Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.04.1998, Az.: 13 Sa 1961/97
Zahlung von Pausenvergütung zusätzlich zum Verdienstsicherungsbetrag; Gewährung einer Pausenvergütung nach Betriebsvereinbarung als ständige Zulage dafür, daß die Pause nicht zeitlich festgelegt ist und entsprechend dem Betriebsablauf zu nehmen ist; Pausenvergütung als Erschwerniszulage
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 21.04.1998
- Aktenzeichen
- 13 Sa 1961/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 16000
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1998:0421.13SA1961.97.0A
Rechtsgrundlage
- § 9 MTV
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 21.04.98
durch
den Vorsitzenden ... und
die ehrenamtlichen Richter ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg, 4 Ca 53/97, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.718,40 DM festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin meint, daß die Beklagte ihren tariflichen Anspruch auf Verdienstsicherung älterer Arbeitnehmer nicht in vollem Umfang erfüllt und sie Anspruch auf eine zusätzliche monatliche Zahlung von 214,40 DM hat, die sie beginnend ab Dezember 1995 mit der vorliegenden Klage geltend macht.
Die 1941 geborene Klägerin war ursprünglich als Angestellte beschäftigt und bezog im Monat August 1995 ein Grundgehalt von 3.301,00 DM und eine Leistungzulage von 314,00 DM, zusammen 3.615,00 DM. Zum 01.12.1995 wurde sie in die Pförtnerabteilung versetzt.
Unstreitig hat die Klägerin Anspruch auf Verdienstsicherung nach § 9 des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte der Metallindustrie des nordwestlichen Niedersachsens, Verbandsgruppe Oldenburg (im folgenden: MTV), die Verdienstsicherung beträgt 3.662,00 DM.
Ab 01.12.1995 zahlte die Beklagte einen Grundlohn von 2.795,00 DM, eine Leistungszulage von 421,06 DM, unter der Bezeichnung "Vertreterzulage" einen Verdienstsicherungsbetrag von 231,54 DM und eine Pausenvergütung von 214,40 DM, insgesamt 3.662,00 DM. Streitgegenstand ist die Pausenvergütung, die nach Auffassung der Klägerin zusätzlich zum Verdienstsicherungsbetrag von 3.662,00 DM zu zahlen ist.
Die Pausenvergütung beruht auf der Betriebsvereinbarung vom 25.03.1988 (Bl. 34 d.A.). Sie gilt für Arbeitnehmer, für die keine festen Pausenzeiten festgelegt sind, u. a. für Pförtner. Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung lautete:
Die unter Ziffer 1 Genannten haben Anspruch auf eine bezahlte Pause von 30 Minuten/Schicht, die nicht als Arbeitszeit gilt und im Einzelfall so zu legen ist, daß hierdurch keine Störung des Betriebsablaufes eintritt.
Dafür, daß beim Pförtnerdienst der Arbeitsplatz während der Pause von 30 Minuten nicht verlassen werden darf, erhält die Klägerin neben dem abgesicherten Betrag unter der Lohnart Bereitschaftsdienst einen finanziellen Ausgleich in Höhe von 25 % des Stundenlohns.
Die Klägerin hat ihre Ansprüche erstmals mit Schreiben vom 28.11.1996 (Bl. 30 d.A.) geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, die Pausenvergütung sei Ausgleich für besondere Erschwernisse, um diese Erschwerniszulage könne das altersgesicherte Gehalt nicht gemindert werden.
Die Klägerin hat beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.572,80 DM brutto nebst 8 % Zinsen jeweils auf die Nettorückstände seit Dezember 1995 aus 214,40 DM monatlich zu zahlen,
- 2.
an die Klägerin jeweils monatlich mit dem Bruttogehalt 214,40 DM ab Januar 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die tarifliche Regelung ergebe keine Grundlage dafür, die übertarifliche Zulage Pausenvergütung bei der Berechnung des altersgesicherten Betrages unberücksichtigt zu lassen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung trägt die Klägerin vor, bei der Berechnung des Verdienstsicherungsbetrages blieben die monatlichen Mehrarbeitszuschläge unberücksichtigt. Das bedeute aber, daß die funktionsgebundenen Zulagen weiter gezahlt werden, wenn sie an dem altersgesicherten Arbeitsplatz anfielen. Andernfalls stünde der altersgesicherte Arbeitnehmer schlechter als die Arbeitskollegen, die für besondere Erschwernisse besondere Vergütungen erhielten. Weil erschwernisbezogene Zuschläge bei der Ermittlung des Alterssicherungsbetrages nicht berücksichtigt würden, seien sie dort zusätzlich zu zahlen, wo die Erschwernisse anfielen. Hinzu komme, daß die Zahlung der Pausenvergütung auf Betriebsvereinbarung beruhe, der altersgesicherte Arbeitnehmer, der ein höheres Gehalt mitbringe als in der Pförtnerei üblicherweise gezahlt werde, sei tatsächlich von dieser Betriebsvereinbarung ausgenommen. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung.
