Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 25.09.2003, Az.: L 6 B 30/03 U
Anspruch eines Asylbewerbers auf Zahlung von Verletztengeld nach der gesetzlichen Unfallversicherung bei Fingerkuppenabtrennung des linken Daumens in Folge der Durchführung einer gemeinnützigen Tätigkeit; Bedeutung der Erzielung von Arbeitsentgelt für die Voraussetzung der Zahlung von Verletztengeld
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 25.09.2003
- Aktenzeichen
- L 6 B 30/03 U
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 20195
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0925.L6B30.03U.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Osnabrück
Rechtsgrundlagen
- § 73a SGG
- § 47 Abs. 1 SGB VII
- § 5 Abs. 1 S. 2 AsylbLG
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 15. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe - PKH - für das Verfahren vor dem Sozialgericht - SG - , in dem er die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Verletztengeld erstrebt.
Der 1967 geborene Kläger ist verheiratet, hat zwei 1993 und 1996 geborene Kinder und bezieht Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG - (Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 4. März 2003).
Mit der Unfallanzeige vom 6. März 2002 zeigte die Gemeinde C. dem Beklagten an, dass der Kläger bei einer gemeinnützigen Tätigkeit nach dem AsylbLG im Grundschulbereich C. eine Fingerkuppenabtrennung des linken Daumens erlitten habe. Den Unfallhergang schilderte sie wie folgt:
Herr D. half bei Holzsägearbeiten im Werkraum der Grundschule. Als ein Holzstück sich in Folge von Unachtsamkeit des Herrn D. verkantete, rutschte er mit einem Daumen an das Sägeblatt.
Der Beklagte holte ärztliche Berichte des Dr. E. vom 30. April 2002 und eine Auskunft der Gemeinde C. vom 8. Oktober 2002 ein. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2002 lehnte er die Zahlung von Verletztengeld ab: Verletztengeld sei eine Leistung mit Entgeltersatzfunktion, die konkrete Entgelt- und Einkommenseinbußen ausgleichen solle. Bei der Aufwandsentschädigung von 1,02 EUR, die dem Kläger für tatsächlich verrichtete Stunden gezahlt worden seien, handele es sich jedoch nicht um eine Gegenleistung für verrichtete Arbeit in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, er habe keine gemeinnützige Arbeit geleistet, sondern den Arbeitsauftrag gehabt, defekte Stühle in der Grundschule C. zu zersägen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2003 zurück.
In dem anschließenden Klageverfahren vor dem SG Osnabrück hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. März 2003 beantragt, PKH unter Beiordnung des Rechtsanwalts F., zu bewilligen. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 15. Juli 2003 abgelehnt, weil der Kläger nicht zu dem Kreis der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - SGB - VII Versicherten gehöre. Ein Arbeitsverhältnis sei entsprechend der Vorschrift des § 5 Abs. 5 Satz 1 des AsylbLG nicht begründet worden.
Gegen diesen ihm am 21. Juli 2003 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 30. Juli 2003 Beschwerde eingelegt. Er hat geltend gemacht, das SG verkenne, dass die Auskunft der Gemeinde C. nicht Tatsachen beinhalte, sondern fehlerhafte rechtliche Bewertungen vornehme. Bei den Arbeiten des Klägers handele es sich gerade nicht um gemeinnützige und zusätzliche Arbeiten. Dies folge aus der Art der Arbeiten selbst.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§ 73 a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 127 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO - ). Sie ist jedoch nicht begründet. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der ratenfreien PKH sind, wie sich aus der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ergibt, zwar erfüllt. Die Rechtsverfolgung bietet aber keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73 a SGG i.V.m. § 114 ZPO). Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, sofern nach summarischer Prüfung ein Erfolg oder Teilerfolg der Klage als durchaus möglich erscheint. Diese Voraussetzung ist jedoch, wie das SG zutreffend entschieden hat, im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Grundsätzlich kann zwar auch ein Asylbewerber als Beschäftigter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Denn nach § 5 Abs. 5 AsylbLG wird ein Beschäftigungsverhältnis nur im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung und der Rentenversicherung, nicht aber in der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschlossen, wenn der Asylbewerber Arbeiten verrichtet, für die er eine nach § 5 Abs. 2 AsylbLG vorgesehene Aufwandsentschädigung von 2,00 DM (1,02 EUR) erhält (vgl. zu dem inhaltsgleichen § 19 BSHG Krahmer in: Lehr- und Praxiskommentar zum BSHG, § 19 Rdn. 16). Der geltend gemachte Anspruch auf Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 45 ff. SGB VII) scheitert aber daran, dass der Kläger bei seinem Unfall am 26. Februar 2002 kein Arbeitsentgelt, sondern nur eine Aufwandsentschädigung im Sinne des vorerwähnten § 5 Abs. 2 AsylbLG erhielt. Wie sich aus § 47 Abs. 1 SGB VII ergibt, ist die Erzielung von Arbeitsentgelt indessen Voraussetzung für die Zahlung von Verletztengeld, das - ebenso wie das Krankengeld - Lohnersatzfunktion hat.
Bei der Arbeit, bei der der Kläger am 26. Februar 2002 verunglückt ist, handelt es sich um eine Tätigkeit, die nur mit einer Aufwandsentschädigung, entgegen der Auffassung des Klägers jedoch nicht mit einem Arbeitsentgelt zu honorieren war. Es handelte sich nämlich um eine Arbeitsgelegenheit im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 AsylbLG bei einem kommunalen Träger, die sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet worden wäre. Durch die im Beschwerdeverfahren gemäß § 118 Abs. 2 S. 2 ZPO eingeholte ergänzende Auskunft der Gemeinde C. vom 12. September 2003 ist klargestellt, dass der Kläger bei einer Arbeit verunglückte, die als zusätzlich im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 AsylbLG zu qualifizieren ist. Denn der Hausmeister hätte die - nicht unbedingt notwendige - Arbeit (Kleinsägen von Lagerholz zur Verbesserung der Lagerungsmöglichkeit) - wenn überhaupt - sonst erst zu einem erheblich späteren Zeitpunkt erledigt. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Gemeinde C., die inhaltlich mit der im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskunft vom 8. Oktober 2002 übereinstimmt, ergeben sich für den Senat bei seiner summarischen Einschätzung der Erfolgsaussicht nicht. Soweit der Kläger die Richtigkeit der Auskunft der Gemeinde C. bestreitet (Schriftsatz vom 24. September 2003), kann diesem Vortrag im Hauptsacheverfahren nachgegangen werden.
Entgegen der Auffassung des Klägers führt die Tatsache, dass der Senat noch eine Auskunft der Gemeinde C. eingeholt hat, nicht schon zur Bejahung der Erfolgsaussicht. Denn § 118 Abs. 2 S. 2 ZPO sieht zur Klärung der Frage, ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ausdrücklich die Einholung von Auskünften vor.
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).