Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.04.1998, Az.: 11 Sa 179/98

Anspruch auf ungekürzte Zahlung einer tariflichen Jahres-Sonderzuwendung ; Jahres-Sonderzuwendung bei ruhendem Arbeitsverhältnis

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
27.04.1998
Aktenzeichen
11 Sa 179/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 17534
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:0427.11SA179.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 19.11.1997 - AZ: 1 Ca 445/97

Fundstellen

  • FA 1999, 236
  • FAr 1999, 236

In dem Rechtsstreit
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 27.04.98
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 19.11.1997 - 1 Ca 445/97 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten aus abgetretenem Recht um Ansprüche auf ungekürzte Zahlung einer tariflichen Jahres-Sonderzuwendung für das Jahr 1996.

2

Die Klägerin hat im Werk ... der Beklagten in der Zeit vom 15.11. bis 04.12.1996 die Arbeitnehmer zum Streik aufgerufen, um zu erreichen, daß die Mitarbeiter der Beklagten weiterhin 100 % Entgeltsfortzahlung im Krankheitsfalle erhalten. Am 04.12.1996 schlossen die Parteien einen Tarifvertrag ab, die die hundertprozentige Entgeltsfortzahlung im Krankheitsfalle für die Mitarbeiter der Beklagten regelt.

3

Für die Dauer des Arbeitskampfes kürzte die Beklagte die tarifliche Jahres Sonderzuwendung gemäß § 13 des Manteltarifvertrages für die Süßwarenindustrie vom 11.05.1994 für diejenigen Mitarbeiter, welche sich an den Arbeitskampfmaßnahmen beteiligt hatten. Hierzu gehörte auch der Arbeitnehmer ... Beim diesem Mitarbeiter betrug die Kürzung 108,50 DM. In Höhe dieses gekürzten Betrages trat der Mitarbeiter ... seine Forderung gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 14.03.1997 schriftlich ab.

4

§ 13 des Manteltarifvertrages für die Süßwarenindustrie vom 11.05.1994 lautet, soweit er hier von Bedeutung ist, wie folgt:

"I.

Jahres-Sonderzuwendung für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer

1.
Arbeitnehmer, die am 01. Dezember eines Kalenderjahres eine ununterbrochene Betriebezugehörigkeit von 11 Monaten haben und sich an diesem Tag im ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, erhalten eine Jahres - Sonderzuwendung.

Sie beträgt

ab 1. Januar 199495%
ab 1. Januar 1998100%

des tariflichen Monatsentgelts bzw. der tariflichen monatlichen Ausbildungsvergütung für Auszubildende.

2.
Der Berechnung ist das jeweils am 01. Dezember geltende tarifliche Monatsentgelt bzw. die monatliche Ausbildungsvergütung ohne Zuschläge und Zulagen zugrunde zu legen.

3.
Teilzeitbeschäftigte erhalten die Jahres-Sonderzuwendung in einer Höhe, die dem Verhältnis der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit entspricht.

4.
Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung oder aus sonstigen Gründen ruht, erhalten keine Leistung; ruht das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung.

5.
Die Berücksichtigung von Fehlzeiten wird durch Betriebsvereinbarung geregelt, ausgenommen jedoch

a)
Zeiten, für die dem Beschäftigten ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts oder der Ausbildungsvergütung zusteht (z. B. Urlaub, unverschuldete Krankheit bis zu 6 Wochen, entschädigungspflichtige Arbeitsverhinderung i. S. der entsprechenden Regelungen dieses Manteltarif Vertrages).

b)
Zeiten in unverschuldeter Erkrankung über 6 Wochen hinaus bis zu weiteren 20 Wochen je Krankheitsfall einschließlich Fortsetzungserkrankungen,

c)
Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld,

d)
Zeiten der Arbeitsfreistellung bei Pflege eines erkrankten Kindes

gem. § 45 SGB V."

