Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.01.1998, Az.: 13 Sa 1235/97

Streitigkeit über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung sowie über einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag; Beschäftigung als Sekretärin des Personalleiters; Privattelefonate während der Arbeitszeit mit dem Geschäftsführer eines Mitbewerbers sowie Verdacht des Verrates gemeinhaltungsbedürftiger dienstlicher Informationen als Kündigungsgründe; Vorliegen eines Verstoßes gegen arbeitsvertragliche Pflichten; Erforderlichkeit einer Abmahnung bei Störungen im Vertrauensbereich; Berücksichtigung von einem rechtswidrigen Verhalten des Arbeitgebers bei der Recherche der Kündigungsgründe; Voraussetzungen einer Verdachtskündigung; Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Telefondaten; Rechtfertigung eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers; Voraussetzungen des arbeitgeberseitigen Auflösungsvertrages; Höhe der angemessenen Abfindung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
13.01.1998
Aktenzeichen
13 Sa 1235/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 15978
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:0113.13SA1235.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 13.05.1997 - AZ: 4 Ca 30/96

Fundstellen

  • APR 1998, 5
  • AZRT 1998, 26
  • BB 1998, 1112-1113 (Volltext)
  • FStBay 1999, 772-773
  • KHuR 1998, 8
  • MDR 1999, 813-814 (Volltext mit amtl. LS)
  • NZA-RR 1998, 259-261 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

Auch bei Störungen im Vertrauensbereich ist grundsätzlich eine Abmahnung nicht entbehrlich ist. Vielmehr ist das Abmahnungserfordernis bei jeder Kündigung beachtlich, die wegen eines steuerbaren Verhaltens eines Arbeitnehmers ausgesprochen wird, wenn eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann.

Nach dem Bundesverfassungsgericht liegt bei heimlichem Mithören eines dienstlichen Telefongesprächs eines Arbeitnehmer ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht vor mit der grundsätzlichen Folge des Verwertungsverbots. Allerdings kann der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht gerechtfertigt sein aufgrund der Abwägung der widerstreitenden Interessen.

Gemäß § 9 Abs. 1 KSchG kann das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers aufgelöst werden, wenn ihm die Fortsetzung nicht zuzumuten ist. Abzustellen ist dabei darauf, ob im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lassen. An die Auflösungsgründe sind strenge Anforderungen zu stellen, die allerdings nicht den Anforderungen an einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB genügen müssen.

In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 13.01.98
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 13.05.1997 unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt.

Auf Antrag der Beklagten wird das Arbeitsverhältnis zum 30.06.1996 aufgelöst.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 42.016,00 DM zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.756,00 DM festgesetzt.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung vom 12.01.1996, die die Beklagte als außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen hat. Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Beklagte die außerordentliche Kündigung nicht aufrechterhalten, Streitgegenstand ist deshalb noch die ordentliche Kündigung vom 12.01.1996 zum 30.06.1996, die gemäß Kündigungsschreiben (Bl. 4 d.A.) auf Privattelefonate während der Arbeitszeit mit dem Geschäftsführer Kluge eines Mitbewerbers und auf Verdacht des Verrates gemeinhaltungsbedürftiger dienstlicher Informationen an ihn gestützt wird. Die Beklagte hat hilfsweise Auflösungsantrag gestellt.

2

Die Klägerin wurde am 01.08.1981 als Auszubildende von der Beklagten eingestellt, sie war zuletzt Sekretärin des Personalleiters, des Zeugen ... der zum 01.07.1995 die Arbeit aufgenommen hat. Vorher war die Klägerin langjährige Sekretärin des Vertriebsleiters, des Zeugen ... zu dem sie engere Beziehungen unterhielt. Der Zeuge ist am 30.04.1995 bei der Beklagten ausgeschieden. Seit 1993 unterhielt die Klägerin Beziehungen zu dem damaligen Vorstandsassistenten ... der Anfang 1994 das Unternehmen verließ und seit dem 01.01.1995 als Geschäftsführer der Firma GmbH tätig ist.

