Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 11.09.2003, Az.: L 9/3 U 175/99
Bewilligung einer Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit; Verrichtung von Isolierarbeiten im Schiffbau; Erkrankung der Lendenwirbelsäule; Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV); Zulässigkeit der Feststellung der täglichen Belastungsdosis mit Hilfe des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD); Kausalität zwischen Erkrankung und beruflicher Belastung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 11.09.2003
- Aktenzeichen
- L 9/3 U 175/99
- Entscheidungsform
- Endurteil
- Referenz
- WKRS 2003, 21023
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0911.L9.3U175.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 14.04.1999 - AZ: S 7a U 41/98
Rechtsgrundlagen
- § 551 Abs. 1 RVO
- § 581 Abs. 1 RVO
Redaktioneller Leitsatz
Die Heranziehung des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) zur Klärung der Frage nach der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzung der Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Anlage zur BKV ist zulässig. Grenzwerte, bei deren Unterschreitung die Erfüllung dieser tatbestandlichen Voraussetzung der BK stets auszuschließen ist bzw. bei deren Erreichung sie u.U. erleichtert angenommen werden kann, können jedoch nur im Wege der Rechtssetzung durch den Verordnungsgeber in die BKVO eingeführt werden. Mithin muss die Verfehlung der Schwellenwerte des MDD nicht gleichsam automatisch zu einer Verneinung des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzung der BK Nr. 2108 führen.
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichtes Oldenburg vom 14. April 1999 sowie der Bescheid der Berufungsbeklagten vom 13. Januar 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1998 werden aufgehoben. Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, bei dem Berufungskläger das Vorliegen der BK 2108 der Anlage zur BKVO festzustellen sowie dem Berufungskläger ab dem 28. Juni 1995 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert zu bewilligen. Die Berufungsbeklagte hat dem Berufungskläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Bandscheibenleidens als Berufskrankheit sowie um die Bewilligung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1944 geborene Berufungskläger verrichtete in seinem Arbeitsleben im Wesentlichen Isolierarbeiten im Schiffbau bei den Firmen D. in der Zeit von 1969 bis April 1978 und der Firma E. in der Zeit von 1978 bis 1994. Zuvor war der Berufungskläger für ca. 1 Jahr im Hochbau und ein weiteres Jahr als Isolierer tätig.
Auch nach Durchführung zweier Heilverfahren in der F. in Bad Eilsen 1994 und 1995 konnte der Berufungskläger seine Tätigkeit wegen seiner anhaltenden Rückenbeschwerden nicht wieder aufnehmen. Seit 1994 bezieht der Berufungskläger Berufsunfähigkeitsrente. 1996 kam es zur Anzeige einer Berufskrankheit. Im Vordergrund stand zunächst der Verdacht des Vorliegens einer Asbestose. Gleichzeitig machte der Berufungskläger aber auch seine Rückenerkrankung als Berufskrankheit geltend.
Unter Berücksichtigung der Angaben insbesondere der Fa. G. vom 11. Juli 1997 gelangte der Technische Aufsichtsdienst der Berufungsbeklagten (TAD) in seiner Stellungnahme vom 20. Oktober 1997 zu dem Ergebnis, der Berufungskläger sei einer Schichtbelastungsdosis in einer Größenordnung von 1235 Nh ausgesetzt gewesen. Als kritisch für die Annahme einer wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit wurde ein Tagesdosiswert von 1700 Nh zu Grunde gelegt. In der Stellungnahme hieß es weiter, beim Berufungskläger könne nur zeitweise eine Überschreitung des Tagesdosiswertes von 1700 Nh angenommen werden. Daraufhin teilte der staatliche Gewerbearzt Dr. H. unter dem 11. Dezember 1997 mit, das Vorliegen einer Berufskrankheit im Sinne der Ziff. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) könne nicht angenommen werden, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen für diese Berufskrankheit beim Berufungskläger fehlten. Die Berufungsbeklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 13. Januar 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1998 die Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit und die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ab.
Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat die dagegen am 23. Februar 1998 erhobene Klage durch Urteil vom 14. April 1999 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die beim Berufungskläger vorliegende Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) entspreche nicht dem Bild einer bandscheibenbedingten Erkrankung, wie sie die BK 2108 voraussetze.
Gegen das - den Bevollmächtigten am 29. April 1999 zugestellte - Urteil ist am 4. Mai 1999 Berufung eingelegt worden. Der Berufungskläger macht im Wesentlichen geltend, seine Tätigkeit als Isolierer, die er überwiegend im Schiffsbau ausgeübt habe, sei zu einem relevanten Anteil auch in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeübt worden. Dies sei bei den Berechnungen der Berufungsbeklagten nicht ausreichend berücksichtigt worden. Weiter nimmt er Bezug auf die vom Berufungsgericht durchgeführten, medizinischen Ermittlungen.
Der Berufungskläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichtes Oldenburg vom 14. April 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1998 aufzuheben,
- 2.
festzustellen, dass bei dem Kläger eine Berufskrankheit im Sinne der Ziffer 2108 der Anlage zur BKVO vorliegt,
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.
Die Berufungsbeklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Zur Begründung legt sie ergänzende Stellungnahmen ihres TAD vom 31. August 1999, vom 1. Dezember 1999 und vom 4. Juni 2003 vor, wonach eine Auswertung des erhobenen Sachverhaltes nach dem so genannten Mainz-Dortmunder-Dosismodell nicht ergeben habe, dass der Berufungskläger die dort vorausgesetzten Mindestwerte erreicht habe.
Das Berufungsgericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes Befundberichte von dem Radiologen I. (vom 24. Februar 2000), von dem Chirurgen J. (vom 1. März 2000) und von dem Orthopäden Dr. K. (vom 1. März 2000) beigezogen. Sodann hat es den Berufungskläger durch den Arbeitsmediziner Dr. L. und den Orthopäden Dr. Seehausen begutachten lassen (Gutachten vom 28. Mai 2000 und vom 22. Februar 2003). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die genannten Unterlagen Bezug genommen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten - Az. M. - Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten in Anwendung von §§ 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Berufungsbeklagten vom 13. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1998 ist rechtswidrig und verletzt den Berufungskläger in seinen Rechten. Der Berufungskläger hat Anspruch auf Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit und Zuerkennung einer Verletztenrente.
Auf den Anspruch des Berufungsklägers finden vorliegend noch die Vorschriften der am 31. Dezember 1996 außer Kraft getretenen Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung da der Berufungskläger seine Tätigkeit als Isolierer bereits vor diesem Zeitpunkt aufgegeben hat, sodass auch der Versicherungsfall der geltend gemachten BK nicht später eingetreten sein kann (§ 212 Sozialgesetzbuch, 7. Buch - SGB VII -; Senatsentscheidung vom 21. Januar 2003, L 9 U 277/01).
Nach § 551 Abs. 1 Satz 2 und 3 RVO (jetzt im Wesentlichen gleich lautend § 9 Abs. 1 SGB VII) sind Berufskrankheiten solche Erkrankungen, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge der versicherten Tätigkeit erleiden. Zu den durch die BKVO zu Berufskrankheiten bestimmten Erkrankungen in diesem Sinne gehören nach Nr. 2108 der Anlage zur BKVO auch bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule, wenn sie durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung entstanden sind und zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Diese BK ist auch nach Auffassung des erkennenden Gerichts, das sich insoweit der Auffassung des BSG (vgl. zuletzt ausführlich Urt. vom 18. März 2003, B 2 U 13/02 R) anschließt, mit höherrangigen Normen und dem Bestimmtheitsgebot zu vereinbaren.
