Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 18.09.2003, Az.: L 6 U 131/02
Anspruch auf Verletztengeld für zwei Arbeitsunfähigkeitszeiträume; Weitergeltung bereits aufgehobener Vorschriften des Sozialrechts; Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den Behandlungen bzw. den Arbeitsunfähigkeitszeiten ; Innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem zum Unfall führenden Verhalten, sowie zwischen diesem und dem Unfall und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen; Aufhebung einer Bewilligung über Verletztenrente für die Zukunft wegen wesentlicher Verbesserung der Verhältnisse; Wesentlichkeit einer Änderung bei Änderung der Minderung der Ewerbstätigkeit (MdE) um mindestens 5 von Hundert
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 18.09.2003
- Aktenzeichen
- L 6 U 131/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 16027
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0918.L6U131.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Osnabrück - 17.01.2002 - AZ: S 8 U 275/97
Rechtsgrundlagen
- § 212 SGB VII
- § 548 RVO
- § 580 RVO
- § 581 RVO
- § 560 Abs. 1 S. 1 RVO
- § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X
- § 73 Abs. 3 SGB VII
- § 622 Abs. 2 S. 2 RVO
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Eine Verletztenrente wird nur gewährt, solange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens 1/5 oder die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Arbeitsunfälle jeweils um mindestens 10 von Hundert gemindert ist und die Summe der durch die einzelnen Unfälle verursachte Minderungen der Erwerbsfähigkeit (MdE) wenigstens 20 von Hundert beträgt.
- 2.
Ändern sich die Verhältnisse nachträglich so wesentlich, dass die Minderung der Erwerbstätigkeit sich um wenigstens 5 von Hundert verändert, kann die Bewilligung einer Verletztenrente geändert oder aufgehoben werden.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. Januar 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Verletztengeld für zwei Arbeitsunfähigkeitszeiträume, außerdem wendet er sich gegen die Aufhebung der Bewilligung der Dauerrente ab 1. September 1996.
Der 1942 geborene Kläger erlitt am 12. November 1975 bei seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer beim Verladen von Kranteilen einen Arbeitsunfall, bei dem ihm ein Kranteil auf den linken Oberschenkel fiel. In seinem Gutachten vom 13. Februar 1978 stellte der Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie C. fest, dass es bei dem Unfall zu einem Riss in der Oberschenkelstreckmuskulatur gekommen sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er auf 20 vom Hundert (v.H.). Mit Bescheid vom 25. April 1978 bewilligte die Beklagte ab 19. Januar 1976 Verletztendauerrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte sie an: Mäßige Belastungsschwäche des linken Beines, bedingt durch Schädigung der Oberschenkelstreckmuskulatur oberhalb des Kniegelenks mit grober Lückenbildung, bindegewebige Verhärtungen in der Muskulatur und leichter Verlagerung der Kniescheibe nach Fußwerts, Muskelminderung am Oberschenkel und an der Wade sowie Unsicherheit der Knieführung durch Lockerung im vorderen Schubladenbereich und geringer auch an der Knieinnenseite nach Quetschung des linken untersten Oberschenkelabschnittes an der Streckseite.
Seit 1978 ist der Kläger selbstständig als Schlosser und Landmaschinenmechaniker tätig. Im Zeitraum von 1977 bis 1992 traten ca. einmal pro Jahr Reizerscheinungen am linken Knie auf, die jeweils zu einer ca. einmonatigen Arbeitsunfähigkeit führten und mit Moorbädern, Fangopackungen, (Unterwasser)-Massagen sowie Kniegelenksinjektionen behandelt wurden (vgl. Bericht Dres. D. vom 15. Dezember 1995). Während dieser Arbeitsunfähigkeitszeiten zahlte die Beklagte jeweils Verletztengeld. Vom 10. August 1993 bis 26. September 1993 und vom 21. Juni 1994 bis 9. August 1994 war der Kläger erneut arbeitsunfähig (Nachschauberichte des Dr. E. vom 17. August 1993 und des Dr. F. vom 21. Juni 1994). Zur Frage, ob die Beschwerden des Klägers, die zur Arbeitsunfähigkeit geführt hatten, auf den Arbeitsunfall vom 12. November 1975 zurückzuführen seien, holte die Beklagte das Gutachten von Dr. G. vom 14. März 1995 ein. Nach dessen Beurteilung lassen sich die vom Kläger angegebenen Beschwerden am linken Kniegelenk mit den objektivierbaren Gesundheitsstörungen nicht in Übereinstimmung bringen. Die von der Beklagten anerkannte Schwäche der Muskulatur des linken Kniegelenkes und des Kreuzbandapparates habe sich fast 20 Jahre nach dem Unfall nicht mehr auf das Kniegelenk ausgewirkt. Denn es hätten sich röntgenologisch keine Hinweise auf umformende Veränderungen feststellen lassen. Die behandelnden Ärzte seien offenbar allein wegen des örtlichen Zusammenhangs von einer Unfallfolge ausgegangen.
