Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.11.1998, Az.: 3 Sa 2237/97

Schadenserzsatzansprüche aufgrund der nicht erfolgten Übernahme des Klägers in ein Arbeitsverhältnis

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
13.11.1998
Aktenzeichen
3 Sa 2237/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 16991
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:1113.3SA2237.97.0A

In dem Rechtsstreit
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.98
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht und
die ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 02.09.1997 - 3 Ca 108/97 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.506,83 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 01.09.1998 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Nichtübernahme in ein Arbeitsverhältnis als Werkzeugmacher ab dem 01.02.1997 für die Dauer von sechs Monaten entstanden ist.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadenserzsatzansprüche aufgrund der nicht erfolgten Übernahme des Klägers in ein Arbeitsverhältnis.

2

Der am 09.01.1977 geborene Kläger absolvierte bei der Beklagten in der Zeit vom 01.08.1993 bis zum 31.01.1997 eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker. Auf das Vertragsverhältnis der Parteien fanden die Tarifverträge der Metallindustrie Anwendung.

3

Im Laufe des Jahres 1994 war der Kläger an 4 Arbeitstagen, im Kalenderjahr 1995 an 37 Arbeitstagen, im Kalenderjahr 1996 an 9 Arbeitstagen und im Kalenderjahr 1997 an 1 Arbeitstag arbeitsunfähig erkrankt. Wegen der einzelnen Erkrankungszeiträume wird auf die Aufstellung auf Seite 2 des Schriftsatzes der Beklagten vom 20.03.1997 (Bl. 12 d.A.) Bezug genommen. 25 Arbeitstage Fehlzeit entfallen dabei auf einen unfallbedingten, zwischenzeitlich ausgeheilten Knöchelbruch des Klägers.

4

Am 23.08.1996 versäumte der Kläger den Berufsschulunterricht. Die Beklagte mahnte ihn daraufhin mit Schreiben vom 04.09.1996 ab. Am 02.09.1996 verließ er das Werk der Beklagten ohne Erlaubnis und ohne Abmeldung während der Ausbildungszeit. In der Zeit vom 14.11. und 20.11.1996 war der Kläger für einen - freiwilligen - Ausbildungskurs angemeldet, nahm hieran aber nicht teil.

5

Das Abschlußzeugnis der Berufsschule vom 17.01.1995 weist folgende Leistungsbewertungen auf:

Deutschgut
Politikbefriedigend
Sportbefriedigend
Religiongut
Technologieausreichend
Mathematikmangelhaft
Techn. Kommunikation/ausreichend
Arbeitsplanung
6

Unter dem 31.01.1997 erteilte die Beklagte dem Kläger ein Ausbildungszeugnis, das die erreichte berufliche Qualifiktation mit "ausreichend" beurteilt. Der Kläger bestand sodann die Abschlußprüfung, und zwar mit folgenden Noten:

Kenntnisprüfung:ausreichend
Tätigkeitsprüfung:befriedigend
7

Der Kläger hat behauptet, am 23.08.1996 sei er dem Berufsschulunterricht nicht ohne Grund ferngeblieben. In der vorhergehenden Nacht habe er nämlich eine Autopanne erlitten, deren Behebung sich bis in die Morgenstunden des 23.08.1996 hingezogen habe. Da er danach erst gegen 11.00 Uhr vormittags zu Hause angekommen sei, habe er sich nicht mehr in die Berufsschule begeben. Diesen Sachverhalt habe er auch dem Gruppenleiter für die gewerbliche Ausbildung bei der Beklagten, Herrn Steiner, so mitgeteilt. Als er dann am 02.09.1996 erfahren habe, daß er gleichwohl eine schriftliche Abmahnung erhalten würde, sei er sehr erbost gewesen, was zu einer Trotzreaktion (Verlassen des Werkes) geführt habe.

8

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihn aufgrund des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung für die Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie im Bereich Osnabrück/Emsland (TV BS) in ein Beschäftigungsverhältnis zu übernehmen. Jedenfalls sei sie zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet, wobei von einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.727,00 DM zuzüglich einer Spätschichtzulage, somit insgesamt von einem Betrag von 3.913,50 DM auszugehen sei.

