Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.11.1998, Az.: 13 Sa 785/98

Anspruch auf Gehaltszahlung nach unwirksamer außerordentlicher Kündigung; Anzeige der Beendigung einer Schwangerschaft bei Kündigung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
10.11.1998
Aktenzeichen
13 Sa 785/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 16985
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:1110.13SA785.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Emden - 19.02.1998 - AZ: 2 Ca 447/97

In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 10.11.98
durch
den Vorsitzenden Dr. Rosenkötter und
die ehrenamtlichen Richter Petzold und Pfeiffer
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Emden vom 19.02.1998, 2 Ca 447/97, unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für Mai 1997 1.114,40 DM brutto, für Juni 1997 2.388,00 DM brutto abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 379,00 DM nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.07.1997, für Juli 1997 2.388,00 DM brutto abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 1.023,30 DM nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.08.1997 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Anschlußberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten tragen die Klägerin zu 2/3, der Beklagte zu 1/3.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 4/5, der Beklagte zu 1/5.

Für die Klägerin wird die Revision zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin hat erstinstanzlich aus Annahmeverzug Gehaltsansprüche in Höhe von monatlich 2.388,00 DM brutto abzüglich Arbeitslosengeld für Zeitraum 17.05.1997 bis 31.01.1998 geltend gemacht. Mit Anschlußberufung verlangt sie darüber hinaus Gehalt für den Zeitraum 1.2. bis 01.04.1998 und Zuschuß zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 2.966,37 DM.

2

Die Klägerin war seit Januar 1995 bei dem Beklagten als Arzthelferin beschäftigt, das Bruttomonatsgehalt betrug 2.336,00 DM zuzüglich 52,00 DM Arbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen. Der Beklagte beschäftigt nicht mehr als 5 Arbeitnehmer. Am 15.05.1997 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie schwanger sei. Am 16.05.1997 sprach die Ehefrau des Beklagten mündlich eine fristlose Kündigung aus. Eine schriftliche fristlose Kündigung erfolgte mit Schreiben der damaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 21.05.1997. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. Durch Versäumnisurteil vom 16.06.1997, das mit Ablauf des 26.06.1997 rechtskräftig wurde, stellte das Arbeitsgericht Emden (Az. 1 (2) Ca 299/97) die Unwirksamkeit der Kündigungen fest.

3

Mit Schreiben vom 21.05.1997 hatte der Beklagte beim zuständigen Gewerbeaufsichtsamt beantragt, eine fristlose Kündigung, hilfsweise eine fristgemäße Kündigung für zulässig zu erklären. Der Antrag wurde zurückgewiesen (Bescheid vom 21.07.1997, Bl. 97 ff d.A.), der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.10.1997, Bl. 109 d.A.).

4

Die von der Klägerin am 15.05.1997 angezeigte erste Schwangerschaft (voraussichtlicher Geburtstermin: 18.01.1998) endete durch Fehlgeburt am 5./06.06.1997. Vom 5.6. bis 18.06.1997 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Im September 1997 wurde eine erneute - zweite - Schwangerschaft festgestellt (voraussichtlicher Geburtstermin: 14.05.1998; die Entbindung erfolgte am 17.05.1998).

5

Im gewerbeaufsichtsamtlichen Verwaltungsverfahren gab die Klägerin unter dem 04.07.1997 eine Stellungnahme ab. Sie unterrichtete weder das Gewerbeaufsichtsamt noch den Beklagten von der Fehlgeburt. Erstmals mit ... Schreiben vom 27.12.1997, eingegangen beim Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 02.01.1998, teilte sie diesem mit, dass eine Fehlgeburt stattgefunden habe, eine zweite Schwangerschaft im September 1997 festgestellt wurde und der voraussichtliche Geburtstermin der 14.05.1998 sei.

6

Das Kündigungsbegehren hat der Beklagte im wesentlichen auf zwei Vorfälle gestützt: Am 12.05.1997 hatte die Klägerin eine Spritzenpumpe vorbereitet, im Schlauchsystem befand sich noch Luft, was vom Arzt rechtzeitig entdeckt wurde. Die Klägerin wendet ein, die Spritzenpumpe sei neu angeschafft worden, sie habe keine ausreichende Einweisung erhalten. Am 15.05.1997 hatte ein dreijähriger Patient nach Narkose den Aufwachraum verlassen, er war zwar nicht mehr ständig zu überwachen, sein Zustand war aber regelmäßig zu kontrollieren. Der Beklagte fand den Patienten in einem lebensbedrohlichen Zustand vor. Der Beklagte wirft der Klägerin vor, sie habe allein die Verpflichtung gehabt, die Kontrollen vorzunehmen und habe ihrer Kontrollpflicht nicht genügt. Die Klägerin bestreitet eine Pflichtverletzung, für die Kontrolle sei auch eine weitere Mitarbeiterin zuständig gewesen, ausserdem sei sie durch anderweitige Arbeiten belastet gewesen.

