Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.05.1998, Az.: 1 TaBV 41/97

Tarifwidriges Verhalten des Arbeitgebers durch Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden bei vorheriger tarifgemäßer Einstellung des Arbeitnehmers zu 35 Stunden die Woche

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
28.05.1998
Aktenzeichen
1 TaBV 41/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 10773
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:0528.1TABV41.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover -19.03.1997 - AZ: 2 BV 19/96

Fundstellen

  • AuR 1998, 379 (amtl. Leitsatz)
  • BB 1998, 1535-1536 (Volltext)
  • DB 1998, 1523 (Volltext mit amtl. LS)
  • FA 1998, 320
  • FAr 1998, 320
  • NZA-RR 1998, 362-366 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die tarifliche Festlegung in § 3 Ziff. 2 GMTV, nur für 18 % der Beschäftigten einer Belegschaft eine über 35 Stunden hinausreichende bis zu 40-Stunden-Wochenarbeitszeit zuzulassen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Eine entsprechende tarifliche Bestimmung, die auch nicht tarifgebundene Arbeitnehmer (Außenseiter) erfaßt, dient als betriebliche Norm der notwendig einheitlichen Gestaltung des Mitarbeiterkreises in den Betrieben.

  2. 2.

    Ein Arbeitgeber, der zunächst unter Beteiligung des Betriebsrats einen Arbeitnehmer zu 35 Stunden die Woche tarifgemäß eingestellt hat und wenige Monate später im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden erhöht, verletzt jenseits der 18 % Beschäftigungsquote seine tariflichen Pflichten. Ein solches tarifwidriges Verhalten des Arbeitgebers umgeht jedoch nicht die gesetzlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus §§ 87 Abs. 1 Nr. 3, 99 BetrVG 1972.

  3. 3.

    Der GMTV weist dem Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber nur nachträgliche Unterrichtungsrechte zu, die im zurückliegenden Quartal mit verlängerter wöchentlicher Arbeitszeit beschäftigten Arbeitnehmer zu benennen. Es fehlt indessen im GMTV an einer tariflichen Regelung, die dem Betriebsrat ein eigenständiges Recht gibt, dem Arbeitgeber untersagen zu lassen, jenseits der tariflichen 18 % Beschäftigungsquote nachträglich Vereinbarungen mit Arbeitnehmern zu einer 35 Stunden übersteigenden Wochenarbeitszeit zu treffen oder Arbeitnehmer über diesen Rahmen hinaus im Jahresdurchschnitt tatsächlich zu beschäftigen.

  4. 4.

    Es war nicht zu entscheiden, ob es in der Macht der tarifvertragschließenden Gewerkschaft liegt, gegenüber dem inzwischen aus dem Arbeitgeberverband ausgetretenen Arbeitgeber die Einhaltung der tariflichen Beschäftigungsquote bis zum Ablauf des Tarifvertrages zu erzwingen.

In dem Beschlußverfahren
hat
die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts
auf die mündliche Anhörung vom 19.03.1998
durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts und die ehrenamtlichen Richter
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) wird unter Zurückweisung der Beschwerde des Betriebsrats (Beteiligter zu 1) der Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 19. März 1997 - 2 BV 19/96 - abgeändert. Die Anträge des Betriebsrats werden insgesamt zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluß wird für den Betriebsrat zugelassen.

Gründe:

1

A.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2.) betreibt ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie und beschäftigt etwa 230 Arbeitnehmer. Sie gehörte bis zu ihrem Austritt am 31. Dezember 1997 dem Verband der Metallindustriellen Niedersachsen e.V. als Mitglied an. Dieser Verband hat mit der Gewerkschaft IG Metall den Gemeinsamen Manteltarifvertrag für die Beschäftigten in der Nds. Metallindustrie (im folgenden GMTV) geschlossen. Der antragstellende, im Betrieb der Beteiligten zu 2.) gebildete Betriebsrat (Beteiligter zu 1.) streitet mit der Arbeitgeberin darüber, ob sie die tariflich im GMTV vorgegebene Beschäftigungsquote von 18 % für Arbeitnehmer mit verlängerter Wochenarbeitszeit dadurch dauerhaft überschreiten darf, daß sie entweder jenseits der tariflich zugelassenen Beschäftigungsquote Arbeitnehmer mit mehr als 35 Stunden die Woche einstellt oder nach tarifgemäßer Einstellung im Einvernehmen mit den Arbeitnehmern die Wochenarbeitszeit auf über 35 Stunden die Woche erhöht. Der Betriebsrat verlangt von der Arbeitgeberin, diese Handhabung in Zukunft zu unterlassen.

2

In dem GMTV vom 17. Oktober 1994, gültig ab dem 01. Dezember 1994, heißt es hierzu:

3

§ 3

4

Regelmäßige Arbeitszeit

"(1)
Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 36 Stunden, ab 01.10.1995 35 Stunden. Entsprechendes gilt für die Ausbildungszeit.

(2)
Soll für einzelne Beschäftigte die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert werden, bedarf dies der Zustimmung des bzw. der Beschäftigten. Lehnen Beschäftigte die Verlängerung ab, so darf ihnen daraus kein Nachteil entstehen. Bei der Vereinbarung einer solchen Arbeitszeit bis zu 40 Stunden besteht Anspruch auf eine dieser Arbeitszeit entsprechende Bezahlung.

Die vereinbarte Arbeitszeit kann einvernehmlich geändert werden oder auf Wunsch des bzw. der Beschäftigten oder des Arbeitgebers mit einer Ankündigungsfrist von 3 Monaten. Das Arbeitsentgelt wird entsprechend angepaßt.

Der Arbeitgeber teilt dem Betriebsrat jeweils am Ende des Quartals für das zurückliegende Quartal die Beschäftigten mit verlängerter individueller regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit mit. Dazu zählen nicht die in § 1 (3) a) Genannten. Die Zahl der Beschäftigten mit verlängerter Arbeitszeit darf 18 % aller sonstigen Beschäftigten des Betriebs nicht übersteigen. Zu den Beschäftigten zählen nicht Praktikanten und Praktikantinnen, Volontäre und Volontärinnen u.ä. sowie Heimarbeiter und Heimarbeiterinnen und Teilzeitbeschäftigte gemäß § 3 Ziff. (9) Satz 3.

(3)
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit bzw. Ausbildungszeit und die Pausen werden mit dem Betriebsrat vereinbart. Abweichend von § 4 Satz 2 Arbeitszeitgesetz kann die Gesamtdauer der Ruhepausen in Schichtbetrieben und Verkehrsbetrieben auf Kurzpausen von angemessener Dauer aufgeteilt werden.

Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sowie die wöchentliche Ausbildungszeit kann grundsätzlich gleichmäßig oder ungleichmäßig auf 5 Werktage von Montag bis Freitag verteilt werden. Eine davon abweichende Verteilung kann nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse mit dem Betriebsrat vereinbart werden. Diese wöchentliche Arbeitszeit muß im Durchschnitt von 6 Monaten erreicht werden. In den Betriebs Vereinbarungen über die Arbeitszeitverteilung sind auch Beginn und Ende der Ausgleichszeiträume festzulegen.

Ausfallende Arbeitszeit kann mit Zustimmung des Betriebsrates im Rahmen der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zuschlagsfrei vor- oder nachgeholt werden.

(4)
Aus Anlaß der Neufestsetzung der Arbeitszeit wird die Auslastung der betrieblichen Anlagen und Einrichtungen nicht vermindert.

Bei einer Differenz zwischen Betriebsnutzungszeit und der Arbeitszeit für die einzelnen Beschäftigten kann der Zeitausgleich auch in Form von freien Tagen erfolgen. Dabei muß zur Vermeidung von Störungen im Betriebsablauf eine möglichst gleichmäßige Anwesenheit der Beschäftigten gewährleistet sein. Bei der Festlegung der freien Tage sind die Wünsche der Beschäftigten zu berücksichtigen. Es dürfen nicht mehr als 5 freie Tage zusammengefaßt werden.