Mit Bescheid vom 26. Juni 1995 lehnte die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld für beide Zeiträume ab. Im Widerspruchsverfahren reichte der Kläger die Stellungnahme von Dres. H. vom 15. Dezember 1995 ein. Nach deren Ausführungen hat sich im gesamten Verlauf der Behandlung eine andere Ursache als die Folgen des Unfalls von 1975 nicht finden lassen. Sie regten eine nochmalige gutachterliche Stellungnahme an. Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten von Prof. Dr. I. vom 17. Mai 1996 ein. Die Gutachter fanden bei der Untersuchung nur noch ein geringes Defizit der Muskulatur am linken Oberschenkel. Bei Streckung und Beugung des Kniegelenkes sei keine wesentliche Verschiebung der Kniescheibe nach innen links zu sehen. Die Beschwerden seien auf eine Chondropathie hinter der Kniescheibe zurückzuführen, die sich durch die angeborene Fehlform der Kniescheibe (Wiberg II) erklären lasse. Eine Verlagerung der Kniescheibe nach Fußwerts sei nicht zu sehen. Als Unfallfolgen stellten sie fest: Gering anteilig minimale Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes, Muskellücke an der Außenseite des linken Oberschenkels, Vernarbungen des Muskels in der Muskellücke, gering anteilig subjektive Beschwerden, anteilig Muskelminderung linker Oberschenkel. Die MdE schätzten sie auf unter 10 v.H. In ihrer Stellungnahme vom 18. Juni 1996 führte Frau Dr. J. aus, gegenüber dem Gesundheitszustand am 13. Februar 1978 (Gutachten des Arztes C.) sei eine wesentliche Besserung eingetreten. Es bestehe keine Verlagerung der Kniescheibe nach Fußwerts mehr, die Bemuskelung im Unterschenkelbereich sei jetzt seitengleich, im Oberschenkelbereich finde sich nur noch 20 cm oberhalb des inneren Kniegelenkspaltes eine Muskelminderung, es bestehe kein Streckdefizit mehr und keine Bandlockerung.
Nach Anhörung des Klägers entzog die Beklagte die Verletztenrente mit Bescheid vom 26. Juli 1996 ab 1. September 1996 mit der Begründung, die dem Bescheid vom 25. April 1978 zu Grunde liegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert. Es lägen keine Verlagerung der Kniescheibe Fußwerts und keine Muskelminderung im Unterschenkelbereich mehr vor. Die Muskelminderung oberhalb des Kniegelenkspalts habe abgenommen und es bestehe keine Lockerung mehr im Schubladenbereich. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 1997 wies die Beklagte den Widerspruch gegen beide Bescheide zurück.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück hat der Kläger das Gutachten von Prof. Dr. K. vom 17. Mai 1999 eingereicht, in dem dieser die MdE unter Berücksichtigung einer eingeschränkten Beugefähigkeit des linken Kniegelenkes (80-0-0, rechts 140-0-0) auf 20 v.H. schätzt.