9

Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, mit ihm einen unbefristeten - hilfsweise auf mindestens 6 Monate befristeten - Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.02.1997 als Werkzeugmechaniker für die Abteilung Materialwirtschaft mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche und unter Eingruppierung in die Lohngruppe 5,5 abzuschließen;

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 23.481,00 brutto nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes zu zahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte hat behauptet, die schulischen Leistungen des Klägers seien mehrfach Gegenstand von Gesprächen mit dem Kläger gewesen, letztmalig am 14.08.1996. Als Herr ... den Kläger am 21.11.1996 auf die Nichtteilnahme am Ausbildungskurs angesprochen habe, habe der Kläger geantwortet, daß er am 14.11.1996 einen wichtigen Termin gehabt habe. Am 20.11.1996 habe er keine Lust gehabt, er sei müde gewesen, und das bringe dann nichts. Herr habe daraufhin sowohl dem Kläger als auch seinem Vater eindringlich verdeutlicht, daß dieses so nicht akzeptiert werden könne und daß der Kläger bei seinem Verhalten nichts zu erwarten habe.

12

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, es lägen beim Kläger in erheblicher Anzahl personenbedingte Gründe im Sinne von § 4 Ziffer 1 des TV BS vor, die einer Übernahme in ein Arbeitsverhältnis entgegenstünden. Bei den erreichten Noten könne das Prüfungsergebnis des Klägers auch nicht als "erfolgreich bestandene Abschlußprüfung" im Sinne von § 4 TV BS gewertet werden, da es bei weitem kein durchschnittliches Prüfungsergebnis darstelle.

13

Durch Urteil vom 02.09.1997 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt und den Streitwert auf 11.740,50 DM festgesetzt.

14

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme gemäß § 4 Ziffer 1 TV BS, weil er die Abschlußprüfung nicht erfolgreich im Sinne der Tarifnorm bestanden habe. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß die. Tarifvertragsparteien dem Begriff der "erfolgreich" bestandenen Prüfung keine besondere Bedeutung beimessen wollten. Vielmehr sei davon auszugehen, daß ein Übernahmeanspruch tatsächlich nur gegeben sein solle, wenn die Abschlußprüfung auch tatsächlich über das reine Bestehen hinaus mit einer Leistung abgeschlossen werde, in der das Leistungsmerkmal des erfolgreichen Bestehens hinreichend deutlich zum Ausdruck komme. Was unter dem Begriff "erfolgreich" zu verstehen sei, brauche im vorliegenden Fall nicht näher ausgeführt zu werden, denn der Kläger habe bei der Abschlußprüfung schon kein durchschnittliches Ergebnis erzielt.

15

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 57 bis 60 d.A.) Bezug genommen.

16

Das Urteil ist dem Kläger am 07.10.1997 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 05.11.1997 Berufung eingelegt und diese am 04.12.1997 begründet.

17

Der Kläger ist der Ansicht, unter dem Begriff "erfolgreich bestandene Abschlußprüfung" werde im allgemeinen lediglich das Bestehen einer Prüfung verstanden, nicht aber eine bestimmte Note. Unzutreffend sei auch die Bewertung des Arbeitsgerichts, die Noten befriedigend und ausreichend stellten kein "durchschnittliches" Ergebnis dar.

18

Auch personenbedingte Gründen stünden einer Übernahme gemäß TV BS nicht entgegen. Der Begriff "der personenbedingten Gründe" sei dabei synonym im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gemeint. Für die Beklagte sei seine Übernahme in ein befristetes Arbeitsverhältnis zumutbar gewesen. Krankheitsbedingte Fehlzeiten seien dabei grundsätzlich nicht geeignet, das Merkmal der "personenbedingten Gründe" im Sinne des Tarifvertrages zu erfüllen. Sollte die Beklagte nunmehr aus Gründen des Zeitablaufs nicht mehr in der Lage sein, die tarifliche Beschäftigungsverpflichtung zu erfüllen, sei sie zum Schadensersatz verpflichtet. Die Höhe des Schadens ergebe sich dabei aus der entgangenen Vergütung für 6 Monate. Der Kläger errechnet insoweit ein Nettoentgelt in Höhe von 13.700,94 DM. Hiervon bringt ein Abzug einen Betrag in Höhe von 3.475,11 DM als Arbeitslosengeldbezug für den Zeitraum vom 01.02. bis 18.06.1997 sowie bezogene Vergütung für den Zeitraum vom 01.05. bis 30.06.1997 in Höhe von 1.220,00 DM netto. Im Hinblick auf den im Juli 1997 bezogenen Wehrsold bringt der Kläger einen Betrag in Höhe von 837,00 DM netto in Abzug und verweist insoweit auf eine Bescheinigung der Bundeswehrverwaltungsstelle in den Niederlanden vom 12.08.1998 (überreicht mit Schriftsatz des Klägers vom 28.08.1998, Bl. 150 d.A.).