Der Berufungskläger erfüllt die arbeitstechnische Voraussetzung der BK 2108. Insoweit hat die Berufungsbeklagte in zulässiger Weise zur Ermittlung die Anwendung des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) zu Grunde gelegt (zunächst noch in einer mittlerweile überholten Version vgl. Stellungnahme des TAD v. 31. Oktober 1997 = Bl. 70 des Verwaltungs-Vorgangs; sodann die Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren vom 31. August 1999 = Bl. 37 der Gerichtsakte). Diesbezüglich hat das BSG in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 18. März 2003 (a.a.O.. ; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urt. vom. 10. Mai 2000 - L 17 U 296/97 in Breithaupt 2000, S. 1025 ff) ausdrücklich die Heranziehung dieser Ermittlungsmethode zur Klärung der Frage nach der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzung der BK 2108 unter Auswertung der medizinischen Literatur gebilligt (kritisch zu einzelnen Annahmen und insbesondere zu den dort zu Grunde gelegten Schwellenwerten insbesondere Becker SGb 2001,488,491; vgl. auch Zander, SGb 2002,152 ff; Hartmann in ASUMed 2002,580f). Sie ist indessen zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Verfehlung der Schwellenwerte des MDD gleichsam automatisch zu einer Verneinung des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzung der BK 2108 führen muss. Grenzwerte bei deren Unterschreitung die Erfüllung dieser tatbestandlichen Voraussetzung der streitigen BK stets auszuschließen ist bzw. bei deren Erreichung sie u.U. erleichtert angenommen werden kann, können nämlich nur im Wege der Rechtssetzung durch den Verordnungsgeber in die BKVO eingeführt werden (BSG a.a.O. auch zum Nachstehenden). Auch die Autoren des MDD sprechen insoweit nur von Schwellen- oder Richtwerten. Dies muss insbesondere im Hinblick auf die dezidierte Kritik an den vom MDD zu Grunde gelegten Werten gelten (vgl. nochmals Becker a.a.O., der eine Herabsetzung des Richtwertes für die Gesamtdosis von 25 x 106 Nh auf 2 x 106 Nh vorschlägt). Die Autoren des MDD selbst, schlagen nach einer neueren Studie vor, bei der Berechnung der Gesamtdosis alle Gewichte zu berücksichtigen, die höher als fünf kg sind, was bei der Berechnung der Berufungsbeklagten nicht geschehen ist. Weiter schlagen sie vor, die Schwellendosis deutlich abzusenken (Seidler u.a., Der Einsatz des Mainz-Dortmunder-Dosismodells in einer Fallkontrollstudie zu den beruflichen Risiken bandscheibenbedingter Erkrankungen, ASUMed 2001 S. 10,19).
Insoweit ergibt sich für das erkennende Gericht aus dem überzeugenden Gutachten von Dr. L., dass bei Zugrundelegung aller von der Berufungsbeklagten gemachten Einwände gegen das Gutachten von Dr. L. dennoch eine Belastung des Berufungsklägers mit einer Gesamtdosis vom 24,3 x 106 Nh zu verzeichnen ist (S.26 des Gutachtens vom 28. Mai 2000 = Bl. 122 der Gerichtsakte). Das entspricht einer Erfüllung des - bisher zu Grunde gelegten - Schwellenwertes in einer Höhe von 97,2%. Auch die Berufungsbeklagte räumt insoweit ein, der Berufungskläger habe die Tagesbelastungsdosis nur knapp verfehlt (Schriftsatz v. 14. Juni 2000 = Bl. 142 d. Gerichtsakte).
Vor diesem Hintergrund hält das erkennende Gericht die weiter gehenden Ausführungen von Dr. L. zur Erfüllung der arbeitstechnischen Tatbestandsvoraussetzung der umstrittenen BK für überzeugend.
Die von der Berufungsbeklagten mit Schriftsatz vom 14. Juni 2000 insoweit geübte Kritik an dem Gutachten von Dr. L. wird vom erkennenden Gericht im Ergebnis nicht geteilt. So vermag zunächst die Behauptung, bei Dr. L. liege kein entsprechender Sachverstand vor, nicht zu überzeugen. Bei dieser Frage, die im Grenzbereich zwischen Technik und Medizin angesiedelt ist, ist gerade auch ein Arbeitsmediziner dazu berufen, sich sachkundig zu äußern. Dies gilt insbesondere, wenn er - wie Dr. L. - im Hauptberuf als staatlicher Gewerbearzt tätig und daher mit den Bedingungen der Arbeitswelt vertraut ist. Im Übrigen ergibt sich dies aber auch schon daraus, dass das MDD im Wesentlichen von Arbeitsmedizinern erarbeitet wurde.