7

Die Klägerin hat vorgetragen, aus Annahmeverzug - bereits mit Schreiben vom 20.05.1997 habe sie ihre Arbeitskraft angeboten - sei der Beklagte zur Gehaltszahlung einschließlich 13. Monatsgehalt verpflichtet.

8

Sie hat beantragt,

  • den Beklagten zu verurteilen,
  • die Abrechnung für den Monat Mai 1997 zu korrigieren und an sie 2.388,00 DM brutto abzüglich gezahlter 1.442,57 DM netto zu zahlen,
  • an sie die ausstehende Vergütung für den Monat Juni 1997 in Höhe von 2.388,00 DM brutto abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 379,00 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 01.07.1997 zu zahlen,
  • an sie die ausstehende Vergütung für den Monat Juli 1997 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich an Arbeitsamt gezahlter 1.022,30 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 01.08.1997 zu zahlen,
  • an sie die ausstehende Vergütung für den Monat August 1997 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 985,40 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 01.09.1997 zu zahlen,
  • an sie die ausstehende Vergütung für den Monat September 1997 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 985,40 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 01.10.1997 zu zahlen,
  • an sie die ausstehende Vergütung für den Monat Oktober 1997 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 1.023,30 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 01.11.1997 zu zahlen,
  • an sie die ausstehende Vergütung für den Monat November inklusive dem 13. Monatseinkommen in Höhe von insgesamt 4.724,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 947,50 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 01.12.1997 zu zahlen,
  • an sie die ausstehende Vergütung für den Monat Dezember 1997 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 1.023,30 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 01.01.1998 zu zahlen,
  • an sie die ausstehende Vergütung für den Monat Januar 1998 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 1.014,01 DM nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 01.02.1998 zu zahlen.

9

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe, weil sie die Fehlgeburt nicht angezeigt habe, ihre vertraglichen Pflichten verletzt. Sie könne Vergütung nur verlangen bis 15.07.1997, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er das Arbeitsverhältnis hätte wirksam kündigen können. Ausserdem sei die Klägerin verpflichtet, die im Verwaltungsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.

11

Im Wege der Widerklage hat der Beklagte beantragt,

die Klägerin zu verurteilen,

  1. 1.

    an ihn 465,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

  2. 2.

    ihn von der Rechnung der Rechtsanwälte Dr. Radtke, Groeneveld und Boelsen vom 16. Dezember über 895,39 DM freizustellen.

12

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

13

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil die Vergütungsansprüche der Klägerin zugesprochen, über die Widerklage hat es noch nicht entschieden. Auf Tenor und Entscheidungsgründe der arbeitsgerichtlichen Entscheidung wird Bezug genommen.

14

Mit Berufung trägt der Beklagte vor, die Klägerin sei vertraglich verpflichtet gewesen, die Beendigung der Schwangerschaft mitzuteilen. Wäre diese Mitteilung ordnungsgemäß und fristgemäß erfolgt, hätte er das Arbeitsverhältnis ordentlich und wirksam kündigen können. Diese fiktive Kündigungsfrist sei zugrunde zu legen mit der Folge, dass Annahmeverzugsansprüche mit Auslauf der fiktiven Kündigungsfrist beendet seien.

15

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den zuletzt im ersten Rechtszuge gestellten Anträgen des Berufungsklägers zu erkennen - notfalls dem Berufungskläger Vollstreckungsschutz zu gewähren.

16

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie vertritt die Auffassung, sie habe keine Verpflichtung gehabt, die Beendigung der Schwangerschaft anzuzeigen. Sie sei nicht gehalten gewesen, dem Arbeitgeber mitzuteilen, wann eine Kündigung möglicherweise rechtlich zulässig sei. Im übrigen habe sich der Beklagte durch Ausspruch der Kündigung vertragswidrig verhalten. Es sei dann nicht ... einzusehen, warum sie hinsichtlich des Wegfalls der Schwangerschaft eine besondere Mitteilungspflicht treffen sollte. Die Kündigung sei wegen der Schwangerschaft ausgesprochen worden. Da Annahmeverzug auch über Januar 1998 hinaus bestanden habe, sei auch für den Zeitraum bis einschließlich 01.04.1998 das Gehalt zu zahlen abzüglich Arbeitslosengeld, ebenso der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld für die zweite Schwangerschaft.