3

Mit Schreiben vom 28.11.1995 (Bl. 137 d.A.) hatte die Beklagte den Betriebsrat zu einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung der Klägerin wegen Wegfall des Arbeitsplatzes angehört. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 04.12.1995 (Bl. 71 d.A.). Eine betriebsbedingte Kündigung wurde nicht ausgesprochen, vielmehr erfolgte im Januar 1996 die auf Privattelefonate gestützte Kündigung.

4

Bei der Beklagten erfolgt eine elektronische Telefondatenerfassung, eine Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede mit dem Betriebsrat bestand nicht. Die Telefondaten wurden üblicherweise so ausgewertet, daß für die einzelnen Anschlüsse Kostenaufstellungen gefertigt wurden. Auf Veranlassung des Zeugen Wefers wurden für den Dienstanschluß der Klägerin für den (noch) verfügbaren Zeitraum 31.07.1996 bis 16.11.1996 die Telefondaten mit Datum, Zielnummer, Gesprächsende, Gesprächsdauer, Gebühreneinheiten und Betrag ausgedruckt (Hülle Bl. 149 d.A.). Die Beklagte hat aus diesen Ausdrucken eine Auflistung der Privatgespräche der Klägerin mit Herrn erstellt. Auf den Inhalt, Anlage B 4, Bl. 75 und 76 d.A., wird Bezug genommen.

5

Eine ausdrückliche etwa schriftliche Anweisung zu Privattelefonaten bestand bei der Beklagten nicht.

6

Die Klägerin hat bestritten, in dem von der Beklagten behaupteten Umfang telefoniert zu haben. Sie habe gelegentlich mit Herrn ... telefoniert, allenfalls zwei oder drei mal am Tag. Die geringe Zahl der Einheiten für viele der Telefonate beruhe darauf, daß sie häufig das Autotelefon des Herrn ... angewählt habe und auf der Mailbox eine Nachricht hinterlassen habe. Im übrigen habe auch der Zeuge ... an ihrem Apparat etwa nach Arbeitsende telefoniert. Herr ... habe ihr mitgeteilt, daß häufig bei ihm angerufen worden sei und der Anrufer sofort aufgelegt habe. Es müsse deshalb vermutet werden, daß auch andere Personen von ihrem Apparat die Nummer des Herrn ... angewählt hätten. Privattelefonate seien im übrigen im Betrieb geduldet worden und ihr ausdrücklich vom Vertriebsleiter gestattet worden, weil sie in erheblichem Umfang Überstunden habe leisten müssen. Bereits Anfang Juli und erneut am 11.10.1995 habe der Zeuge sie aufgefordert, sich einen neuen Arbeitsplatz zu suchen, weil er seine ehemalige Sekretärin einstellen wolle. Am 26.10.1995 sei ihr ein Aufhebungsvertrag mit Abfindung angeboten worden, nach Ablehnung habe der Zeuge ... ihr erklärt, jetzt mache er sie fertig. In den Telefongesprächen mit Herrn ... habe sie mit diesem über ihre Schwierigkeiten am Arbeitsplatz gesprochen. Die Nutzung der ermittelten Telefondaten sei im übrigen unzulässig, weil das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht gewahrt sei und Bestimmungen des Datenschutzgesetzes verletzt seien. Am 08.01.1996 sei sie nicht zu den Kündigungsgründen angehört worden, sie habe keine ausreichende Gelegenheit gehabt, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

7

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.01.1996 nicht zum 30.06.1996 beendet worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Hilfsweise hat sie beantragt,

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen.

10

Die Klägerin hat beantragt,

den gestellten Hilfsantrag abzuweisen.

