Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.04.1998, Az.: 5 Sa 1183/97
Tarifvertragliche Festlegung der einhundertprozentigen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch § 6 Abschnitt III des Rahmentarif Vertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 27.04.1998
- Aktenzeichen
- 5 Sa 1183/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 10772
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1998:0427.5SA1183.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Nienburg - 13.05.1997 - AZ: 1 Ca 361/97
Rechtsgrundlage
- § 6 Abschnitt III RTV
Verfahrensgegenstand
Forderung
Amtlicher Leitsatz
§ 6 Abschnitt III des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland v. 14. September 1993 enthält als Rechtsnorm eine konstitutive Verweisung auf die bei Inkrafttreten des Tarifvertrages geltenden Bestimmungen des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) vom 27. Juli 1969 und schreibt die einhundertprozentige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall tarifvertraglich fest.
In dem Rechtsstreitverfahren
...
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht ... und
der ehrenamtlichen Richter ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. April 1998
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 13. Mai 1997 - 1 Ca 361/97 - geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 944,06 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 19. März 1997 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum von Oktober bis November 1996, in dem der Kläger arbeitsunfähig erkrankt war, restliches Entgelt in der unstreitigen Höhe von 944,06 DM schuldet. Der Kläger ist bei der Beklagten als Maurer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Verbands Zugehörigkeit u. a. der: Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 14. September 1993 (RTV) Anwendung. § 6 RTV, auf dessen Inhalt im übrigen Bezug genommen wird, regelt die Lohnfortzahlung bei, wie die Überschrift lautet, Arbeitsausfall. Abschnitt III dieser Tarifvertragsbestimmung lautet unter der Überschrift "Arbeitsanfall infolge Krankheit"
Es gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfall.
Der Streit der Parteien hat seine Ursache darin, daß die Beklagte meint, sie schulde dem Kläger für die Dauer seiner Erkrankungen vom 01. bis 25. Oktober und vom 14. bis 22. November 1996 gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) in der ab 01. Oktober 1996 geltenden Fassung Entgeltfortzahlung in Höhe von 80 v.H. des dem Kläger bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts, während der Kläger die Auffassung vertritt, die Beklagte schulde ihm gemäß § 6 Abschnitt III RTV Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 v.H.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt und den Streitwert auf 944,06 DM festgesetzt.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht u. a. ausgeführt, § 6 Abs. 3 RTV verweise hinsichtlich der Ansprüche des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur auf die jeweilige gesetzliche Regelung, ohne eigenständige tarifliche Ansprüche zu begründen. Die Beklagte habe die Entgeltfortzahlung daher zutreffend unter Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzahlungsG berechnet.
Werde in Tarifverträgen auf gesetzliche Vorschriften verwiesen, komme dem regelmäßig kein eigenständiger Regelungscharakter zu. Es handele sich nur um eine deklaratorische Verweisung, die als neutrale Norm über die Rechtslage informieren solle und lediglich der Klarstellung des bei Abschluß des Tarifvertrages geltenden Rechtszustandes diene. Eigenständige tarifliche Bedeutung komme solchen Normen nicht zu. Sie nähmen nur die gesetzliche Regelung in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug.
Konstitutiven Charakter hätten tarifliche Normen im allgemeinen nur, wenn sie eine im Gesetz nicht oder anders enthaltene Regelung treffen oder eine gesetzliche Regelung übernehmen wollten, die sonst nicht für die betroffenen Arbeitsverhältnisse gelten würde. Etwas anderes gelte nur, wenn der Wille der Tarifvertragsparteien, eine eigenständige Regelung zu treffen, im Tarifvertrag hinreichend erkennbar Ausdruck gefunden habe.
Anhaltspunkte für einen derartigen Willen der Vertragspartner gebe es hier nicht. Hinsichtlich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall habe nämlich jedenfalls seit Inkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes 1969 kein Regelungsbedarf mehr bestanden. Die gesetzliche Regelung habe von den Arbeitsvertragsparteien nicht zu Ungunsten der Arbeiter verändert werden können. Von der Möglichkeit, die Berechnung des fortzuzahlenden Lohns abweichend vom Gesetz zu regeln, hätten die Tarifvertragsparteien keinen Gebrauch gemacht.