Das SG hat die Befundberichte von Dr. L. vom 7. Februar 2000 und von Dres. H. vom 21. Februar 2000 sowie das Gutachten von Dr. M. vom 18. Mai 2000 eingeholt. Nach der Bewertung des Sachverständigen hat der Kläger eine Weichteilquetschung des linken knienahen Oberschenkels oberhalb der Kniescheibe erlitten. Auf Grund des geringfügigen blutigserösen Gelenkergusses (5 ml) sei davon auszugehen, dass es sich ausschließlich um eine oberhalb der Kniescheibe gelegene Weichteilverletzung gehandelt habe. Als Folge der Oberschenkelmuskelquetschung sei eine tastbare Lücke in diesem Muskel beschrieben worden, später Narbengewebsbildungen. Weiter gehende Verletzungsfolgen seien nicht zu objektivieren, insbesondere keine bedeutende intraartikuläre Kniegelenksverletzung. Auch die später diagnostizierte Innenbandverletzung sei in der Zwischenzeit folgenlos abgeheilt. Bei der Untersuchung habe sich eine Narbenbildung nicht erkennen lassen, es habe sich auch kein Hinweis auf einen schonungsbedingten Muskelschwund des linken Oberschenkelstreckmuskels finden lassen. Die Beugehemmung im linken Kniegelenk (bis 100 Grad) sei willkürmotorisch intendiert. Objektiv messbare unfallbedingte Funktionsstörungen seien nicht mehr nachweisbar. Die Beschwerden des Klägers seien durch ein unfallunabhängiges femoropatelläres Schmerzsyn-drom (früher: Chondropathia patellae) zu erklären. Eine messbare MdE liege nicht vor, auch im Jahr 1976 hätte die MdE nur mit 10 v.H. bewertet werden dürfen.
Der Kläger hat das Gutachten von Prof. Dr. K. vom 25. Januar 2001 eingereicht, der die MdE weiterhin auf 20 v.H. schätzt. Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme von Frau Dr. N. vom 29. August 2001 vorgelegt. Nach ihrer Beurteilung ist die endgradige Beugebehinderung nicht Folge einer Verletzung des Streckapparates des Oberschenkels, sondern auf die Chondropathie zurückzuführen.
Mit Urteil vom 17. Januar 2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Verletztengeld, weil er nicht wegen der Folgen des Unfalls vom 12. November 1975, sondern wegen degenerativer Veränderungen arbeitsunfähig gewesen sei. Außerdem bestehe kein Anspruch mehr auf Verletztenrente, weil die Unfallfolgen über den 31. August 1996 hinaus nicht mehr einen Grad der MdE in Höhe von mindestens 20 v.H. bedingten. Denn eine schwer wiegende Verletzung im Bereich des linken Kniegelenkes habe nicht vorgelegen. Diese werde auch nicht von dem Sachverständigen Prof. Dr. K. beschrieben.
Gegen dieses ihm am 1. März 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. März 2002 Berufung eingelegt. Er trägt vor, in den Unfallfolgen sei keine Änderung eingetreten. Auch 1978 sei die MdE nur mit 10 v.H. zu bewerten gewesen. Er hat die Arztbriefe von Dr. O. vom 27. September 2002 und 28. Januar 2003 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. Januar 2002 und die Bescheide der Beklagten vom 26. Juni 1995 und 26. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 1997 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeiträume 10. August 1993 bis 26. September 1993 und vom 21. Juni 1994 bis 9. August 1994 Verletztengeld unter Anrechnung gezahlten Krankengeldes zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. Januar 2002 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG und ihre Bescheide für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte Bezug genommen. Der Entscheidungsfindung haben die Verwaltungsakten der Beklagten zu Grunde gelegen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig, sie ist jedoch unbegründet. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztengeld für die streitigen Zeiträume (1), die Beklagte hat auch zu Recht die Bewilligung der Verletztenrente ab 1. September 1996 aufgehoben (2).
Das Begehren des Klägers richtet sich auch nach Eingliederung des Rechts der Gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (SGB) zum 1. Januar 1997 nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO). Das ergibt sich aus der Übergangsregelung in § 212 SGB VII, wonach auf Versicherungsfälle, die vor dem 1. Januar 1997 eingetreten sind, das alte Recht (§§ 548, 580, 581 RVO) anzuwenden ist.
1.
Für die Zeiträume 10. August 1993 bis 26. September 1993 und 21. Juni 1994 bis 9. August 1994 steht dem Kläger kein Verletztengeld zu, weil sich nicht feststellen lässt, dass er in diesen Zeiträumen infolge des Arbeitsunfalls vom 12. November 1975 arbeitsunfähig war (§ 560 Abs. 1 Satz 1 RVO).