11

Die Beklagte hat vorgetragen, daß die Kündigung auf Grund der Privattelefonate begründet sei. Es handele sich um rund 150 Telefonate mit dem Zeugen ... die dafür aufgewendeten Gebühreneinheiten beliefen sich auf 175,00 DM. Diese Vielzahl der Telefonate während der Arbeitszeit sei nicht hinnehmbar. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich. Im August habe der Zeuge ... die Klägerin auf die hohen Telefonkosten angesprochen. Die Klägerin habe daraufhin die Vermutung geäußert, daß andere Mitarbeiter von ihrem Apparat aus telefoniert hätten. Da der von der Klägerin angerufene Herr ... Geschäftsführer eines der schärfsten Konkurrenten sei, bestehe der Verdacht, daß die Klägerin in den Telefonaten Betriebsinterna weitergegeben habe. Der Zeuge ... habe Anfang Juli nicht der Klägerin erklärt, sie solle sich eine neue Stelle suchen, weil er seine ehemalige Sekretärin einstellen wolle. Er habe ihr auch zu keiner Zeit angedroht, sie fertig zu machen. Richtig sei nur, daß er Ende Oktober der Klägerin nahegelegt habe, sich eine neue Stelle zu suchen, weil ihr Arbeitsplatz wegfalle. Deshalb sei auch das Kündigungsverfahren beim Betriebsrat eingeleitet worden, von einer betriebsbedingten Kündigung habe man mit Rücksicht auf das Problem der sozialen Auswahl Abstand genommen. Am 08.01.1996 sei eine ordnungsgemäße Anhörung der Klägerin erfolgt, sie habe ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zu den Kündigungsgründen zu äußern.

12

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die gerichtlichen Niederschriften vom 14.02.1997, Bl. 124 ff d.A., und 13.05.1997, Bl. 143 ff d.A.

13

Das Arbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt und den Antrag der Beklagten auf Auflösung des Arbeitverhältnisses zurückgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

14

Mit Berufung trägt die Beklagte vor, der Klägerin seien die Telefonkosten nach Juli und nach August jeweils vom Zeugen ... vorgehalten worden, sie habe jeweils bestritten, die Kosten verursacht zu haben. Bei beiden Gesprächen sei ihr untersagt worden, während der Arbeitszeit Privatgespräche zu führen. Trotzdem habe sie weiterhin bis zu 14 mal täglich Privatgespräche mit dem Geschäftsführer ... des Mitbewerbers geführt, dadurch Telefonkosten verursacht, Arbeitszeit verbraucht und das Telefon blockiert. Auch ohne ausdrückliche Regelung sei eindeutig erkennbar gewesen, daß in diesem Umfang Privatgespräche nicht geführt werden durften. Eine Abmahnung sei entbehrlich, weil der Vertrauensbereich betroffen sei und im übrigen zu berücksichtigen sei, daß die Klägerin den Zeugen ... bei Vorhalt der Telefonkosten belogen habe. Für den Verrat von Betriebsinterna bestehe zumindest ein Verdacht. Das es sich um Gespräche mit privatem Inhalt gehandelt habe, sei kaum glaubhaft. Es sei zu fragen, warum dann nicht abends telefoniert worden sei. Zur Begründung des Auflösungsantrages trägt die Beklagte vor, das Verhältnis der Klägerin zum Personalleiter ... sei belastet. Diese Problematik sei auch nicht durch eine Umsetzung zu lösen, weil der Personalleiter Wefers in seiner Position auch weiterhin für die Klägerin zuständig sei. Zu berücksichtigen sei weiterhin der Prozeßvortrag, so habe sie unzutreffend behauptet, der Zeuge ... habe ihr erklärt, sie fertig machen zu wollen. Sie habe die haltlose Behauptung aufgestellt, daß er sie aus dem Arbeitsverhältnis drängen wolle, um statt dessen seine frühere Sekretärin einstellen zu können. Durch die Privattelefonate sei das Vertrauensverhältnis belastet, zumal der Klägerin jegliches Unrechtsbewußtsein fehle. Sie habe vorprozeßual und im Prozeß die unwahre Schutzbehauptung aufgestellt, keine privaten Telefonate von ihrem dienstlichen Telefon geführt zu haben und haben in der Klage die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe als bösartige Unterstellung qualifiziert. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung und auf die Ausdrucke der elektronischen Arbeitszeiterfassung der Klägerin für die Monate September bis Dezember 1995, Anlage B 6, Bl. 263 ff d.A.

15

Die Beklagte beantragt:

  1. 1.

    Das Urteil des Arbeitsgericht Oldenburg vom 13.05.1997 - 4 Ca 30/96 - wird aufgehoben.