Außerdem hätte es, so meint das Arbeitsgericht weiter, angesichts der bereits 1993 einsetzenden Diskussion um zu hohe Lohnnebenkosten und der dadurch ausgelösten Gefährdung des Standorts Deutschland, die Anlaß zu der Vermutung gegeben habe, daß gerade die immer wieder kritisierte volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall neu geregelt würde, nahegelegen, bei Abschluß des RTV im September 1993 deutlich zu machen, daß die Tarifvertragsparteien eine eigenständige Regelung über die Ansprüche im Krankheitsfall treffen wollten. Dies gelte um so mehr, als seit 1988 aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Januar 1988 (AP Nr. 24 zu § 622 BGB) bekannt gewesen sei, daß bei Verweisung auf gesetzliche Bestimmungen ein eigenständiger Regelungswille der Tarifpartner erkennbar sein müsse, um eine konstitutive Regelung zu schaffen.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 23. Mai 1997 zugestellt worden ist, hat der Kläger mit einem am 23. Juni 1997 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt, die er, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 05. September 1997 verlängert worden war, mit einem am 05. September 1997 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten begründet hat. Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe § 6 Abschnitt III RTV unzutreffend ausgelegt. Er begründet unter Darstellung von Rechtsprechung und Literatur ausführlich, weswegen es sich bei § 6 Abschnitt III RTV nicht nur um eine deklaratorische, sondern um eine konstitutive Regelung handele, die inhaltlich die Lohnfortzahlungspflicht so festschreibe, wie sie in Artikel 1 des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) vom 27. Juli 1969 im 1. Abschnitt "Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle" geregelt war. Zur Darstellung der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 04. September 1997 (Bl. 26 bis 35 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 13. Mai 1997 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 944,06 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19. März 1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, die Auslegung des § 6 Abschnitt III RTV lasse keine andere Interpretation zu als die, daß es sich hier um eine deklaratorische Verweisung handele, so daß die für den Klagezeitraum geltende gesetzliche Regelung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzahlungsG in der ab 01. Oktober 1996 geltenden Fassung) maßgebend sei. Zur Darstellung aller Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom. 26. September 1997 (Bl. 38 bis 42 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die aufgrund der Höhe des Wertes des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.
Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit der Parteien unzutreffend entschieden. Der Kläger hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 v.H.
Für den Fall des Arbeitsausfalls infolge Krankheit heißt es in § 6 Abschnitt III RTV: "Es gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfall." Es galt damals (im September 1993) das Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) vom 27. Juli 1969. An die Stelle des Lohnfortzahlungsgesetzes ist ab 01. Juni 1994 das Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) vom 26. Mai 1994 getreten, dessen § 4 Abs. 1 (neben dessen § 3 Abs. 1 Satz 1) mit Wirkung vom 01. Oktober 1996 neu gefaßt worden ist. Während aufgrund der bis zum 30. September 1996 geltenden Rechtslage eine Arbeitsentgeltfortzahlung in Höhe von 100 v.H. erfolgte, bestimmt § 4 des Entgeltfortzahlungsgesetzes in der ab 01. Oktober 1996 geltenden Fassung, daß die Höhe der Entgeltfortzahlung nur noch 80 v.H. des dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts beträgt.
In § 6 Abschnitt III haben die Tarifvertragsparteien die Bestimmungen des Art. 1 1. Abschnitt des Lohnfortzahlungsgesetzes als Tarifrecht vereinbart. Bei der von den Tarifvertragsparteien gewählten Formulierung handelt es sich nicht nur um einen deklaratorischen Hinweis auf die geltenden und schon gar nicht auf die künftig geltenden gesetzlichen Bestimmungen. Verstanden lediglich als Mitteilung an die (tarifunterworfenen) Leser des Tarifvertrages ist der Satz "Es gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall" ohne jeden Sinn. Die Mitteilung, daß angesichts des Fehlens einer eigenen Regelung im Tarifvertrag ein entsprechend der Verfassung beschlossenes und im Bundesgesetzblatt ordnungsgemäß verkündetes Gesetz gelte, kann von ernstzunehmenden Tarifvertragsparteien nicht beabsichtigt gewesen sein, und zwar auch dann nicht, wenn angenommen wird, die Tarifvertragsparteien hätten die Tarifunterworfenen nur über die für ihre Arbeitsverhältnisse einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen unterrichten wollen. Wäre das der Fall gewesen, hätte es z. B. nahegelegen, auch auf das damals noch geltende Gesetz zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen hinzuweisen und sich nicht nur darauf zu beschränken, in § 4 Abschnitt II RTV lediglich eine Regelung über zu zahlende Zuschläge zu treffen. Sinnvollerweise kann § 6 Abschnitt III RTV daher nur so verstanden werden, daß die Tarifvertragsparteien bestimmen wollten, daß für den Arbeitsausfall infolge Krankheit die Bestimmungen des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall als Tarifrecht gelten sollen. Hätten die Tarifvertragsparteien lediglich über die kraft Gesetzes geltende Rechtslage informieren wollen, hätte es nahegelegen, den Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen wiederzugeben. Ein Verweis des Lesers auf ein Gesetz ohne Hinweis auf den Inhalt des Gesetzes ist nämlich nicht geeignet, dessen Verständnis für die tarifvertragliche Gesamtregelung zu fördern.