(5)
Aus Anlaß der Neufestsetzung der Arbeitszeit darf es nicht zu einer unzumutbaren Leistungsverdichtung kommen. Dieses ist durch Neueinstellung, eine Änderung der Arbeitsverteilung oder in sonstiger Weise zu vermeiden. Erachten der Betriebsrat und/oder der bzw. die Betroffene die vorgesehenen Maßnahmen als ungenügend, so haben sie ein Reklamationsrecht. Zwischen Arbeitgeber und dem Betriebsrat ist über die notwendigen Maßnahmen mit dem Willen zur Einigung zu verhandeln.

(6)
Kommt eine Einigung nach Ziff. (3) und (4) mit dem Betriebsrat nicht zustande, so entscheidet die tarifliche Schlichtungsstelle gem. § 30 ..."

§ 30

Tarifliche Schlichtungsstelle

"(1)
Bei Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung in Fällen von Arbeitszeitregelungen gem. § 3 Ziff. 3 und 4. Mehrarbeit (§ 5) und des § 87 Abs. 1 Ziff. 10 und 11 BetrVG einschließlich der Reklamationen bei Leistungslohn tritt an die Stelle der Einigungsstelle gem. § 76 Abs. 8 BetrVG die tarifliche Schlichtungsstelle ..."

§ 31

Gesamtstreitigkeit der Tarifvertragsparteien

"Zur Beilegung von Streitigkeiten, die sich aus der Auslegung und Durchführung von Tarifverträgen der Tarifvertragsparteien ergeben sowie über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, ist zunächst eine Verständigung der Tarifvertragsparteien anzustreben. Gelingt dies nicht, so kann von jeder Seite der Tarifvertragsparteien das Schiedsgericht angerufen werden. Der Antrag auf Anrufung ist an die Gegenpartei zu richten ..."

5

Eine Anrufung der tariflichen Schlichtungsstelle brachte in der Sitzung vom 01. Dezember 1995 keine einvernehmliche Klärung des unterschiedlichen Verständnisses der Tarifnorm (Bl. 22 f. d.A.). Die Beteiligten trafen indessen eine Regelung zur gleitenden Arbeitszeit. In der Betriebs Vereinbarung vom 01. Dezember 1995 (Bl. 24 f. d.A.) findet sich in Nummer 2 folgende Bestimmung:

"2.
Tarifliche Regelung

Die für diese Regelung vorgegebene individuelle regelmäßige Arbeitszeit beträgt gemäß § 3 (1) GMTV 35 Stunden sowie im Rahmen von § 3 (2) GMTV bis zu 40 Stunden, wobei § 3 (2) Unterabsatz 3. Satz 3 GMTV eine Begrenzung der Zahl der Beschäftigten mir verlängerter Arbeitszeit auf 18 % aller sonstigen Beschäftigten des Betriebes vorsieht."

6

Die Arbeitgeberin beschäftigt seit Inkrafttreten des GMTV weit mehr als 18 % der Beschäftigten mit einer Wochenarbeitszeit von über 35 Stunden. Entweder stellte sie die Arbeitnehmer/innen mit mehr als 35 Stunden die Woche mit Zustimmung des Betriebsrats ein oder sie erhöhte nach ihrer Einstellung einvernehmlich die Arbeitszeit auf mehr als 35 Stunden die Woche. Am 01. Februar 1996 wurde beispielsweise mit Zustimmung des Betriebsrats der Arbeitnehmer ... mit einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden eingestellt. Zum 01. Juni 1996 vereinbarte die Arbeitgeberin im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Zum 01. März 1996 wurde mit Zustimmung des Betriebsrats die Arbeitnehmerin ... zu 35 Stunden die Woche eingestellt. Zum 01. April 1996 erhöhten die Arbeitsvertragsparteien die Wochenarbeitszeit einvernehmlich auf 40 Stunden. Der Betriebsrat beanstandete gegenüber der Arbeitgeberin bereits mit Schreiben vom 26. August 1994, daß die zulässige tarifliche Beschäftigungsquote für Arbeitnehmer mit verlängerter Arbeitszeit nicht eingehalten werde (Bl. 122 f.). Die Arbeitgeberin bemängelte ihrerseits mit Schreiben vom 08. Mai 1996 als rechtswidrig, daß der Betriebsrat ihre Einstellungsvorschläge in letzter Zeit ablehne, soweit dort bei Vollzeitkräften nicht zusätzliche Informationen über die geplante individuelle regelmäßige Wochenarbeitszeit angegeben würden (Bl. 124 d.A.).

7

Der Betriebsrat hat die Rechtsauffassung vertreten, die verfassungsrechtlich einwandfreie Bestimmung des § 3 GMTV verschaffe ihm ein eigenständiges Recht, das Einhalten der tariflichen Quotenregelung zu überwachen und sie unter Umständen durchzusetzen. Seine tarifliche Richtigkeitskontrolle bei Einstellung werde durch die Verhaltensweise der Arbeitgeberin umgangen, wie in den Fällen ... und einer Vielzahl weiterer unstreitiger Vorgänge. Die mit der Arbeitgeberin geschlossene Betriebs Vereinbarung vom 01. Dezember 1995 würde ihm einen zusätzlichen kollektiven Durchführungsanspruch gewähren.

8

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich - soweit hier noch im Streit - beantragt,

  1. 1.

    der Arbeitgeberin zu untersagen, Arbeitnehmer mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als 35 Stunden einzustellen, soweit hierdurch die Zahl der Beschäftigten mit einer über 35 Stunden hinausgehenden Arbeitszeit 18 % aller sonstigen Beschäftigen des Betriebs übersteigt,

  2. 2.

    der Arbeitgeberin zu untersagen, mit Arbeitnehmern eine Wochenarbeitszeit von mehr als 35 Stunden zu vereinbaren, soweit hierdurch die Zahl der Beschäftigten mit einer über 35 Stunden hinausgehenden Arbeitszeit 18 % aller sonstigen Beschäftigten des Betriebs übersteigt,

  3. 3.

    der Arbeitgeberin zu untersagen, mehr als 18 % der Beschäftigten mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 35 Stunden im Jahresdurchschnitt zu beschäftigen,

  4. 4.

    bis 6. c ...

9

Der Betriebsrat hat weiter hilfsweise beantragt,

anstelle der beantragten Androhung von Zwangsgeld/Zwangshaft die Verhängung von Ordnungsgeld anzudrohen.

10

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge des Betriebsrats insgesamt zurückzuweisen.

11

Sie hat die tarifliche Quotenregelung in § 3 GMTV für verfassungs- und gesetzeswidrig erachtet. Im übrigen hat sie dem Antrag des Betriebsrats zu 1) das Rechtsschutzinteresse abgesprochen. Gegen den Antrag zu 2) wendet sie ein, daß dem Betriebsrat, auch nicht über den Umweg des § 23 Absatz 3 BetrVG, ein Recht nicht zustehe, verlängerte Wochenarbeitszeiten mit den Arbeitnehmern zu untersagen. Der GMTV verschaffe dem Betriebsrat nur ein Informationsrecht. Aus dem klaren Wortlaut ließen sich weitergehende Rechte des Betriebsrates nicht ableiten.