19

Nachdem der Kläger zunächst beantragt hat,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 02.09.1997 - Az. 3 Ca 108/97 - die Beklagte zu verurteilen, mit dem Kläger einen auf mindestens 6 Monate befristeten Arbeitsvertrag als Werkzeugmechaniker mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden unter Eingruppierung in die Lohngruppe 5.5 abzuschließen;

20

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 23.481,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

21

äußerst hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 23.481,- brutto abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld von DM 4.640,40 netto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Differenzbetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

22

beantragt er nunmehr,

unter Rücknahme der Berufung im übrigen,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 8.186,83 netto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

  2. 2.

    festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die sechsmonatige Nichtübernahme in ein Arbeitsverhältnis als Werkzeugmacher ab dem 01.02.1997 entstanden ist.

23

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Beklagte ist der Ansicht, unter personenbedingten Gründen im Sinne des Tarifvertrages seien solche zu verstehen, die aus der Sphäre des Auszubildenden herrührten. Bei dem vorliegenden Sachverhalt könne überhaupt kein Zweifel bestehen, daß in erheblicher Zahl personenbedingte Gründe im Sinne des § 4 Ziffer 1 TV BS gegeben seien, die der einer Übernahme in ein Arbeitsverhältnis für mindestens sechs Monate entgegenstünden.

25

Außerdem sei der Antrag des Klägers der Höhe nach nicht zutreffend, da nicht lediglich der Wehrsold in Höhe von 27,00 DM täglich in Abzug zu bringen sei, sondern ebenfalls die weiteren in der Bescheinigung vom 12.08.1996 genannten Vergütungsbestandteile.

26

Zudem sei der vermeintliche Schadensersatzanspruch des Klägers ohnehin gemäß § 21 Ziffer 2 in Verbindung mit § 1 Ziffer 3 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie im Bereich Osnabrück-Emsland vom 13.12.1996 verfallen.

Gründe

27

I.

Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO.

28

II.

Die Berufung ist nach Maßgabe der zuletzt gestellten Anträge des Klägers weitgehend begründet.

29

1.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das für den Antrag zu 2) erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO gegeben. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, alsbald festgestellt zu wissen, ob ihm aufgrund der Nichtübernahme in ein Arbeitsverhältnis für den Zeitraum vom 6 Monaten Schadensersatzansprüche zustehen. Der Kläger kann insoweit auch nicht auf die Möglichkeit der Erhebung einer Zahlungsklage verwiesen werden, da er einen etwaigen Schaden im Rahmen der Rentenversicherung oder bei dem Bezug weiterer Leistungen durch die Bundesanstalt für Arbeit derzeit nicht beziffern kann.

30

Die Klage ist im Rahmen der zuletzt gestellten Anträge des Klägers ganz überwiegend begründet.

31

a)

Die Beklagte ist gemäß den §§ 287, 280 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB verpflichtet, an den Kläger Schadensersatz in Höhe des in dem Zeitraum vom 01.02. bis 31.07.1997 entgangenen Verdienstes zu zahlen. Die Beklagte war zunächst durch die Verweigerung der Abgabe eines Übernahmeangebots in Schuldnerverzug geraten, nach Ablauf des Sechsmonatszeitraumes, ist ihr die Erfüllung der Verpflichtung gemäß § 4 Abs. 1 TV BS unmöglich geworden.