Bei dem Unfall hat sich der Kläger einen Riss der Oberschenkelstreckmuskulatur links zugezogen. Die von der Beklagten anerkannte Schwäche der Muskulatur des linken Kniegelenkes und des Kreuzbandapparates hat sich jedoch fast 20 Jahre nach diesem Unfall nicht mehr auf das Kniegelenk ausgewirkt. Denn bei der Untersuchung durch Dr. G. haben sich röntgenologisch keine Hinweise auf umformende Veränderungen feststellen lassen. Auch der Stellungnahme von Dres. H. vom 15. Dezember 1995 lässt sich kein Anhaltspunkt für einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Behandlungen bzw. den Arbeitsunfähigkeitszeiten entnehmen. Vielmehr haben sie darauf hingewiesen, dass eine schwer wiegende Kniebinnenschädigung nicht nachgewiesen werden konnte. Nicht ausreichend ist, dass sich - nach Einschätzung dieser Ärzte - keine unfallunabhängige Erklärung für die Kniegelenksbeschwerden habe finden lassen. Prof. Dr. P. und Dr. M. haben demgegenüber nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die Beschwerden im linken Kniegelenk auf eine anlagebedingte Chondropathie hinter der Kniescheibe zurückzuführen sind. Dieses stimmt mit der Lokalisation der Beschwerden durch Dres. H. (S. 1 unten der o.g. Stellungnahme) überein.
2.
Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung der Verletztenrente ab 1. September 1996 aufgehoben, weil sich die dem Bescheid vom 25. April 1978 zu Grunde liegenden Verhältnisse wesentlich gebessert haben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen Verhält-
nissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Bei der Feststellung der MdE ist eine Änderung nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt (vgl. § 73 Abs. 3 SGB VII). Eine Dauerrente kann nur in Abständen von mindestens 1 Jahr geändert werden (§ 622 Abs. 2 Satz 2 RVO).
Im vorliegenden Fall zeigt eine Gegenüberstellung der unfallbedingten Gesundheitsstörungen des Klägers am 25. April 1978 (Bewilligung der Dauerrente) und des Zustandes am 26. Juli 1996 (Aufhebungsbescheid), dass eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Mit Bescheid vom 25. April 1978 hatte die Beklagte dem Kläger auf der Grundlage des Gutachtens des Arztes für Chirurgie/Unfallchirurgie C. eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. bewilligt. Der Gutachter hatte eine Belastungsschwäche des linken Beines festgestellt bedingt durch erstens einen Riss in der Oberschenkelstreckmuskulatur oberhalb des Kniegelenkes (mit grober Lückenbildung, bindegewebigen Verhärtungen in der Muskulatur und leichter Verlagerung der Kniescheibe Fußwerts) und zweitens die Erschlaffung der Oberschenkel- und Wadenmuskeln (mit nachfolgender Unsicherheit der Knieführung durch Lockerung im vorderen Schubladenbereich und geringer auch an der Knieinnenseite).
Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. P. (am 26. April 1996) lagen dagegen - darauf hat Frau Dr. J. überzeugend hingewiesen (Stellungnahme vom 18. Juni 1996) - keine unfallbedingten Gesundheitsstörungen mehr vor, die eine messbare MdE bedingen könnten: Die Muskellücke war vernarbt, es lag keine Verlagerung der Kniescheibe mehr vor, außerdem zeigte die Beweglichkeit des linken Kniegelenkes im Stehen kein Streckdefizit mehr auf. Dr. G. hatte zudem bereits am 28. Februar 1995 festgestellt, dass keine Bandlockerung mehr bestand. Außerdem lag eine Muskelminderung des linken Beines gegenüber rechts nur noch 20 cm oberhalb des inneren Kniegelenkspalts vor, während die übrige Bemuskelung des Beines seitengleich war. Dies spricht - anders als vorher - für eine gute Gebrauchsfähigkeit des linken Beines.
Auch wenn man - wie Dr. M. - davon ausgeht, dass die MdE schon im Jahr 1978 nur mit 10 v.H. eingeschätzt werden konnte, liegt eine wesentliche Änderung vor, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers ab 1. September 1996 nicht mehr messbar durch Unfallfolgen eingeschränkt war.
Auf die Frage, ob sich der unfallbedingte Gesundheitszustand des Klägers nach dem 26. Juli 1996 derart verschlechtert hat, dass zu einem späteren Zeitpunkt wieder eine MdE um 20 v.H. vorlag, kommt es in diesem Verfahren, dem eine Anfechtungsklage zu Grunde liegt, nicht an. Allerdings bestehen für eine solche Annahme auch unter Berücksichtigung der Gutachten von Prof. Dr. K. vom 17. Mai 1999 und 25. Januar 2001 keine Anhaltspunkte. Der Sachverständige schätzt zwar die MdE weiterhin auf 20 v.H., seine Bewertung überzeugt den Senat jedoch nicht.
