnittsentgelt der Rentenversicherung (§ 18 Sozialgesetzbuch - SGB - IV) gelegen hat. Letzteres betrug z.B. für das Jahr 2002 = 23.520,00 EUR. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sich der Wegfall der Unfallrente von ca. 400,00 EUR monatlich auf die wirtschaftliche Situation des Klägers nicht entscheidend auswirkt, weil der Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Grund der Anrechnungsvorschrift des § 93 SGB VI die Altersrente mindert.

10

Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).