5

Unter dem 12.05./26.05.1997 schlossen die Klägerin und die Beklagte zur Klägerung der Frage, ob die Kürzung der tariflichen Jahres-Sonderzuwendung durch die Beklagte zu Recht erfolgte, eine Musterprozeßvereinbarung, in der die Beklagte unter anderem bezüglich der Mitglieder der Klägerin, bei denen die Jahres-Sonderzuwendung gekürzt worden war, erklärte keine Einwendungen wegen Verjährung, Verwirkung sowie Ablauf der tarifvertraglichen und/oder einzelvertraglicher Ausschlußfristen zu erheben. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf Blatt 9-11 der Akten Bezug genommen.

6

Weiter vereinbarten die Parteien mit Abschluß des Tarifvertrages vom 04.12.1996, der den Streik beendete, folgende Protokollnotiz:

"2.

Aus Anlaß oder im Zusammenhang mit der Tarifbewegung der Süßwarenindustrie in der Zeit vom 15.10. bis 07.12.1996 werden gegenüber den Arbeitnehmern der ... keine arbeitsrechlichen Maßnahmen (Abmahnungen, Kündigungen) ergriffen. Dies gilt nicht für Straftaten. Bereits veranlaßte Maßnahmen werden zurückgenommen. Der bei der Streikteilnahme erfolgte Entgeltabzug bleibt hiervon unberührt.

Schadensersatzansprüche aus Anlaß oder im Zusammenhang mit der Tarifauseinandersetzung entfallen ebenfalls."

7

Die Klägerin ist der Auffassung, die anteilige Kürzung der Jahres-Sonderzuwendung verstoße sowohl gegen das Maßregelungsverbot in Nr. 2 der Protokollnotiz zum Tarifvertrag vom 04.12.1996, denn dort sei abschließend geregelt, daß nur der anläßlich des Streiks bereits erfolgte Entgeltabzug zulässig sei. Es lägen aber auch die Tatbestandsvoraussetzungen für eine anteilige Kürzung nach § 13 I Nr. 4 des Manteltarifvertrages nicht vor. Ein Arbeitskampf begründe kein ruhendes Arbeitsverhältnis aus sonstigen Gründen im Sinne des Tarifvertrages.

8

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 108,50 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.01.1997 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Sie hält die vorgenommene Kürzung der Jahres-Sonderzuwendung für rechtens, da während der Zeit des Streiks das Arbeitsverhältnis geruht habe und damit ein Fall des § 13 I Abs. 4 gegeben sei.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, den Streitwert auf 108,50 DM festgesetzt und die Berufung zugelassen.

12

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet, da der Abtretungsgläubiger ... einen Anspruch auf ungekürzte Jahres-Sonderzuwendung für das Jahr 1996 nicht gehabt habe. Die Beklagte habe zu Recht gemäß § 13 I Nr. 4 des Manteltarifvertrages für die Süßwarenindustrie Sonderzuwendungen anteilig gekürzt. Der in der Zeit vom 25.11. bis 04.12.1996 geführte Arbeitskampf habe zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses des Abtretungsgläubigers ... geführt. Bei einem Arbeitskampf handele es sich um ein Ruhen "aus sonstigen Gründen" im Sinne der tariflichen Regelung. Bereits aus dem Wortlaut ergebe sich, daß sämtliche Fälle der Suspendierung der gegenseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, wozu auch die Fälle eines Arbeitskampfes gehörten, mit erfaßt seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ruhe das Arbeitsverhältnis während eines Arbeitskampfes. Daß die Tarifvertragsparteien in§ 13 MTV Fälle des Arbeitskampfes vom Ruhen hätten ausnehmen wollen, sei nicht ersichtlich. Die Kürzung verstoße auch nicht ... gegen das Maßregelungsverbot. Es handele sich schon deshalb nicht um eine Maßregelung, weil die tarifvertragliche Kürzungregelung eine Kürzung für alle Ruhens-Tatbestände vorsehe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Nr. 2 der Protokollnotiz zum Tarifvertrag vom 04.12.1996, denn bei der Kürzung der Jahres-Sonderzuwendung handele es sich um keine arbeitsrechtliche Maßnahme im Sinne dieser Protokollnotiz.