32

Die Beklagte war gemäß § 4 Abs. 1 TV BS verpflichtet, den Kläger für sechs Monate in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Die genannte Tarifbestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Übernahme von Auszubildenden

1.
Auszubildende werden im Grundsatz nach erfolgreich bestandener Abschlußprüfung für mindestens sechs Monate in ein Arbeitsverhältnis übernommen, soweit dem nicht personenbedingte Gründe entgegenstehen. Der Betriebsrat ist hierüber unter Angabe der Gründe zu unterrichten.

2.
Mit Zustimmung des Betriebsrats kann von der Verpflichtung gemäß Ziff. 1 abgewichen werden, wenn das Angebot eines Arbeitsverhältnisses wegen akuter Beschäftigungsprobleme im Betrieb nicht möglich ist oder der Betrieb über seinen Bedarf hinaus Ausbildungsverträge abgeschlossen hat".

33

Der Kläger erfüllt die persönlichen Voraussetzungen für eine Übernahme, da er die Abschlußprüfung bestanden hat. Die Kammer schließt sich nicht der Rechtsansicht des Arbeitsgerichts an, der Begriff der "erfolgreich" bestandenen Abschlußprüfung setze ein zumindest durchschnittliches Prüfungsergebnis voraus. Bei der genannten Formulierung handelt es sich vielmehr um einen Pleonasmus, wie er im Sprachgebrauch recht häufig anzutreffen ist. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, daß sich eine derartige Formulierung auch im Berufsbildungsbericht des Landes Sachsen-Anhalt beispielsweise auch aus dem Jahre 1996 findet. Das Adjektiv "erfolgreich" beschreibt den Eintritt eines bestimmten Erfolges, enthält aber für sich genommen keine definierte Leistungsbewertung auf einer bestimmten Bewertungsskala. Wenn die Tarifvertragsparteien neben dem großen Bestehen der Abschlußprüfung eine darüber hinausgehende, durch die Prüfung ausgewiesene Qualifikation der Auszubildenden hätten verlangen wollen, hätte es nahegelegen, diese Qualifikation - z. B. durch Benennung einer konkreten Abschlußnote - zu definieren. Bei einer Gleichsetzung des Begriffes "erfolgreich" mit dem Begriff "zumindest durchschnittlich" wäre dieser auch nicht hinreichend bestimmt. Denn es bedürfte einer Definition dessen, was als durchschnittlich anzusehen ist. Stellt man auf den Gesamtnotendurchschnitt der zu erreichenden Noten von sehr gut bis ungenügend ab, würde im übrigen das Abschlußzeugnis des Zeugnis mit der Durchschnittsnote 3,5 gerade dem Durchschnitt aller möglichen Notenwerte entsprechen. Ebensogut könnte man in diesem Zusammenhang auch auf die insgesamt tatsächlich erzielten Durchschnittsnoten abstellen, wobei sich dann wiederum die Frage stellte, auf welchen Zeitraum und auf welchen räumlichen Bereich abzustellen wäre. Insgesamt bleibt festzustellen, daß eine Tarifbestimmung, die mit dem Wort "erfolgreich" eine weitergehende persönliche Voraussetzung aufstellen würde, die bereits inhaltlich zu unbestimmt wäre.