12

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 19. März 1997 der Arbeitgeberin untersagt, mit Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen nachträglich innerhalb der ersten 6 Monate des Bestehens des Arbeitsverhältnisses eine Wochenarbeitszeit von mehr als 35 Stunden zu vereinbaren, soweit hierdurch die Zahl der Beschäftigten mit einer über 35 Stunden hinausgehenden Arbeitszeit 18 % aller sonstigen Beschäftigten des Betriebs übersteigt. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung hat es dem Arbeitgeber ein Ordnungsgeld bis zu 20.000,00 DM angedroht. Im übrigen hat es die Anträge des Betriebsrates zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen folgendes ausgeführt: Der Unterlassungsanspruch des Betriebsrates ergebe sich aus § 23 Abs. 3 BetrVG. da die Arbeitgeberin mit der nachträglich einvernehmlich geänderten Wochenarbeitszeit die ihr obliegende Pflicht grob verletzt habe, bei Einstellungen den Betriebsrat zu beteiligen. Zwar seien die nachträglichen Arbeitzeiterhöhungen für sich genommen keine Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG und lösten mithin ein Beteiligungsrecht des Betriebsrates nicht aus. Es handele sich aber um einen Umgehungstatbestand im Sinne von § 162 Abs. 2 BGB. wenn eine solche Arbeitszeitveränderung zeitlich eng mit der Einstellung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin verknüpft sei, die nachträglich vereinbarte Arbeitszeit dem Tarifrecht widerspreche, und die Arbeitgeberin treuwidrig gewußt habe, daß der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung bei einer 40-Stunden-Woche nicht erteilt hätte. Dieses Wissen habe die Arbeitgeberin seit dem Schreiben des Betriebsrates vom 26. August 1994 gehabt. Spätere Einstellungen seien ohne Angabe der Wochenarbeitszeit erfolgt, obwohl der Betriebsrat mit Rücksicht auf die tarifliche Beschäftigungsquote und das Widerspruchsrecht des Betriebsrates aus § 99 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG eine solche zusätzliche Unterrichtung hätte verlangen können. Seit Anfang 1996 habe der Betriebsrat deshalb zu Recht auf die Angabe der Wochenarbeitszeit bestanden. Mit der zahlenmäßigen Überschreitung des tariflich erlaubten Kreises von Mitarbeitern mit mehr als 35-Stunden-Woche stelle sich jede Neueinstellung mit 40 Wochenarbeitsstunden als Verstoß gegen § 3 Ziff. 2 GMTV dar. Die Tarifbestimmung bezwecke ein Verbot der Beschäftigung jenseits der 35 Stundenwoche, soweit die Quotenregelung erschöpft sei. Eine solche tarifliche Regelung schränke zwar die Vertragsfreiheit und Berufsausübungsfreiheit der Arbeitgeberin aus Art. 2 Abs. 1, 12 GG ein. Die Einschränkung rechtfertige sich indessen aus der arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung des Tarifvertrages (Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG), Beschäftigung zu sichern und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Sie taste den Wesensgehalt der Grundrechte nicht an (Art. 19 Abs. 3 GG). Es sei schließlich nicht erkennbar, daß die Arbeitgeberin nur wegen plötzlich veränderter betrieblicher Umstände gezwungen gewesen sei, die wöchentliche Arbeitszeit mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern über 35 Stunden die Woche hinaus auszuweiten. Das ferner von der Arbeitgeberin ins Feld gerührte Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) komme bei einer, auch den Arbeitnehmer belastenden Betriebsnorm (§ 3 Abs. 2 TVG) nicht zum Tragen. Die treuwidrig, nur der Form halber herbeigeführte Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung von Mitarbeitern, deren Arbeitszeit alsbald erhöht wurde, stelle sich daher als grober Pflichtverstoß gegen § 99 BetrVG dar. Das Gericht habe für die Untersagung nach § 23 Abs. 3 BetrVG allerdings den engen zeitlichen Zusammenhang mit der Einstellung beachten und deshalb einen Zeitrahmen von 6 Monaten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses setzen müssen. Dem Unterlassungsanspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG stehe § 101 BetrVG nicht entgegen, da der Betriebsrat eine über die konkreten Einzelmaßnahmen hinausgehende Verfahrenssicherung erstrebe. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung und der näheren Darstellung des Vorbringens der Beteiligten im ersten Rechtszug wird im übrigen auf den Beschluß des Arbeitsgerichts (Bl. 145-170) Bezug genommen.

13

Der Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover ist der Arbeitgeberin am 09. Mai 1997 und dem Betriebsrat am 12. Mai 1997 zugegangen. Die Arbeitgeberin hat am 02. Juni 1997 gegen den Beschluß Beschwerde eingelegt und ihre Beschwerde am 25. Juni 1997 begründet. Der Betriebsrat hat am 10. Juni 1997 eine mit Begründung versehene Beschwerde beim Landesarbeitsgericht eingereicht.

14

Die Arbeitgeberin ist der Rechtsüberzeugung, dem Betriebsrat stünden keine die Beteiligung aus § 99 BetrVG übersteigenden Rechte zur inhaltlichen Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse zu. Von daher fehle es auch an einem Umgehungstatbestand im Sinne von § 162 Abs. 2 BGB. Der GMTV gewähre dem Betriebsrat nur Unterrichtungsrechte zur Beschäftigungsquote im Betrieb. Die Tarifvertragsparteien hätten für den Fall einer Überschreitung der 18 % Beschäftigungsquote eine Sanktionsregelung nicht getroffen. Diese Regelungslücke sei von den Arbeitsgerichten zu respektieren. Nicht alle Anstellungsmaßnahmen seien tarifwidrig gewesen, da sie als Arbeitgeberin nach neuerer Rechtsprechung des BAG (Beschluß vom 17.06.1997 - 1 ABR 3/97 -) die Quote der über 35 Stunden beschäftigten Arbeitnehmer innerhalb des Meldezeitraums eines Quartals habe überschreiten dürfen. Die länger arbeitenden Arbeitnehmer seien auch nicht wehrlos, da sie nach § 5 Ziff. 2 Satz 3 GMTV mit einer Ankündigungsfrist von 3 Monaten zur 35-Stunden-Woche zurückkehren könnten. Dieses Wahlrecht des Arbeitnehmers. 40 oder 35 Stunden die Woche mit entsprechendem Arbeitsentgelt zu arbeiten, unterfalle auch dem arbeitsrechtlichen Günstigkeitsprinzip. Anderenfalls wäre § 3 GMTV eine unzulässige Höchstarbeitsbedingung. Die tarifliche Quotenregelung sei überdies verfassungsrechtlich bedenklich, da sie die negative Koalitionsfreiheit der tariflich nicht gebundenen Arbeitnehmer verletze und eine Zwei-Klassengesellschaft in der Belegschaft des Betriebes schaffe. Die Zulässigkeit einer tariflichen Quotenregelung sei im Schrifttum höchst umstritten. Ihre Verletzung könne daher nicht als grober Verstoß im Sinne von § 23 Abs. 3 BetrVG bewertet werden. Außerdem habe das Arbeitsgericht die betrieblichen Erfordernisse einer breit angelegten Arbeitszeitverlängerung nicht hinreichend gewürdigt. Für den vom Arbeitsgericht festgelegten 6-Monats-Zeitraum nach der Einstellung, innerhalb dessen eine Veränderung der Arbeitszeit unzulässig sei, fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.

15

Die Arbeitgeberin beantragt

den Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 19.03.1997 - 2 BV 19/96 - zu ändern, sofern er der Arbeitgeberin untersagt hat, mit Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen nachträglich innerhalb der ersten 6 Monate des Bestehens des Arbeitsverhältnisses eine Wochenarbeitszeit von mehr als 35 Stunden zu vereinbaren, soweit hierdurch die Zahl der Beschäftigten mit einer über 35 Stunden hinausgehenden Arbeitszeit 18 % aller sonstigen Beschäftigten des Betriebes übersteigt, und in diesem Umfang den Antrag zurückzuweisen.

