Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.12.1998, Az.: 7 Sa 497/98

Berechnung tariflicher Urlaubstage

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
08.12.1998
Aktenzeichen
7 Sa 497/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 15975
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:1208.7SA497.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 13.01.1998 - AZ: 1 Ca 317/97

Fundstelle

  • NZA-RR 1999, 198-199 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 08.12.98
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 13.01.1998, 1 Ca 317/97, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in einem sogenannten Pilot-Verfahren darüber, wieviele Tage Urlaub der Klägerin für das Urlaubsjahr 1997 zusteht.

2

Die am 19. März 1970 geborene Klägerin ist seit September 1989 bei der Beklagten als Arbeiterin in der Abteilung Weiterverarbeitung tätig und bezog im Jahre 1997 eine Bruttovergütung in Höhe von 20,52 DM pro Stunde.

3

Auf das Arbeitsverhältnis finden die tariflichen Regelungen für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Nach den Ziffern 19 und 20 des Manteltarifvertrages für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland vom 24. Januar 1997 (MTN) beträgt die regelmäßige wöchentliche tarifliche Arbeitszeit 35 Stunden und ist grundsätzlich auf alle Arbeitstage von montags bis freitags zu verteilen.

4

Abweichend hiervon wurde durch Betriebsvereinbarung vom 9. Februar 1996 mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien für einige Abteilungen in dem Betrieb der Beklagten die 6-Tage-Woche im Mehrschichtsystem eingeführt (Bl. 7-13 d.A.). Die Klägerin arbeitet hiernach nach folgendem Schichtplan:

  1. 1.

    Woche: Nachtschicht: Montag bis Mittwoch

  2. 2.

    Woche: Frühschicht: Montag bis Samstag

  3. 3.

    Woche: Nachtschicht: Donnerstag bis Samstag

  4. 4.

    Woche: Spätschicht: Montag bis Samstag.

5

Nach Ziffer 86 MTN beträgt die Urlaubsdauer 30 Urlaubstage. Gemäß Ziffer 72 MTN gelten als Urlaubstage alle Wochentage mit Ausnahme der Sonntage, Sonnabende, der lohnzahlungspflichtigen Feiertage und des 24. Dezember.

6

Bezüglich des Urlaubsanspruches für das Jahr 1996 wurde als Anlage 3 zur Betriebsvereinbarung "Einführung der versetzten Arbeitszeit" (6-Tage-Woche) (Bl. 15 d.A.) zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung der Beklagten vereinbart, daß alle Mitarbeiter einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen haben und daß Urlaubstage die Tage Montag bis Samstag sind. Die Tarifvertragsparteien stimmten dieser Regelung nicht zu (Bl. 26 d.A.).

7

Für das Jahr 1997 wurde eine Vereinbarung über den Urlaub nicht getroffen. Die Beklagte informierte ihre Mitarbeiter unter dem 13.01.1997 (Bl. 16 d.A.), daß sich der Urlaubsanspruch der Arbeitsnehmer, die im 6/3-Tage-Rhythmus arbeiten, auf 27 Urlaubstage verringert. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt:

"Bei den neuen Schichtmodellen mit 6-/3-Tage-Rhythmus umfaßt die Woche durchschnittlich 4,5 Arbeitstage (statt 5 Tage, also - 10 %). Deshalb reduziert sich der Urlaubsanspruch entsprechend um 10 % auf 27 Tage. Im Schnitt ergibt dies wieder 6 Urlaubswochen zu je 4,5 Tagen."

8

Das Arbeitsgericht hat durch ein den Parteien am 3. Februar 1998 zugestelltes Urteil vom 13. Januar 1998, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 42 bis 49 d.A.), die auf die Übertragung von 3 Urlaubstagen aus dem Jahr 1997 in das Urlaubsjahr 1998 gerichtete Klage kostenpflichtig abgewiesen und die Berufung bei einem Streitwert von 430,92 DM zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Tarifvertrag gehe bei der Festlegung von 30 Urlaubstagen von einer Arbeitspflicht an 5 Arbeitstagen in der Woche aus. Hieraus ergebe sich eine Urlaubsdauer von 6 Wochen, wie sich für Teilzeitbeschäftigte ausdrücklich aus Ziffer 31 f MTN ergebe. Wenn die Arbeitszeit bei einem Arbeitnehmer regelmäßig auf mehr oder weniger als 5 Tage einer Woche verteilt sei, müsse zur Bestimmung der Urlaubsdauer die tarifvertraglich maßgebliche Verteilung der Arbeitszeit auf eine Woche zur individuell geschuldeten Arbeitszeit des Arbeitnehmers rechnerisch in Beziehung gesetzt werden. Der Klägerin habe deshalb nur ein Urlaubsanspruch von 27 Tagen zur Verfügung gestanden. Damit habe sie einen "zeitlich gleichwertigen Urlaub" wie die Arbeitnehmer erhalten, die regelmäßig nur von Montag bis Freitag arbeiteten. Sie habe hierdurch unter Einrechnung der in die Urlaubszeit fallenden arbeitsfreien Werktage ebenso viele Werktage Urlaub gehabt wie die Arbeitnehmer, die regelmäßig in der 5-Tage-Woche beschäftigt wären.