34

Der Übernahme des Klägers standen auch keine personenbedingte Gründe entgegen. Unter dem Begriff "personenbedingte Gründe" im Sinne von § 4 Abs. 1 TV BS sind alle aus der Sphäre des Auszubildenden stammenden und damit auch verhaltensbedingte Gründe zu verstehen. Der genannte Begriff ist demgegenüber nicht etwa im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG auszulegen. Denn beim TV BS geht es nicht um die Frage, unter welcher Voraussetzung ein bereits bestehendes bestandsgeschütztes Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufgelöst werden kann, sondern darum, ob ein Arbeitsverhältnis überhaupt erst begründet werden soll. Die der Bestimmung des § 1 Abs. 2 KSchG zugrunde liegende Unterscheidung zwischen in der Person und in dem Verhalten liegenden Gründen entspricht nicht dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien. Es kann nicht angenommen werden, diese hätten etwa in Fällen grober Pflichtverletzungen, die sich auf die Durchführung eines Arbeitsverhältnisses belastender auswirken können als Gründe in der Person des Auszubildenden, dem Arbeitgeber keine Möglichkeit zur Ablehnung der Übernahme des Auszubildenden einräumen wollen. Dies korrespondiert auch mit der Systematik der genannten Tarifbestimmung, die in Abs. 2 Gründe aus der Sphäre des Arbeitgebers erfassen will, deren Berücksichtigung jedoch von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig macht, während in Abs. 1 Fälle erfaßt werden, in denen das Übernahmehindernis aus der Sphäre des Auszubildenden stammt, wobei hier lediglich eine Pflicht zur Unterrichtung des Betriebsrates besteht. Bei der Auslegung der genannten Tarifbestimmung ist auch auf deren Regelungszweck abzustellen, der zum einen darauf gerichtet ist, eine Anschlußarbeitslosigkeit nach Beendigung der Berufsausbildung zu vermeiden und zum anderen den Erwerb von Berufspraxis ermöglichen soll. Dabei haben die Tarifvertragsparteien die unterschiedlichen Interessen von Arbeitgeber und Auszubildenden gegeneinander abgewogen. Der Bestimmung liegt der Gedanke zugrunde, daß ein Übernahmeanspruch dann nicht bestehen soll, wenn dies dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, d. h. wenn solche Umstände in der Person oder dem Verhalten des Auszubildenden vorliegen, die einen zweckentsprechenden Vollzug des Arbeitsverhältnisses, auch unter dem Gesichtspunkt einer angemessen Arbeitsleistung und/oder einem vertragsgerechten Verhalten des übernommenen Auszubildenden, in Frage stellen können (BAG, Urteil vom 14.10.1997 - 7 AZR 298/96 -, Urteil vom 14.10.1997 - 7 AZR 811/96 - DB 98, 1469; BAG, Urt. vom 17.06.1998 - 7 AZR 443/97 -).

35

Die Tatsachen für eine derartige drohende Beeinträchtigung eines künftigen Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber darzulegen. Denn er macht einen vom Regelfall abweichenden Ausnahmetatbestand und damit eine rechtshindernde Einwendung geltend. Der Arbeitgeber genügt seiner Darlegungspflicht nicht mit dem bloßen Hinweis auf vergangene Ereignisse, wie etwa während des Ausbildungsverhältnisses eingetretene Fehlzeiten. Erforderlich ist vielmehr eine Prognose des Arbeitgebers, in welcher Weise und in welchem Ausmaß das Arbeitsverhältnis in seiner zukünftigen Durchführung durch unerwartete Fehlzeiten belastet sein werde. Hierfür können allerdings in der Vergangenheit liegende krankheitsbedingte Fehlzeiten ein Indiz sein (BAG, Urt. vom 14.10.1997 - 7 AZR 298/96 - a.a.O.). Die Fehlzeiten des Klägers sind jedoch nicht so erheblich, daß hieraus geschlossen werden könnte, daß er auch während eines sechsmonatigen befristeten Arbeitsverhältnisses in erheblichem Umfang krankheitsbedingt auffallen müßte. Wenn man einen unfallbedingten Erkrankungszeitraum im Jahre 1995 außer Betracht läßt, bleiben bezogen auf den gesamten Ausbildungszeitraum von mehr als drei Jahren nur 26 Fehltage. Es ist auch nicht etwa eine steigende Tendenz erkennbar. Die Beklagte hat ferner nicht dargelegt, daß bei dem Kläger eine Grunderkrankung vorliege, die erhebliche Fehlzeiten in der Zukunft wahrscheinlich machen könnte.