16

Der Betriebsrat nimmt seine Anträge 4. bis 6. c zurück und beantragt unter Zurückweisung der Beschwerde der Arbeitgeberin den Beschluß des Arbeitsgerichts teilweise abzuändern und

  1. 1.

    der Arbeitgeberin zu untersagen, Arbeitnehmer mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als 35 Stunden zu vereinbaren, soweit hierdurch die Zahl der Beschäftigten mit einer über 35 Stunden hinausgehenden Arbeitszeit 18 % aller sonstigen Beschäftigten des Betriebs übersteigt;

  2. 2.

    der Arbeitgeberin zu untersagen, mit Arbeitnehmern eine Wochenarbeitszeit von mehr als 35 Stunden zu vereinbaren, soweit hierdurch die Zahl der Beschäftigten mit einer über 35 Stunden hinausgehenden Arbeitszeit 18% aller sonstigen Beschäftigten des Betriebs übersteigt;

  3. 3.

    der Arbeitgeberin zu untersagen, mehr als 18 % der Beschäftigten mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 35 Stunden im Jahresdurchschnitt zu beschäftigen,

    hilfsweise, daß die Untersagungen gemäß den Ziff. 1. bis 3. für den 18 %-igen Durchschnitt eines Quartals gelten, sowie der Arbeitgeberin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ersatzweise Ordnungshaft anzuordnen.

17

Der Betriebsrat wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den vom Arbeitsgericht festgelegten Zeitrahmen von 6 Monaten, der ein Erreichen der tariflichen Zielsetzung verhindere. Rechtliche Grundlage seiner Anträge sei ein Unterlassungsanspruch aus § 99 BetrVG. Der GMTV erweitere hierzu seine gesetzlichen Beteiligungsrechte bei Einstellung der Arbeitnehmer, was zulässig sei. Ihm stünden nach dem GMTV mehr als nur Informationsrechte zu. Weder die Tarifvertragsparteien noch die betreffenden Arbeitnehmer seien imstande die Arbeitgeberin zu bewegen, die tarifliche Beschäftigungsquote für Arbeitnehmer mit höherer Arbeitszeit einzuhalten. Deshalb räume § 3 Ziff. 2 GMTV dem Betriebsrat materielle Rechte bei der Beachtung dieser Quote ein, denen auch Durchsetzungsmöglichkeiten zugeordnet werden müßten. Soweit es um die Verteidigung einzelvertraglicher Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem Tarifvertrag gehe, spiele die Trennung von individual- und kollektivrechtlicher Ebene nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Eingruppierung (Beschluß vom 03.05.1994 - 1 ABR 58/93 -) keine Rolle mehr. Nach der Erkenntnis des Bundesarbeitsgerichts vom 17.06.1997 (1 ABR 3/97) sei bei dauerhafter Überschreitung der tariflichen Beschäftigungsquote ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zu erwägen.

18

Die Arbeitgeberin beantragt die Beschwerde des Betriebsrats und seine neugestellten Hilfsanträge zurückzuweisen. Der teilweisen Antragsrücknahme wird zugestimmt.

19

Das Landesarbeitsgericht hat das Verfahren zu den Anträgen 4. bis 6. c eingestellt. Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze vom 09. Juni. 25. Juni. 25. November. 18. Dezember 1997 sowie vom 05. Januar. 21. Januar, 04. März und 16. März 1998 verwiesen. Im übrigen wird die Sitzungsniederschrift zum Anhörungstermin vom 19. März 1998 in Bezug genommen.

20

B.

I.

Die Beschwerden der Arbeitgeberin und des Betriebsrats gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 09. Mai 1997 sind zulässig. Sie sind jeweils form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

21

Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat Erfolg. Dem Betriebsrat steht weder aus dem GMTV noch aus dem BetrVG ein Unterlassungsanspruch zu, die nach Einstellung zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer einvernehmlich vereinbarte erhöhte Wochenarbeitszeit jenseits der 18 % Quote des § 3 Ziff. 2 GMTV zu unterbinden. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist daher teilweise abzuändern. Die Anträge des Betriebsrats sind insgesamt abzuweisen. Die Beschwerde des Betriebsrates und seine neugestellten Hilfsanträge unterfallen ebenfalls der Zurück- und Abweisung.

22

II.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2.) dringt mit ihrer Beschwerde durch.

23

1.

§ 3 Ziff. 2 GMTV setzt rechtswirksame Schranken für die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit einer die tariflich vorgesehene Regelarbeitszeit von 35 Stunden die Woche überschreitenden Arbeitszeit. Die Tarifbestimmung ist als Betriebsnorm zulässig. Verfassungsrechtliche Bedenken sind insoweit nicht angezeigt. Die Beschäftigungsquote von 18 % für Arbeitnehmer mit längerer Wochenarbeitszeit kann nicht aufgrund des Günstigkeitsprinzips überschritten werden. Dem Betriebsrat stehen indessen keine Durchsetzungsrechte aus dem GMTV zu. Eine kollektive Sanktionsregelung im Tarifvertrag fehlt, die dem Betriebsrat über ein Unterrichtungsrecht hinaus Befugnisse zuweist.

24

a.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die in ihren Rechtsfolgen umstrittene Tarifbestimmung in § 3 Ziff. 2 GMTV eine Betriebsnorm im Sinne von § 3 Abs. 2 TVG ist. Die Normwirkung erstreckt sich - ohne Rücksicht auf die Gewerkschaftszugehörigkeit einzelner oder aller Arbeitnehmer - auf sämtliche Arbeitsverhältnisse des Betriebs, soweit nur der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Betriebsnormen erfassen nur Regelungsgegenstände, die unmittelbar die Organisation und Gestaltung des Betriebes betreffen und deshalb nur einheitlich gestaltet werden können. Hierzu zählt auch die Zusammensetzung des Mitarbeiterkreises in qualitativer (Besetzungsregeln) oder quantitativer (Quote) Hinsicht (BAG 17. Juni 1997 - 1 ABR 3/97 = DB 1997, 1418 m.w.N.).

25

Die Tarifvertragsparteien haben in § 3 Ziff. 1 GMTV ab 1995 die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden festgelegt. Sie haben zugleich in Ziff. 2 gestattet, im Rahmen einer näher zu bestimmenden Zahl der Beschäftigten des Betriebes von 18 %, einvernehmlich eine bis zu 40 Stunden die Woche verlängerte Wochenarbeitszeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzeln zu vereinbaren. Die Quote mißt sich erkennbar an der Zahl aller Beschäftigten des Betriebes im Sinne von § 3 Ziff. 2 GMTV, ohne Rücksicht auf deren Gewerkschaftsmitgliedschaft. Sinn und Zweck der tariflichen Regelung liegt darin, die aus Gründen der angespannten Arbeitsmarktsituation von der Gewerkschaft durchgesetzte Verkürzung der Regelwochenarbeitszeit in Teilen mit Rücksicht auf betriebliche Bedürfnisse wieder zu lockern. Diese Ziele lassen sich nur über eine Betriebsnorm erreichen, wenn auch ansonsten die Festlegung der Arbeitszeitdauer den Inhaltsnormen zuzurechnen ist und ihre Geltung dann beiderseitige Tarifbindung voraussetzt (vgl. Hromadka AuA 1998, 73). Dieser Sinn und Zweck erschließt sich auch aus der weiteren tariflichen Regelung, nach der die verlängerte Arbeitszeit einvernehmlich oder auf Wunsch einer der beiden Arbeitsvertragsparteien mit einer 3-monatigen Ankündigungsfrist wieder rückgängig gemacht werden kann. Der Betriebsrat ist dabei quartalsweise nur über die Beschäftigten mit verlängerter individueller regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit zu unterrichten.