Die von Prof. Dr. K. gemessene Funktionseinschränkung bei der Beugung des linken Beines (nur bis 80 Grad) kann der Bemessung der MdE nicht zu Grunde gelegt werden. Denn es ist nicht bewiesen, dass diese Funktionseinschränkung tatsächlich vorliegt. Dagegen spricht, dass der Kläger das linke Knie bei der Untersuchung durch Prof. Dr. P. bis 120 Grad beugen konnte und bei der Untersuchung anlässlich der stationären Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum Q. im Juli 1999 sogar bis 140 Grad. In diesem Zusammenhang hat Dr. M. mitgeteilt, dass der Kläger bei der Funktionsprüfung eine Beugung nur bis 100 Grad zuließ, dann jedoch eine aktive muskuläre Gegenwehr erfolgte, während er beim An- und Auskleiden das linke Kniegelenk durchaus weiter zu beugen vermochte. Dies spricht für eine intendierte Aggravation, zumal auch Dr. G. über eine Überbetonung des Beschwerdebildes am linken Kniegelenk berichtet hat. Gegen eine unfallbedingte Beugehemmung spricht zudem, dass diese auch nicht in früheren Berichten erwähnt worden ist, vielmehr bestand anlässlich der Begutachtung durch den Chirurgen C. eine freie Beweglichkeit. Zudem hat Frau Dr. R. darauf hingewiesen, dass die Muskelverletzung eine Beugebehinderung nicht erklären würde (S. 3 der Stellungnahme vom 29. August 2001).
Dem Gutachten lassen sich auch keine Hinweise auf eine Verletzung des Bandapparates des linken Kniegelenkes entnehmen. Prof. Dr. K. übernimmt vielmehr unkritisch die Angaben des Klägers, dass dieser im linken Knie keine Führung habe und dass ihm das Knie nach außen wegrutsche. Dies steht aber im Widerspruch zu den Ergebnissen der Untersuchung durch Prof. Dr. K., bei der die Seitenbänder fest waren. Das Gutachten enthält außerdem keine verwertbaren Angaben hinsichtlich einer Muskelminderung des linken Oberschenkels. Zwar hat der Gutachter ausgeführt, dass eine "schon visuell erkennbare Atrophie des linken Oberschenkels" vorliege. Abgesehen davon, dass eine sichtbare Muskelminderung von den anderen Gutachtern und Sachverständigen nicht mitgeteilt worden ist, sind die von Prof. Dr. K. gemessenen Werte auch nicht brauchbar, weil sie in sich nicht plausibel sind. Denn es ist u.a. nicht denkbar, dass sich der Umfang des rechten Beines innerhalb von zwei Jahren unfallbedingt von 58,7 auf 45,7 reduziert hat, bei dem Unterschied am linken Bein (56,7 gegenüber 25,1) handelt es sich offen-sichtlich um einen Schreibfehler.
Es kann dahinstehen, ob die röntgenologisch bzw. kernspintomographisch erhobenen Befunde (hochgradige Verschmälerung des tibiofemoralen äußeren Gelenkspaltes und kleine Verknöcherungen links medial der Kniescheibe) tatsächlich vorliegen und ob sie auf den Unfall vom 12. November 1975 zurückgeführt werden können. Denn es lassen sich - wie ausgeführt - keine messbaren Funktionseinschränkungen des linken Beines feststellen. Darauf hat Frau Dr. R. zu Recht hingewiesen. Den Arztbriefen von Dr. O. vom 27. September 2002 und 28. Januar 2003 lässt sich nicht entnehmen, aus welchem Grund die dort beschriebenen Störungen "eindeutig Folge des Unfalls aus dem Jahre 1975" sein sollen. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die kernspintomographisch festgestellte alte vordere Kreuzbandruptur mit diesem Unfall zusammenhängt. Denn eine solche Ruptur ist weder zeitnah zum Unfall noch bei den jährlichen Untersuchungen durch Dres. H. diagnostiziert worden. Entscheidend ist jedoch, dass sich die beschriebene Gesundheitsstörung - wie ausgeführt - funktionell nicht auswirkt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.