13

Gegen dieses ihr am 23.12.1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.01.1998 Berufung eingelegt und diese am 13.02.1998 begründet.

14

Sie ist weiterhin der Auffassung, die Kürzung der Jahres-Sonderzuwendung durch die Beklagte für Zeiten des Arbeitskampfes sei im Jahre 1996 zu Unrecht erfolgt. Das Arbeitsgericht habe die Vorschrift des § 13 MTV falsch ausgelegt. Es habe insbesondere nicht berücksichtigt, daß der Tarifvertrag zwischen Ruhenssituation und Fehlzeiten unterscheidet, bei denen eine Reduzierung der Jahres-Sonderzuwendung nur aufgrund einer Betriebsvereinbarung erfolgen könne. Zudem sei unter dem Begriff des "Ruhens" im Sinne des Tarifvertrages auch nicht lediglich eine Suspendierung der Hauptpflichten zu verstehen. Die Formulierung in§ 13 I Ziffer 4 des MTV "kraft Gesetzes oder Vereinbarung oder aus sonstigen Gründen" sei im Jahre 1994 in den Tarifvertrag aufgenommen worden. Dies sei lediglich deshalb erfolgt, weil damals zwischen den Tarifvertragsparteien Unklarheit darüber bestanden habe, ob das Arbeitsverhältnis im Falle des Erziehungsurlaubs kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung ruhe. In der alten Fassung des Manteltarif Vertrages seien die Ruhenstatbestände noch dahingehend definiert worden, daß das Ruhen "kraft Wehrpflichtgesetz oder Gesetz über den zivilen Ersatzdienst oder Vereinbarung" zu Kürzungen führe. An ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses infolge von Arbeitskampfmaßnahmen sei damals nicht gedacht worden. Im übrigen führe ein Arbeitskampf auch nicht zum Ruhen des gesamten Arbeitsverhältnisses, da Nebenpflichten, zum Beispiel auf Ableistungen von notwendigen Erhaltungsarbeiten, weiter bestünden.

15

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 108,50 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.01.1997 zu zahlen.

16

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 27.02.1998 (Bl. 98-101 d. A.), auf den Bezug genommen wird.

Gründe

18

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch insgesamt zulässige Berufung konnte keinen Erfolg haben.

19

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird gemäß § 543 ZPO Bezug genommen.

20

Die Berufung ist nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen.

21

Dem Abtretungsgläubiger ... dem Mitarbeiter der Beklagten, stand die Jahres-Sonderzuwendung für das Jahr 1996 nicht voll sondern nur in der Höhe zu, die sich entsprechend der Verminderung der geschuldeten Arbeitszeit um die Tage der Streikteilnahme ergibt. Die Beklagte hat zu Recht für die Dauer des Arbeitskampfes vom 15.11. bis 04.12.1996 die Sonderzuwendung anteilig gekürzt.

22

Nach § 13 I Ziffer 4 des Manteltarifvertrages erhalten anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr aus sonstigen Gründen ruht, keine Leistung. Ruht das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise, so erhalten sie nur eine anteilige Leistung der Jahres-Sonderzuwendung. Der Arbeitskampf in der Zeit vom 15.11. bis zum 04.12.1996, an dem der Mitarbeiter ... der Beklagten teilgenommen hat, hat zu einem Ruhen das Arbeitsverhältnis dieses Mitarbeiters aus sonstigen im Sinne der tariflichen Regelung geführt.