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z. B. im Urteil vom 05.10.1995 - 2 AZR 353/95 - NZA 1996 S. 325 ff.) führt im Gegensatz zur Auffassung der 2. und der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (Urteile vom 26.09.1997 - 2 Sa 1225/97 - und vom 26.01.1998 - 11 Sa 1968/97 -) nicht zu einem anderen Ergebnis. Das Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) meint, bei Tarifverträgen sei jeweils durch Auslegung zu ermitteln, inwieweit die Tarifvertragsparteien eine selbständige, d. h. in ihrer normativen Wirkung von der außertariflichen Norm unabhängige eigenständige Regelung hätten treffen wollen. Dieser Wille müsse im Tarifvertrag einen hinreichend erkennbaren Ausdruck gefunden haben. Das sei regelmäßig anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien eine im Gesetz nicht oder anders enthaltene Regelung träfen oder eine gesetzliche Regelung übernähmen, die sonst nicht für die betroffenen Arbeitsverhältnisse gelten würde. Für einen rein deklaratorischen Charakter der Übernahme spreche hingegen, wenn einschlägige gesetzliche Vorschriften wörtlich oder inhaltlich unverändert übernommen würden. In einem derartigen Fall sei bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, daß es den Tarifvertragsparteien bei der Übernahme des Gesetzestextes darum gegangen sei, im Tarifvertrag eine unvollständige Rechtslage zu vermeiden. Sie hätten dann die unveränderte gesetzliche Regelung im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit deklaratorisch in den Tarifvertrag aufgenommen, um die Tarifgebundenen möglichst umfassend über die zu beachtenden Rechtsvorschriften zu unterrichten.
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese in der Literatur vielfach kritisierte Rechtsprechung die Bedeutung tarifvertraglicher Regelungen als Rechtsnormen (§ 1 Abs. 1 TVG) und die Intentionen der Tarifvertragsparteien zutreffend erfaßt. Im vorliegenden Fall kann nämlich nicht angenommen werden, daß § 6 Abschnitt III RTV formuliert worden ist, um die Tarifgebundenen im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit möglichst umfassend über die zu beachtenden Rechtsvorschriften zu unterrichten. Das Lohnfortzahlungsgesetz war bei Abschluß des RTV im September 1993 so bekannt, daß es schwer vorstellbar ist, den Tarifvertragsparteien habe, die Notwendigkeit der Aufklärung der Tarifunterworfenen über ihre Rechte und Pflichten im Krankheitsfall vorgeschwebt. Es sind denn auch keine Anhaltspunkte für die Berechtigung der Sorge erkennbar, irgendein Beteiligter könne über seine Recht und Pflichten im Krankheitsfall nicht hinreichend informiert gewesen sein.
Bei der konstitutiven Regelung in § 6 Abschnitt III RTV handelt es sich nicht um eine Vereinbarung des Inhalts, daß die jeweils geltende gesetzliche Regelung über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Inhalt des Tarifvertrages sein soll. Wo die Tarifvertragsparteien künftig eintretende Änderungen berücksichtigen wollten, haben sie das durch die Wahl entsprechender Formulierungen zum Ausdruck gebracht. So heißt es z. B. in § 3 Nr. 8 RTV, die Arbeitszeit für Kraftwagenfahrer richte sich nach den EG-Bestimmungen in der jeweils gültigen Fassung, derzeit VO (EWG) 3820/85. In § 19 Nr. 1 RTV heißt es: "Für die Kündigung gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Die über vier Wochen hinausgehenden Kündigungsfristen gelten nur für die arbeitgeberseitige Kündigung. Die Kündigungsfrist beginnt in jedem Fall am Tage nach dem Zugang der Kündigung." In beiden Fällen kann es nicht zweifelhaft sein, daß es sich um eine sog. dynamische Verweisung handelt und daß die Tarifvertragsparteien wußten, was sie ausdrückten.
Es kann ferner nicht zweifelhaft sein, daß das Ergebnis der Auslegung des § 6 Abschnitt III RTV, nämlich die tarifvertragliche Festschreibung der 100 % igen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, dem übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien entsprochen hat. Zwar waren Klagen über einen vermeintlichen oder tatsächlichen Mißbrauch der Lohnfortzahlungsregelungen von seiten der Arbeitgeber keine Seltenheit. Eine Reduzierung der Lohnfortzahlung auf 80 % war jedoch nicht im Gespräch. Das am 01. Juni 1994 in Kraft getretene Entgeltfortzahlungsgesetz enthält denn auch keine Änderung in dieser Richtung. Die Vorstellung, die Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden habe durch Zustimmung zu einer nur deklaratorischen Verweisung dem Gesetzgeber die Möglichkeit zur Reduzierung der 100 % igen Lohnfortzahlung im Geltungsbereich des RTV einräumen wollen oder diese Möglichkeit akzeptiert, erscheint angesichts der Geschichte der Erkämpfung der Gleichstellung von gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten auf diesem Gebiet abwegig. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß die beteiligten Arbeitgeberverbände die Bestimmung des § 6 Abschnitt III RTV im Sinne einer deklaratorischen dynamischen Verweisung verstanden haben könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Streitwert ist unverändert.