Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 29.09.2003, Az.: L 7 AL 151/03
Rückzahlung von Eingliederungszuschüssen; Wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung; Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das Bestreben des Arbeitnehmers; Einwand der unzulässigen Rechtsausübung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 29.09.2003
- Aktenzeichen
- L 7 AL 151/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 16043
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0929.L7AL151.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - AZ: S 8 AL 265/01
Rechtsgrundlagen
- § 223 Abs. 2 S. 1 SGB III
- § 113 InsO
- § 626 BGB
- § 76 Abs. 1 SGB IV
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Arbeitsmangel stellt keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar.
- 2.
Eine Betriebseinstellung stellt grundsätzlich keinen wichtigen Grund für eine Kündigung dar, weil das Betriebsrisiko der Arbeitgeber trägt.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung von Eingliederungszuschüssen in Höhe von insgesamt 34.798,80 DM.
Der Kläger betreibt einen F ... Am 16. Februar 1999 beantragte er die Bewilligung eines Eingliederungszuschusses für die Beschäftigung der 1974 geborenen G. (L.) ab 1. März 1999 zur Erstellung von Software und programmbegleitender Dokumentation. Antragsgemäß bewilligte die Beklagte einen Eingliederungszuschuss in Höhe von monatlich 2.911,20 DM für den Förderungszeitraum vom 1. März 1999 bis 29. Februar 2000 (Bescheid vom 23. April 1999). Der Eingliederungszuschuss wurde bei erschwerter Vermittlung der L. bewilligt. Insgesamt wurden Zuschüsse in Höhe von 34.798,80 DM ausgezahlt.
Auf Grund der Auftragslage konnte der Kläger die Softwareentwicklung nicht weiter aufrecht erhalten und mit Schreiben vom 12. April 2000 kündigte er deswegen das Arbeitsverhältnis mit L. zum 31. Juli 2000. Diesen Umstand teilte der Kläger dem Arbeitsamt H. mit. Die Beklagte fordert daraufhin durch Bescheid vom 21. August 2000 vom Kläger die gewährten Eingliederungszuschüsse in Höhe von 34.798,80 DM gemäß § 223 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des Förderungszeitraumes beendet; der hierfür als Grund genannte Arbeitsmangel rechtfertige nicht den Verzicht auf die Rückforderung der Leistung. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, die Voraussetzungen für einen Widerruf des Bewilligungsbescheides lägen nicht vor. Der Widerspruch blieb indessen erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2000).
Hiergegen hat der Kläger am 8. Januar 2001 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Er hat vorgetragen, die Leistungen seien zweckentsprechend verwendet worden, sodass eine Rückforderung nicht möglich sei; jedenfalls habe auf Grund der ungünstigen Auftragslage ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung bestanden. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 6. März 2003 abgewiesen und ausgeführt, eine Berechtigung zur Kündigung aus wichtigem Grund liegt bei Betriebseinstellungen oder -umstellungen grundsätzlich nicht vor, weil das Betriebsrisiko der Arbeitgeber trage.
Gegen das dem Kläger am 18. März 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. April 2003 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingegangene Berufung. Er ist der Auffassung, die Beklagte sei nicht berechtigt, eine Zahlungspflicht durch Verwaltungsakt festzusetzen, da sie verpflichtet sei, die festgesetzte Schuld gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) zu erlassen. Das in der Norm eingeräumte Ermessen sei "auf Null" reduziert.
Der Kläger beantragt schriftlich,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 6. März 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen. Sie haben der Entscheidung zu Grunde gelegen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält; die Beteiligten wurden vorab gehört.
Die die Rückzahlungsforderung in Höhe von 34.798,80 DM betreffende Berufung ist zulässig, sie ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat den Kläger zu Recht zur Rückzahlung der gewährten Eingliederungszuschüsse herangezogen.
Rechtsgrundlage für den Rückzahlungsanspruch der Beklagten ist § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB III (i.d.F. des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24.03.1997, BGBl. I 594). Nach dieser Vorschrift ist ein Eingliederungszuschuss zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraumes oder innerhalb eines Zeitraumes, der der Förderungsdauer entspricht, nach Ende des Förderungszeitraumes beendet wird. Die Rückzahlungspflicht entfällt unter anderem dann, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das Bestreben des Arbeitnehmers hin erfolgt, ohne dass der Arbeitgeber den Grund hierfür zu vertreten hat, oder der Arbeitnehmer das Mindestalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht hat (§ 223 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 - 3 SGB III).
Da das Arbeitsverhältnis der L. durch den Kläger am 12. April zum 31. Juli 2000 gekündigt wurde, erfolgte der Ausspruch der Kündigung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten nach Ende des Förderungszeitraumes (Ende des Förderungszeitraumes 29. Februar 2000).
Die Ausnahmen von der Rückzahlungspflicht "Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Bestreben des Arbeitnehmers oder Erreichen des Mindestalters für den Bezug der gesetzlichen Altersrente" (§ 223 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB III) sind ersichtlich nicht gegeben. Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis nicht aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt (§ 223 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III). Er war hierzu auch nicht berechtigt, weil Arbeitsmangel keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt.
Ob ein Recht zur außerordentlichen Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gegeben ist, ist § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu entnehmen. Hiernach stellt, wie das SG zu Recht dargestellt hat, die Betriebseinstellung grundsätzlich keinen wichtigen Grund für die Kündigung dar, weil das Betriebsrisiko der Arbeitgeber trägt (Pahlandt-Putzo, BGB, 61. Auflage 2002, § 626 Rdziff. 55). Selbst die Insolvenz eines Unternehmens rechtfertigt keine fristlose Kündigung (§ 113 Insolvenzordnung).
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus Sinn und Zweck der Regelung. § 223 Abs. 2 SGB III a.F. dient nicht der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme - Missbrauchtatbestände sind in § 223 Abs. 1 SGB III aufgeführt -, sondern der Sicherstellung des Förderungsziels der dauerhaften Eingliederung des Arbeitnehmers in den Arbeitsmarkt. Dieses Ziel wurde vorliegend gerade nicht erreicht, weil L. ab 1. August 2000 ihren Arbeitsplatz verloren hat.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Änderung des § 223 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III durch 2. SGB III-Änderungsgesetz vom 21. Juli 1999 (BGBl. I S. 1648). Zwar entfällt nach dieser Fassung eine Rückzahlungspflicht des Arbeitgebers unter anderem dann, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, zu kündigen. Diese Neufassung ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da sie erst nach Bewilligung des Eingliederungszuschusses, nämlich am 1. August 1999 in Kraft getreten ist (BSG, Urteil vom 21.03.2002 - B 7 AL 68/01 R -).
Schließlich steht dem Rückforderungsanspruch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Auch wenn die Beklagte - wie der Kläger meint - die Forderung gemäß § 76 Abs. 1 SGB IV erlassen müsste, handelt es sich bei der Rückforderung nicht um die missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsposition. Vielmehr setzt § 76 SGB IV eine einziehbare - das heißt fällige - Forderung dem Grunde nach voraus. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens besteht keine solche Forderung, die erlassen, niedergeschlagen oder gestundet werden könnte. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass sie über den Antrag des Klägers auf Stundung beziehungsweise Erlass der Erstattungsforderung entscheiden werde, sobald der Rückzahlungsanspruch der Beklagten im sozialgerichtlichen Verfahren bestätigt worden ist.
Nach alledem ist der Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 21. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2000 zu Recht ergangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.