36

Auch die behaupteten Vertragsverletzungen des Klägers im Rahmen des Ausbildungsverhältnisses sind nicht so erheblich, daß die Beklagte nicht von einem zweckentsprechenden Vollzug des Arbeitsverhältnisses während des Sechsmonatszeitraums gemäß § 4 Abs. 1 TV BS ausgehen konnte. Dem Kläger könnte allenfalls ein einmaliges unentschuldigtes Fehlen während des Berufsschulunterrichts und ein einmaliges unberechtigtes Verlassen der Ausbildungsstätte vorgeworfen werden. Er ist wegen des erstgenannten Vorfalls auch abgemahnt worden. Weitere Vertragsverstöße haben sich aber nach Ausspruch der Abmahnung gerade nicht ereignet. Anhaltspunkte dafür, der Kläger werde während eines sechsmonatigen befristeten Arbeitsverhältnisses seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß erbringen, sind allein aufgrund dieser einzelnen Vorfälle nicht ersichtlich. Unerheblich ist der Vortrag der Beklagten, der Kläger habe - mangels Interesse - an einem Ausbildungskurs im Herbst 1996 nicht teilgenommen. Zum einen war dieser Ausbildungskurs nicht obligatorisch, zum anderen läßt die Nichtteilnahme des Klägers allenfalls auf ein gewisses Desinteresse an seiner Ausbildung schließen. Dieser Umstand erlaubt ebensowenig wie die recht schwachen schulischen Leistungen des Klägers die Prognose, er werde seine Arbeitsleistung nicht in der vertraglich geschuldeten Art. und Weise erbringen. Wenig aussagekräftig ist auch das von der Beklagten erstellte Ausbildungszeugnis. Immerhin bestätigt sie hiermit dem Kläger eine ausreichende berufliche Qualifikation, so daß er also auch nach diesem Zeugnis in der Lage sein dürfte, im Rahmen seines Ausbildungsberufes tätig zu werden, ganz abgesehen davon, daß es sich bei der Bewertung um eine subjektive, im einzelnen nicht mit Tatsachen begründete Bewertung der Beklagten handelt.

37

Die Beklagte hat die eingetretene Unmöglichkeit auch zu vertreten. Ein Verschulden der Beklagten könnte allenfalls dann ausscheiden, wenn sie bei ungeklärter Rechtslage und sorgfältiger Prüfung gewichtige Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von ihr vertretenen Rechtsmeinung gefunden hätte (vgl. BAG, Urt. vom 14.10.97 - 7 AZR 298/96 - a.a.O.). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte auf keine Anhaltspunkte verweisen können, die die von ihr vertretene Rechtsmeinung im Hinblick auf die Auslegung des Tarifvertrages als richtig erschienen ließen. Wenn sie in dieser Situation, als eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu den vorliegenden Entscheidungen erheblichen Rechtsfragen noch nicht vorlag, die tariflichen Bestimmungen ausschließlich in einem für sie günstigen Sinne aufgefaßt hat, handelte sie auf eigenes Risikio.

38

Damit muß die Beklagte den Kläger finanziell so stellen, als habe sie ihn in dem Zeitraum vom 01.02. bis 31.07.1997 gemäß § 4 Ziffer 1 TV BS beschäftigt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß sich für den Kläger ein hypothetischer Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 13.700,94 DM netto ergibt. Abzuziehen sind das bezogene Arbeitslosengeld und die im Zeitraum vom 01.05. bis 30.06.1997 erzielte anderweitige Vergütung. Ferner sind die während des Grundwehrdienstes im Juli 1997 erhaltenen Bezüge in Abzug zu bringen. Dabei ist jedoch - wie die Beklagte zu Recht rügt - nicht nur der Wehrsold zu berücksichtigen, sondern auch die in der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung vom 12.08.1998 der Bundeswehrverwaltungsstelle ausgewiesenen sonstigen Bezüge. Es verbleibt damit insgesamt ein Zahlungsbetrag von 7.506,83 DM netto.

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Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.

40

Die Zahlungsansprüche des Klägers sind auch nicht gemäß § 21 Ziffer 2 i.V.m. § 1 Ziffer 3 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie im Bereich Osnabrück-Emsland verfallen. Den Beschäftigungsanspruch hat der Kläger bereits mit Schriftsatz vom 05.02.1997 geltend gemacht. Schadensersatzforderungen konnte er erst geltend machen, nachdem feststand, daß die Beklagte ihn in dem Sechsmonatszeitraum des § 4 Abs. 1 TV BS nicht beschäftigt hatte. Zu diesem Zeitpukt war das Zahlungsbegehren des Klägers jedoch bereits längst anhängig. Damit kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob die genannte Ausschlußfrist auf Ansprüche auf dem TV BS überhaupt Anwendung findet.

41

b)

Aus den dargelegten Erwägungen ist auch das Feststellungsbegehren des Klägers begründet.

42

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

43

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG zuzulassen.