18

Im Wege der Anschlußberufung beantragt die Klägerin,

den Belagten zu verurteilen, weitere 4.855,60 DM brutto und 2 966,37 netto, jeweils nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit abzüglich von der Bundesanstalt für Arbeit gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe 1.962,60 DM, zu zahlen.

19

Der Beklagte beantragt,

die Anschlußberufung zurückzuweisen.

20

Ergänzend wird wegen des zweitinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze.

21

Das Landearbeitsgericht hat die Verwaltungsakte des Gewerbeaufsichtsamtes Emden beigezogen.

Gründe

22

Die Berufung des Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO. Die unselbständige Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig gemäß § 521 ZPO.

23

Die Berufung des Beklagten ist teilweise begründet, die Klägerin kann nur Ansprüche geltend machen für die Zeit bis einschließlich 31.07.1997. Die Anschlussberufung der Klägerin war zurückzuweisen.

24

Die Klägerin hat, weil der Beklagte eine unwirksame ausserordentliche Kündigung ausgesprochen hat, über den 16.05.1997 hinaus Anspruch auf Gehaltszahlung aus Annahmeverzug, § 615 BGB. Die Annahmeverzugsansprüche sind aber begrenzt auf die Zeit bis einschließlich 31.07.1997. Die Klägerin hat die vertragliche Nebenpflicht, Anzeige der Beendigung der Schwangerschaft, schuldhaft verletzt. Nach den Grundsätzen der positiven Förderungsverletzung ist sie zum Schadensersatz verpflichtet. Gemäß § 249 BGB hat sie den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Hätte die Klägerin ihre Mitteilungspflicht über die Beendigung der ersten Schwangerschaft genügt, hätte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.07.1997 fristgemäß gekündigt. Diese ordentliche Kündigung hätte das Arbeitsverhältnis beendet, weil Ende Juni 1997 keine Schwangerschaft bestand. Die Kündigung wäre nicht gemäß § 9 MuSchG unwirksam gewesen, auf Kündigungsschutz nach § 1 KSchG konnte sich die Klägerin nicht berufen, weil die Voraussetzungen des § 23 KSchG nicht gegeben waren. Der Beklagte ist deshalb gemäß § 249 BGB so zu stellen, als wäre das Arbeitsverhältnis zum 31.07.1997 beendet worden.

25

Eine vertragliche Nebenpflicht, die Beendigung der Schwangerschaft durch Fehlgeburt anzuzeigen, ist zu bejahen. Das Gesetz regelt in § 5 Abs. 1 MuSchG nur die Mitteilungspflicht über das Bestehen einer Schwangerschaft. Es handelt sich um eine Sollvorschrift, die nicht eine verbindliche Verpflichtung festlegt, sondern nur eine Obliegenheit, deren Verletzung keine Schadensersatzpflicht auslösen kann (BAG EZA § 9 MuSchG n. F., Nr. 34). Eine gesetzliche Regelung über die Mitteilung der Beendigung der Schwangerschaft fehlt. In der Literatur wird eine entsprechende vertragliche Verpflichtung angenommen, wenn die Arbeitnehmerin eine Schwangerschaft angezeigt hat und sich nachträglich herausstellt, dass die Mitteilung unrichtig war. Die Arbeitnehmerin treffe sodann die Vertragspflicht, die Mitteilung unverzüglich zu korrigieren (Buchner/Becker, MuSchG, 6. Aufl., § 5, RdNr. 15; Gröninger-Thomas, MuSchG, § 5, RdNr. 13). Nach Meisel/Soffka (Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 4. Aufl., § 5 RdNr. 19 c) ist auch die Beendigung einer Schwangerschaft durch Fehlgeburt unverzüglich anzuzeigen. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht begründe einen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers.

26

Die Kammer folgt dieser Auffassung. Wenn die Mitteilungspflicht nach § 5 Abs. 1 MuSchG nicht als verbindliche Verpflichtung angesehen wird, so beruht dies in erster Linie darauf, dass die Schwangerschaftsmitteilung im Eigeninteresse der Arbeitnehmerin liegt. Sie kann Schutz nach Mutterschutzgesetz erst dann beanspruchen, wenn sie die Schwangerschaft angezeigt hat. Andererseits löst die Anzeige der Schwangerschaft für den Arbeitgeber erhebliche Belastungen aus. Er hat Beschäftigungsverbote zu beachten (§§ 3, 4, 6 MuSchG), unterliegt dem Kündigungsverbot nach § 9 MuSchG und muss mit längerfristigem Ausfall der Arbeitnehmerin durch Erziehungsurlaub rechnen. Der Schutzpflicht des Arbeitgebers korrespondiert eine vertragliche Verpflichtung der Arbeitnehmerin, über den weiteren Schwangerschaftsverlauf zu unterrichten. Wer Schutzvorschriften in Anspruch nimmt, geht damit auch Verpflichtungen ein. Er hat auf berechtigte Belange des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen. Wird eine Schwangerschaftsanzeige nachträglich unrichtig, besteht dann aber die vertragliche Verpflichtung zur Korrektur der ursprünglichen Mitteilung. Die Klägerin war deshalb nach Arbeitsvertrag verpflichtet, die Beendigung der Schwangerschaft durch Fehlgeburt dem Beklagten anzuzeigen.

