Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 16.09.2003, Az.: L 9 B 35/03 U

Gewährung von Prozesskostenhilfe; Hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung; Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit; Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD)

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
16.09.2003
Aktenzeichen
L 9 B 35/03 U
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 21074
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0916.L9B35.03U.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - 08.08.2003 - AZ: S 5 U 337/98

Tenor:

Der Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 8. August 2003 wird aufgehoben. Dem Beschwerdeführer wird für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. bewilligt.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde ist auch begründet. Dem Beschwerdeführer ist auf seinen Antrag vom 1. November 2002 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. zu gewähren.

2

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO - erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

3

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich dies aus den von ihm vorgelegten Unterlagen hinsichtlich seines Einkommens, nach denen davon ausgegangen werden kann, dass zum maßgeblichen Antragszeitpunkt wegen unzureichender Einkünfte keine freien Mittel für die Begleichung des Rechtsstreits aufgebracht werden können.

4

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet darüber hinaus auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hinreichend in diesem Sinne sind die Erfolgsaussichten einer Klage bereits dann, wenn der mit ihr geltend gemachte Rechtsstandpunkt vertretbar erscheint und hinsichtlich der maßgeblichen Tatsachen die Möglichkeit der Beweisführung besteht. Hiervon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn durchschlagende Gründe dafür bestehen, von Amts wegen weiteren Zeugen- oder Sachverständigenbeweis zu erheben (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 73a Rdn 7 m.w.N.). So verhält es sich hier.

5

Das Sozialgericht hat nach seinem angefochtenen Beschluss die Klage bereits deshalb für aussichtslos gehalten, weil sich im Fall des Beschwerdeführers die arbeitstechnischen Voraussetzungen der geltend gemachten Wirbelsäulenberufskrankheiten nicht nachweisen ließen.

6

Im Hinblick auf die umfangreichen Ausführungen des Beschwerdeführers zur Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 im Beschwerdevorbringen ist insoweit darauf hinzuweisen, dass die Frage der Feststellung einer BK der Nr. 2108 nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens ist, da ausweislich der Klageerhebung Gegenstand dieses Verfahrens nur der Bescheid der Beklagten vom 17. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1998 ist. Dieser Bescheid befasst sich indessen nur mit den Voraussetzungen der Feststellung der Berufskrankheiten der Nr. 2109 und 2110.

7

Soweit das SG ausgeführt hat, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Feststellung einer BK der Nr. 2110 ließen sich auf Grund der Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten nicht nachweisen, ist dies nach der im PKH-Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung zutreffend. Der TAD bezieht sich insoweit zurecht auf die Ausführungen des berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit (BIA) vom 15. Januar 2003 zur Schwingungsfrequenz in Kranen. Die Belastung des Klägers mit vertikalen Schwingungen durch seine Tätigkeit als Kranführer ist danach so gering, dass eine Klage auf Anerkennung einer BK 2110 von vornherein als aussichtslos erscheint.

8

Weitere Aufklärungsmaßnahmen werden indes im Hinblick auf die BK der Nr. 2109 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) erforderlich sein. Insoweit ist die Ablehnung der Feststellung durch die Beklagte lediglich darauf gestützt worden, dass der Kläger seine Tätigkeit als Einschaler bereits vor dem Stichtag zur Anwendbarkeit der neu eingeführten Wirbelsäulenberufskrankheiten aufgegeben habe. Dies hat das SG in seinem Beschluss vom 8. August 2003 zustimmend übernommen. Zwischen den Beteiligten ist aber einerseits unumstritten, dass die Tätigkeit des Berufungsklägers als Einschaler im Sinne der genannten BK belastend war (vgl. die Stellungnahme des TAD vom 24. Juni 1998 = Bl 41 d. Verwaltungs-Vorgangs der Beklagten). Andererseits ist zwischen den Beteiligten auch unumstritten, dass der Kläger während der Zeit seiner Tätigkeit als Kranführer in nicht geringen Umfang auch weiter im Tiefbau als Einschaler beschäftigt war. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass er vor dem Stichtag alle Tätigkeiten aufgegeben hat, die möglicherweise für die Entstehung für die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben einer etwaigen Erkrankung an der Halswirbelsäule ursächlich waren oder sein könnten. Damit war der Tatbestand der BK Nr. 2109 auch noch nicht erfüllt. Dies war vielmehr erst der Fall, als der Kläger alle diesbezüglichen Tätigkeiten aufgegeben hatte. Zwar erscheint es recht unwahrscheinlich, dass bei einer eher geringen täglichen Belastung durch schweres Heben und Tragen auf der Schulter die einschlägigen arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt werden. Dies bedarf indes noch der Aufklärung - etwa durch eine erneute Stellungnahme des TAD, der eine Berechnung nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell hinsichtlich der Belastung vorlegt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18. März 2003, Az.: B 2 U 13/02 R).

9

Der Beschluss ist für die Beteiligten in Anwendung von § 177 SGG nicht anfechtbar.