Auf die wesentliche Kritik von Dr. L. an den Ermittlungen der Gesamtbelastungsdosis durch den TAD der Berufungsbeklagten ist diese denn auch überhaupt nicht eingegangen. Dr. L. hatte nämlich insoweit darauf hingewiesen, dass die jahrelange Tätigkeit des Berufungsklägers im Hochbau und in der Gießerei insoweit überhaupt nicht berücksichtigt worden ist. Angesichts dieser Tatsache hat es Dr. L. dann auch für überflüssig gehalten eine erneute Berechnung vorzunehmen, da der Berufungskläger die - wie dargelegt - anzuzweifelnde Gesamtbelastungsdosis nur knapp verfehlt hatte.
Der weitere Einwand, Dr. L. habe ...Zwangshaltungen" berücksichtigt, die für die Anerkennung einer BK 2108 nicht in Ansatz zu bringen seien, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Insoweit hat Dr. L. in sorgfältiger Anamneseerhebung mit dem Berufungskläger - die Aufgabe der Berufungsbeklagten gewesen wäre - nämlich festgestellt, dass dieser zu einem relevanten Teil seine Arbeit in Arbeitsräumen (Bilgen u.Ä.) verrichten musste, die eine Arbeitshöhe von unter 1 m hatten. Insoweit verkennt die Berufungsbeklagte schon, dass nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (Bek. des BMA , BarbBl 3/93 s. 50 ff - auch abgedruckt in Mehrtens/Perlebach, Kommentar zur BKVO unter QM108 dort S. 8) jede Tätigkeit in derartigen Räumen als belastend eingestuft wird. Dies resultiert aus der Einschätzung, dass in derartigen Situationen nur sehr eingeschränkt eine Aufrichtung und damit eine Entlastung der Wirbelsäule möglich ist (so auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., 2003, S. 572). Insoweit ist die Situation des Berufungsklägers durchaus mit den in der Literatur und im Merkblatt immer wieder genannten Situationen im Bergbau zu vergleichen. Der Berufungskläger hat auch darauf hingewiesen, er habe seine Materialien auch in diesen Arbeitsräumen selbst hin und her bewegen müssen. Es leuchtet unmittelbar ein, dass der Berufungskläger den Transport - auch schwerer - Materialien nur in gebückter Haltung - also angesichts seiner Körpergröße in einer Rumpfbeugehaltung - bewerkstelligen konnte. Auch insoweit wäre daher die vom Berufungskläger erreichte Gesamtbelastungsdosis zu erhöhen. Gleichzeitig hat der Berufungskläger - auch insoweit von der Berufungsbeklagten unwidersprochen - darauf hingewiesen, er habe keineswegs alle Arbeiten in diesen niedrigen Räumen im Hocken oder Liegen verrichten können, da diese teilweise mit Wasser oder Bauschutt angefüllt gewesen seien. Daher sei er in beträchtlichem Umfang gezwungen gewesen, auch in einer Rumpfbeugehaltung zu arbeiten. Auch diese Gesichtspunkte tragen daher die Annahme von Dr. L., der zu Grunde zu legende Wert erreiche die auch von der Berufungsbeklagten anerkannte Gesamtbelastungsdosis. Jedenfalls ist es vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt - wie dies die Berufungsbeklagte getan hat - derartige Arbeitssituationen gänzlich außer Betracht zu lassen.
Abschließend ist festzuhalten, dass der Berufungskläger aus arbeitstechnischer Sicht, die Voraussetzungen für die Feststellung der BK 2108 erfüllt. Hieraus kann indessen - wie sogleich auszuführen sein wird - noch nicht zwingend geschlossen werden, damit sei auch die Kausalität der beruflichen Belastung für die Erkrankung der LWS des Berufungsklägers nachgewiesen (so auch Hofmann u.a., Zbl. Arbeitsmed. 52(2002), S.78,89), denn dies liefe - worauf der 6. Senat des erkennenden Gerichts zutreffend hingewiesen hat - auf einen Anscheinsbeweis hinaus, der so im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zulässig ist (LSG Niedersachsen, Urt. vom 20. Juli 2000, L 6 U 328/99 in Breithaupt 2000, S. 1031 ff).