Die Klägerin beantragt,
- 1)
das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 26.8.97, AZ: 4 Ca 53/97, abzuändern,
- 2)
nach den Schlußanträgen 1. Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung das arbeitsgerichtliche Urteil.
Gründe
Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat neben dem Verdienstsicherungsbetrag von 3.662,00 DM keinen Anspruch auf zusätzliche Pausenvergütung von 214,40 DM.
Die maßgebliche tarifliche Vorschrift des § 9,überschrieben mit "Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer" lautet:
2.1 Anspruchsvoraussetzung
Angestellte, die im 55. Lebensjahr stehen oder älter sind und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 5 Jahre angehören, haben eine Verdienstsicherung nach folgenden Bestimmungen:
2.2 Beginn des Anspruchs
Für Angestellte, die dem Betrieb oder Unternehmen 5 Jahre angehören und in der Zeit vom 1. bis einschließlich 15. eines Monats das 54. Lebensjahr vollenden, beginnt die Verdienstsicherung ab 1. des jeweiligen Monats.
Für Angestellte, die dem Betrieb oder Unternehmen 5 Jahre angehören und in der Zeit vom 16. bis zum Ende eines Monats das 54. Lebensjahr vollenden, beginnt die Verdienstsicherung ab 1. des folgenden Monats.
Für Angestellte, die nach Vollendung des 54. Lebensjahres die Voraussetzung der 5-jährigen Betriebs- oder Unternehmenszugehörigkeit erfüllen, beginnt die Verdienstsicherung mit dem 1. des Monats, der nach Erfüllung der 5jährigen Betriebs- oder Unternehmenszugehörigkeit folgt.
2.3 Höhe der Verdienstsicherung
Maßgebend für die Höhe der Verdienstsicherung ist der monatliche Durchschnittsverdienst.
Im Falle von Kurzarbeit während der Verdienstsicherung wird entsprechend der Kurzarbeit der abzusichernde monatliche Durchschnittsverdienst unter Beachtung der Bestimmungen des Manteltarif Vertrages (Kurzarbeit) gekürzt.
2.4 Berechnung des Durchschnittsverdienstes
Als Bezugszeitraum für die Berechnung des monatlichen Durchschnittsverdienstes gelten die letzten abgerechneten 12 Kalendermonate vor Eintritt der Anspruchsvoraussetzung. Der monatliche Durchschnittsverdienst wird auf der Grundlage der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit errechnet. Dabei bleiben jedoch Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld, Jubiläumsgeld u.ä.), Trennungsgelder, Fahrtkosten, zusätzliche Urlaubsvergütung, Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge sowie die nicht ständigen Zulagen bzw. Zuschläge unberücksichtigt. Weiter bleiben Ausgleichsbeträge für aushilfsweise Tätigkeiten oder vorübergehende Stellvertretung außer Betracht.
Bezieht ein Angestellter schwankende Gehaltsanteile wie Prämie, errechnet sich der Verdienst aus dem monatlichen Durchschnitt der letzten abgerechneten 36 Kalendermonate vor Eintritt der Anspruchsvoraussetzung.
Durch nicht erzwingbare Betriebsvereinbarung können andere Berechnungszeiträume vereinbart werden.
Bei tariflichen Gehaltserhöhungen im Berechnungszeitraum ist vom erhöhten Verdienst auszugehen. Zukünftige Tarifgehaltserhöhungen sind entsprechend zu berücksichtigen.
Während unter 2.4 die Berechnung des Verdienstsicherungsbetrages - hier unstreitig 3.662,00 DM - detailliert geregelt ist, gibt es keine tarifliche Bestimmung darüber, welche Lohnbestandteile der tariflichen oder sonstigen Vergütung bei der Berechnung des Ausgleichsbetrages zu berücksichtigen sind. Die damit erforderliche Auslegung hat zu erfolgen nach dem Wortlaut des Tarifvertrages und insbesondere unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung.