26

Die tarifliche Regelung setzt mithin eine Höchstquote für abweichende Arbeitszeitvereinbarungen und legt kollektiv Schranken für eine Verteilung des betrieblichen Arbeitszeitvolumens fest (BAG 17. Juni 1997 a.a.O.). Die darin liegende betriebliche Norm wird ergänzt um eine betriebsverfassungsrechtliche Bestimmung im Sinne von § 3 Abs. 2 TVG. Diese verschafft dem Betriebsrat zusätzliche Unterrichtungsrechte, wie der Arbeitgeber das Arbeitszeitvolumen konkret auf die Belegschaft verteilt und in welchem Umfang er die Beschäftigungsquote ausgenutzt hat.

27

b.

Die Festlegung einer tariflichen Beschäftigungsquote verletzt die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2.) nicht in ihren Grundrechten aus Art. 2, 3 und 12 GG. Auch insoweit ist der Entscheidung des Arbeitsgerichts beizutreten.

28

(aa)

Gemessen an den oben dargelegten Sinn und Zweck der tariflichen Beschäftigungsquote führt die tarifliche Betriebsnorm zur Beschränkung der Vertragsfreiheit und der Berufsausübung von Arbeitnehmern und tarifgebundenen Arbeitgebern. Sie schafft auch unter den Vollzeitkräften eine gestaffelte Belegschaft mit unterschiedlicher Wochenarbeitszeit. Jedoch beruhen diese tariflichen Begrenzungen ihrerseits auf grundrechtlicher Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 GG. Danach ist den Tarifvertragsparteien die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen überantwortet. Die Abstriche an Vertrags- und Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen sich aus den arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen des Tarifvertrages, bestehende Beschäftigungsverhältnisse über eine Arbeitszeitverkürzung zu sichern und das vorhandene Arbeitszeitvolumen auch auf Arbeitsuchende mit zu verteilen. Es handelt sich demnach um Gemeinwohlbelange, die in einem Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern eine tarifliche Regelung erfahren haben. Die Einschränkungen der Vertrags- und Berufsausübungsfreiheit treffen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen. Ab Erreichen der Beschäftigungsquote sind nur noch 35 Stunden/Wochen im Vollzeitarbeitsverhältnis zugelassen, was sowohl die Organisationsmacht des Arbeitgebers als auch die Arbeitskraftverwertung des Arbeitnehmers in diesem Arbeitsverhältnis begrenzt. Dem Arbeitgeber bleibt es indessen unbenommen, bei Bedarf zusätzliche Arbeitskräfte (in Vollzeit) einzustellen, und dem Arbeitnehmer ist es nicht verwehrt, seine Arbeitskraft in einem weiteren Arbeitsverhältnis an anderer Stelle auszuschöpfen. Die tariflichen Begrenzungen sind mithin verhältnismäßig und zumutbar. Der GMTV berücksichtigt nicht nur die Interessen einer Seite, er ist kündbar und kann neuen Entwicklungen dann angepaßt werden (vgl. BAG 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - EzA § 4 TVG Druckindustrie Nr. 20 = BAGE 67, 368 ff. zu VI der Gründe).

29

(bb)

Auch die in der Beschwerde der Arbeitgeberin angeführte Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit führt zu keinem anderen Ergebnis. Für die negative Koalitionsfreiheit der Außenseiter nach Art. 9 Abs. 3 GG ergeben sich keine Bedenken.

30

Das TVG geht grundsätzlich davon aus (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG), daß der Tarifvertrag keine Wirkung für Außenseiter entfaltet. Die negative Koalitionsfreiheit umfaßt auch das Recht, außerhalb der Normsetzung der Verbände zu verbleiben. Andererseits ist die nach Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verbürgte Ordnungsfunktion der Verbände für das Arbeitsleben zu bedenken (oben aa). Der Widerstreit von negativer und positiver Koalitionsfreiheit ist deshalb im Wege der praktischen Konkordanz, d.h. in einem Ausgleich der Grundrechte zu lösen (Schleusener ZTR 1998, 100, 103 m.w.N.). Eine Einschränkung der negativen Koalitionsfreiheit ist nach dem heutigen Verständnis der Kernbereichslehre des Bundesverfassungsgerichts (14. November 1995 - 1 BVR 601/92 = NJW 1996, 1201) deshalb möglich, soweit dies zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten ist. Dies ist mit der gesetzlichen Regelung des § 3 Abs. 2 TVG geschehen, indem für betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Normen der Tarifautonomie im Ausnahmefall größere Durchsetzungskraft (auch gegenüber Außenseitern) verliehen wurde. Voraussetzung dafür ist indessen, daß im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Restriktion nur solche Regelungen als betriebliche Normen Anerkennung finden, bei denen die Erstreckung auf Außenseiter erforderlich ist, um überhaupt eine sinnvolle Anwendung der tarifvertraglichen Regelung zu ermöglichen. Davon kann hier nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BAG (17. Juni 1997 - 1 ABR 3/97 = DB 1997, 1418) ausgegangen werden.

31

Es kann offenbleiben, ob der Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 18. Dezember 1997 (2 AZR 709/96 = EzA § 2 KSchG Nr. 28 = DB 1998, 477) zu folgen ist, wenn dort eine Benachteiligung des nichtorganisierten Arbeitnehmers infolge der Betriebsnorm mit der Begründung verneint wird, der Arbeitnehmer könne seine rechtliche Situation durch einen Gewerkschaftsbeitritt nicht verbessern.

32

(cc)

Auch aus der Notwendigkeit demokratischer Legitimation betrieblicher Normen erwachsen zur Überzeugung der Kammer keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die demokratische Legitimation (Art. 20 GG) betrifft nicht nur das Verhältnis Staat/Bürger, sie ist als rechtsstaatliches Prinzip auch auf die Normsetzung der Tarifvertragsparteien zu übertragen (Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie S. 53). Soweit Koalitionen in einem Bereich regelnd tätig werden, in dem der Staat sich in Respekt vor Art. 9 Abs. 3 GG zurücknimmt, müssen sie sich dieser Legitimationsfrage stellen. Damit wird das Problem aufgeworfen, inwieweit die Verbände gegenüber den Außenseitern zur Rechtsetzung nach § 3 Abs. 2 TVG befugt sind. Die gesetzgeberische Zuweisung aus § 3 Abs. 2 TVG, Recht gegenüber Außenseitern zu setzen, stellt von sich aus das Band demokratischer Legitimation zwischen Außenseitern und Tarifvertragsparteien noch nicht her (Schleusener a.a.O. S. 107). Auch ein Rückgriff auf Art. 9 Abs. 3 GG versagt, denn die daraus folgende Legitimation bezieht sich grundsätzlich nur auf die Mitglieder der Verbände. Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht die Erstreckung der Tarifnorm auf die nichttarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung gebilligt (BVerfGE 44, 323, 347 ff.) und hiermit gleichsam das Erfordernis des Demokratieprinzips wieder eingeschränkt. Das Bundesverfassungsgericht hat als zusätzliche Rechtfertigung die Allgemeinverbindlichkeitserklärung für ausreichend gehalten. Wenn die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des § 5 TVG als Unterstützung der autonomen Ordnung nach Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich Anerkennung findet, kann indessen für die gesetzlich zugelassene und gerichtlich überprüfbare Regelung betrieblicher Normen (§ 3 Abs. 2 TVG) durch Tarifvertragsparteien kein anderer Maßstab gelten (Schleusener a.a.O. S. 108 ff.). Immerhin reicht die Allgemeinverbindlichkeitserklärung weiter als die Betriebsnorm, da sie nicht nur die tariflich ungebundenen Arbeitnehmer sondern auch die tariflich ungebundenen Arbeitgeber miterfaßt.