Der Berufungskläger leidet auch unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule - also einer Erkrankung, die mit einer Bandscheibenschädigung in ursächlicher (Wechsel-)Beziehung steht (vgl. Schönberger u.a. a.a.O. S. 567). Dies ergibt sich für das erkennende Gericht überzeugend und von der Berufungsbeklagten nicht bestritten sowohl aus dem Gutachten von Dr. L. als auch aus dem Gutachten von Dr. N ...
Diese bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule ist auch auf die berufliche Belastung des Berufungsklägers zurückzuführen.
Die epidemiologische Erkenntnis, dass langjähriges Heben und Tragen zu einem statistisch signifikant vermehrten Auftreten der von der BK der Nr. 2108 erfassten bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule führt, begründet nicht auch eine Vermutung dafür, dass bei Versicherten, die langjährig schwer gehoben oder getragen haben und deshalb die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK der Nr. 2108 erfüllen, eine im Einzelfall vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule allein ursächlich oder wesentlich mitursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 18. November 1997 - Az.: 2 RU 48/96 = SGb 1999, 39-41; vgl. ... auch Schönberger-Mehrtens-Valentin, a.a.O. unter 8.3.5.5, S. 565,577; BK-Report 2/2003 - Wirbelsäulenerkrankungen unter 1.3). Eine solche indizielle Bedeutung kann dem langjährigen Heben und Tragen schwerer Lasten bereits deshalb nicht zugemessen werden, weil es nach gesicherter, medizinischer Erkenntnis in einer Vielzahl von Fällen ohne die Folge einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule bleibt (vgl. Merkblatt des BMA zur BK 2108, a.a.O., unter IV). Zur Beurteilung im Rechtssinne bedarf es daher eines über die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen hinausreichenden Nachweises überwiegender Wahrscheinlichkeit der Verursachung im konkreten Einzelfall. Er kann aus Gründen der Logik nicht bereits dadurch erbracht werden, dass Umstände, die gegen eine Verursachung sprechen oder diese gar schlechthin ausschließen, nicht vorliegen. Denn das bloße Fehlen solcher ...Negativ-Kriterien" kann die Verursachung immer nur im Sinne einer neutralen Beweislage möglich, nicht aber überwiegend wahrscheinlich machen. Hierzu bedarf es vielmehr des Vorliegens von Gesichtspunkten, die in Abgrenzung zu anderen möglichen Schadensursachen, wie insbesondere schicksalhaft degenerativer Prozesse, für eine Verursachung gerade durch die langjährig rückenbelastende Tätigkeit sprechen und in diesem Sinne als ...Positiv-Kriterien" bei der gebotenen Gesamtwürdigung die etwa vorliegenden ...Negativ-Kriterien" überwiegen (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 1997 a.a.O.). Hierfür kommen aus bisher herrschender medizinischer Sicht vor allem ein zumindest ursachenkonformes Schadensbild im Sinne einer Schadenskonzentration auf die unteren Wirbelsäulensegmente und dessen ursachenkonforme zeitliche Entstehung im Sinne einer gegenüber dem Altersdurchschnitt vorauseilenden Schadensausbildung in Betracht (vgl. m.w.N. auch zu den im Einzelnen divergierenden medizinischen Auffassungen Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. unter 8.3.5.5.4 S. 578f; Hofmann u.a. a.a.O. Seite 89; BK-Report Wirbelsäulenerkrankungen a.a.O. Abschnitt 4).