9

Die erfolgte Kürzung sei nicht tarifvertragswidrig. Da an Samstagen bei der Beklagten gearbeitet werde, sei dies ein Arbeitstag. Für Arbeitstage müsse aber denknotwendigerweise auch Urlaub gewährt werden können. Würde der Samstag bei der Urlaubsgewährung und Urlaubsberechnung außer Betracht bleiben, hätte dies zur Folge, daß die Klägerin an den Samstagen, an denen sie zur Arbeit eingeteilt sei, keinen Urlaub beanspruchen könne, sie müsse deshalb ihren Urlaub immer für den Samstag, an dem Arbeitspflicht bestehe, unterbrechen.

10

Hiergegen richtet sich die am 2. März 1998 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 4. Mai 1998 am 30. April 1998 begründete Berufung der Klägerin.

11

Die Klägerin ist der Auffassung, der Tarifvertrag regele unmißverständlich und ohne jegliche Ausnahme, daß alle Wochentage mit Ausnahme der Sonnabende, Sonntage .... Urlaubstage seien. Nur diese Regelung bei Zugrundlegung des tariflichen Urlaubsanspruches von 30 Tagen gewährleiste eine gerechte Urlaubsverteilung. Bei einer Urlaubsdauer von 27 Tagen sei entgegen der von dem Arbeitsgericht vertretenen Auffassung ein 6-wöchiger Urlaub nicht garantiert. Arbeitnehmer, die ihren Urlaub in 2 Blöcken nehmen müßten, der jeweils montags mit der Frühschicht beginne, würden so nämlich lediglich 5 1/2 Wochen Urlaub erhalten.

12

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere 3 Tage Urlaub aus dem Urlaubsjahr 1997 zu gewähren.

13

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

14

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes ihres Prozeßbevollmächtigten vom 28. Mai 1998 (Bl. 65, 66 d.A.).

Gründe

15

Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 518, 519 ZPO, 64, 66 ArbGG.

16

Sie ist jedoch nicht begründet.

17

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, daß der Klägerin für das Urlaubsjahr 1997 kein Anspruch auf weitere 3 Urlaubstage zusteht.

18

Nach Ziffer 86 MTN beträgt die Urlaubsdauer 30 Urlaubstage. Die Tarifvertragsparteien gehen dabei davon aus, daß 30 Urlaubstage 30 Arbeitstagen entspricht und daß den Arbeitnehmern insgesamt 6 Wochen Freizeit zu gewähren ist. Dies folgt zum einen aus Ziffer 72 MTN, nach dem als Urlaubstage alle Wochentage gelten mit Ausnahme der Sonntage und Sonnabende. Diese Regelung steht im Zusammenhang mit den Ziffern 19 a und 20 MTN, nach denen die regelmäßige Arbeitszeit grundsätzlich auf die Arbeitstage von Montag bis Freitag zu verteilen ist. Aus der tariflichen Regelung kann mithin entnommen werden, daß grundsätzlich Urlaubstage und Arbeitstage gleichzusetzen sind.

19

Bestätigt wird dies durch Ziffer 31 f MTN. Für Teilzeitbeschäftigte ist nämlich ausdrücklich festgelegt, daß der Urlaubsanspruch von 30 Tagen pro Kalenderjahr 6 Wochen entspricht. Anhaltspunkte dafür, daß der Urlaub für Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte unterschiedlich behandelt werden soll, sind in dem Tarifvertrag nicht enthalten.