33

(dd)

Die Staffelung der Vollzeitbelegschaft in Arbeitskräfte mit 35-Stunden-Woche einerseits und einer darüberliegenden Arbeitszeit bis zu 40-Stunden-Woche andererseits verstößt nicht gegen Art. 3 GG. Die 18 %-ige Beschäftigungsquote im GMTV hat sich - wie die tarifliche Rechtssetzung allgemein (Löwisch/Rieble, TVG § 1 Rz. 137; Wiedemann, Stumpf TVG 5. Aufl. Einl. Rz. 57, 92 ff: Kraft/Raab Anm. BAG EzA § 2 BeschFG 1985 Nr. 3) - am Gleichheitssatz des GG messen zu lassen. Der Gleichheitssatz ist aber nur verletzt, wenn der Tarifvertrag eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen unterschiedlich behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher An und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BAG 26. April 1990 a.a.O. m.w.N.).

34

Hier fehlt es bereits an einer unterschiedlichen Behandlung, denn die Beschäftigungsquote richtet sich unterschiedslos an alle tarifgebundenen Arbeitgeber und an alle in ihren Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer. Die Regelarbeitszeit beträgt für Vollzeitkräfte 3; Stunden die Woche; die umfangmäßig beschränkten Ausnahmen; sind an die Einhaltung der Beschäftigungsquote und das Einvernehmen der Arbeitsvertragsparteien gebunden. Die Nutzung der Regelung ist deshalb für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer offen. Die bei Ausschöpfen der Beschäftigungsquote eintretende Beschränkung der Vertrags- und Berufsausübungsfreiheit ist kein Gleichheitsverstoß (vgl. dazu oben aa).

35

Verfassungsrechtliche Zweifel an der tariflichen Beschäftigungsquote lassen sich daher zur Überzeugung der Kammer nicht begründen.

36

c.

Die Betriebsnorm des § 3 Ziff. 2 GMTV ist für die Beteiligten entgegen dem Beschwerdevorbringen der Arbeitgeberin trotz ihres zum 31. Dezember 1997 vollzogenen Austritts aus dem tarifvertragschließenden Arbeitgeberverband noch immer bindend.

37

Die aufgrund der Verbandszugehörigkeit einmal eingetretene Tarifbindung bleibt bei Austritt aus dem Verband bestehen, bis der Tarifvertrag endet (§ 3 Abs. 3 TVG).

38

Unstreitig war die Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Abschlusses des GMTV am 17. Oktober 1994 Mitglied im tarifschließenden Arbeitgeberverband. Die Frage der Nachwirkung der umstrittenen Betriebsnorm stellt sich erst, falls die tarifvertragschließenden Verbände ihr Kündigungsrecht zum 31. Dezember 1998 nutzen sollten. Für das hier zu entscheidende Beschlußverfahren kommt es auf diese Rechtsfrage somit nicht an.

39

d.

Die Arbeitgeberin kann sich mit ihrer Beschwerde nicht auf das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG berufen.

40

Dabei kann hier offenbleiben, ob die tarifvertraglich (eingeschränkt) zugelassene Wahl des Arbeitnehmers zwischen einer 35-Stunden- oder 40-Stunden-Woche im Arbeitsverhältnis überhaupt dem Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG unterfällt.

41

Wie bereits ausgeführt (oben II 1 a) dient eine Betriebsnorm im Sinne des § 3 Abs. 2 TVG einer einheitlichen Regelung im Betrieb. Individualrechtliche Abweichungen davon sind "wegen evident sachlogischer Unzweckmäßigkeit" nicht erlaubt, da die Betriebsnorm sonst wirkungslos wird (vgl. BAG 17. Juni 1997 a.a.O.; Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. § 4 Rz. 167; Löwisch/Rieble a.a.O. § 3 Rz. 87, § 4 Rz. 179, 191). § 3 Ziff. 2 GMTV soll mit der zahlenmäßigen Eingrenzung von Arbeitsverhältnissen mit längerer als der tariflich regelmäßig zugelassenen Wochenarbeitszeit eine kollektive Beschäftigungssicherung der Belegschaft fördern. Dieser kollektive Schutz ginge verloren, wenn der Arbeitgeber unabhängig davon nach § 4 Abs. 3 TVG durchgehend längere Wochenarbeitszeiten mit den Beschäftigten seines Betriebes vereinbaren könnte.

42

e.

Die Arbeitgeberin hat mit ihrer, die 18 % Quote weit überschreitenden Beschäftigung von länger arbeitenden Arbeitnehmern § 3 Ziff. 2 GMTV verletzt. Der GMTV weist dem Betriebsrat indessen keine eigenen, neben dem BetrVG stehenden Durchsetzungsrechte zu. Der Betriebsrat kann die Arbeitgeberin nur nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darauf hinweisen, daß die betriebliche Beschäftigungsnorm des § 3 Ziff. 2 GMTV nicht eingehalten worden ist und ihre tarifgemäße Handhabung anmahnen. Wortlaut, Systematik und Zweck der Tarifregelung lassen eine Auslegung nicht zu, die dem Betriebsrat eine umfangreichere Rechtsposition einräumt.

43

(aa)

Ausgehend von der Regelarbeitszeit von 35 Stunden die Woche gestattet § 3 Ziff. 2 Sätze 1-3 GMTV eine individualrechtlich zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu vereinbarende, höhere Wochenarbeitszeit bis zu 40 Stunden. Die Verlängerung der Wochenarbeitszeit kann nur mit Zustimmung des Beschäftigten erfolgen. Lehnt er sie ab, darf ihm daraus kein Nachteil entstehen. Die verlängerte Wochenarbeitszeit kann nach § 3 Ziff. 2 S. 4 einvernehmlich, auf Wunsch des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers mit einer 3-monatigen Ankündigungsfrist auf die Regelarbeitszeit von 35 Stunden die Woche zurückgeführt werden. Es geht in diesem tariflichen Regelungszusammenhang also nur um Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien. Die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses wird nicht an die Zustimmung des Betriebsrates gebunden. Erst in Satz 6 des § 3 Ziff. 2 GMTV wird der Arbeitgeber verpflichtet, am Ende eines jeden Quartals dem Betriebsrat die Beschäftigten mit verlängerter wöchentlicher Arbeitszeit zu benennen. Dabei zeigt schon die nachträgliche Meldepflicht deutlich auf, daß der Betriebsrat keinen Einfluß auf die Vereinbarung der verlängerten Wochenarbeitszeit nehmen soll. Die vierteljährliche Mitteilungspflicht ist zwar mit der zwei Sätze später festgelegten Beschäftigungsquote verknüpft ("Die Zahl der Beschäftigten mit verlängerter Arbeitszeit darf 18 % aller sonstigen Beschäftigten des Betriebes nicht übersteigen"), für den Fall eines Tarifvertrags Verstoßes sieht hingegen der GMTV eine spezielle Sanktionsregelung zugunsten des Betriebsrates nicht vor. Im Gegenteil. Der Tarifvertrag Span sogar für Ziff. 2 eine Konfliktregelung ausdrücklich aus. Nach § 3 Ziff. 6 i.V.m. § 30 GMTV sind betriebliche Streitigkeiten zu Arbeitszeitregelungen vor eine tarifliche Schiedsstelle zu bringen. Streitigkeiten im Umgang mit der Beschäftigungsquote des § 3 Ziff. 2 GMTV finden jedoch in beiden genannten Bestimmungen keine Erwähnung. Dem ist zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien die Regelung der verlängerten Wochenarbeitszeit den Arbeitsvertragsparteien überlassen wollten und dem Betriebsrat nur einen davon unabhängigen Unterrichtungsanspruch zur Umsetzung der Maßnahmen zugestanden haben. Befugnisse, kollektive Rechte der Belegschaft beim Überschreiten der tariflichen Beschäftigungsquote wahrzunehmen, werden dem Betriebsrat hierbei nicht verliehen. Dafür spricht letztlich die Bestimmung des § 31 GMTV, die es den Tarifvertragsparteien auferlegt, bei Streitigkeiten über die Auslegung und Durchführung des Tarifvertrages zunächst eine Verständigung zu versuchen und im Falle des Scheiterns das tarifliche Schiedsgericht anzurufen.