  2. 2.

    Die Klage wird abgewiesen.

  3. 3.

    Hilfsweise:

    Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung zum 30.06.1996 aufgelöst.

16

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie macht geltend, die Telefondaten seien unrechtmäßig erhoben und könnten deshalb nicht verwertet werden. Eine Vielzahl der Gespräche sei außerhalb der Arbeitszeit geführt worden. Wenn der Vortrag der Beklagten richtig sei, daß die Klägerin keine Überstunden geleistet habe, könnten die Telefonanrufe nicht von ihr getätigt sein. Im übrigen verteidigt die Klägerin nach Maßgabe der Berufungserwiderung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung der Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, § 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO. Die Berufung hat teilweise Erfolg. Die von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung ist sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, insoweit war die zutreffende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu bestätigen. Auf Hilfsantrag der Beklagten war allerdings das Arbeitsverhältnis gegen Abfindungszahlung aufzulösen.

19

Zur Kündigung wegen Privattelefonate.

20

Die Beklagte macht einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG geltend. Eine solche verhaltensbedingte Kündigung ist nur dann wirksam, wenn eine Vertragspflichtverletzung vorliegt, die an sich einen Kündigungsgrund darstellt. Wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung in der Regel eine Abmahnung erforderlich, nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände ist eine Abmahnung entbehrlich. Schließlich ist aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen, ob eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht.

21

Die Klägerin hat durch die vorgetragenen Privattelefonate in erheblichem Umfang gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Zwar bestand bei der Beklagten keine allgemeine Anweisung, nach der Privattelefonate verboten waren. Der Klägerin war auch durch den Zeugen Ruppel in ihrer Funktion als Sekretärin des Vertriebsleiters mit Rücksicht auf die Überstunden gestattet worden, persönliche Telefonate über den Dienstapparat zu führen. Schließlich folgt aus der erstinstanzlichen Aussage des Zeugen Weltzel, daß Privattelefonate im Betrieb geduldet wurden. Trotzdem ist der Klägerin vorzuhalten, daß sie den üblichen Rahmen geduldeter Privattelefonate bei weitem überschritten hat. Sie hat im erfaßten Zeitraum fast täglich Herrn ... angerufen, häufig mehrfach, im Extremfall, 07.08.1995, sogar 14 mal. Der Rahmen eines geduldeten Privattelefonierens ist von der Klägerin in einem solchen Maße überschritten worden, daß von einer Vertragspflichtverletzung auszugehen ist. Berücksichtigt man die aufgelaufenen Kosten, 174,34 DM, die eingesetzte Arbeitszeit und die Tatsache, daß für ein derartiges Telefonverhalten ein sachlicher Grund nicht ersichtlich ist, so besteht ein Kündigungsgrund an sich.

22

Die Kündigung ist aber unwirksam, weil eine Abmahnung nicht vorliegt. Die Tatsache, daß vorliegend nicht nur der Leistungsbereich betroffen ist, sondern auch der Vertrauensbereich (sofern man beides überhaupt voneinander abgrenzen kann), macht eine Abmahnung nicht entbehrlich. Das BAG (2 AZR 526/96, DB 1997, Seite 2386) hat richtig darauf abgestellt, daß auch bei Störungen im Vertrauensbereich grundsätzlich eine Abmahnung nicht entbehrlich ist. Vielmehr sei das Abmahnungserfordernis bei jeder Kündigung beachtlich, die wegen eines steuerbaren Verhaltens eines Arbeitnehmers ausgesprochen werde, wenn eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann. Die Kammer folgt dieser Rechtssprechung, weil eine Abgrenzung von Leistungsbereich und Vertrauensbereich kaum möglich ist, häufig wie hier Überschneidungen vorliegen und weil es die Rechtssprechung des BAG ermöglicht, ausgehend von der Schwere der Pflichtverletzung und den möglichen Erfolgsaussichten einer Abmahnung im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Abmahnung entbehrlich ist oder nicht.