Bereits aus der Überschrift zu § 9 MTV, "Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer", die Teil der tariflichen Vorschrift ist, folgt: Die Verdienstsicherung soll ältere Arbeitnehmer davor schützen, durch altersbedingte Leistungsabnahme Verdiensteinbußen zu erleiden. Mit dieser Zielsetzung ist eine Besserstellung auf der Vergütungsseite, erhöhte Lohnbezüge durch Verdienstsicherung, nicht zu vereinbaren (BAG AP Nr. 8 zu§ 4 TVG Verdienstsicherung; BAG vom 15.10.1997, 3 AZR 433/96). Der Wortlaut, Überschrift zu § 9 MTV, und der daraus folgende grob umrissene Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen damit für eine umfassende Berücksichtigung des zustehenden tariflichen oder sonstigen Entgelts.
Weitere Anhaltspunkte ergeben sich aus 2.4, der Berechnungsvorschrift des Verdienstsicherungsbetrages. Diese Berechnung erfolgt nach dem monatlichen Durchschnittsverdienst der letzten 12 Monate auf der Grundlage der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit ohne z. B. Sonderzahlungen, Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschlägen sowie ohne nicht ständige Zulagen bzw. Zuschläge. Verdienstgesichert sind damit nicht nur die tarifliche Grundvergütung, sondern auch sonstige Vergütungsbestandteile wie übertarifliche Vergütungen, ständig gezahlte Zulagen bzw. Zuschläge. Dieser umfassenden Verdienstsicherung muß entsprechen eine umfassende Berücksichtigung aller Verdienste auf dem neuen Arbeitsplatz, die auf der Grundlage der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit bezogen werden.
Die Pausenvergütung, die nach Betriebsvereinbarung als ständige Zulage dafür gewährt wird, daß die Pause nicht zeitlich festgelegt ist und entsprechend dem Betriebsablauf zu nehmen ist, wäre für die Berechnung des Verdienstsicherungsbetrages zu berücksichtigen. Sie ist umgekehrt als Verdienst anzurechnen bei der Berechnung eines Ausgleichsbetrages. Da sie als ständige Zulage und fester Vergütungsbestandteil der Klägerin zufließt, ist eine Anspruchsgrundlage dafür nicht ersichtlich, daß sie neben dem Verdienstsicherungsbetrag zu zahlen ist. Eine finanzielle Besserstellung ist durch die Verdienstsicherung gerade nicht gewollt.
Die Besonderheit der vorliegenden Pausenvergütung rechtfertigt keine andere Auslegung. Ob diese Vergütung als Erschwerniszulage zu bezeichnen ist, ist unerheblich. Der Tarifvertrag unterscheidet im § 9 nicht zwischen Erschwerniszulagen und sonstigen Zulagen, sondern nur zwischen ständigen und nicht ständigen Zulagen. Auch der Sinn und Zweck der Regelung läßt keine entsprechende Differenzierung zu. Mit einer Arbeit verbundenen Erschwernisse können ausgeglichen werden durch tarifliche Einstufung oder durch Zulagen. Entsprechende Erschwernisse, die durch Eingruppierung oder Zulagen ausgeglichen werden, können auf dem bisherigen und auf dem neuen Arbeitsplatz vorhanden sein. Dem Zweck der Verdienstsicherung, altersbedingten Verdienstausfall auszugleichen, entspricht dann aber der Vergleich der jeweiligen ständigen Gesamtverdienste. Dies muß unabhängig davon gelten, ob der Verdienstsicherungsbetrag oder die neue Vergütung aufgrund besonderer Erschwernisse erzielt wird.
Die Pausenvergütung stellt auch keine Mehrarbeitsvergütung dar. Aus Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung folgt, daß die Pause gewährt wird, allerdings nicht zeitlich festgelegt, sondern variabel nach Betriebsablauf. Eine Verlängerung der Arbeitszeit und damit Mehrarbeit ist nicht gegeben. Die zusätzliche Belastung, die dadurch entsteht, daß der Pförtner während der Pausenzeit arbeitsbereit sein muß, den Arbeitsplatz nicht verlassen darf, wird nicht durch die Pausenvergütung, sondern durch Bereitschaftsdienstvergütung ausgeglichen. Diese Bereitschaftsdienstvergütung erhält die Klägerin zusätzlich ohne Anrechnung auf den Verdienstsicherungsbetrag.
Da die Berufung zurückzuweisen war, trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsmittels, § 97 ZPO. Die Streitwertentscheidung des Arbeitsgerichts war zu korrigieren. Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG zu berechnen nach dem Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrages, bis zur Klageerhebung entstandene Rückstände werden nicht hinzugerechnet. Der Streitwert beträgt damit 7.718,40 DM.