44

(bb)

Die im GMTV fehlende Sanktion für den Fall der überschrittenen 18 % Beschäftigungsquote ist als bewußte Regelungslücke vom Gericht zu respektieren. Insoweit ist dem Beschwerdevorbringen der Arbeitgeberin zu folgen.

45

Eine Regelungslücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des Tarifvertrag es, die von den Gerichten im Wege der Analogie oder der teleologischen Reduktion geschlossen werden kann. Bewußt gewollte Tariflücken dürfen die Gerichte dagegen in Ansehung der Tarifautonomie aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht füllen, da ein solcher Eingriff sich unzulässigerweise über den Willen der Tarifvertragsparteien hinwegsetzen würde (BAG 13. Juni 1973 - 4 AZR 445/72 - EzA § 1 TVG Nr. 1; Kempen/Zachert a.a.O. Grundlagen Rz. 334; Wiedemann/Stumpf a.a.O. § 1 Rz. 417). Entscheiden sich die Tarifvertragsparteien dafür, die Regelung den Arbeitsvertragsparteien oder den Betriebspartnern zu überlassen, ist von einer solchen bewußten Regelungslücke auszugehen (Löwisch/Rieble a.a.O. § 1 Rz. 425).

46

Die oben zu (aa) vorgenommene Tarifauslegung, die eine nähere Ausgestaltung der tariflich zugelassenen Arbeitszeitverlängerungen allein in die Hände der Arbeitsvertragsparteien legt, ist zur Überzeugung des Beschwerdegerichts ein bewußtes Nichtregeln eines Sanktionsprogramms. Das schließt eine Lückenfüllung durch das Gericht aus.

47

(cc)

Es ist nicht Gegenstand des Verfahrens, ob die tarifvertragschließende Gewerkschaft gegen den Arbeitgeberverband oder das tarifwidrig handelnde Mitglied des Verbandes vorgehen kann. Es geht ausschließlich um die rechtlichen Befugnisse des Betriebsrats. Allerdings trifft es im Ausgangspunkt zu, wenn der Betriebsrat vertritt, daß die sprachliche Wendung "darf" in § 3 Ziff. 2 GMTV für ein dem Arbeitgeber gesetztes Verbot sieht, die tarifliche Beschäftigungsquote von 18 % zu überschreiten. Richtig ist in diesem Zusammenhang auch, daß im Grundsatz derjenige, der Rechte schafft, diese auch durchsetzen können muß. Damit ist jedoch nur aufgezeigt, daß im Zweifel die tarifvertragschließende Gewerkschaft IG Metall und nicht der antragstellende Betriebsrat die Umsetzung der den Interessen der Arbeitnehmer dienende Beschäftigungsquote gegen die nicht mehr verbandsangehörige, aber tarifunterworfene Arbeitgeberin erzwingen kann. Würde es dem Betriebsrat an die Hand gegeben, nach seinem Belieben von der Betriebsnorm Gebrauch zu machen, bliebe offen, wozu der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien weiterreichende Regelungsbefugnisse durch § 3 Abs. 2 TVG zugestanden hat, um die Tarifautonomie zu stärken. Auch könnte die Betriebsnorm in betriebsratslose Betrieben keine Wirkung entfalten. Schließlich würde die gesetzlich vorgegebene Differenzierung zwischen betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Normen aufgegeben.

48

Soweit die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Rechtsverfolgung durch die Gewerkschaft Hürden gesetzt hat (vgl. z.B. BAG 20. August 1991 - 1 ABR 85/90 = EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 41 = BAGE 68, 200 zu B III 2 b der Gründe m.w.N.) wären diese nach Auffassung des Gerichts zu überdenken (vgl. nur Gamillscheg KA. S. 632-640: ders. AuR 1996, 354 ff.; jeweils m.w.N.). Für ein Klagerecht der Gewerkschaft steht schließlich auch die erwähnte Regelung in § 31 GMTV, Auslegungs- und Durchführungsstreitigkeiten nach gescheiterter Verständigung vor ein tarifliches Schiedsgericht zu bringen. Nachdem die Arbeitgeberin den Arbeitgeberverband verlassen hat, kann die Gewerkschaft diesen Weg nicht mehr beschreiten. Sie ist indessen auch nicht mehr an die Friedenspflicht gebunden (vgl. LAG Hamm 31. Januar 1991 - 16 Sa 119/91 = DB 1991, 1126; LAG Rheinland-Pfalz 20. Dezember 1996 - 7 Sa 1247/96 = NZA-RR 1998, 131). Der Gewerkschaft stehen daher andere Wege zur Rechtsdurchsetzung offen.

49

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die Regelung des GMTV allenfalls der tarifschließenden Gewerkschaft, nicht aber dem Betriebsrat (Beteiligter zu 1.) Rechte zur Durchsetzung der 18 % Beschäftigungsquote nach § 3 Ziff. 2 GMTV verschaffen. Davon zu trennen ist die tarifliche Zuweisung zusätzlicher Unterrichtungsrechte des Betriebsrats in § 3 Ziff. 2 S. 6 GMTV (betriebsverfassungsrechtliche Norm).

50

2.

Die zwischen den Beteiligten am 01. Dezember 1995 zur gleitenden Arbeitszeit geschlossene Betriebsvereinbarung vermittelt dem Betriebsrat ebenfalls keinen eigenständigen Durchsetzungsanspruch zur tariflichen Beschäftigungsquote. Das hat auch das Arbeitsgericht richtig gesehen.

51

Zwar steht außer Frage, daß die betriebliche Freizeitausgleichsregelung eine nach § 3 Ziff. 3, 4 GMTV und § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichte Regelung zum Gegenstand hat. Der Betriebsrat (Beteiligter zu 1.) übersieht aber, daß es trotz "kollektiver" Bemessung der Beschäftigungsquote anhand der Kopfzahl der Arbeitnehmer des Betriebes kein kollektives Arbeitszeitdeputat gibt. Der Freizeitausgleich betrifft immer nur den einzelnen Arbeitnehmer, eine kollektive Verteilung des Freizeitguthabens unter Beteiligung des Betriebsrates findet dagegen nicht statt. Im übrigen legt § 2 der Betriebsvereinbarung keine weitergehenden Rechte des Betriebsrates fest, sondern teilt nur die tariflichen Vorgaben aus § 3 Ziff. 2 GMTV ("... vorsieht") mit.

52

3.

Die tarifwidrige Handhabung der Arbeitgeberin verletzt entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht die Rechte des Betriebsrates aus § 99 Abs. 1 BetrVG. Ein Umgehungstatbestand liegt nicht vor, denn der GMTV erweitert nicht die Beteiligungsrechte des Betriebsrates bei Einstellung.

53

a)

Das Beteiligungsrecht des Betriebsrates bei der Einstellung von Arbeitnehmern hat die Arbeitgeberin in der Vergangenheit gewahrt. Der Betriebsrat trägt auch im zweiten Rechtszug nicht vor, daß die Arbeitgeberin Arbeitnehmer ohne seine Zustimmung eingestellt hat. Von daher ist das Rechtsschutzbedürfnis für den vom Betriebsrat in der Beschwerde ihres weiterverfolgten Antrags zu 1) nicht erkennbar. Diese Auffassung hat bereits zutreffend das Arbeitsgericht in seinen Beschlußgründen zu II 2 vertreten.