20

Nicht geregelt haben die Tarifvertragsparteien die Frage der Urlaubsdauer, wenn die regelmäßige Arbeitszeit entgegen dem Tarifvertrag nicht auf die 5 Tage von Montag bis Freitag verteilt wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 14.01.1992, 9 AZR 148/91, AP Nr. 15 § 3 Bundesurlaubsgesetz; BAG v. 18.02.1997, 9 AZR 738/95, AP Nr. 13 zu § 1 TVG Tarifverträge: Chemie), von der abzuweichen kein Grund besteht, muß deshalb der tarifliche Urlaubsanspruch der Klägerin unter Berücksichtigung der von ihr tatsächlich zu erbringenden Arbeitstage umgerechnet werden. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien auch bei einer von der tariflichen Regelung abweichenden Zahl der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitstage immer einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen ohne Berücksichtigung der Samstage vereinbaren wollten. Dies würde im Extremfall dazu führen, daß der nur an 30 Tagen im Jahr zur Arbeit verpflichtete Arbeitnehmer nur Urlaub zu beanspruchen, nicht aber zu arbeiten hätte (so zutreffend ErfK/Dörner § 3 BUrlG Randnr. 19).

21

Zu Recht hat zudem das Arbeitsgericht ausgeführt, daß dann, wenn der Samstag ein regelmäßiger Arbeitstag ist, für diesen Tag auch Urlaub gewährt werden können muß. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung stellt der Tarifvertrag keine Fiktion auf, welche Tage als Urlaubstage gezählt werden und welche nicht. Vielmehr folgt aus Ziffer 87c letzter Satz MTN, daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Urlaubstagen und den damit ausfallenden Arbeitstagen besteht. Denn das Urlaubsentgelt berechnet sich nach den durch den Urlaub ausfallenden Arbeitsstunden.

22

Aus vorstehenden Ausführungen folgt, daß der Urlaubsanspruch der Klägerin der konkreten Arbeitsverpflichtung anzupassen ist. Da der Tarifvertrag hierzu keine Regelungen enthält, sind die Arbeitstage der Klägerin zu den Urlaubstagen im Sinne des Tarifvertrages rechnerisch zueinander in Beziehung zu setzen. Denn der Urlaubsanspruch hat der ihr nach Arbeitstagen obliegenden Arbeitspflicht verhältnismäßig zu entsprechen (so ausdrücklich BAG v. 14.01.1992, 9 AZR 148/91, AP Nr. 5 zu § 3 BUrlG).

23

Der Tarifvertrag geht, wie dargelegt, von einer Verteilung der Arbeitszeit auf 5 Tage pro Woche aus. Grundlage ist mithin, daß die Arbeitnehmer in 4 Wochen an 20 Tagen arbeiten. Die Klägerin arbeitet demgegenüber nach dem Schichtsystem der Beklagten während eines Zeitraumes von 4 Wochen lediglich an 18 Tagen. Der Urlaubsanspruch ist deshalb der verkürzten wöchentlichen Arbeitsverpflichtung anzupassen, da das Verhältnis von Arbeits- und Urlaubstagen ansonsten aus dem Gleichgewicht geraten würde. Die Umrechnung führt zu dem Ergebnis, daß der Klägerin lediglich ein Urlaubsanspruch von 27 Arbeitstagen im Jahr 1997 zustand.

24

Dem Vortrag der Parteien kann nicht entnommen werden, daß die Klägerin im Jahre 1997 mit den ihr gewährten 27 Urlaubstagen keinen zeitlich gleichwertigen Urlaub von 6 Wochen erhalten hat. Zwar würde sie tatsächlich lediglich 5 1/2 Wochen Urlaub gehabt haben, wenn sie ihren Urlaub in 2 Blöcken a 3 Wochen genommen hätte, der jeweils montags mit der Frühschicht begonnen hat. Dem Vortrag der Klägerin kann jedoch nicht entnommen werden, daß dies der Fall war.

25

Die theoretische Möglichkeit der fehlenden Gleichwertigkeit bei einer Umrechnung des Urlaubs führt nicht zwingend dazu, daß die Beklagte in jedem Falle zumindest 30 Arbeitstage Urlaub gewähren muß. Vielmehr ist die Beklagte verpflichtet, den Urlaub ihrer Arbeitnehmer gemäß Ziffer 68 MTN so festzulegen, daß eine Freizeit von insgesamt zumindest 6 Wochen gewährleistet ist.

26

Die Klägerin wird im übrigen darauf hingewiesen, daß sie mit einem Urlaubsanspruch von 27 Tagen unter Umständen sogar mehr als 6 Kalenderwochen Urlaub erhalten kann. Dies ist nämlich dann der Fall, wenn sie 2 Urlaubsblöcke a 3 Wochen nimmt, wenn der Urlaubsanfang jeweils in einer Woche liegt, in der sie schichtplanmäßig Nachtschicht hätte.

27

Die Berufung der Klägerin war mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

28

Die Zulassung der Revision beruht auf den §§ 72 Abs. 2 Nr. 1, 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG.

Leibold
Bley
Decker