23

Auch wenn man berücksichtigt, daß der Klägerin an sich bewußt sein mußte, daß ein derart umfangreiches Privattelefonieren nicht geduldet wird, war eine Abmahnung nicht entbehrlich. In erster Linie ist darauf hinzuweisen, daß es eine Regelung über Privattelefonate bei der Beklagten nicht gab, zudem privates telefonieren am Arbeitsplatz weitgehend üblich war. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Klägerin sich einem ausdrücklichen Verbot des Privattelefonierens nicht gefügt hätte.

24

Die Abmahnung war nicht deshalb entbehrlich, weil der Zeuge ... der Klägerin die hohen Telefonkosten vorgehalten hat und, so der zweitinstanzliche Beklagtenvortrag, ihr privattelefonieren untersagt habe. Gemäß Beweisbeschluß des Arbeitsgerichts zu IV.2. ist der Zeuge Wefers zu diesem Beweisthema vernommen worden. Er hat lediglich ausgesagt, zwei mal der Klägerin die hohen Telefongebühren vorgehalten zu haben. Diese habe ihm zugesichert, daß es keine privaten Telefonate waren. Im übrigen hat er nach seiner Aussage die Klägerin aufgefordert, sich einen abschließbaren Apparat zu besorgen. Die Kammer folgt dieser Aussage und hat keinen Zweifel an der Vollständigkeit. Es ist dann aber nicht bewiesen, daß ein ausdrückliches Verbot ausgesprochen ist, vielmehr spricht die weitere Aussage des Zeugen ... daß er anhand der Telefondatenausdrucke weiter recherchiert habe, dafür, daß gerade nicht eine eindeutige Anweisung an die Klägerin ergangen ist. Dem Abmahnungserfordernis ist damit nicht genügt, die Abmahnung war auch nicht entbehrlich.

25

Selbst wenn man die Abmahnung für entbehrlich halten sollte, ist hilfsweise festzustellen, daß die Kündigung auch auf Grund der Interessenabwägung unwirksam ist. Neben der Tatsache, daß eine Regelung über Privattelefonate fehlte, ist hier entscheidend, daß der Beklagten bei der Recherche der Kündigungsgründe rechtswidriges Verhalten vorzuhalten ist. Bei den hier erfaßten Daten handelt es sich um personenbezogene Daten im Sinne des § 3 BDSG, die Verarbeitung und Nutzung dieser personenbezogenen Daten ist nur zulässig, wenn das Bundesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt bzw. der Betroffene eingewilligt hat, § 4 Abs. 1 BDSG. Die Beklagte hat Zielnummer, Uhrzeit und Dauer der Gespräche erfaßt, sie hat damit personenbezogene Daten der Arbeitnehmer verarbeitet und vorliegend genutzt (dazu BAG EZA § 87 BetrVG 1972 Kontrolleinrichtung, Nr. 16). Die Datenverarbeitung ist nicht gerechtfertigt durch § 28 Abs. 1 Ziffer 1 BuDSchG, für die Durchführung eines Arbeitsverhältnisses ist die Speicherung der Telefondaten nicht erforderlich. Eine anderweitige Rechtsgrundlage, z. B. eine Betriebsvereinbarung (dazu BAG a.a.O.), lag nicht vor. Die Kündigungsgründe sind damit unter Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz rechtswidrig recherchiert worden, hinzu kommt auch, daß die Beklagte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 6 BetrVG nicht beachtet hat. Das rechtswidrige Verhalten der Beklagten bei der Recherche der Kündigungsgründe wiegt jedenfalls so schwer, daß unter Berücksichtigung der langjährigen beanstandungsfreien Betriebszugehörigkeit der Klägerin die ordentliche Kündigung wegen der Privattelefonate unwirksam ist.

26

Zur Verdachtskündigung, Verrat von Betriebsgeheimnissen.