27

Diese Verpflichtung bestand trotz der ausgesprochenen Kündigung. Da die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben hatte und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses begehrte, die Kündigung offenkundig wegen Verstoss gegen § 9 MuSchG unwirksam war, war sie auch nach Ausspruch der fristlosen Kündigung zur Mitteilung verpflichtet.

28

Die Kammer hat berücksichtigt, dass der Beklagte selbst durch die offensichtlich unwirksame ausserordentliche Kündigung in grober Weise gegen seine vertraglichen Pflichten verstossen hat. Trotzdem handelt der Beklagte nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), wenn er sich auf die Verletzung der Mitteilungspflicht der Klägerin beruft. Dass die Kündigung wegen der Schwangerschaft ausgesprochen wurde, kann nicht festgestellt werden. Die Vorfälle vom 12.05.1997 (Luft in der Spritzenpumpe) und 15.05.1997 (lebensbedrohlicher Zustand des kontrollbedürftigen Patienten) waren erheblich. Es ist nachvollziehbar, dass der Beklagte daraufhin eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstrebte. Auch wenn Alleinverschulden der Klägerin nicht feststeht, kann nicht von einer willkürlichen und aus unsachlichen Motiven ausgesprochenen Kündigung ausgegangen werden. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ist nicht begründet.

29

Die Klägerin hat ihre Vertragspflicht auch schuldhaft verletzt. Sie wusste aufgrund des Verwaltungsverfahrens beim Gewerbeaufsichtsamt, dass der Beklagte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter anstrebte. Sie hat bewusst weder dem Gewerbeaufsichtsamt noch dem Beklagten Mitteilung über die Beendigung der Schwangerschaft gemacht, um eine wirksame Kündigung zu verhindern bzw. hinauszuschieben. Sie hat vorsätzlich, zumindest fahrlässig gegen ihre Mitteilungspflicht verstossen.

30

Da der Beklagte bei rechtzeitiger Mitteilung der Fehlgeburt in der zweiten Junihälfte zum 31.07.1997 wirksam hätte kündigen können und auch gekündigt hätte, waren die Zahlungsansprüche zu begrenzen auf die Zeit bis 31.07.1997.

31

Für Mai 1997 hat der Beklagte 1.245,87 DM Gehalt und 1.401,38 DM Urlaubsabgeltung abgerechnet. Die Urlaubsabgeltung kann, weil von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.1997 auszugehen ist, nicht auf den Gehaltsanspruch angerechnet werden. Für Mai 1997 ergibt sich ein Restgehaltsanspruch in Höhe von 1.114,40 DM brutto, für Mai und Juli 1997 jeweils ein Bruttoanspruch in Höhe von 2.388,00 DM abzüglich Arbeitslosengeld. Der Zinsanspruch ist aus Verzug, §§ 284, 288 BGB, begründet.

32

Da Annahmeverzugsansprüche über den 31.07.1997 hinaus nicht bestehen, war im übrigen die Klage abzuweisen, die Anschlußberufung war zurückzuweisen.

33

Soweit die Klageabweisung und die Zurückweisung der Anschlußberufung Ansprüche nach dem 06.12.1997 betrifft, wird die Entscheidung hilfsweise auf folgendes gestützt.

34

Der Annahmeverzug des Beklagten endete spätestens am 06.12.1997. Die Klägerin hat ursprünglich nur die erste Schwangerschaft angezeigt mit voraussichtlichem Geburtstermin 18.01.1998 und letztem Arbeitstag 06.12.1997. Damit endete am 06.12.1997 auch der Annahmeverzug des Beklagten. Durch die nachträgliche Anzeige der zweiten Schwangerschaft Anfang Januar 1998 ist ein neuer Annahmeverzugsanspruch nicht entstanden, die Klägerin hat ihre Arbeitskraft nicht erneut angeboten.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.