23

Mit dem Begriff des Ruhens aus sonstigen Gründen haben die Parteien des Tarifvertrages eine abstrakte, generelle Regelung geschaffen, die alle Fälle des Ruhens des Arbeitsverhältnisses umfaßt. Dazu gehört auch das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während der Teilnahme eines Arbeitnehmers am Arbeitskampf, denn das Arbeitsverhältnis bleibt während des Arbeitskampfes trotz zeitweiliger Suspendierung der Arbeits- und Vergütungspflichten bestehen. Der Arbeitskampf beendet das Arbeitsverhältnis nicht rechtlich sondern bringt lediglich die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis zum Ruhen (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.1997 - 1 AZR 674/96 - in ZTR 1998, 25; BAG, Urteil vom 04.08.1997 - 1 AZR 488/96 - in AP Nr. 89 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).

24

Die Auffassung der Klägerin, daß das Ruhen der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht das Ruhen ist, was im§ 13 Ziffer 4 des MTV angesprochen worden ist, ist unzutreffend. Richtig ist zwar, daß bei einem Ruhen der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, da das Arbeitsverhältnis rechtlich weiterhin Bestand hat. Nebenpflichten bestehen bleiben (Rüthers in Anmerkung zum Urteil des BAG vom 04.08.1997 a. a. O.). Die weiterbestehenden Nebenpflichten, z. B. für Notstandsmaßnahmen oder notwendige Erhaltungsarbeiten während eines Arbeitskampfes, ändern jedoch am grundsätzlichen Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Arbeitskampfes nichts, denn ruhen bedeutet nicht, daß keinerlei Pflichten mehr bestehen, sondern lediglich, daß die Hauptpflichten, nämlich die Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und die Verpflichtung des Arbeitgebers dafür Entgelt zu zahlen, suspendiert sind und damit ruhen.

25

Dies haben die Tarifvertragsparteien bei der Regelung des § 13 MTV auch berücksichtigt.

26

Sie unterscheiden nämlich in dem Manteltarifvertrag 1994 sorgfältig zwischen ruhendem Arbeitsverhältnis und Fehlzeiten. Die Fälle, die in § 13 I Ziffer 5 unter Fehlzeiten erwähnt werden, sind sämtlich keine Fälle des Ruhens des Arbeitsverhältnisses. Gerade daß die Tarifvertragsparteien im§ 13 I Ziffer 5 MTV zwischen Ruhenszeiten und Fehlzeiten unterschieden haben, zeigt, daß sie bewußt eine Unterscheidung von verschiedenen Anrechnungstatbeständen vornehmen wollten.

27

Dem steht nicht entgegen, daß die Tarifvertragsparteienüblicherweise Regelungen über Auswirkungen eines Arbeitskampfes nicht in Tarifverträge aufnehmen. Schaffen die Tarifvertragspartner abstrakte generelle Regelungen, wonach sich Anspruchsvoraussetzungen für eine Sonderzahlung bemessen, dann fällt auch der arbeitskampfbedingte Ausfall von Arbeitszeit infolge der Suspendierung unter eine solche generelle Regelung.

28

Bei der Auslegung eines Tarifvertrages ist dann, wenn der Wortlaut nicht völlig eindeutig ist, auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien abzustellen, soweit er in der tariflichen Regelung noch einen Ausdruck gefunden hat, denn Tarifverträge sind nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen (BAG, Urteil vom 21.07.1993 - 4 AZR 468/92 - in AP Nr. 144 zu § 1 TVG Auslegung). Die Auslegung darf aber nicht allein am Wortlaut haften bleiben. Sie muß auch Sinn und Zweck der Vereinbarung mit berücksichtigen (vgl. BAG, Urteil vom 04.08.1997 a. a. O. m. w. N.).

29

Hier soll ersichtlich § 13 I Ziffer 4 des MTV eine Kürzung der Ansprüche der Arbeitnehmer auf die Sonderzahlung ermöglichen, wenn das Arbeitsverhältnis geruht hat, weil der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringen und der Arbeitgeber kein Entgelt zahlen mußte. Dies ist aber auch der Fall, wenn das Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Arbeitskampfes eingetreten ist.