27

Zwar ist nicht nur bei festgestellter Pflichtverletzung, sondern auch bei dringendem Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung möglich. Allerdings ist zu betonen, daß es sich nicht nur um einen wagen Verdacht handeln darf, sondern das der Verdacht objektiv begründet sein muß. Die Vermutungen der Beklagten sind sicher nicht abwegig, es kann durchaus sein, daß die Klägerin Betriebsinterna an Herrn ... weitergegeben hat, Anzahl und Häufigkeit der Gespräche können als Indiz dafür gewertet werden. Andererseits muß festgestellt werden, daß die Klägerin im Personalbereich tätig war, es ist nicht ersichtlich und auch von der Beklagten nicht ausreichend erläutert worden, welche Betriebsinterna insbesondere Betriebsgeheimnisse die Klägerin an Herrn ... hätte weitergeben können. Es fehlt an nachvollziehbaren Anhaltspunkten für einen Verrat von Betriebsgeheimnissen, folglich ist die Kündigung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung wirksam.

28

Zum Auflösungsantrag der Beklagten.

29

Die Beklagte stützt die Auflösungsgründe im wesentlichen auf durch rechtswidrige Aufzeichnung und Auswertung der Telefonate gewonnene Erkenntnisse und die daraus folgenden Belastungen des Arbeitsverhältnisses. Der Auflösungsantrag kann deshalb nur Erfolg haben, wenn die Telefondaten verwertet werden dürfen, was zu bejahen ist.

30

Für heimliche Tonbandaufzeichnungen nimmt der BGH (NJW 1988, Seite 1016) grundsätzlich ein Verwertungsverbot an wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Weil das Persönlichkeitsrecht keinen absoluten sei, sei über eine ausnahmsweise Verwertung auf Grund Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Nach diesen Grundsätzen entscheidet der BGH auch bei heimlichem Mithören eines vertraulichen Gesprächs (NJW 1994, Seite 2289). Das BAG (NJW 1983, Seite 1691) geht bei heimlichem Mithören eines vertraulichen Gesprächs grundsätzlich von einem Verwertungsverbot aus wegen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Ausnahmsweise können aber wichtige Interessen der Prozeßpartei für eine Verwertung sprechen. Nach ähnlichen Grundsätzen ist vom BAG (EZA § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, Nr. 6) auch die heimliche Videoüberwachung von Arbeitsplätzen entschieden worden. Auf ein weiteres Urteil des Gerichts betreffend heimlich mitgehörtes Telefongespräch, daß nicht im Wortlaut vorliegt, werden die Parteien vorsorglich hingewiesen (Urteil vom 29.10.1997, 5 AZR 508/96). Nach Bundesverfassungsgericht (EZR § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, Nr. 10) liegt bei heimlichem Mithören eines dienstlichen Telefongesprächs eines Arbeitnehmer ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht vor mit der grundsätzlichen Folge des Verwertungsverbots. Allerdings kann der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht gerechtfertigt sein aufgrund der Abwägung der widerstreitenden Interessen.

31

Die damit erforderliche Interessenabwägung führt vorliegend zur Verwertbarkeit der Telefondaten. Eine besondere Schutzbedürftigkeit der Klägerin ist zu verneinen. Der Inhalt der Gespräche ist nicht aufgezeichnet worden, der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts ist nicht verletzt. Die Aufzeichnungen beschränken sich auf Datum, Uhrzeit, Gesprächsdauer und Zielnummer. Unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsrechts problematisch ist allein die Erfassung der vollständigen Zielnummer, und zwar ohne Differenzierung nach dienstlichen und privaten Gesprächen. Da es aber um Telefonate vom Dienstapparat geht, vom Arbeitnehmer aber erwartet werden kann, daß er seine privaten Angelegenheiten außerhalb der Arbeitszeit regelt, ist der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht eng begrenzt. Auf der anderen Seite stand das Interesse der Beklagten an der Aufklärung der hohen Telefonkosten. Aus der glaubhaften Aussage des Zeugen ... folgt, daß dieser zwei mal die Klägerin darauf angesprochen hat und diese erklärt hat, die Gebühren seien nicht von ihr verursacht worden. Die Beklagte hatte dann aber keine andere Möglichkeit der Aufklärung als die Auswertung der Telefondaten. Nach den Äußerungen der Klägerin konnte sie auch nicht davon ausgehen, daß sie in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingreifen würde. Die Interessenabwägung ergibt dann aber eine Verwertbarkeit der Telefondaten.