Insoweit hat Dr. N. in seinem Gutachten vom 22. Februar 2003 nachvollziehbar und für das Gericht überzeugend dargetan, dass das Erscheinungsbild der Wirbelsäule des Berufungsklägers dafür spricht, dass die vorliegende Erkrankung auf die berufliche Belastung zurückzuführen ist. Insoweit erfüllt das Krankheitsbild des Berufungsklägers die strengsten in der Literatur formulierten Anforderungen an das medizinische Erscheinungsbild (hierzu die Ausführungen von Schröter in Trauma und Berufskrankheit, 2002 S. 127 ff, die in noch unveröffentlichter Fassung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind = Bl. 159 ff der Gerichtsakte; zum Meinungsstand in der medizinischen Wissenschaft vgl. im Überblick Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 568,579f; kritisch zu den so genannten, belastungsadaptiven Veränderungen LSG Schleswig-Holstein Urt. vom 30. Januar 2002, L 8 U 55/00 in Breithaupt 2003 S. 125,128; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 11. Dezember 2001, L 15 U 206/99, S. 14 ff der Ausfertigung bestätigt durch Beschluss des BSG vom 24. Juli 2002, B 2 U 64/02 B; Becker in ...4. Symposium Bandscheibenbedingte Berufskrankheiten: Welche medizinischen Krankheitsbilder verbergen sich darunter?", Bericht über die Tagung am 27. November 2001 in Frankfurt am Main, Hrsg. Hessisches Sozialministerium, S. 63, der bezweifelt, dass es sich bei dieser Theorie um den gesicherten Stand der wissenschaftlichen Lehrmeinung handelt; vgl. auch Seidler, Bolm-Audorff und Elsner ebenda S. 53). Angesichts dessen spricht schon die Erfüllung dieser, strengen medizinischen Kriterien dafür, das Vorliegen einer BK zu bejahen (so Schönberger u.a. a.a.O.. S. 580). Gleichzeitig konnten weder Dr. N. noch Dr. L. anlässlich ihrer Untersuchungen innerkörperliche Gesichtspunkte (etwa so genannte prädiskotische Deformitäten oder andere Erkrankungen) feststellen, die eine wesentliche Mitverursachung der Erkrankung durch die berufliche Belastung unwahrscheinlich machen würden.
Der Berufungskläger war durch die bandscheibenbedingte Erkrankung auch gezwungen, die belastende Tätigkeit aufzugeben. Dies ergibt sich neben den Gutachten von Dr. L. und Dr. N. auch aus dem ärztlichen Entlassungsbericht der O., Bad Eilsen aus dem Juni 1995 (Bl. 21f des Verwaltungsvorgangs der Berufungsbeklagten), worin mitgeteilt wird, der zuletzt ausgeübte Beruf sei aus medizinischer Sicht sicherlich nicht mehr zumutbar. Demgegenüber lässt sich dem ärztlichen Entlassungsbericht der O. vom 19.7.94 (Bl. 18 des Verwaltungsvorgangs der Berufungsbeklagten) noch keine endgültige Aufgabe der schädigenden Tätigkeit entnehmen, denn dort wurde eine Wiedereingliederung durch Arbeitsversuch noch für möglich gehalten.
Der Berufungskläger hat auch Anspruch auf Zuerkennung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Seine Erwerbsfähigkeit ist nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit am 27. Juni 1995 um 20 v.H. gemindert (§§ 581 Abs. 1 Nr. 2, 580 Abs. 1 RVO). Auch dies ist sowohl von Dr. L. als auch von Dr. N. übereinstimmend und für das erkennende Gericht überzeugend festgestellt worden. Diese haben sich dabei auch an den in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur diskutierten Maßstäben orientiert (vgl. Schönberger u.a. a.a.O. S. 582; BK - Report Wirbelsäulenerkrankungen, 2/2003 S. 151 f; Hofmann u.a. a.a.O. S. 91; vgl. hierzu auch BSG, Urt. vom 2. Mai 2001, B 2 u 24/00 R in Breithaupt 2001, S. 783 ff, wonach sich im Hinblick auf die Bk 2108 noch keine allgemeinen Erfahrungssätze herausgebildet haben). Dies ist letztlich auch von der Berufungsbeklagten nicht bestritten worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG.
Anlass für die Zulassung der Revision besteht in Anwendung von § 160 Abs. 2 SGG nicht.