54

b)

Die Beteiligung des Betriebsrates bei Einstellung wird durch § 3 Ziff. 2 GMTV nur um einen Unterrichtungsanspruch zur Beschäftigungsquote erweitert (oben II 1 e). Der Unterrichtungsanspruch versetzt den Betriebsrat in die Lage, Neueinstellungen mit 40 Stunden die Woche durch Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu unterbinden, falls die mitgeteilte Beschäftigungsquote von 18 % für länger arbeitende Arbeitnehmer im Betrieb bereits ausgeschöpft worden ist. Ein Mehr an Rechten steht dem Betriebsrat aber nicht zu. Seine Mitbestimmung bleibt auf die Einstellung und damit die Eingliederung in die Belegschaft beschränkt. Die materiellen Arbeitsbedingungen im Arbeitsvertrag sind nur dann ein Einstellungshindernis, wenn die Einstellung als solche unterbleiben soll. Eine Inhaltskontrolle des Arbeitsvertrages steht dem Betriebsrat nach § 99 BetrVG grundsätzlich nicht zu (BAG 28. Juni 1994 - 1 ABR 59/93 = EzA § 99 BetrVG Nr. 123; BAG 9. Juli 1996 - 1 ABR 55/95 = EzA § 99 BetrVG Einstellung Nr. 1). Dies gilt auch bei nachträglicher Änderung der Arbeitsvertragsinhalte, da die Einstellung davon selbst nicht mehr berührt ist (vgl. Bayerischer VGH 31. Juli 1996 - 17 P 96.367 = PersR 1997, 167). Der Betriebsrat kann daher weder bei (nachträglichen) Befristungen noch bei sonstigen einvernehmlichen Arbeitsvertragsänderungen über seine Rechte aus § 99 BetrVG Einfluß nehmen (vgl. Fitting/Heiter/Kaiser/Engels BetrVG 18. Aufl. § 99 Rz. 45 f.; Kraft in GK-BetrVG 5. Aufl., § 99 Rz. 20, 128). Diese Aussage steht selbstverständlich unter dem Vorbehalt einer tarifvertraglichen Verstärkung der betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenzen des Betriebsrates. Davon ist aber - wie bereits ausgeführt - nicht auszugehen. § 3 Ziff. 2 GMTV legt die Änderung der Wochenarbeitszeit allein in die Hände der Arbeitsvertragsparteien.

55

Deshalb sind die mit der Beschwerde des Betriebsrates weiterverfolgten Anträge zu 2) und 3) in der Sache unbegründet. Dem Betriebsrat steht ein Untersagungsrecht aus § 99 BetrVG nicht zu.

56

c)

Das Beschwerdegericht teilt nicht die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, ein Beteiligungsrecht des Betriebsrates ergebe sich jedenfalls aus der Umgehung des § 99 BetrVG, da im vorliegenden Fall die Arbeitgeberin bei Einstellung von Anfang an treuwidrig geplant habe (§ 162 Abs. 2 BGB), die 35-Stunden-Wochenarbeitszeit des Arbeitnehmers später auf 40 Stunden die Woche heraufzusetzen.

57

Zur Rechtsüberzeugung der Beschwerdekammer wird jedoch nicht das Beteiligungsrecht nach § 99 BetrVG umgangen, da eine einvernehmliche vertragliche Änderung der Inhalte des Arbeitsverhältnisses ohne den Betriebsrat jederzeit möglich ist (oben b). Die Verlängerung der Wochenarbeitszeit wird durch § 3 Ziff. 2 GMTV den Vertragsparteien sogar ausdrücklich anheimgestellt. Das beanstandenswerte Verhalten der Arbeitgeberin verletzt und "umgeht" die tarifliche Beschäftigungsquote für länger arbeitende Arbeitnehmer aus § 3 Ziff. 2 GMTV. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 99 BetrVG bleibt dagegen gewahrt. Rechtsgrundlage eines Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats bei Verstoß gegen die tarifliche Beschäftigungsquote kann deshalb nicht § 99 BetrVG sein (a.A. wohl BAG 17. Juni 1997 a.a.O. zu B 2 c der Gründe, a.E.). Die einschlägigen tariflichen Bestimmungen haben weder in dem vom BAG entschiedenen Fall noch in dem hier zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt die Beteiligungsrechte des Betriebsrates aus § 99 BetrVG erweitern. Verstöße gegen den Tarifvertrag können indessen nicht als Verletzung des § 99 BetrVG geahndet werden.

58

Das tarifliche Unterrichtungsrecht zur Beschäftigungsquote ist § 80 Abs. 2 BetrVG nachgebildet, mit dem Unterschied, daß die Information nicht im vorhinein sondern im nachhinein an den Betriebsrat zu geben ist. Auch § 80 BetrVG gewährt in bestimmten Bereichen dem Betriebsrat Unterrichtungs-, Überwachungs-, Antrags- und Förderungsrechte, ohne ihm gleichzeitig einseitige Durchsetzungsmöglichkeiten zur Seite zu stellen.

59

Der Beschwerde der Arbeitgeberin folgend ist demnach ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrates weder § 99 BetrVG noch einer Umgehung dieses Beteiligungsrechts zu entnehmen.

60

4.

Ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats läßt sich ferner nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ableiten. Die Bestimmung ist nicht einschlägig. Es geht hier um eine dauerhaft angelegte Herabsetzung der Wochenarbeitszeit einzelner Arbeitnehmer. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG regelt hingegen die vorübergehende kollektive Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit.

61

Die Beschwerde der Arbeitgeberin dringt daher durch. Betriebsverfassungsrechtliche Pflichtverletzungen sind ihr nicht vorzuwerfen. Ein Verstoß der Arbeitgeberin gegen die tariflichen Bestimmungen zur Beschäftigungsquote länger arbeitender Arbeitnehmer im Betrieb kann betriebsverfassungsrechtlich weder als grobe Pflichtverletzung nach § 23 Abs. 3 BetrVG (... "Verpflichtungen aus diesem Gesetz"...) noch als allgemeiner Unterlassungsanspruch aus §§ 99, 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vom antragstellenden Betriebsrat verfolgt werden.

62

III.

Im übrigen macht sich das Beschwerdegericht die Gründe des Arbeitsgerichts zu eigen, soweit dort die hier noch streitgegenständlichen Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen worden sind (§ 543 Abs. 2 ZPO).

63

Da die erkennende Beschwerdekammer auch einen zeitlich eingeschränkten Unterlassungsanspruch des Betriebsrats verneint, ist nicht zu prüfen, ob die dahingehende Entscheidung des Arbeitsgerichts den Anforderungen von § 308 Abs. 1 ZPO standhält.

64

IV.

Aus den oben zu II angeführten Gründen kann die Beschwerde des Betriebsrats keinen Erfolg haben. Sie ist daher zurückzuweisen. Die neugestellten Hilfsanträge, die Unterlassungsanträge zu 1. bis 3. am 18 %-igen Durchschnitt eines Quartals zu messen, kann die Entscheidung des Beschwerdegerichts nur für den Fall beeinflussen, daß ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zu bejahen wäre. Die Hilfsanträge des Betriebsrats sind mithin zurückzuweisen, da zur Überzeugung des Gerichts ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats nicht gegeben ist.

65

V.

Die Entscheidung ergeht nach § 12 Abs. 5 ArbGG gerichtsgebührenfrei.

66

VI.

Die Beschwerdekammer hat die Rechtsbeschwerde für den Betriebsrat zugelassen. Nach den Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts zum Unterlassungsanspruch in seiner Entscheidung vom 17. Juni 1997 - 1 ABR 3/97 a.a.O. - ist eine höchstrichterliche Klärung der anstehenden Rechtsfragen geboten.