32

Gemäß § 9 Abs. 1 KSchG kann das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers aufgelöst werden, wenn ihm die Fortsetzung nicht zuzumuten ist. Abzustellen ist dabei darauf, ob im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lassen. An die Auflösungsgründe sind strenge Anforderungen zu stellen, die allerdings nicht den Anforderungen an einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB genügen müssen (BAG EZA § 9 KSchG, Nr. 20). Der Auflösungsantrag der Beklagten ist danach begründet.

33

Das die Klägerin in der vorgetragenen Häufigkeit mit Herrn ... privat telefoniert hat, steht zur Überzeugung der Kammer fest. Die Telefonate sind von ihrem Dienstapparat geführt worden, soweit eine Arbeitszeiterfassung erfolgte (für die Klägerin angeordnet ab September 1995), liegen sämtliche Telefonate auch in ihrer persönlichen Arbeitszeit. Es gibt keine Anhaltspunkte für einen Mißbrauch des Dienstapparates durch andere Personen. Durch die Privattelefonate ist das Arbeitsverhältnis damit objektiv belastet.

34

Das Verhältnis der Klägerin zum Personalleiter, davon gehen beide Parteien aus, ist erheblich belastet. Die Beklagte verweist zutreffend auch auf den Prozeßvortrag der Klägerin. Die Klägerin hat insoweit ausgeführt, der Zeuge ... habe ihr erklärt, er wolle sie fertigmachen, er wolle sie von ihrem Arbeitsplatz verdrängen, um seine frühere Sekretärin einzustellen. Sie sei Kontrollen, Beleidigung, Drohungen, Nervenproben, Demütigung und übermäßige Belastungen ausgesetzt gewesen. Auch wenn erkennbar ist, daß der Zeuge ... das Arbeitsverhältnis beenden wollte (Betriebsratsanhörung zu betriebsbedingten Kündigung), ist der von der Klägerin im Prozeß erhobene Schikanevorwurf, weil nicht beweisbar, eine weitere Belastung für einen zukünftigen Einsatz der Klägerin.

35

Die Beklagte hält der Klägerin auch zu Recht vor, daß sie im Prozeß versucht hat, die Privattelefonate zu leugnen bzw. zu bagatellisieren. Noch in der Berufungserwiderung auf Seite 5 deutet sie an, daß viele Gespräche außerhalb der Arbeitszeit liegen und nicht ihr geführt sein können.

36

Schließlich gibt es keine nachvollziehbare Erklärung für die Vielzahl der Telefonate. Soweit die Klägerin behauptet, sie habe die Probleme am Arbeitsplatz mit Herrn Kluge besprochen, ist das nicht nachvollziehbar. Es handelt sich mit wenigen Ausnahmen um kurze Ferngespräche. Eine auch nur ansatzweise Problemerörterung ist bei der kurzen Dauer der Gespräche kaum vorstellbar. Mit ihrem untauglichen Erklärungsversuch provoziert die Klägerin geradezu, für das Gericht nachvollziehbar, Spekulationen und Mißtrauen.

37

Da sie als Sekretärin in einer Vertrauensstellung tätig war, ein relativ hohes Gehalt bezog, ist danach von der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung auszugehen. Das Arbeitsverhältnis war trotz der langen Betriebszugehörigkeit aufzulösen.

38

Die Kammer hält eine Abfindung in Höhe von 8 Monatsgehältern für angemessen. Die Klägerin war 15 Jahre beschäftigt, wobei 3 Jahre auf ein Ausbildungsverhältnis entfallen. Sie hat durch die Privattelefonate erheblich zur Belastung des Arbeitsverhältnisses beigetragen. Andererseits ist der Beklagten die rechtswidrige Verwertung der Telefondaten vorzuhalten, sowie die Tatsache, daß sie nicht für eine klare Regelung der Privattelefonate gesorgt hat. Angemessen war dann aber ein Abfindungsbetrag in Höhe von 2/3 des gesetzlichen Höchstbetrages nach § 10 KSchG.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes auf § 12 Abs. 7 ArbGG.

40

Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.