30

Die Anwendung der Kürzungsregelung des § 13 I Ziffer 4 MTV führt auch nicht zu einer Maßregelung der streikenden Arbeitnehmer. Eine Regelung über Sonderzahlungen ist nicht zu beanstanden, wenn sie Abzüge von der Sonderzuwendung nicht nur für arbeitskampfbedingte Fehltage, sondern allgemein für Zeiten der betrieblichen Abwesenheit vorsieht. Eine solche Regelung ist immer dann zulässig, wenn sie bereits vor dem Arbeitskampf bestanden hat und nicht erst im oder nach dem Arbeitskampf abgeschlossen wird (vgl. Lipke, Kasseler Handbuch Arbeitsrecht, Ziffer 2.3 Rnd-Nr. zu 262 bis 265 m. w. M.). Wenn die Sonderzahlung nur für Zeiten einer tatsächlichen Arbeitsleistung zu gewähren ist und daher für Zeiten der Teilnahme an einem Arbeitskampf kein Anspruch auf die Sonderzahlung besteht, kann darin keine Maßregelung der streikenden Arbeitnehmer gesehen werden (vgl. BAG, Urteil vom 20.12.1995 in AP Nr. 141 zu Art. 9 GG Arbeitskampf m. w. N.). Eine solche tarifliche Regelung stellt daher kein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG bzw. § 612 a BGB dar.

31

Die anteilige der Kürzung der Jahres-Sonderzuwendung verstößt auch nicht gegen die Protokollnotiz zum Tarifvertrag vom 04.12.1996.

32

Die teilweise Kürzung der Jahres-Sonderzuwendung nach§ 13 I Ziffer 4 MTV für die Zeiten der Teilnahme des Mitarbeiters der Beklagten am Arbeitskampf 1996 wird von der Maßregelungsklausel nicht erfaßt, denn bei der Kürzung der Jahres-Sonderzuwendung handelt es sich nicht um eine arbeitsrechtliche Maßnahme im Sinne Ziffer 2 Satz 1 der Protokollnotiz.

33

Es liegt eine Maßregelung nicht vor. Die Beibehaltung einer schon bestehenden betrieblichen oder tarifvertraglichen Regelung, die nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf getroffen worden ist, ist keine Maßregelung (Urteil des BAG vom 15.05.1994 - 1 AZR 432/63 - in AP Nr. 35 zu § 611 BGB Gratifikation). Die Kürzung stellt auch keine der in der Protokollnotiz unter Ziffer 2 Satz 1 beispielhaft aufgeführten arbeitsrechtlichen Maßnahmen dar. Es handelt sich weder um eine Abmahnung noch um eine Kündigung. Im Gegenteil sollten gemäß Nr. 2 Satz 3 der Protokollnotiz die bereits erfolgten Entgeltsabzüge unberührt bleiben. Auch die Sonderzahlungen hat Entgeltscharakter, deren Höhe auch von den Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses abhängig ist. Diese Rechtsfolge war aber durch das Ruhen des Arbeitsverhältnisses infolge des Arbeitskampfes bereits eingetreten, bevor die Protokollnotiz überhaupt unterzeichnet worden ist.

34

Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch betont, daß die Tarifvertragsparteien in Nr. 2 der Protokollnotiz nicht das Schicksal sämtlicher von Streik betroffener Leistungsansprüche regeln wollten. Dafür bietet die Regelung keine Anhaltspunkte. Eine solche ausdrückliche Regelung wäre aber erforderlich gewesen, weil nach§ 13 I Nr. 4 des MTV die Jahres-Sonderzuwendung durch die Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses während der Dauer des Streiks gemindert war. Wollten die Tarifvertragsparteien diese Rechtsfolge wieder beseitigen, hätte es einer ausdrücklichen Regelung in der Protokollnotiz bedurft, die nicht getroffen worden ist.

35

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

36

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG, da eine Vielzahl von Mitarbeitern der Beklagten davon betroffen ist.